An den Rand gedrängt
Text
Sascha Harold
Ausgabe
In regelmäßigen Abständen steht das Thema Betteln auf der politischen Agenda. Ab kommendem Jahr können niederösterreichische Gemeinden sogenannte sektorale Bettelverbote erlassen, um damit Bettler zumindest von einzelnen Straßenzügen zu verbannen. Wer sind aber die Menschen, die auf St. Pöltens Straßen betteln. und woher kommt der Ruf nach einem strengeren Verbot?
Christian S. ist Anfang 30 und lebt derzeit auf der Straße. Davor wohnte er in Wien, hatte Unterkunft und Arbeit – bis er beides wegen einer Depression verlor. Das war 2014, seither lebt er von der Sozialhilfe und dem, was er sich von Passanten „erschnorrt“, wie er es nennt. „Ich schlafe seit zwei Jahren meistens im Freien, wetter- aber nicht kältegeschützt“, erzählt er. Manchmal, v. a. im Winter, könne er auch für einige Zeit bei Freunden unterkommen. Wegen Schulden und ausständigen Strafen, unter anderem weil er seine Hündin ohne Beißkorb an der Leine führte, kommt er mit der Mindestsicherung derzeit nicht über die Runden und ist einerseits auf Gelegenheitsjobs, andererseits auf die Spenden vorbeigehender Menschen angewiesen. „Ich find da nix Schlimmes dran“, meint er. Er bettele nicht aggressiv und möchte auch kein Mitleid erregen. „Ich sitze einfach da und frag nach Geld, ich mach keine Kunststücke oder so“, lacht er. Hin und wieder komme er auch ins Gespräch mit Passanten. Meist ist er in Wien unterwegs, weil es dort weniger Konkurrenz gibt wie er meint, gemeldet ist er aber in St. Pölten. Möglich macht das die Emmaus Gemeinschaft, die Postfächer (und damit postalische Adressen) für Obdachlose anbietet. Derzeit ist „Schnorren“, so wie S. es tut, nicht strafbar, denn in Niederösterreich und auch in Wien (siehe Infobox) werden nur das aggressive sowie das organisierte oder gewerbsmäßige Betteln bestraft. Allgemeine Bettelverbote wurden bisher immer durch den Verfassungsgerichtshof, der in seiner Rechtssprechung am Recht auf Betteln für den eigenen Lebensunterhalt festhält, aufgehoben.
Verbot in St. Pölten?
Im September wurde nun aber durch den Niederösterreichischen Landtag beschlossen, den Gemeinden künftig die Errichtung sogenannter sektoraler Bettelverbote zu ermöglichen. Durch diese Regelung, so das Kalkül, könnten die Hürden allgemeiner Verbote umgangen werden. In Kraft tritt das Gesetz mit 1.1.2017. Die ÖVP hat gemeinsam mit der FPÖ bereits einen Antrag für ein Bettelverbot in der St. Pöltner Innenstadt und am Bahnhof eingebracht, die SPÖ lehnte das aber mit dem Hinweis ab, dass Bettelei damit bloß in Wohngebiete verlagert würde. Der grüne Gemeinderat Markus Hippmann war zu diesem Zeitpunkt noch nicht angelobt, spricht sich aber ebenfalls gegen ein Verbot aus und geht mit der Stadtregierung d‘accord. Franz Gunacker, SPÖ, dazu: „Für die organisierten Bettler ist ohnehin die Polizei zuständig, ich gehe öfters durch die Innenstadt und wurde noch nie belästigt.“ Generell fällt auf, dass im Zusammenhang mit dem Thema rasch auf das Problem „organisierter Banden“ verwiesen wird. Vizebürgermeister Matthias Adl von der ÖVP geht davon aus, dass die Zahl der Bettler zugenommen habe und Bettelei, etwa vor Lebensmitttelgeschäften, „mit Sicherheit kriminell organisiert“ sei. Klaus Otzelberger, FPÖ, schlägt in dieselbe Kerbe und ergänzt: „In St. Pölten sind der Polizei bisher die Hände gebunden, da man organisiertes Betteln nicht so leicht nachweisen kann.“
