Verzerrte Steuer-Praxis
Text
Sascha Harold
Ausgabe
Nachdem Niederösterreich vor einigen Jahren beschlossen hat, die Einhebung der Lustbarkeitsabgabe den Gemeinden freizustellen, ist mit Jahreswechsel nun auch Oberösterreich nachgezogen. Was dort vielfach den Wegfall der Abgabe bedeutet, sorgt in St. Pölten noch für Achselzucken.
Denn während St. Pölten die Chancen einer generellen Reform bislang ungenutzt ließ, haben große oberösterreichische Städte wie Wels oder Linz ihre bestehenden Lustbarkeitsverordnungen reformiert. Zwar gab es zum Teil skurrile Aspekte – so hat Wels z.B. Handels- und Fachmessen von der Steuer befreit, bittet aber Tattoo-, Erotik- oder „sonstige derbe oder triviale Unterhaltungsmessen“ weiter zur Kasse, was die Opposition sogleich von „Sittenpolizei“ poltern ließ. Prinzipiell hat die mit St. Pölten vergleichbare oberösterreichische Stadt aber einen klaren Schritt Richtung Wirtschafts- und Tourismusförderung gesetzt. So schrieb der Welser Medienservice bereits im Jänner. „Bisher abgabenpflichtig, künftig aber ausgenommen, sind nun zum Beispiel auch diverse Kulturveranstaltungen (Theater, Konzerte, Tanzkunst, Vorträge etc.), Zirkusvorstellungen oder Fahrgeschäfte auf Volksfesten. Auch Kegel- oder Bowlingbahnen, Fußball-, Billard- und Airhockeytische oder Dartautomaten sind nun abgabenfrei.“ Kurzum, ein Gros von „Vergnügungen“, die in St. Pölten nach wie vor besteuert werden, außer man hat das Privileg, ein – wie in der diesbezüglichen Verordnung geregelt – von der Öffentlichkeit subventionierter Theaterbetrieb oder eine „gemeinnützige Gesellschaft“ zu sein. Diese sind nämlich von der Lustbarkeitsabgabe ausgenommen wie etwa Bühne im Hof, Landestheater, Festspielhaus oder Cinema Paradiso. Wenig verwunderlich, dass die privaten Betreiber der Stadt von Wettbewerbsverzerrung sprechen und „gleiches Recht für alle“, also ebenso eine Befreiung der Lustbarkeitsabgabe fordern. Zumal – siehe Wels & Co. – man nicht nur St. Pölten-intern im Wettbewerb steht, sondern eben auch zu anderen Städten. Auch in Linz sieht man die neue oberösterreichische Regelung vor allem als Gelegenheit, steuernd in den Wirtschaftsbetrieb einzugreifen. So meint FP-Vizebürgermeister Detlef Wimmer: „Die Reform der Lustbarkeitsabgabe sichert wichtige Einnahmen für die Stadt, gewährt aber auch teilweise Entlastungen – zum Beispiel für den Wirtschafts- und Tourismusstandort bei Messen, für Bälle und für die traditionelle Wirtshauskultur.” Der große Brocken Konzerte & Co. ist in Linz schon lange befreit! Auf Wettbetriebe kämen dagegen höhere Kosten zu. Insgesamt sei das Ziel zwar nicht, Mehreinnahmen zu lukrieren, verzichten könne man auf das Geld aber auch nicht.
Eine Frage der Förderung
In St. Pölten wird ähnlich argumentiert, aber anders agiert. Finanzdirektor Thomas Wolfsberger beziffert die Einnahmen aus der Lustbarkeitsabgabe auf insgesamt 250.000 Euro pro Jahr. Eine Summe, die sich nicht ohne weiteres kompensieren lasse: „Wenn die Gemeinde keine Lustbarkeitsabgabe einhebt, obwohl sie vom Gesetzgeber dazu ermächtigt ist, kann das Land dies als Argument nutzen, keine Bedarfszuweisungs-Mittel auszuzahlen.” Die Steuerautonomie sei also sehr eingeschränkt und der Zwang zur Einhebung nur indirekt passé – ein Standpunkt, der zuletzt auch von der SPÖ vertreten wurde, von der bis Redaktionsschluss jedoch kein Statement zu dem Thema zu bekommen war.
