Der Wehr-Igel stellt die Stacheln auf
Text
Gotthard Gansch
Ausgabe
Quasi über Nacht ist auch in Österreich die Diskussion über die Wehrpflicht ausgebrochen. Was war, was ist, was kommt? Schüler und politische Vertreter, Militär und Sozialdienst führen eine Debatte über Freiwilligkeit, Zwang und den Sinn.
Habt Acht!
Den Beginn nimmt unsere Reise in der Hesserkaserne St.Pölten. Oberst Bruno Deutschbauer, seines Zeichens stellvertretender Militärkommandant Niederösterreichs, begrüßt die entfachte Diskussion. „Das Bundesheer gehört zweifelsohne reformiert. Die Wehrpflicht muss anders werden, es muss ein anderes System geschaffen werden.“ Er mahnt jedoch, die „Reifen nicht vor dem Auto zu kaufen. Zuerst muss die Sicherheitsdoktrin festgelegt werden, in weiterer Folge müssen die Aufgaben des Bundesheeres festgesetzt werden, bevor noch über verschiedene Modelle diskutiert werden kann. Dann kann ich erst die Struktur den Aufgaben entsprechend anpassen.“
In der Kaserne selbst sind im Durchschnitt 400 Soldaten und Zivilbedienstete stationiert, davon entfallen 70 bis 80 auf die Grundwehrdiener. In St. Pölten werden sie als Systemerhalter eingesetzt – u. a. als Kraftfahrer, Wachen, Rekruten der Stellungskommission oder Militärmusiker. Im Katastrophenfall kämen je nach Ausbildungsstand auch Grundwehrdiener zum Einsatz. Deutschbauer selbst verrichtete seinen Dienst bei den Pionieren – und profitierte davon. „Ich konnte mein erlerntes Wissen beim Hausbau anwenden.“ Durch ein eventuelles Ende der Wehrpflicht würden in St. Pölten „nur“ die Systemerhalter wegfallen: „Wir haben bereits länger begonnen, die Grundwehrdiener als Systemerhalter kontinuierlich abzubauen. Das Militärkommando kommt fast gänzlich ohne Grundwehrdiener aus. Daher würden sich die Veränderungen auf die Hesserkaserne in geringem Maße auswirken.“ Deutschbauer sieht auch die Vorteile eines Berufsheeres: „Ich muss dann einen Soldaten nur einmal ausbilden, er bleibt mir aber für Jahre erhalten!“ Hingegen äußert er Bedenken, ob sich genügend Freiwillige melden würden und ob dann die „richtige“ Klientel angezogen wird. „Wie die Reform des Bundesheeres auch aussehen mag, ich hoffe nur, dass alle Rahmenbedingungen beachtet werden, die beste Variante für die österreichische Bevölkerung gewählt wird und es zu keinem Politikum wird. Rein theoretisch wäre alles machbar, man darf bei der Debatte aber auch nicht den zivilen Bereich vergessen.“
Den Beginn nimmt unsere Reise in der Hesserkaserne St.Pölten. Oberst Bruno Deutschbauer, seines Zeichens stellvertretender Militärkommandant Niederösterreichs, begrüßt die entfachte Diskussion. „Das Bundesheer gehört zweifelsohne reformiert. Die Wehrpflicht muss anders werden, es muss ein anderes System geschaffen werden.“ Er mahnt jedoch, die „Reifen nicht vor dem Auto zu kaufen. Zuerst muss die Sicherheitsdoktrin festgelegt werden, in weiterer Folge müssen die Aufgaben des Bundesheeres festgesetzt werden, bevor noch über verschiedene Modelle diskutiert werden kann. Dann kann ich erst die Struktur den Aufgaben entsprechend anpassen.“
In der Kaserne selbst sind im Durchschnitt 400 Soldaten und Zivilbedienstete stationiert, davon entfallen 70 bis 80 auf die Grundwehrdiener. In St. Pölten werden sie als Systemerhalter eingesetzt – u. a. als Kraftfahrer, Wachen, Rekruten der Stellungskommission oder Militärmusiker. Im Katastrophenfall kämen je nach Ausbildungsstand auch Grundwehrdiener zum Einsatz. Deutschbauer selbst verrichtete seinen Dienst bei den Pionieren – und profitierte davon. „Ich konnte mein erlerntes Wissen beim Hausbau anwenden.“ Durch ein eventuelles Ende der Wehrpflicht würden in St. Pölten „nur“ die Systemerhalter wegfallen: „Wir haben bereits länger begonnen, die Grundwehrdiener als Systemerhalter kontinuierlich abzubauen. Das Militärkommando kommt fast gänzlich ohne Grundwehrdiener aus. Daher würden sich die Veränderungen auf die Hesserkaserne in geringem Maße auswirken.“ Deutschbauer sieht auch die Vorteile eines Berufsheeres: „Ich muss dann einen Soldaten nur einmal ausbilden, er bleibt mir aber für Jahre erhalten!“ Hingegen äußert er Bedenken, ob sich genügend Freiwillige melden würden und ob dann die „richtige“ Klientel angezogen wird. „Wie die Reform des Bundesheeres auch aussehen mag, ich hoffe nur, dass alle Rahmenbedingungen beachtet werden, die beste Variante für die österreichische Bevölkerung gewählt wird und es zu keinem Politikum wird. Rein theoretisch wäre alles machbar, man darf bei der Debatte aber auch nicht den zivilen Bereich vergessen.“
Und die Zivis?