Markus Haindl, Pressesprecher der Landespolizeidirektion Niederösterreich, stimmt dem nur bedingt zu. Die jetzigen Gesetze seien durchaus umsetzbar, ist er zuversichtlich. Zum Thema organisierter Bettelei meint er: „Es ist davon auszugehen, dass ein Teil der Menschen nach Österreich gebracht wird, da steckt durchaus Zwang dahinter.“ Wie die Relation zwischen erzwungenem und freiwilligem Betteln aussieht, darüber kann er keine Auskunft geben. Auch auf Erfahrungen mit sektoralen Bettelverboten wird man erst nach dem Jahreswechsel bauen können, Wr. Neustadt und Krems haben bereits angekündigt ein solches Verbot beschließen zu wollen. Linz hat bereits im Frühjahr dieses Jahres ein entsprechendes Gesetz verabschiedet und das mit dem „sprunghaften Anstieg der Beschwerden wegen illegaler und gewerbsmäßiger Bettelei“ begründet, heißt es aus dem Büro des Vizebürgermeisters Detlef Wimmer, FPÖ. Die Effekte des Verbots bilanziert Wimmer positiv, die Zahl der Einsätze von Ordnungshütern sei demnach zurückgegangen. Michaela Haunold, Leiterin der Caritas-Projekte für Armutsmigration, widerspricht dieser Darstellung: „Das Bettelverbot hat bewirkt, dass innerhalb der Zone nicht mehr gebettelt wurde. Allerdings sind die Bettler nicht ‚verschwunden‘, sondern lediglich an die Ränder der Zone bzw. auch in Umland-Gemeinden ausgewichen.“ Auch die Umsetzung des Verbotes ließ sich die Stadt einiges kosten, denn um die betroffenen Personen, die zum überwiegenden Teil aus Osteuropa stammen, zu informieren, wurden sechs Wochen lang Caritas-Streetworker bezahlt, die im persönlichen Kontakt mit den Betroffenen Aufklärungsarbeit leisteten.
Im September wurde nun aber durch den Niederösterreichischen Landtag beschlossen, den Gemeinden künftig die Errichtung sogenannter sektoraler Bettelverbote zu ermöglichen. Durch diese Regelung, so das Kalkül, könnten die Hürden allgemeiner Verbote umgangen werden. In Kraft tritt das Gesetz mit 1.1.2017. Die ÖVP hat gemeinsam mit der FPÖ bereits einen Antrag für ein Bettelverbot in der St. Pöltner Innenstadt und am Bahnhof eingebracht, die SPÖ lehnte das aber mit dem Hinweis ab, dass Bettelei damit bloß in Wohngebiete verlagert würde. Der grüne Gemeinderat Markus Hippmann war zu diesem Zeitpunkt noch nicht angelobt, spricht sich aber ebenfalls gegen ein Verbot aus und geht mit der Stadtregierung d‘accord. Franz Gunacker, SPÖ, dazu: „Für die organisierten Bettler ist ohnehin die Polizei zuständig, ich gehe öfters durch die Innenstadt und wurde noch nie belästigt.“ Generell fällt auf, dass im Zusammenhang mit dem Thema rasch auf das Problem „organisierter Banden“ verwiesen wird. Vizebürgermeister Matthias Adl von der ÖVP geht davon aus, dass die Zahl der Bettler zugenommen habe und Bettelei, etwa vor Lebensmitttelgeschäften, „mit Sicherheit kriminell organisiert“ sei. Klaus Otzelberger, FPÖ, schlägt in dieselbe Kerbe und ergänzt: „In St. Pölten sind der Polizei bisher die Hände gebunden, da man organisiertes Betteln nicht so leicht nachweisen kann.“
