MFG - ATP in STP – Zurück in die Vergangenheit
ATP in STP – Zurück in die Vergangenheit


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St. Pöltens gute Seite

ATP in STP – Zurück in die Vergangenheit

Text Thomas Schöpf
Ausgabe 03/2020

Was haben Thomas Muster, Andre Agassi, Stefan Edberg, Marcelo Rios, Jevgenij Kafelnikov, Patrick Rafter und Andy Roddick gemeinsam? Sie alle waren einmal die Nummer 1 der Tenniswelt und beruflich irgendwann einmal in St. Pölten aktiv. Ihren damaligen Arbeitsplatz würden sie heute wohl kaum wiedererkennen.

Der Parkbank Grand Prix presented by Lokalbier direkt vor den French Open im Mai wird wieder zum Stelldichein der ATP-Superstars in St. Pölten. Neben Lokalmatador und Aushängeschild Dominic Thiem haben schon Gaël Monfils und Diego Schwartzman fix zugesagt. Mit drei weiteren Top-20-Spielern ist St. Pöltens Turnierleitung in Verhandlung. Oh, Stopp!
15 Jahre ist es mittlerweile her, dass zahlreiche Spieler der Tennis-Weltelite letztmalig in St. Pölten Station machten, um sich hier auf Pariser Sand mit „Roland-Garros“-Bällen auf die French Open vorzubereiten. Grund genug, für MFG – Das Magazin ein wenig in Erinnerungen zu schwelgen und über ein „Was wäre wenn?“ zu sinnieren. Überhaupt, wo Ex-Turnierveranstalter Ronnie Leitgeb den „Kurier“ wissen ließ, dass er sich mit Neo-Sportlandesrat Jochen Danninger beim Hahnenkamm-Rennen in Kitz schon „kurz darüber unterhalten hat“ was aus seinem Baby in St. Pölten geworden ist.
„Mein Heimturnier neben Wien“
Jürgen Melzer, Finalist der letzten Auflage 2005, erzählt uns, dass er nur gute Erinnerungen hat: „St. Pölten war neben Wien mein Heimturnier, es waren immer meine Familie und zahlreiche Freunde anwesend. Aus nieder­österreichischer Sicht ist es natürlich sehr, sehr schade, dass es das Turnier nicht mehr gibt. Wenn ich nur daran denke, wie viele Stars hier waren, wie Andy Roddick oder Andre Agassi beispielsweise. Okay, der war vielleicht nicht erfolgreich, aber zumindest da.“ Die Lichtgestalt aus Las Vegas (damals Nr. 7 der Weltrangliste) verlor 2004 nach nur einem Training mit seinem Spezi Sargis Sargsian bei nasskalten Bedingungen glatt gegen Qualifikant Nenad Zimonjic (Nr. 339).
Die eindeutigste Partie war jene von Thomas Muster 1996 gegen Nasser Al-Khelaifi (6:0, 6:0). Der damals 22-jährige Katari hatte eine Wildcard bekommen, bestenfalls „Landesliganiveau“ und wurde vom Publikum am Centre Court teilweise ausgelacht oder bedauert. Mittlerweile ist Al-Khelaifi als Geschäftsmann erfolgreich und Präsident von einem der größten Fußballklubs der Welt, von Paris Saint-Germain.

Rios’ Tischmanieren: Not pretty!

