MFG - Park? Platz? Problem?
Park? Platz? Problem?


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Park? Platz? Problem?

Ausgabe 09/2014

Ein bisschen kommt es einem vor, als würde man auf Zeit spielen – nach wie vor harrt man der Präsentation des Architektenvorschlages für die Domplatzneugestaltung sowie der damit einhergehenden Beantwortung der Gretchenfrage: Parkplätze ja oder nein, und wenn ja – wie viele?

Derweil gibt man sich auch innerhalb der Bevölkerung der Spekulationslust hin, wobei eine Frage immer wieder auftaucht: Warum ist eigentliche eine Tiefgarage unter dem Domplatz kein Thema? Für einen Alt-St. Pöltner wie Baumeister Sepp Weidinger, der noch erlebte, wie am Herrenplatz (am Rathausplatz sowieso) geparkt wurde und am Riemerplatz die Autos brausten, völlig unverständlich. „Ich habe bereits Anfang der 70’er Jahren gemeinsam mit Julius Eberhardt ein Parkraumkonzept entwickelt – damals war ganz klar, dass auf Sicht drei Standorte für eine Tiefgarage Sinn machen: Der Bahnhof – wo nunmehr das Parkhaus entsteht; der Rathausplatz, der umgesetzt wurde, aber leider zu klein;  und der Domplatz. Das versteht doch keiner, dass das dort nicht möglich sein soll.“ 
Weidinger spricht damit vielen aus der Seele, welche ebenso wenig nachvollziehen können, dass der Platz – nachdem er alsbald archäologisch dokumentiert ist – einfach wieder zugeschüttet wird und nur oberflächlich gestaltet werden darf. Der Grund dafür liegt in einem Bescheid des Bundesdenkmalamtes, welches Teile des Domplatzes (nicht den ganzen) als erhaltungswürdiges Bodendenkmal klassifiziert hat. Was unter dem sperrigen Terminus zu verstehen ist, erläutert der Abteilungsleiter für Archäologie des Bundesdenkmalamtes, Univ. Doz. Dr. Bernhard Herbert: „Laut Denkmalschutz handelt es sich dabei um von Menschen geschaffene unbewegliche und bewegliche Gegenstände oder Bodenformationen von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung“, und die Stoßrichtung der Unterschutzstellung bezwecke: „an erster Stelle die Bewahrung des Denkmals in all seiner Materialität als Zeugnis der Vergangenheit. Daher sind im Wesentlichen Veränderungen oder Zerstörungen eines Denkmals so gering wie möglich zu halten oder überhaupt zu vermeiden.“ Für Weidinger wie andere „im Falle des Domplatzes ein Irrsinn. Ich kann doch nicht aus jedem Scherben eine Wissenschaft machen und zulassen, dass das Denkmalamt die Nutzung eines derart zentralen Platzes verhindert. Da ist die Politik gefordert, dem Rechtsempfinden des Volkes Rechnung zu tragen und einzugreifen.“ Dies wird aber nicht geschehen, denn die derart Adressierten haben den Bescheid quer durch alle Lager bisher widerspruchslos hingenommen. „Ich kann die Sichtweise des Bundesdenkmalamtes durchaus nachvollziehen. St. Pölten stellt österreichweit ein besonderes Gebiet dar, nirgends sonst sind historisch relevante Funde in dieser Dichte zu finden“, lässt etwa Vizebürgermeister Franz Gunacker (SPÖ) wissen, und auch Klaus Otzelberger von der FPÖ („Wenn das Bundesdenkmalamt diesen Platz als ‚Bodendenkmal‘ einstuft, ist dieser Bescheid zu akzeptieren“) und Vizebürgermeister Matthias Adl von der ÖVP („Es gibt keine Diskussion darüber, ob diese Entscheidung richtig oder falsch ist, denn sie ist ein Faktum“)  schlagen in dieselbe Kerbe. Freilich, in Frage gestellt hat „das Faktum“ bislang niemand, denn wie Dr. Herbert Auskunft gibt: „Gegen den Bescheid wurde kein Einspruch erhoben.“