Markus Haindl, Pressesprecher der Landespolizeidirektion Niederösterreich, stimmt dem nur bedingt zu. Die jetzigen Gesetze seien durchaus umsetzbar, ist er zuversichtlich. Zum Thema organisierter Bettelei meint er: „Es ist davon auszugehen, dass ein Teil der Menschen nach Österreich gebracht wird, da steckt durchaus Zwang dahinter.“ Wie die Relation zwischen erzwungenem und freiwilligem Betteln aussieht, darüber kann er keine Auskunft geben. Auch auf Erfahrungen mit sektoralen Bettelverboten wird man erst nach dem Jahreswechsel bauen können, Wr. Neustadt und Krems haben bereits angekündigt ein solches Verbot beschließen zu wollen. Linz hat bereits im Frühjahr dieses Jahres ein entsprechendes Gesetz verabschiedet und das mit dem „sprunghaften Anstieg der Beschwerden wegen illegaler und gewerbsmäßiger Bettelei“ begründet, heißt es aus dem Büro des Vizebürgermeisters Detlef Wimmer, FPÖ. Die Effekte des Verbots bilanziert Wimmer positiv, die Zahl der Einsätze von Ordnungshütern sei demnach zurückgegangen. Michaela Haunold, Leiterin der Caritas-Projekte für Armutsmigration, widerspricht dieser Darstellung: „Das Bettelverbot hat bewirkt, dass innerhalb der Zone nicht mehr gebettelt wurde. Allerdings sind die Bettler nicht ‚verschwunden‘, sondern lediglich an die Ränder der Zone bzw. auch in Umland-Gemeinden ausgewichen.“ Auch die Umsetzung des Verbotes ließ sich die Stadt einiges kosten, denn um die betroffenen Personen, die zum überwiegenden Teil aus Osteuropa stammen, zu informieren, wurden sechs Wochen lang Caritas-Streetworker bezahlt, die im persönlichen Kontakt mit den Betroffenen Aufklärungsarbeit leisteten.
Soziale Absicherung
„Anspruchsberechtigung“ heißt das Zauberwort, das in Niederösterreich die Türen zu Notschlafstellen und ähnlichen Einrichtungen öffnet. Die Emmaus Gemeinschaft ist in St. Pölten eine jener Organisationen, die Obdachlosen und an den Rand der Gesellschaft gedrängten Menschen Hilfe anbietet. Neben einer Notschlafstelle betreibt sie auch ein Tageszentrum, das neben einer warmen Speise auch die Möglichkeit einer Dusche und das erwähnte Postfachservice bietet. Mit Bettelei hat sie grundsätzlich nur am Rande zu tun. „Durch die Mindestsicherung sind Österreicher und ihnen Gleichgestellte fast nicht gezwungen zu betteln“, erklärt Franz Zöchling, Mitarbeiter im Tageszentrum. Viele der Angebote, wie die Notschlafstelle, sind allerdings auf Österreicher beschränkt, Bettler aus Rumänien und Ungarn haben hier keinen Anspruch. Zöchling über seine Erfahrungen: „Wir haben versucht unser Angebot auch auf Menschen aus Osteuropa zu erweitern, aber nach kurzer Zeit sind wir damit an unsere Ressourcengrenzen gestoßen und waren überfordert.“ Etwa dreißig zusätzliche Personen seien gegen Ende ins Tageszentrum gekommen, die Vernetzung untereinander habe dabei eine Rolle gespielt. Zwar seien sie bereit gewesen für die angebotene Hilfe zu bezahlen, so Zöchling, die Infrastruktur des Zentrums habe dafür aber nicht ausgereicht. Wo diese Menschen unterkommen und schlafen, weiß niemand so genau, zuständig fühlt sich in Niederösterreich jedenfalls keiner. Lediglich in Wien gibt es einige Schlafstellen, die vor allem im Winter frequentiert werden und regelmäßig ausgelastet sind. Ein zusätzliches Verbot sieht Zöchling als nicht zielführend, da gewerbsmäßiges Betteln ohnehin verboten sei. Betteln an sich müsse aber ein Grundrecht bleiben: „Es ist jedem zumutbar, dass man hilfsbedürftige Menschen sieht und gegebenenfalls ‚Nein‘ sagt, wenn man um Geld gefragt wird und nichts geben möchte“, hält er fest.