Gerade dort, im zivilen Bereich, sind die Zivildiener oftmals unverzichtbar. Emmaus-Geschäftsführer Karl Rottenschlager stellt klar: „Ohne Zivildiener würde unser Niveau schmerzlich sinken, wir könnten den Betreuungsstandard nicht mehr gewährleisten. Davon sind auch alle Blaulichtorganisationen betroffen. Ohne adäquaten Ersatz ist die Situation undenkbar, v. a. wenn man die jetzigen Standards halten will.“ Alleine bei Emmaus sind im Durchschnitt bis zu 25 Zivildiener beschäftigt. Über die Jahre waren bereits 500 für die Einrichtung im Einsatz.
Auch die Caritas St. Pölten setzt 33 Zivildiener ein, die in Werkstätten und Wohnhäusern für Menschen mit Behinderung arbeiten. Sechs Zivis versehen ihren Dienst im Pflege- und Pensionistenheim St. Pölten-Wagram. Caritas-Pressesprecher Karl Lahmer: „Fallen die Zivildiener weg, leidet die Qualität der Arbeit. Dieses Ungleichgewicht müsste durch Aufnahme von mehr Personal wieder ausgeglichen werden. Das vom Sozialminister vorgestellte Modell eines attraktiveren ‚Freiwilligen Sozialen Jahres‘ würde sogar eine Qualitätsverbesserung darstellen, da die Motivation der jungen Leute eine höhere ist: Erstens sind sie wirklich freiwillig in der Einrichtung, und weiters dient das FSJ ja oft auch der Berufsorientierung.“
Gerade dort, im zivilen Bereich, sind die Zivildiener oftmals unverzichtbar. Emmaus-Geschäftsführer Karl Rottenschlager stellt klar: „Ohne Zivildiener würde unser Niveau schmerzlich sinken, wir könnten den Betreuungsstandard nicht mehr gewährleisten. Davon sind auch alle Blaulichtorganisationen betroffen. Ohne adäquaten Ersatz ist die Situation undenkbar, v. a. wenn man die jetzigen Standards halten will.“ Alleine bei Emmaus sind im Durchschnitt bis zu 25 Zivildiener beschäftigt. Über die Jahre waren bereits 500 für die Einrichtung im Einsatz.