Dass die Förderungen des Landes stark am Ein- Ausgaben Verhalten der jeweiligen Gemeinden orientiert sind, ist kein Geheimnis. Daniel Kosak, Kommunikationsleiter des Gemeindebundes dazu: „In Niederösterreich ist es tatsächlich so, dass das Land darauf achtet, dass Gebühren- und Abgabenhaushalte sehr genau angeschaut werden bevor Bedarfszuweisungen zugesprochen werden.“ Dass aufgrund des Volumens der Abgabe ein echter Steuerwettbewerb entstehen könnte, sieht er nicht, warnt allerdings vor Steuerdumping zwischen Gemeinden.
Genau dies ist aber längst der Fall. Für die meisten Veranstalter ist es eine fundamentale Frage, ob die Steuer vor Ort eingehoben wird oder nicht. Konzertveranstalter Richard Hörmann, der mit Großkonzerten von Pink Floyd bis zu den Rolling Stones berühmt geworden ist und auch in St. Pölten früher veranstaltete, stellt dazu nüchtern fest: „Diese Abgabe ist einfach ein Anachronismus, den es so in ganz Europa nicht mehr gibt. Sie verhindert Veranstaltungen vor allem im DJ-Bereich, der mehr denn je Teil der Jugendkultur von heute ist.“
Gerade Konzerte eigenen sich gut, um diesen Effekt in der Praxis zu verdeutlichen. Während St. Pölten hier einen ermäßigten Steuersatz von 4,76% Prozent geltend macht, verzichten andere Landeshauptstädte wie Graz, Wien oder Linz, mit denen St. Pölten in Wahrheit im Wettbewerb steht, nämlich gänzlich darauf!
In Linz betont man diesbezüglich auch den Effekt nach innen. „Wir wollen als ÖVP das Freizeitangebot mit mehr selbst finanzierten Veranstaltungen attraktiveren und neue Veranstalter motivieren. Gerade für innovative und neue Veranstalter ist die Lustbarkeitsabgabe aber eine bürokratische Belastung!“, so die Linzer Wirtschaftsstadträtin Susanne Wegscheider.
Back to the past
Auch die St. Pöltner ÖVP interpretiert die Lustbarkeitsabgabe als eine Art Steuerungsmodul: „Die Lustbarkeitsabgabe ist eine Gebühr, die als standortpolitische Maßnahme gesehen werden kann.“ Ein Festhalten an den aktuellen Bestimmungen scheint deshalb nicht in Stein gemeißelt: „Wir haben schon öfters angeregt, für gewisse Fälle Ausnahmen zu machen – zum Beispiel Schülerbälle – und sind hier gesprächsbereit.“
Ein Ansatz, der bei FP-Gemeinderat Klaus Otzelberger ähnlich klingt: „Um bei Veranstaltungen wettbewerbsfähig gegenüber anderen Gemeinden zu bleiben, muss die Lustbarkeitsabgabe sicher immer wieder angepasst bzw. bei entsprechenden Veranstaltungen ganz ausgesetzt werden.” Als Beispiel nennt er z.B. das Frequency Festival. Auch die grüne Gemeinderätin Nicole Buschenreiter lässt dahingestellt, ob die Lustbarkeitsabgabe derzeit den gewünschten steuernden Effekt hat, sieht aber auch die Notwendigkeit der Einnahmen, während etwa Wolfgang Grabensteiner von den St. Pöltner NEOS die Abgabe schlicht als „ein Relikt aus dem vorigen Jahrtausend“ bezeichnet. Statt froh zu sein, dass Menschen fröhlich sind, „wird von der Stadt kassiert.“
Damit liegt er auf einer Wellenlänge mit Veranstalter-Legende Herbert Fechter, der es auch philosophisch betrachtet: „Wir leben in einer Zeit, in der die Menschen wenig zu lachen haben. Für die wenigen Stunden der Entspannung, des Lachens und der Unterhaltung auch noch Steuern bezahlen zu müssen, das ist einfach nicht mehr zeitgemäß.”