Wird die Situation in St. Pölten von den Befürwortern eines Verbotes also nicht richtig eingeschätzt? ÖVP und FPÖ berichten diesbezüglich über zahlreiche Beschwerden von Privatpersonen und Geschäftsleuten, die mit aggressivem Betteln konfrontiert seien. Beim Lokalaugenschein diverser Geschäfte und Lokale in der Innenstadt zeigt sich ein differenzierteres Bild. Vor allem die Zeitungsverkäufer, die vor allem im Sommer in den Gastgärten einiger Cafés und Restauraunts unterwegs sind, werden hier vielen Kellnern zum Ärgernis. Eine Angestellte des Cinema Paradiso berichtet unter anderem auch von einer Mutter, die mit Kind im Arm Gäste um Geld gebeten hat und auch nach wiederholter Aufforderung zur Unterlassung immer wieder zurück gekommen sei. In anderen Lokalen gibt es dagegen weniger Probleme: „Bei uns wissen sie genau, dass die Zeitungen im Lokal nicht verkauft werden dürfen, da kommt dann auch niemand“, erzählt die Angestellte einer Bäckerei in der Innenstadt. Leo Graf, Obmann der Vereinigung Wirte3100, meint zu der Thematik ebenfalls, dass es in einzelnen Lokalen zwar Thema, das Problem insgesamt aber nicht besonders groß sei. Wird also übertrieben?
„Anspruchsberechtigung“ heißt das Zauberwort, das in Niederösterreich die Türen zu Notschlafstellen und ähnlichen Einrichtungen öffnet. Die Emmaus Gemeinschaft ist in St. Pölten eine jener Organisationen, die Obdachlosen und an den Rand der Gesellschaft gedrängten Menschen Hilfe anbietet. Neben einer Notschlafstelle betreibt sie auch ein Tageszentrum, das neben einer warmen Speise auch die Möglichkeit einer Dusche und das erwähnte Postfachservice bietet. Mit Bettelei hat sie grundsätzlich nur am Rande zu tun. „Durch die Mindestsicherung sind Österreicher und ihnen Gleichgestellte fast nicht gezwungen zu betteln“, erklärt Franz Zöchling, Mitarbeiter im Tageszentrum. Viele der Angebote, wie die Notschlafstelle, sind allerdings auf Österreicher beschränkt, Bettler aus Rumänien und Ungarn haben hier keinen Anspruch. Zöchling über seine Erfahrungen: „Wir haben versucht unser Angebot auch auf Menschen aus Osteuropa zu erweitern, aber nach kurzer Zeit sind wir damit an unsere Ressourcengrenzen gestoßen und waren überfordert.“ Etwa dreißig zusätzliche Personen seien gegen Ende ins Tageszentrum gekommen, die Vernetzung untereinander habe dabei eine Rolle gespielt. Zwar seien sie bereit gewesen für die angebotene Hilfe zu bezahlen, so Zöchling, die Infrastruktur des Zentrums habe dafür aber nicht ausgereicht. Wo diese Menschen unterkommen und schlafen, weiß niemand so genau, zuständig fühlt sich in Niederösterreich jedenfalls keiner. Lediglich in Wien gibt es einige Schlafstellen, die vor allem im Winter frequentiert werden und regelmäßig ausgelastet sind. Ein zusätzliches Verbot sieht Zöchling als nicht zielführend, da gewerbsmäßiges Betteln ohnehin verboten sei. Betteln an sich müsse aber ein Grundrecht bleiben: „Es ist jedem zumutbar, dass man hilfsbedürftige Menschen sieht und gegebenenfalls ‚Nein‘ sagt, wenn man um Geld gefragt wird und nichts geben möchte“, hält er fest.