Ein Grund für das nicht stattgefundene „Engagement“, so wird gemunkelt, liege auch darin, dass viele an der Rentabilität einer wohl nur mit großem Aufwand realisierbaren Tiefgarage am Domplatz zweifeln bzw. die Stadt befürchtet, dass die Kosten letztlich an ihr hängen bleiben. Dazu passen indirekt auch die Ausführungen von Vizebürgermeister Gunacker auf die Frage nach Alternativparkplätzen. „Schon jetzt gibt es in unmittelbarer Nähe Parkhäuser mit freien Kapazitäten, und auch die neue P &R-Anlage am Bahnhof liegt direkt in der Innenstadt. Gerade aufgrund der freien Kapazitäten in den anderen Parkhäusern ist es nicht so einfach Betreiber zu finden. St. Pölten hat schon jetzt auf die Einwohner gerechnet die höchste Parkplatzdichte in der Innenstadt, bei teilweise geringer Auslastung.“
Dies freilich wirft, wie immer wieder von Parkplatzgegnern aufgezeigt, die Grundsatzfrage auf, warum man dann überhaupt auf Parkplätzen beharrt, wenn es doch ohnedies genügend freie Kapazitäten gibt bzw. neue Flächen – Stichwort Parkhaus am Bahnhofsplatz – geschaffen werden. Die Parteien SPÖ, ÖVP und FPÖ argumentieren diesbezüglich ziemlich ähnlich. „Wir werden nicht über die Interessen der Anrainer und Innenstadtkaufleute drüberfahren“, erklärt etwa Vizebürgermeister Gunacker, und Vizebürgermeister Adl und  Klaus Otzelberger verweisen auf Parkgewohnheiten. „Es sind zurzeit keine entsprechenden Oberflächenparkplätze als Ersatz in Sicht. Viele können und wollen auch keine Tiefgaragen und Parkhäuser nutzen, zum Beispiel Familien, die Kinderwägen transportieren müssen“, so Adl, und Otzelberger ist überzeugt „Vor allem Frauen und Pensionisten benützen nicht so gerne Parkgaragen und parken lieber am zentralen Domplatz“. Autofrei könnte sich seine Partei nur vorstellen „wenn dementsprechende zentrale Ersatzplätze geschaffen werden, die es den Innenstadtkunden ermöglichen, die Geschäfte der City in fünf Minuten fußläufig zu erreichen – dann wäre das ein gangbarer Weg.“ Wie MFG in einem Selbsttest – langsamen Schrittes –eruiert hat, ist dies, wenn man den Rathausplatz als Zentrum definiert, aber bereits jetzt von praktisch allen bestehenden Stellflächen und Parkgaragen rund um die Innenstadt der Fall.
Die einzige Fraktion, die sich ganz klar für einen autofreien Domplatz einsetzt, sind die Grünen, wobei Fraktionsvorsitzende Nicole Buschenreiter aber auch der Tiefgaragendiskussion nichts abgewinnen kann. Zum einen widerspricht sie dem Befund, dass es nicht genügend freie Stellflächen außerhalb des Domplatzes gäbe „das ist ein Wahrnehmungsproblem, es ist immer etwas frei“, zum anderen glaubt sie auch nicht an eine Erziehbarkeit der Parkgewohnheiten. „Du wirst die Leute nicht dazu bringen, freiwillig in eine Tiefgarage zu fahren. Die würden, wenn es möglich wäre, am liebsten direkt mit dem Auto in den DM hinein fahren.“
Die Grünen fordern deshalb einen prinzipiellen Paradigmenwechsel, der die Autos in der City außen vor lässt. „Man könnte sich die ganze Diskussion sparen, wenn man öffentliche Alternativen schafft. Wenn das Angebot an Öffentlichen Verkehrsmitteln attraktiv ist, nehmen es die Leute auch an – dazu genügt ein Blick nach Wien, und das hat nichts damit zu tun, weil Wien eine Großstadt ist, sondern weil dort das Angebot stimmt.“ Wenn man sie danach fragt, woher das Geld für eine bessere Vertaktung und Anbindung der Öffis kommen soll, spricht sie einer Umschichtung das Wort. „Wir geben es ja auch für die Parkplätze aus. Wenn ich mir etwa anschaue, was uns das Parkhaus am Bahnhofsplatz kostet – da müsste es von den ÖBB ja zu jedem Parkplatz eine Dusche, einen persönlichen Portier, der mein Gepäck zum Bahnsteig bringt, und persönliche Lektüre meiner Wahl geben.“