GESCHICKT BESTEUERT
Widerstand gegen die Lustbarkeitsabgabe kommt auch von Betrieben, die „Geschicklichkeitsapparate“ wie z. B. Billardtische, Darts und Bowlingbahnen betreiben. Laut Verordnung des St. Pöltner Gemeinderats werden dafür pro Monat 25 Euro eingehoben. Pro Gerät. „Wir betreiben neben 24 Bowlingbahnen und 12 Billardtischen auch andere Apparate, etwa einen Wuzzler oder einen Airhockey-Tisch. Seit Einführung der Abgabe haben wir über 50.000 Euro an den Magistrat überwiesen. Man kann also keineswegs von einer Bagatellabgabe sprechen“, so Michael Müllner, Geschäftsführer von NXP Bowling & Lasertron. Seit der Einführung der Abgabe im Jahr 2012 versucht er im Rathaus Verständnis für die Problematik zu schaffen: „St. Pölten schöpft die maximal mögliche Höhe der Abgabe laut Gesetz aus. Für den Wirten am Land mag es eine ärgerliche Kleinigkeit sein, wenn er für zwei Kegelbahnen 50 Euro im Monat zahlt. Aber für Betriebe, die in moderne, hochwertige Vergnügungsangebote investieren, stellt diese Abgabe ein echtes Problem dar. Die Gastronomie kämpft an vielen Fronten, hier nimmt man uns zusätzlich Spielräume, um in Innovationen und Instandhaltung zu investieren oder zusätzliches Personal aufzunehmen. Und gerade hier hätten es die St. Pöltner Gemeinderäte auch wirklich in ihrer eigenen Hand, jene Betriebe und Vereine zu entlasten, die sich um ein attraktives Freizeitangebot in St. Pölten kümmern“, appelliert Müllner an die Mandatare.
Auch Joana Strohmar, Chefin der S-Lounge, hat mit der Abgabe auf ihre Billardtische, Dart-Automaten und Wuzzler keine Freude. „Es bleibt ja nicht bei 25 Euro pro Billardtisch, es sind rundherum Abgaben und Steuern fällig. Die Gäste wissen gar nicht, welche Auflagen wir einhalten müssen und wie wenig von ihrem Umsatz für uns Unternehmer bleibt, um den ganzen Betrieb zu finanzieren. Die Stadt lebt nicht zuletzt von der Gastronomie! Mit dieser Abgabe macht man es uns einfach nur unnötig schwer!“ Als Einzelunternehmerin trifft sie die Abgabe mit rund 3.000 Euro pro Jahr.
Eine Frage der Förderung
In St. Pölten wird ähnlich argumentiert, aber anders agiert. Finanzdirektor Thomas Wolfsberger beziffert die Einnahmen aus der Lustbarkeitsabgabe auf insgesamt 250.000 Euro pro Jahr. Eine Summe, die sich nicht ohne weiteres kompensieren lasse: „Wenn die Gemeinde keine Lustbarkeitsabgabe einhebt, obwohl sie vom Gesetzgeber dazu ermächtigt ist, kann das Land dies als Argument nutzen, keine Bedarfszuweisungs-Mittel auszuzahlen.” Die Steuerautonomie sei also sehr eingeschränkt und der Zwang zur Einhebung nur indirekt passé – ein Standpunkt, der zuletzt auch von der SPÖ vertreten wurde, von der bis Redaktionsschluss jedoch kein Statement zu dem Thema zu bekommen war.
Dass die Förderungen des Landes stark am Ein- Ausgaben Verhalten der jeweiligen Gemeinden orientiert sind, ist kein Geheimnis. Daniel Kosak, Kommunikationsleiter des Gemeindebundes dazu: „In Niederösterreich ist es tatsächlich so, dass das Land darauf achtet, dass Gebühren- und Abgabenhaushalte sehr genau angeschaut werden bevor Bedarfszuweisungen zugesprochen werden.“ Dass aufgrund des Volumens der Abgabe ein echter Steuerwettbewerb entstehen könnte, sieht er nicht, warnt allerdings vor Steuerdumping zwischen Gemeinden.
Genau dies ist aber längst der Fall. Für die meisten Veranstalter ist es eine fundamentale Frage, ob die Steuer vor Ort eingehoben wird oder nicht. Konzertveranstalter Richard Hörmann, der mit Großkonzerten von Pink Floyd bis zu den Rolling Stones berühmt geworden ist und auch in St. Pölten früher veranstaltete, stellt dazu nüchtern fest: „Diese Abgabe ist einfach ein Anachronismus, den es so in ganz Europa nicht mehr gibt. Sie verhindert Veranstaltungen vor allem im DJ-Bereich, der mehr denn je Teil der Jugendkultur von heute ist.“
Gerade Konzerte eigenen sich gut, um diesen Effekt in der Praxis zu verdeutlichen. Während St. Pölten hier einen ermäßigten Steuersatz von 4,76% Prozent geltend macht, verzichten andere Landeshauptstädte wie Graz, Wien oder Linz, mit denen St. Pölten in Wahrheit im Wettbewerb steht, nämlich gänzlich darauf!
In Linz betont man diesbezüglich auch den Effekt nach innen. „Wir wollen als ÖVP das Freizeitangebot mit mehr selbst finanzierten Veranstaltungen attraktiveren und neue Veranstalter motivieren. Gerade für innovative und neue Veranstalter ist die Lustbarkeitsabgabe aber eine bürokratische Belastung!“, so die Linzer Wirtschaftsstadträtin Susanne Wegscheider.
