Ein Fall fürs Gericht?
Text
Sascha Harold
Ausgabe
05/2025
Die Deponie am Ziegelofen muss nach aktuellem Stand zumindest teilweise geräumt werden. Das haben Untersuchungen des Landes Niederösterreich ergeben, bis Juli hat die Zöchling Abfallverwertung GmbH nun Zeit zu reagieren.
Nach Recherchen eines Greenpeace-Teams wurde die Deponie im Dezember 2024 geschlossen. Die zuständige Zöchling Abfallverwertung GmbH sprach damals von „Spekulationen und Vermutungen“. Heute ist, jedenfalls nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen klar: Es wurden in der Deponie unsachgemäß behandelte Abfälle abgelagert und das schon über Jahre. Nach heutigem Stand müssen diese Abfälle geräumt werden. Die Details des Untersuchungsberichtes sind noch nicht öffentlich, in einer ersten Reaktion betonte das Unternehmen jedoch, dass vom Land Niederösterreich bestätigt wurde, dass von der Deponie keine Umweltgefährdung ausgehe: „Die Untersuchungsergebnisse attestieren uns auch, worauf wir als Betreiber nach interner Prüfung ebenfalls immer hingewiesen haben: Auch andere negative Auswirkungen können aufgrund der nicht gefährlichen Abfälle ausgeschlossen werden!“, meint Unternehmensleiter Johann Zöchling. Man arbeite derzeit an der Analyse der umfangreichen Unterlagen der Behörde und gemeinsam mit externen Fachexperten an einem Maßnahmenkatalog, um etwa das Stoffstrommanagement und die internen Logistikkontrollen am Standort zu optimieren.
Teilweise Räumung
Was von Zöchling unerwähnt bleibt, sind die durch Land und Greenpeace festgestellten nicht rechtskonformen Ablagerungen von unbehandeltem Restmüll – unabhängig von etwaigen Umweltgefährdungen. Die Konsequenzen der Untersuchungen fasst der Leiter der Abteilung Anlagenrecht des Landes NÖ, Leopold Schalhas so zusammen: „Das Sachverständigen-Gutachten geht davon aus, dass zur Herstellung des rechtskonformen Zustandes eine weitgehende Räumung jener Deponiebereiche, die von der Firma Zöchling geschüttet wurden, notwendig ist. Die Firma Zöchling wurde mit diesem Ergebnis im Rahmen eines Parteiengehörs konfrontiert und arbeitet aktuell an einer Stellungnahme zu den behördlichen Feststellungen.“ Die Frist für diese Stellungnahme endet am 3. Juli, aus heutiger Sicht sei die Räumung jedenfalls notwendig, so Schalhas.
Wohl auch deshalb, weil es sich um große Abfallmengen handelt, die bereits seit längerem abgelagert wurden – Greenpeace hatte im Jänner in einer Aussendung entsprechende Luftbilder veröffentlicht. Stefan Stadler, Koordinator des Investigationsteams bei Greenpeace, fasst die Ergebnisse zusammen: „Es wurden insgesamt etwa 100.000 Kubikmeter Restmüll unbehandelt eingegraben, das ist Restmüll von zirka 500.000 Menschen in Niederösterreich pro Jahr. Das ist über einen Zeitraum von vier bis fünf Jahren erfolgt.“ Das Unternehmen widerspricht: „Die von Greenpeace im Jänner 2025 veröffentlichte Luftbildserie belegt keinerlei Missstände. Die daraus gezogenen Schlüsse sind reine Spekulation. Ganz im Gegenteil, dokumentieren die Fotos einen ordnungsgemäßen Deponiebetrieb. Die von der Behörde festgestellten Grenzwertüberschreitungen wurden in Abfällen festgestellt, die im Jahr 2024 im Zeitraum der Hochwasserkatastrophe abgelagert wurden.” Eine Einschätzung, die das Land Niederösterreich nach der Kontrolle im Dezember offenbar nicht teilte.
Der Verschleierungsvorwurf
Zum aktuellen Fall konnte es auch deshalb kommen, weil Kontrollen von Deponien zwar stichprobenweise durchgeführt, Probeschürfungen aber nach aktueller Gesetzeslage nicht standardmäßig vorgesehen sind. Der Zustand auf der Deponie am Ziegelofen blieb so unentdeckt. Eines der Ziele des Greenpeace-Teams war es deshalb, Verbesserungen im Kontrollsystem zu bewirken und hat das auch erreicht. Abteilungsleiter Schalhas erklärt, was jetzt geändert werden soll und findet deutliche Worte zum aktuellen Fall: „Jede neu aufgedeckte illegale Tätigkeit, vor allem wenn sie wie hier längere Zeit verschleiert wurde und daher unentdeckt geblieben ist, macht die Evaluierung von Kontrollabläufen notwendig. Wir haben nach eingehenden Analysen der Vorgänge in der Deponie ‚Am Ziegelofen‘ Maßnahmen gesetzt, die es uns künftig ermöglichen werden, solche Machenschaften frühzeitig zu erkennen und dagegen vorzugehen.“ Zu den Verbesserungen gehören der Einsatz behördeneigener Drohnen sowie verstärkt unangekündigte Kontrollen und Probeschürfungen im Rahmen der behördlichen Überwachung. Vonseiten der Behörde verlange man zudem, dass jährliche Probeschürfungen in die Deponieverordnung aufgenommen werden.