Den sich abzeichnenden „Kompromissweg“ der anderen Parteien, der unter dem Schlagwort multifunktional firmiert und jedenfalls Parkplätze am Domplatz vorsieht, kann sie überhaupt nichts abgewinnen. „Das ist doch absoluter Blödsinn – eine typische St. Pöltner Lösung, die weder Fisch noch Fleisch ist. Wie stellt man sich das vor, dass die Kids dann neben den Abgasen spielen, und man gemütlich neben den Autos seinen Kaffee trinkt – da kann man gleich einen Drive-In bauen. In der Frage gibt es keine Form der Vereinigung der Ansätze – da gibt’s nur zwei Optionen: Entweder autofrei, oder man lässt gleich den Parkplatz bestehen.“
Interview mit Ronald Risy "Bester Schutz ist unter der Erde" Neben der Diskussion um die künftige Nutzung des Domplatzes wird unübersehbar nach wie vor archäologisch gegraben. Wir sprachen mit Ausgrabungsleiter Ronald Risy über die bisherigen Erkenntnisse. Sie haben die letzten Jahre intensiv den Domplatz erforscht – was waren bilsang die bemerkenswertesten Funde? Kurz zusammengefasst: Erstens die Entdeckung eines römischen Verwaltungspalastes aus dem 4./5. Jahrhundert n. Chr., der nahelegt, dass die  Bedeutung von Aelium Cetium in der Spätantike offensichtlich viel höher war als bisher angenommen, was auch Auswirkungen auf unser Wissen über die spätantike Verwaltungsstruktur hat. Zweitens konnten wir eine der ältesten Kirchen Niederösterreichs aus dem 9. Jahrhundert n. Chr. nachweisen und auch der „Beginn“ des Friedhofes liegt in dieser Zeit und nicht wie, wie bisher angenommen, im 11. Jahrhundert. Wir haben weiters den vollständigen Grundriss der romanischen Kirche aus dem 12. Jahrhundert n. Chr. und den vollständigen Grundriss der gotischen Kirche aus dem 14./15. Jahrhundert n. Chr. freigelegt, zudem bislang  5834 Bestattungen. Was dabei europaweit sicherlich einzigartig ist: Wir haben dadurch in ihrer Bedeutung noch nicht abschätzbare Informationen über die Lebensbedingungen und den Gesundheitszustand der Bevölkerung in St. Pölten im Mittelalter erhalten. Auch Teile des mittelalterlichen Klosters mit Latrine aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts n. Chr. haben wir ausgegraben, und das sind nur die bedeutendsten Erkenntnisse.  Der Domplatz ist als Baudenkmal eingestuft, die Substanz darunter darf nicht angegriffen werden – viele sagen, dies sei angesichts der nunmehr erfolgreichen Dokumentation ein Luxus, zumal es eine Tiefgaragenlösung verhindere. Wie sieht das der Archäologe?   Als wichtiger Punkt ist festzuhalten, dass wir nicht alles ausgegraben und dokumentiert haben, sondern nur in kleinen Abschnitten wirklich bis auf den gewachsenen Boden gegraben haben. Das bedeutet, dass noch immer historische Schichten unerforscht am Domplatz vorhanden sind. Bei einer Tiefgaragenlösung müssten daher weitere Grabungsjahre mit den entsprechenden Kosten eingeplant werden. Und prinzipiell stehe ich aufgrund der Bedeutung des festgestellten Gebäudeensembles von der Spätantike bis in das Spätmittelalter jedenfalls voll hinter der Entscheidung des Bundesdenkmalamtes, dieses zu bewahren – und der beste Schutz ist der unter der Erde.