Rekordsieger mit drei Turniererfolgen war Marcelo Rios, gefürchtet bei Journalisten und Gastronomen. Seine Pressekonferenzen glichen „Täglich-grüßt-das-Murmeltier“-Veranstaltungen, nach Siegen mit dem immer gleichen Eröffnungssatz: „I think, I played pretty good today.“ Wenn sein Essen nicht „pretty good“ war, landete es mitunter am Boden. Feschak Richard Krajicek hingegen war nach einem Training vom Apfelstrudel der ASKÖ Damen so angetan, dass er ihnen am Tag danach in den Wechselpausen seines Spiels gerne zublinzelte und auf die Tribüne hinauf winkte.
NÖTV-Präsidentin Petra Schwarz – selbst einmal Nr. 52 der Welt und 1994 im Viertelfinale von Paris – besuchte das St. Pöltner Turnier während ihrer aktiven Karriere und danach als Jungmutter mit Kinderwagen. Persönlich haben ihr die Auftritte von Roddick und „Lieblingsspieler“ Stefan Edberg 1996 gefallen: „Es war sein letztes Jahr auf der Tour und nach seiner Niederlage (gegen Slava Dosedel, Anm.) habe ich noch beobachten können, wie er in der Landessportschule ausgelaufen ist und hoch professionell in aller Ruhe nachgedehnt hat. Er hatte immer eine tolle Einstellung.“ In den Monaten danach stellte Edberg seine Karriere-Bilanz gegen den eineinhalb Jahre jüngeren Muster übrigens noch von 7:0 auf 10:0, besiegte den Leibnitzer in Queen’s, Wien und Paris (Halle).
Herminator hinterließ offene Münder
Muster war das Zugpferd des Turniers, der „Ticket-Seller“. Da der langjährige Turnier-Hauptsponsor mit dem Giebelkreuz auch Hermann Maier unter Vertrag hatte, wurde der Ski-Star per Hubschrauber zum Medientermin und Sponsorenabend eingeflogen. Mit seiner Urgewalt sorgte der „Herminator“ für Staunen: Auf dem Weg ins Tenniscenter hüpfte er zum Spaß aus dem Stand auf einen circa 1,20m hohen Begrenzungsstein und nach seiner Trainingsession im Fitnessraum war der Ergometer so fest eingestellt, dass die Pedale von den meisten Hobbysportlern nicht einmal ansatzweise in Bewegung gebracht werden konnten.
Muster vs Madaini
Eine Tennissession mit der ehemaligen Nummer eins der Welt durfte Ramin Madaini, nunmehr Leiter der gleichnamigen Tennisschule, im Sportzentrum NÖ erleben. Der ehrgeizige Muster fand einmal am frühen Abend unter den ATP-Spielern keinen motivierten Sparringpartner mehr, woraufhin Leitgeb meinte, dass er eben ein paar Bälle mit dem hiesigen Trainer schlagen solle. „Ich war unfassbar nervös“, erinnert sich Madaini, „plötzlich wollte Tom auch noch ein paar Games spielen. Ich hab’ ihm vorgeschlagen, dass ich jedes Mal bei 40:0 beginnen darf, und war sogar 3:0 vorne. Bis 3:3 haben wir gespielt. Am Centre-Court war noch ein ATP-Doppel im Gange, aber nach wenigen Minuten war unser Platz drei bummvoll. Die sind alle Muster gegen Madaini schauen gegangen.“
Madaini veranstaltet im Übrigen seit 2006 das kleine, aber feine „Nachfolgeturnier“ im Sportzentrum Niederösterreich. Das „ITF“-Event (International Tennis Federation) war zunächst mit 10.000 Dollar dotiert, dann bald mit 15.000 Dollar und 2019 erstmals als Damenturnier („Women’s World Tennis Tour“) mit 25.000 Dollar. „Der sportliche Unterschied zur Weltklasse ist kaum zu erkennen“, meint Madaini, „die Dichte bei den Herren ist mittlerweile ja so groß, dass die Nummer 320 nicht viel anders spielt als die Nummer 57 beispielsweise.“ 2016 siegte beim ITF-Turnier in St. Pölten der 20-jährige Sebastian Ofner und streifte dafür 1.440 Dollar Preisgeld ein. Ein Jahr danach sorgte er in Wimbledon für Furore, als er es via Quali bis in die dritte Haupt­runde schaffte und sich mit 90.000 Pfund Preisgeld mehr als ein Jahresbudget erspielte.
Gemma Thiem-Schaun
Zuschauer werden nur mehr von mehr oder weniger großen Namen angelockt. Das ist selbst in Harland zu bemerken. Für gewöhnlich schauen Lokalmatador Markus Sedletkzy (Nr. 13 in Österreich) und Co. bloß ein paar Dutzend Interessierte bei den Bundesligaspielen zu. Als 2018 aber Irdning mit den Melzer-Brüdern (Jürgen und Gerald) aufkreuzte, herrschte Volksfeststimmung unter den 400 Fans. Und als Moritz Thiem für Harland auflief, gab’s Kiebitze, die auf die bloße Anwesenheit seines großen Bruders Dominik hofften. Als jener tatsächlich einmal am Luggauer Weg erschien, verbreitete sich das dank WhatsApp wie ein Lauffeuer und Schau- und Selfie-Lustige trudelten im Minutentakt herein.
„Tennisstadion gleicht einer Ruine“
Den großen Thiem, den jüngeren Melzer (Gerald), Dennis Novak und Co. gab’s in St. Pölten dafür im Februar 2018 im Davis Cup in der „Europa-Afrika-Zone 1“ zu sehen. Nur dank Sondergenehmigung, da die große Halle im VAZ der ITF zu niedrig ist. „Die Weltgruppe ist in Niederösterreich, wenn überhaupt, nur in der Arena Nova möglich“, bedauert Schwarz, „und da ist das größte Problem die Kurzfristigkeit.“ Soll heißen: Kriegt Österreich gach’ ein Heimspiel zugelost, aber die „Dinosaurier – im Land der Giganten“ haben in Wr. Neustadt schon eingebucht, geht für Thiem und Co. dort nix mehr. Ein ATP-Turnier in St. Pölten würde Schwarz natürlich begrüßen, eines der kleinsten Kategorie (ATP 250, Preisgeld über 600.000 Euro) hält sie „für gar nicht so unrealistisch. Schließlich arbeiten ja Stadt und Land vor allem beim Sport sehr gut zusammen. Natürlich bräuchte es einen oder mehrere große Sponsoren und um Dominik zu bekommen, muss alles passen.“ Für ihre jungen NÖTV-Asse wie Jurij Radionov oder Moritz Thiem würde sich eine tolle Bühne auftun.
Madaini ist da schon skeptischer: „Unsere Infrastruktur hier und in der Umgebung ist, was Trainingsplätze betrifft, zwar top. Aber das Tennisstadion gleicht einer Ruine. Und so ehrlich muss man sein: Als im letzten Jahr des ATP-Turniers mit Nikolaj Davydenko ein Weltstar und mit Jürgen Melzer Österreichs Topspieler im Finale standen, war der Centre Court bei weitem nicht voll.“ An eine Lizenz würde St. Pölten nur ran kommen, wenn ein anderer Turnierveranstalter seine hergibt. Leitgeb ist mit „seinem Baby“ ja bekanntlich auch für drei Jahre nach Pörtschach übersiedelt, nachdem der Hauptsponsor abgesprungen ist und das Land NÖ den Geldhahn nicht noch weiter aufdrehen wollte. Die Kärntner durften sich dann drei Jahre lang am „HYPO Group Tennis International“ erfreuen.