Futter in Form
Text
Beate Steiner
Ausgabe
St. Pölten hat ab Herbst, was auch in Paris und Mailand trendig ist: Die akademische Ausbildung zum Food-Designer.
Schuld ist die Kaisersemmel. Sie hat fünf Teile, man kann sie nie in zwei Hälften brechen. Warum das so ist, darüber haben sich Martin Hablesreiter und Sonja Stummerer schon vor 20 Jahren Gedanken gemacht. Ein einjähriger Arbeitsaufenthalt in Japan hat dann dazu geführt, dass sich das Architektenduo seither verstärkt mit „Essen“ beschäftigt, beziehungsweise mit der Gestaltung von Essen. „Dann begannen wir zu recherchieren, als Hobby zunächst, und publizierten 2005 dann das erste kleine Buch zum Thema“, erzählt Martin Hablesreiter. Diese Publikation war sofort erfolgreich, es folgten eine Ausstellung im Wiener Museumsquartier, ein Dokumentationsfilm, ein weiteres Buch, „und dann kam eben eins zum andern.“
Seit mehr als zehn Jahren erforschen Hablesreiter und Stummerer jetzt schon, was, wie und womit Menschen essen, und welche Form der Mensch seiner Nahrung gibt. Sie sind dabei Vorreiter, haben mit wenigen anderen Designern weltweit einen Trend gesetzt. Sie machen uns bewusst, dass Fischstäbchen eckig sind, weil so leichter stapelbar und nicht sofort als totes Tier zu identifizieren, und auch, dass Toblerone-Ecken leicht zu knacken sind, weil der Mensch gerne teilt. Oder dass industriell vorgefertigte Supermarktnahrung im Bausteinsystem verkauft wird: Die Toastscheiben haben die gleichen Maße wie Käse- und Pressschinken-Scheiben, die darauf platziert werden.
Ab dem nächsten Wintersemester leiten die beiden den ersten akademischen Food-Design-Lehrgang im deutschsprachigen Raum – womit St. Pöltens NDU lockt, gibt es sonst nur in Mailand, Paris und Eindhoven. Die berufsbegleitende Ausbildung zum akademischen Food-Designer befasst sich mit dem nachhaltigen Ablauf von Food-Design-Prozessen und setzt sich kritisch und experimentell mit den unterschiedlichen Disziplinen auseinander. „Mit welchen Designmitteln können wir arbeiten, um den Akt des Essens positiv zu verändern? Das ist die zentrale Frage, die wir uns stellen“, erklärt Hablesreiter.
Seit mehr als zehn Jahren erforschen Hablesreiter und Stummerer jetzt schon, was, wie und womit Menschen essen, und welche Form der Mensch seiner Nahrung gibt. Sie sind dabei Vorreiter, haben mit wenigen anderen Designern weltweit einen Trend gesetzt. Sie machen uns bewusst, dass Fischstäbchen eckig sind, weil so leichter stapelbar und nicht sofort als totes Tier zu identifizieren, und auch, dass Toblerone-Ecken leicht zu knacken sind, weil der Mensch gerne teilt. Oder dass industriell vorgefertigte Supermarktnahrung im Bausteinsystem verkauft wird: Die Toastscheiben haben die gleichen Maße wie Käse- und Pressschinken-Scheiben, die darauf platziert werden.
Ab dem nächsten Wintersemester leiten die beiden den ersten akademischen Food-Design-Lehrgang im deutschsprachigen Raum – womit St. Pöltens NDU lockt, gibt es sonst nur in Mailand, Paris und Eindhoven. Die berufsbegleitende Ausbildung zum akademischen Food-Designer befasst sich mit dem nachhaltigen Ablauf von Food-Design-Prozessen und setzt sich kritisch und experimentell mit den unterschiedlichen Disziplinen auseinander. „Mit welchen Designmitteln können wir arbeiten, um den Akt des Essens positiv zu verändern? Das ist die zentrale Frage, die wir uns stellen“, erklärt Hablesreiter.