Wird die Situation in St. Pölten von den Befürwortern eines Verbotes also nicht richtig eingeschätzt? ÖVP und FPÖ berichten diesbezüglich über zahlreiche Beschwerden von Privatpersonen und Geschäftsleuten, die mit aggressivem Betteln konfrontiert seien. Beim Lokalaugenschein diverser Geschäfte und Lokale in der Innenstadt zeigt sich ein differenzierteres Bild. Vor allem die Zeitungsverkäufer, die vor allem im Sommer in den Gastgärten einiger Cafés und Restauraunts unterwegs sind, werden hier vielen Kellnern zum Ärgernis. Eine Angestellte des Cinema Paradiso berichtet unter anderem auch von einer Mutter, die mit Kind im Arm Gäste um Geld gebeten hat und auch nach wiederholter Aufforderung zur Unterlassung immer wieder zurück gekommen sei. In anderen Lokalen gibt es dagegen weniger Probleme: „Bei uns wissen sie genau, dass die Zeitungen im Lokal nicht verkauft werden dürfen, da kommt dann auch niemand“, erzählt die Angestellte einer Bäckerei in der Innenstadt. Leo Graf, Obmann der Vereinigung Wirte3100, meint zu der Thematik ebenfalls, dass es in einzelnen Lokalen zwar Thema, das Problem insgesamt aber nicht besonders groß sei. Wird also übertrieben?
Alles organisiert?
Ferdinand Koller beschäftigt sich bereits seit Längerem mit der Situation von Bettlern in Österreich. Der studierte Theologe und Menschenrechtsexperte ist Mitglied der Bettellobby, einem freiwilligen Zusammenschluss von Menschen, die sich für die Rechte von Bettlern einsetzen. Einmal im Monat bietet die Organisation Rechtshilfetreffen an, um Anzeigen der Polizei zu beeinspruchen. „Bisher haben wir 100 Verwaltungsstrafverfahren beim Landesverwaltungsgericht Wien begonnen und den Großteil auch gewonnen. Das zeigt, wie schwierig die Anwendung von Verboten ist. Was die Polizei als aggressiv wertet, stellt oft keine Verwaltungsübertretung dar“, beschreibt Koller die ehrenamtliche Tätigkeit der Bettellobby. Oft genüge schon das Ausstrecken der Hand für eine Strafe und mit dem Verbot des organisierten Bettelns werden im Grunde soziale Interaktionen der Bettler untereinander bestraft. Das Verbot des gewerbsmäßigen Bettelns lässt ebenfalls großen Interpretationsspielraum zu. „Es wird unterstellt, dass diese Personen nicht arbeiten wollen und ausschließlich zum Betteln da sind“, erklärt Koller. Ein Vorwurf der so nicht verallgemeinerbar ist, da neben dem Betteln oft anderen Tätigkeiten, wie dem Sammeln von Altmetall oder fallweise Beschäftigungen, etwa in der Gastronomie, nachgegangen werde. Die Gründe für den Aufbruch aus der Heimat sind dabei vielfältig: „Einige glauben, dass sie Arbeit finden, manche schaffen das auch. Meist wird lange versucht mit der Situation zuhause zurecht zu kommen, irgendwann geht es dann nicht mehr“, klärt Koller auf. Dass im Falle dieser Menschen statt von Gruppen immer sofort von Banden gesprochen wird, hat ihm zufolge jedenfalls System und soll eine gewisse Grundstimmung erzeugen. „Das Ziel ist es, Bettler aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen, dazu wird teils ein irrer Aufwand betrieben. Vertreibung und Polizeiarbeit kosten letztlich auch Geld und lösen das Problem nicht“, zeigt er sich überzeugt und stellt auch das medial transportierte Bild der „Bettelbanden“ infrage: „Es gibt Einzelfälle, wo Leute ausgebeutet werden, das passiert aber nicht im Rahmen großer mafiöser Organisationen, sondern teilweise im familiären Umfeld.“
Selbst wenn es die organisierte Bettelei in jenem Ausmaß, das als Anlass für die vorgeschlagenen Verbote dient, gäbe, wären die Leidtragenden auch alle, die freiwillig, entweder für den eigenen Unterhalt oder das Auskommen der Familie, zum Betteln gezwungen sind – wie etwa der eingangs erwähnte Christian S. Es gibt keine verlässlichen Daten über die Häufigkeit „organisierter“ Bettelei, Erfahrungsberichte Betroffener lassen aber den Schluss zu, dass durch teils ungenau formulierte Gesetze, die großen Interpretationsspielraum bieten, häufig auch Unschuldige zum Handkuss kommen. Vor allem die Frage nach der Sinnhaftigkeit finanzieller Strafen für ohnedies mittellose Menschen stellt sich in diesem Zusammenhang. Bestehende Regeln, sind sich Emmaus, Caritas und Bettellobby einig, könnten jedenfalls besser durch Sozialarbeiter als durch die Polizei vermittelt werden. Eine nachhaltige, langfristige Perspektive wird letztlich nur die Bekämpfung von Armut bieten.