Back to the past
Auch die St. Pöltner ÖVP interpretiert die Lustbarkeitsabgabe als eine Art Steuerungsmodul: „Die Lustbarkeitsabgabe ist eine Gebühr, die als standortpolitische Maßnahme gesehen werden kann.“ Ein Festhalten an den aktuellen Bestimmungen scheint deshalb nicht in Stein gemeißelt: „Wir haben schon öfters angeregt, für gewisse Fälle Ausnahmen zu machen – zum Beispiel Schülerbälle – und sind hier gesprächsbereit.“
Ein Ansatz, der bei FP-Gemeinderat Klaus Otzelberger ähnlich klingt: „Um bei Veranstaltungen wettbewerbsfähig gegenüber anderen Gemeinden zu bleiben, muss die Lustbarkeitsabgabe sicher immer wieder angepasst bzw. bei entsprechenden Veranstaltungen ganz ausgesetzt werden.” Als Beispiel nennt er z.B. das Frequency Festival. Auch die grüne Gemeinderätin Nicole Buschenreiter lässt dahingestellt, ob die Lustbarkeitsabgabe derzeit den gewünschten steuernden Effekt hat, sieht aber auch die Notwendigkeit der Einnahmen, während etwa Wolfgang Grabensteiner von den St. Pöltner NEOS die Abgabe schlicht als „ein Relikt aus dem vorigen Jahrtausend“ bezeichnet. Statt froh zu sein, dass Menschen fröhlich sind, „wird von der Stadt kassiert.“
Damit liegt er auf einer Wellenlänge mit Veranstalter-Legende Herbert Fechter, der es auch philosophisch betrachtet: „Wir leben in einer Zeit, in der die Menschen wenig zu lachen haben. Für die wenigen Stunden der Entspannung, des Lachens und der Unterhaltung auch noch Steuern bezahlen zu müssen, das ist einfach nicht mehr zeitgemäß.”
GESCHICKT BESTEUERT
Widerstand gegen die Lustbarkeitsabgabe kommt auch von Betrieben, die „Geschicklichkeitsapparate“ wie z. B. Billardtische, Darts und Bowlingbahnen betreiben. Laut Verordnung des St. Pöltner Gemeinderats werden dafür pro Monat 25 Euro eingehoben. Pro Gerät. „Wir betreiben neben 24 Bowlingbahnen und 12 Billardtischen auch andere Apparate, etwa einen Wuzzler oder einen Airhockey-Tisch. Seit Einführung der Abgabe haben wir über 50.000 Euro an den Magistrat überwiesen. Man kann also keineswegs von einer Bagatellabgabe sprechen“, so Michael Müllner, Geschäftsführer von NXP Bowling & Lasertron. Seit der Einführung der Abgabe im Jahr 2012 versucht er im Rathaus Verständnis für die Problematik zu schaffen: „St. Pölten schöpft die maximal mögliche Höhe der Abgabe laut Gesetz aus. Für den Wirten am Land mag es eine ärgerliche Kleinigkeit sein, wenn er für zwei Kegelbahnen 50 Euro im Monat zahlt. Aber für Betriebe, die in moderne, hochwertige Vergnügungsangebote investieren, stellt diese Abgabe ein echtes Problem dar. Die Gastronomie kämpft an vielen Fronten, hier nimmt man uns zusätzlich Spielräume, um in Innovationen und Instandhaltung zu investieren oder zusätzliches Personal aufzunehmen. Und gerade hier hätten es die St. Pöltner Gemeinderäte auch wirklich in ihrer eigenen Hand, jene Betriebe und Vereine zu entlasten, die sich um ein attraktives Freizeitangebot in St. Pölten kümmern“, appelliert Müllner an die Mandatare.
Auch Joana Strohmar, Chefin der S-Lounge, hat mit der Abgabe auf ihre Billardtische, Dart-Automaten und Wuzzler keine Freude. „Es bleibt ja nicht bei 25 Euro pro Billardtisch, es sind rundherum Abgaben und Steuern fällig. Die Gäste wissen gar nicht, welche Auflagen wir einhalten müssen und wie wenig von ihrem Umsatz für uns Unternehmer bleibt, um den ganzen Betrieb zu finanzieren. Die Stadt lebt nicht zuletzt von der Gastronomie! Mit dieser Abgabe macht man es uns einfach nur unnötig schwer!“ Als Einzelunternehmerin trifft sie die Abgabe mit rund 3.000 Euro pro Jahr.