Essen ist Kultur. Food-Design ist also nicht nur leichte Kost. Denn Essen als Teil der Kultur des Menschen ist fast immer mit moralischen Vorstellungen verknüpft. Jede Gesellschaft, jede Kultur wählt ihre Nahrungsmittel nach moralischen Regeln aus, gestaltet ihre essbaren Produkte nach rituellen Ideen und Ordnungssystemen und verzehrt die Nahrung nach definierten Vorgaben innerhalb ihrer Gemeinschaft. Chinesen, zum Beispiel, ist es unbegreiflich, dass wir süße kleine Kaninchen panieren und essen. Uns schüttelt’s bei dem Gedanken, dass in Südamerika Meerschweinchen gern verzehrt werden. Und Insekten kommen uns auch nicht auf den Teller – weil wir das nicht gewohnt sind. Denn Geschmack ist erlernt – was wir gerne essen, hängt nicht zuletzt von der Kultur ab, in der wir aufwachsen. Unser Essen sagt also sehr viel aus über unsere Traditionen und über die Gesellschaft, in der wir leben. Und weil essen als alltäglicher kultureller Akt aktuellen Wertevorstellungen folgt, hat jede Veränderung des Essverhaltens auch Auswirkungen auf die Wirtschaft und auf das Ökosystem. „Es macht einen Unterschied, ob sich eine Gesellschaft für eine monotone, zentralisierte, industrialisierte oder aber für eine biodiverse, vielfältige, nachhaltige Nahrungsmittelversorgung entscheidet“, erklärt Martin Hablesreiter: Was wir wann wie und warum essen, kann unwürdige Arbeitsbedingungen in Spanien, Bodenerosion in Zentralafrika oder brennende Amazonasflächen auslösen. „Jeder Biss ist Kultur. Jedes Schlucken ist Politik!“ Das Nahrungsversorgungssystem in den westlichen Industrieländern mit Monokulturen, Massenproduktion und Sortimentssupermärkten, zum Beispiel, widerspricht der Biodiversität, der Nachhaltigkeit und der Verantwortung gegenüber künftigen Generationen, sind Hablesreiter und Stummerer überzeugt.
Aber Regeln rund ums Essen sind weder von der Natur noch von der Wirtschaft vorgegeben, sondern veränderbar. „Essen bringt Leben. Essen bringt Emotion. Essen macht Kultur“, sagen die Food-Designer, und: „Wir wollen das Essen als essentielles politisches Thema in der Mitte der Gesellschaft positionieren, weil die Aufnahme der alltäglichen Kalorien nicht nur eine Frage von Genuss und Geschmack, sondern auch der Lebenseinstellung und Denkweise einer Gesellschaft ist.“
Der Lehrgang in St. Pölten soll diese kulturellen und sozialen Aspekte unseres Essverhaltens vermitteln, was Hablesreiter und Stummerer aber durchaus wirtschaftsorientiert sehen. „Gutes Essen allein reicht heute nicht mehr aus, um in der Gastronomie dauerhaft erfolgreich zu sein. Wir beschäftigen uns deshalb mit der Gesamtbreite des Essens und stellen die Nachhaltigkeit bei der Beschaffung, Zubereitung und Präsentation in den Vordergrund.“
Aber Regeln rund ums Essen sind weder von der Natur noch von der Wirtschaft vorgegeben, sondern veränderbar. „Essen bringt Leben. Essen bringt Emotion. Essen macht Kultur“, sagen die Food-Designer, und: „Wir wollen das Essen als essentielles politisches Thema in der Mitte der Gesellschaft positionieren, weil die Aufnahme der alltäglichen Kalorien nicht nur eine Frage von Genuss und Geschmack, sondern auch der Lebenseinstellung und Denkweise einer Gesellschaft ist.“
Der Lehrgang in St. Pölten soll diese kulturellen und sozialen Aspekte unseres Essverhaltens vermitteln, was Hablesreiter und Stummerer aber durchaus wirtschaftsorientiert sehen. „Gutes Essen allein reicht heute nicht mehr aus, um in der Gastronomie dauerhaft erfolgreich zu sein. Wir beschäftigen uns deshalb mit der Gesamtbreite des Essens und stellen die Nachhaltigkeit bei der Beschaffung, Zubereitung und Präsentation in den Vordergrund.“
Innovation auch für die TMS
Die TMS, die Tourismusschule des Wifi NÖ, kooperiert mit der NDU beim Food-Design-Lehrgang. TMS-Direktorin Sissy Nitsche-Altendorfer initiierte die einzigartige Ausbildung.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, den akademischen Lehrgang Food-Design anzuregen?