Die Mindestsicherung ist dabei für Österreicher eine Stütze, die es den meisten erspart auf der Straße zu betteln. Solange es aber in den osteuropäischen Ländern keine vergleichbaren Auffangnetze gibt, werden auch künftig Menschen versuchen, unter anderem auch in der St. Pöltner Innenstadt, durch Bettelei ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Um es mit Koller zu sagen: „So schlecht sie es hier auch haben, ist es immer noch besser als zuhause.“
Rechtliche Grundlagen des Bettelns Das Recht auf Betteln ist durch die Menschenrechtskonvention abgesichert und wurde so auch vom Verfassungsgerichtshof bestätigt. Allgemeine Bettelverbote, die auch das „stille Betteln“ umfassen, sind demnach unzulässig. Die Aufhebung eines solchen Verbotes in Salzburg vor vier Jahren wurde unter anderem mit der Wahrung der Meinungsfreiheit begründet. Gesetzlich sind Strafen gegen Betteln in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. In Niederösterreich stehen etwa das aggressive sowie das gewerbsmäßige Betteln bereits unter Strafe, ab 1.1.2017 sind die Gemeinden ermächtigt, zusätzlich sogenannte sektorale Bettelverbotszonen zu definieren. Ein entsprechender Antrag wurde in St. Pölten durch ÖVP und FPÖ eingebracht, von der SPÖ aber abgelehnt. Strafen gegen Bettler werden etwa aufgrund von gewerbsmäßigem Betteln, aggressivem Betteln oder Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung verhängt, wobei gerade der Tatbestand der Gewerbsmäßigkeit praktisch nicht nachweisbar ist.
Ferdinand Koller beschäftigt sich bereits seit Längerem mit der Situation von Bettlern in Österreich. Der studierte Theologe und Menschenrechtsexperte ist Mitglied der Bettellobby, einem freiwilligen Zusammenschluss von Menschen, die sich für die Rechte von Bettlern einsetzen. Einmal im Monat bietet die Organisation Rechtshilfetreffen an, um Anzeigen der Polizei zu beeinspruchen. „Bisher haben wir 100 Verwaltungsstrafverfahren beim Landesverwaltungsgericht Wien begonnen und den Großteil auch gewonnen. Das zeigt, wie schwierig die Anwendung von Verboten ist. Was die Polizei als aggressiv wertet, stellt oft keine Verwaltungsübertretung dar“, beschreibt Koller die ehrenamtliche Tätigkeit der Bettellobby. Oft genüge schon das Ausstrecken der Hand für eine Strafe und mit dem Verbot des organisierten Bettelns werden im Grunde soziale Interaktionen der Bettler untereinander bestraft. Das Verbot des gewerbsmäßigen Bettelns lässt ebenfalls großen Interpretationsspielraum zu. „Es wird unterstellt, dass diese Personen nicht arbeiten wollen und ausschließlich zum Betteln da sind“, erklärt Koller. Ein Vorwurf der so nicht verallgemeinerbar ist, da neben dem Betteln oft anderen Tätigkeiten, wie dem Sammeln von Altmetall oder fallweise Beschäftigungen, etwa in der Gastronomie, nachgegangen werde. Die Gründe für den Aufbruch aus der Heimat sind dabei vielfältig: „Einige glauben, dass sie Arbeit finden, manche schaffen das auch. Meist wird lange versucht mit der Situation zuhause zurecht zu kommen, irgendwann geht es dann nicht mehr“, klärt Koller auf. Dass im Falle dieser