Auch die Caritas St. Pölten setzt 33 Zivildiener ein, die in Werkstätten und Wohnhäusern für Menschen mit Behinderung arbeiten. Sechs Zivis versehen ihren Dienst im Pflege- und Pensionistenheim St. Pölten-Wagram. Caritas-Pressesprecher Karl Lahmer: „Fallen die Zivildiener weg, leidet die Qualität der Arbeit. Dieses Ungleichgewicht müsste durch Aufnahme von mehr Personal wieder ausgeglichen werden. Das vom Sozialminister vorgestellte Modell eines attraktiveren ‚Freiwilligen Sozialen Jahres‘ würde sogar eine Qualitätsverbesserung darstellen, da die Motivation der jungen Leute eine höhere ist: Erstens sind sie wirklich freiwillig in der Einrichtung, und weiters dient das FSJ ja oft auch der Berufsorientierung.“
Das Junge Volk
Stellt sich die Frage, was die eigenltich Betroffenen, die zukünftigen Grundwehrdiener, zur Causa denken. Christoph, Schüler der HTL, bringt die Gedanken vieler Kollegen auf den Punkt: „Wehrpflicht is für´n Oasch.“ Andi aus der HAK präzisiert: „Die Wehrpflicht gehört abgeschafft, weil es einfach nicht mehr zeitgemäß ist, jungen Männern de facto ein Jahr ihres Lebens mit sinnlosen Tätigkeiten zu stehlen.“
Dorothee Dober, Schulsprecherin des Gymnasiums, sieht die Situation differenzierter: „Ich persönlich bin schon für die Abschaffung. Allgemein ist die Stimmung bei uns aber durchmischt, ein paar meinen, dass die Wehrpflicht für die Landesverteidigung schon wichtig ist. Ein freiwilliges soziales Jahr fände ich super. Ich würde es machen!“
Jungpolitiker bringen sich ebenfalls in die Debatte ein. Für Stefan Bartl, Vorsitzender der Sozialistischen Jugend (SJ), stellt sich die Frage nach der Wehrpflicht gar nicht erst: „Das Bundesheer ist veraltet und gehört abgeschafft.“ So die verkürzte Botschaft. Die Landesverteidigung läge längst in den Händen der EU, ein selbstständiges Heer ist für Bartl daher Geldverschwendung. „Dieses Geld könnte besser in den Aufbau eines funktionierenden Sozial- und Katastrophendienstes gesteckt werden.“
Markus Krempl, Vorsitzender der Jungen Volkspartei (JVP), sieht das anders: „Es geht nicht um die Abschaffung der Wehrpflicht, sondern um eine sinnvolle Gestaltung des Wehrdienstes und des Wehrersatzdienstes. Dann würden sich Jugendliche auch dazu bereit erklären, sechs Monate zu investieren.“
Der Status des Gesundheitssystems mit seiner starken Abhängigkeit von Zivildienern wird unterschiedlich bewertet. „Die Abhängigkeit des Gesundheitssystems von der Wehrpflicht ist de facto nichts Schlechtes, man muss sich dessen einfach bewusst sein, wenn man Änderungen vornehmen will“, so Krempl. Bartl entgegnet, dass die Diskussion nicht auf dem Rücken der Zivildiener ausgefochten werden dürfe, denn „damit wird nur kaschiert, dass unser Gesundheitssystem die letzten Jahre hindurch chronisch unterfinanziert ist.“
Einen anderen Aspekt bringt der Ring Freiheitlicher Jugendlicher (RJF) in einer Presse-Aussendung mit dem Titel „Volksheer statt ostanatolischer Söldnertruppe“ ein. Auf die Frage nach der Bedeutung dieser Botschaft meint Stefan Berger, Vorsitzender des RJF in Niederösterreich: „Die Ausbildung der Grundwehrdiener hat das Wirken für das Gemeinwohl Österreichs zu vermitteln. Mit einer Berufsarmee geht die Identifikation des Staatsbürgers mit der Landesverteidigung verloren. Weiters ist die allgemeine Wehrpflicht der Garant für die Einbindung und Integration der jungen Menschen in das soziale Gefüge unserer Gesellschaft.“
Eine Kritik hört man bei allen Statements der Schüler und Jungpolitiker durch. Wirklich eingebunden fühlt man sich in die Diskussion bislang nicht. „Es wird zwar oft gemeint, im Sinne der Jugendlichen zu argumentieren, gefragt werden wir aber nicht“, kritisiert Benjamin Jaquemar, Schulsprecher des BORG.
Um Deutschbauers Bonmot mit den Reifen und dem Auto abzuwandeln: Bevor man das Auto kauft, sollte man auch die Lenker in die Kaufentscheidung miteinbinden. Sie werden nämlich über den künftigen Erfolg oder Misserfolg sowie die Fahrtauglichkeit des Vehikels entscheiden.