Ich bin immer auf der Suche nach neuen Ideen und als kreativer Mensch, den auch Kunst schon ein ganzes Leben lang begleitet, wurde ich bereits vor Jahren auf diesen Designtrend aufmerksam. Eigentlich ursprünglich durch meine Affinität zu Italien, denn dort gibt es in der „Scuola Politecnica di Design“ in Mailand den Zweig „Food Design“. Auf der Suche nach österreichischen Protagonisten entdeckte ich Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter, die auf diesem Gebiet europa- und weltweit neue Maßstäbe setzen! Durch die Synergien zwischen der TMS und New Design University wurde der Plan konkret, und wir konnten schlussendlich wirklich DIE europäischen Food Designer für unsere Ideen gewinnen: Für das Wintersemester 2017/2018 gibt es bereits die ersten Anmeldungen für „Food Design“ an der NDU, ab dem Schuljahr 2018/2019 beginnt dann an der TMS der neue Zweig: „Food Design und Bar Entertainment“.
Was erwarten Sie sich als Benefit für die TMS?
Neben der sehr breit gefächerten Ausbildung an der TMS, sowohl praktisch als auch theoretisch, sind Innovationen immer gefragt, um neue Interessenten und Interessentinnen anzusprechen. Die Food Design Ausbildung, wie wir sie anbieten, ist im deutschen Sprachraum einzigartig. Somit wird sie ein weiteres Alleinstellungsmerkmal unserer Schule, neben dem Flair Bartending.
Neben der sehr breit gefächerten Ausbildung an der TMS, sowohl praktisch als auch theoretisch, sind Innovationen immer gefragt, um neue Interessenten und Interessentinnen anzusprechen. Die Food Design Ausbildung, wie wir sie anbieten, ist im deutschen Sprachraum einzigartig. Somit wird sie ein weiteres Alleinstellungsmerkmal unserer Schule, neben dem Flair Bartending.
Was fasziniert Sie persönlich am Food-Design?
Food Design ist für mich nicht nur Kunst und die Auseinandersetzung mit unserer Essenskultur, sondern beinhaltet viele interessante und wichtige Aspekte unserer Zeit, wie zum Beispiel Nachhaltigkeit und Regionalität.
Food Design ist für mich nicht nur Kunst und die Auseinandersetzung mit unserer Essenskultur, sondern beinhaltet viele interessante und wichtige Aspekte unserer Zeit, wie zum Beispiel Nachhaltigkeit und Regionalität.
NDU = jung, kreativ, zukunftszugewandt
Die New Design University hat einen neuen Rektor. Wirtschaftsprofessor Herbert Grüner zog es von der Hochschule für Künste in Bremen nach St. Pölten.
Was reizt einen Professor für Wirtschaftswissenschaften an Kunst und Design, noch dazu in St. Pölten?
New Design University steht für jung, kreativ und zukunftszugewandt. Daraus ergibt sich für mich der besondere Reiz der NDU. Zudem hat die NDU als Privatuniversität Möglichkeiten zu experimentieren, die staatliche Hochschulen so nicht haben. Ich beschäftige mich als Professor außerdem vor allem mit Fragen der beruflichen Selbstständigkeit von Kreativen.
Was sind die Stärken der NDU?
Kreativ zu studieren, um nach dem Studium kreativ arbeiten zu können, halte ich für die große Stärke der NDU. Unsere Studierenden besitzen Freiräume, um sich auszuprobieren und können dennoch auf die Betreuung und Expertise ihrer Lehrenden zu jeder Zeit zurückgreifen – das ist wirklich besonders! Auch die Anbindung der NDU an die Wirtschaftskammer ist ein wertvolles Gut.
In welche Richtung soll,wird sich die NDU entwickeln?
Es muss unser Ziel sein, akademischer Partner für Studieninteressenten zu sein, die eine qualifizierte, kreative universitäre Ausbildung wollen, die ihnen Zugang zu den kreativen Beschäftigungsmärkten eröffnet.
Werden Sie die Zusammenarbeit der NDU mit der Stadt St. Pölten forcieren?
NDU und Stadt sind füreinander ein echter Gewinn. Das werde ich versuchen deutlich zu machen. Gemeinsame Projekte sind mir wichtig. Möglicherweise wäre „St. Pölten – Kulturhauptstadt Europas“ eine tolle Chance für Kooperation.
NDU und Stadt sind füreinander ein echter Gewinn. Das werde ich versuchen deutlich zu machen. Gemeinsame Projekte sind mir wichtig. Möglicherweise wäre „St. Pölten – Kulturhauptstadt Europas“ eine tolle Chance für Kooperation.
"Jeder Biss ist Kultur. Jedes Schlucken ist Politik." Martin Hablesreiter