Menschen statt von Gruppen immer sofort von Banden gesprochen wird, hat ihm zufolge jedenfalls System und soll eine gewisse Grundstimmung erzeugen. „Das Ziel ist es, Bettler aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen, dazu wird teils ein irrer Aufwand betrieben. Vertreibung und Polizeiarbeit kosten letztlich auch Geld und lösen das Problem nicht“, zeigt er sich überzeugt und stellt auch das medial transportierte Bild der „Bettelbanden“ infrage: „Es gibt Einzelfälle, wo Leute ausgebeutet werden, das passiert aber nicht im Rahmen großer mafiöser Organisationen, sondern teilweise im familiären Umfeld.“
Selbst wenn es die organisierte Bettelei in jenem Ausmaß, das als Anlass für die vorgeschlagenen Verbote dient, gäbe, wären die Leidtragenden auch alle, die freiwillig, entweder für den eigenen Unterhalt oder das Auskommen der Familie, zum Betteln gezwungen sind – wie etwa der eingangs erwähnte Christian S. Es gibt keine verlässlichen Daten über die Häufigkeit „organisierter“ Bettelei, Erfahrungsberichte Betroffener lassen aber den Schluss zu, dass durch teils ungenau formulierte Gesetze, die großen Interpretationsspielraum bieten, häufig auch Unschuldige zum Handkuss kommen. Vor allem die Frage nach der Sinnhaftigkeit finanzieller Strafen für ohnedies mittellose Menschen stellt sich in diesem Zusammenhang. Bestehende Regeln, sind sich Emmaus, Caritas und Bettellobby einig, könnten jedenfalls besser durch Sozialarbeiter als durch die Polizei vermittelt werden. Eine nachhaltige, langfristige Perspektive wird letztlich nur die Bekämpfung von Armut bieten.
Die Mindestsicherung ist dabei für Österreicher eine Stütze, die es den meisten erspart auf der Straße zu betteln. Solange es aber in den osteuropäischen Ländern keine vergleichbaren Auffangnetze gibt, werden auch künftig Menschen versuchen, unter anderem auch in der St. Pöltner Innenstadt, durch Bettelei ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Um es mit Koller zu sagen: „So schlecht sie es hier auch haben, ist es immer noch besser als zuhause.“
Rechtliche Grundlagen des Bettelns Das Recht auf Betteln ist durch die Menschenrechtskonvention abgesichert und wurde so auch vom Verfassungsgerichtshof bestätigt. Allgemeine Bettelverbote, die auch das „stille Betteln“ umfassen, sind demnach unzulässig. Die Aufhebung eines solchen Verbotes in Salzburg vor vier Jahren wurde unter anderem mit der Wahrung der Meinungsfreiheit begründet. Gesetzlich sind Strafen gegen Betteln in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. In Niederösterreich stehen etwa das aggressive sowie das gewerbsmäßige Betteln bereits unter Strafe, ab 1.1.2017 sind die Gemeinden ermächtigt, zusätzlich sogenannte sektorale Bettelverbotszonen zu definieren. Ein entsprechender Antrag wurde in St. Pölten durch ÖVP und FPÖ eingebracht, von der SPÖ aber abgelehnt. Strafen gegen Bettler werden etwa aufgrund von gewerbsmäßigem Betteln, aggressivem Betteln oder Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung verhängt, wobei gerade der Tatbestand der Gewerbsmäßigkeit praktisch nicht nachweisbar ist.