Stellt sich die Frage, was die eigenltich Betroffenen, die zukünftigen Grundwehrdiener, zur Causa denken. Christoph, Schüler der HTL, bringt die Gedanken vieler Kollegen auf den Punkt: „Wehrpflicht is für´n Oasch.“ Andi aus der HAK präzisiert: „Die Wehrpflicht gehört abgeschafft, weil es einfach nicht mehr zeitgemäß ist, jungen Männern de facto ein Jahr ihres Lebens mit sinnlosen Tätigkeiten zu stehlen.“
Dorothee Dober, Schulsprecherin des Gymnasiums, sieht die Situation differenzierter: „Ich persönlich bin schon für die Abschaffung. Allgemein ist die Stimmung bei uns aber durchmischt, ein paar meinen, dass die Wehrpflicht für die Landesverteidigung schon wichtig ist. Ein freiwilliges soziales Jahr fände ich super. Ich würde es machen!“
Jungpolitiker bringen sich ebenfalls in die Debatte ein. Für Stefan Bartl, Vorsitzender der Sozialistischen Jugend (SJ), stellt sich die Frage nach der Wehrpflicht gar nicht erst: „Das Bundesheer ist veraltet und gehört abgeschafft.“ So die verkürzte Botschaft. Die Landesverteidigung läge längst in den Händen der EU, ein selbstständiges Heer ist für Bartl daher Geldverschwendung. „Dieses Geld könnte besser in den Aufbau eines funktionierenden Sozial- und Katastrophendienstes gesteckt werden.“
Markus Krempl, Vorsitzender der Jungen Volkspartei (JVP), sieht das anders: „Es geht nicht um die Abschaffung der Wehrpflicht, sondern um eine sinnvolle Gestaltung des Wehrdienstes und des Wehrersatzdienstes. Dann würden sich Jugendliche auch dazu bereit erklären, sechs Monate zu investieren.“
Der Status des Gesundheitssystems mit seiner starken Abhängigkeit von Zivildienern wird unterschiedlich bewertet. „Die Abhängigkeit des Gesundheitssystems von der Wehrpflicht ist de facto nichts Schlechtes, man muss sich dessen einfach bewusst sein, wenn man Änderungen vornehmen will“, so Krempl. Bartl entgegnet, dass die Diskussion nicht auf dem Rücken der Zivildiener ausgefochten werden dürfe, denn „damit wird nur kaschiert, dass unser Gesundheitssystem die letzten Jahre hindurch chronisch unterfinanziert ist.“
Einen anderen Aspekt bringt der Ring Freiheitlicher Jugendlicher (RJF) in einer Presse-Aussendung mit dem Titel „Volksheer statt ostanatolischer Söldnertruppe“ ein. Auf die Frage nach der Bedeutung dieser Botschaft meint Stefan Berger, Vorsitzender des RJF in Niederösterreich: „Die Ausbildung der Grundwehrdiener hat das Wirken für das Gemeinwohl Österreichs zu vermitteln. Mit einer Berufsarmee geht die Identifikation des Staatsbürgers mit der Landesverteidigung verloren. Weiters ist die allgemeine Wehrpflicht der Garant für die Einbindung und Integration der jungen Menschen in das soziale Gefüge unserer Gesellschaft.“
Eine Kritik hört man bei allen Statements der Schüler und Jungpolitiker durch. Wirklich eingebunden fühlt man sich in die Diskussion bislang nicht. „Es wird zwar oft gemeint, im Sinne der Jugendlichen zu argumentieren, gefragt werden wir aber nicht“, kritisiert Benjamin Jaquemar, Schulsprecher des BORG.
Um Deutschbauers Bonmot mit den Reifen und dem Auto abzuwandeln: Bevor man das Auto kauft, sollte man auch die Lenker in die Kaufentscheidung miteinbinden. Sie werden nämlich über den künftigen Erfolg oder Misserfolg sowie die Fahrtauglichkeit des Vehikels entscheiden.
Meinungen zum Thema:
Oberst Bruno Deutschbauer, Bundesheer:
„Man darf die Reifen nicht vor dem Auto kaufen. Zuerst muss die Sicherheitsdoktrin festgelegt werden, dann kann man erst die verschiedenen Modelle diskutieren!“
Oberst Bruno Deutschbauer, Bundesheer:
„Man darf die Reifen nicht vor dem Auto kaufen. Zuerst muss die Sicherheitsdoktrin festgelegt werden, dann kann man erst die verschiedenen Modelle diskutieren!“
Karl Rottenschlager, Emmaus Gemeinschaft:
„Ohne Zivildiener könnten wir den Betreuungsstandard nicht mehr gewährleisten!“
„Ohne Zivildiener könnten wir den Betreuungsstandard nicht mehr gewährleisten!“