Deponiebetreiber Zöchling kommentiert die Vorwürfe der bewussten Verschleierung illegaler Tätigkeiten nicht und hält fest, dass derzeit die umfangreichen Unterlagen der Behörde analysiert und anhand der Ergebnisse ein Maßnahmenkatalog und notwendige Schritte erarbeitet würden. Man verwehre sich jedenfalls seit Beginn der behördlichen Untersuchung gegen den Vorwurf des „Umweltskandals“, heißt es aus dem Unternehmen. Bis Juli wollte man den Behörden einen Maßnahmenkatalog vorlegen. Ob das ausreicht, um eine Räumung der Deponie zu vermeiden, wird sich erst zeigen. Wenn nicht, dürfte die Deponie angesichts des Umfanges der Falschablagerungen längere Zeit geschlossen bleiben. Das Unternehmen geht aktuell davon aus, dass nur die Bereiche, in denen Maßnahmen zu setzen sind, geschlossen bleiben.
Undercover-Arbeit
Den Stein ins Rollen brachte das Greenpeace-Team rund um Stadler. Anonyme Hinweise im Sommer 2024 führten zur Untersuchung und der Erstellung von Video- und Bildmaterial, die die Aktivitäten auf der Deponie dokumentieren sollten. Die Arbeit ist dabei nicht nur aufgrund des verdeckten Charakters anspruchsvoll: „Unsere Investigativ-Arbeit ist eine neue Form des Aktivismus, bei der man viel Fachkenntnis braucht und wissen muss, wie man sich im Gelände bewegt. Auch juristische Kenntnisse sind notwendig.“ Im aktuellen Fall habe man beispielsweise Filmaufnahmen von Abfalllieferungen, die unbehandelt am Gelände eingegraben wurden, gemacht.
Die Sammlung des Beweismaterials dauerte den ganzen Herbst und wurde dann an die zuständigen Behörden übergeben. Die Videoaufnahmen hätten der Behörde dabei geholfen, die Arbeitsweise des Deponiebetreibers zu verstehen, so Stadler weiter. Die Deponie am Ziegelofen beschäftigte die St. Pöltner Bevölkerung schon seit mehreren Jahren. Im Sommer 2022 gründete sich der Verein Landeshauptstadt-Luft, der unter anderem auf die zunehmende Geruchsbelästigung durch die Deponie hinwies. Der Verein unterstützte auch das Greenpeace-Team in seiner Arbeit. „Die Initiative war froh darüber, dass sich so ein großer Player wie Greenpeace der Thematik annimmt, weil das auch entsprechende mediale Reichweite bedeutet. Ende Februar fand eine Podiumsdiskussion mit Betroffenen statt und es war für mich schon sehr berührend zu sehen, wie froh die Leute waren, dass dieser Wahnsinn jetzt vorbei ist“, so Stadler.
Vertrauensverhältnis getrübt
Als weitere Konsequenz aus den Untersuchungen hat Greenpeace zudem Strafanzeige gegen den Deponiebetreiber eingereicht. Der Staatsanwaltschaft wurden die Beweise übergeben, das Verfahren läuft derzeit. Bei der Firma Zöchling spricht man weiter von „haltlosen Vorwürfen“, entscheiden wird sich die Sache vor Gericht. Zöchling hält zudem fest, dass man seit Jahrzehnten ein verlässlicher Partner bei der Entsorgung und Verwertung von Abfällen sowie beim Recycling von Baurestmassen in Niederösterreich sei. Dass dieses Vertrauensverhältnis aktuell wohl zumindest getrübt ist, zeigt jetzt ein weiterer Fall einer Reststoffdeponie in Kettlasbrunn (Bezirk Mistelbach). Am 8. Mai führte das Land Niederösterreich gemeinsam mit dem dort ebenfalls zuständigen Bundesministerium eine unangekündigte Kontrolle inklusive Probeschürfungen durch, nachdem Greenpeace Hinweise auf mögliche Unregelmäßigkeiten erhalten und weitergegeben hatte.
Doris Nentwich, Sprecherin der Zöchling Abfallverwertung GmbH spricht von einer „Hetzkampagne“ und betont, dass auf der Deponie nur Abfälle übernommen und behandelt wurden, die gemäß Anlagengenehmigung und Deponieverordnung auch übernommen und behandelt werden dürfen. Sie verweist außerdem darauf, dass es im Anschluss an die Kontrolle keine Beanstandungen seitens der Behörden gegeben habe. Greenpeace-Sprecher Emanuel Salvarani wiederum weist den Vorwurf der Hetzkampagne zurück: „Greenpeace hat Hinweise über nicht ordnungsgemäßes Vorgehen am Standort Kettlasbrunn erhalten. Daraufhin war das Investigativ-Team mehrmals vor Ort, um den Hinweisen nachzugehen. Die gesammelte Dokumentation haben wir den Behörden übergeben, die nun den Standort kontrolliert haben. Greenpeace hat auch in diesem Fall als Anwältin der Natur gehandelt.“ Das Land NÖ bestätigt jedenfalls, dass man bei der Kontrolle keine augenscheinlichen Probleme gefunden habe, die Untersuchungsergebnisse der Probeschürfungen stehen aber noch aus. Prüfen will die Behörde nach dem Fall der Deponie am Ziegelofen jetzt auch die übrigen Zöchling-Standorte.