S34: B20-Entlastung oder „Highway to Hell “ für Bauern?
Text
Thomas Winkelmüller
Ausgabe
Das Thema S34 sorgt für jede Menge politischen Streit. Im Bund, im Land NÖ und in St. Pölten. Was sagen die Bewohner der direkt betroffenen Dörfer zum Projekt?
Im Westen von St. Pölten ist der Protest gegen das Schnellstraßenprojekt S34 kaum zu übersehen. Besucher legen hier nicht einen Kilometer zurück, ohne nicht an einem „Stopp S34“-Banner oder einer anderen symbolischen Protestbekundung vorbeizukommen. Das gilt vor allem für den von Feldern und Höfen geprägten Streifen zwischen Schwadorf, Wolfenberg, Wetzersdorf und Reitzersdorf, ergo: das Gebiet, durch welches künftig möglicherweise die S34 verlaufen wird.
Manche Landwirte verlieren mehr als Häfte ihrer Flächen
„Ich sag‘s so: Es ist wie beim Schach. Die Bauern opfert man als erste“, sagt etwa ein Landwirt aus Wetzersdorf. „Ich werde voraussichlich mehr als zehn Prozent meiner eigenen Fläche von etwa 20 Hektar verlieren.“ Mit der einen Hand deutet er auf ein nahes Maisfeld, mit der anderen auf ein weiter weg gelegenes Waldstück. Das Feld werde etwa um bis zu einen Hektar kleiner, der Wald werde voraussichtlich quer von der künftigen S34 durchschnitten. „Was da links und rechts davon übrig bleibt, ist nicht überlebensfähig“, zeigt er sich pessimistisch. Insgesamt bearbeite er 35 Hektar, doch auch von den 15 Hektar Pacht werde vermutlich einiges verloren gehen. Dabei gehe es bei jedem Quadratmeter um mehr als nur um Kapital. Die Anzahl der Tiere, die ein Bauernbetrieb halten darf, ist an die Fläche gebunden. „Fast alle Landwirte hier haben auch Tiere, daher trifft uns das alles stark. Es gibt hier auch Bauern, die verlieren mehr als die Hälfte ihres Bodens.“ Die geplante Absenkung des Grundwassers um sieben bis acht Meter werde den Landwirten, vor allem hinsichtlich der Viehhaltung, auch das Leben schwerer machen, so die Prophezeihung. Die Frau des Landwirten kommt hinzu. „Ein weiteres Problem ist, dass die dörfliche Struktur hier durch die S34 komplett verworfen wird. Im Rahmen der S34 ist ein 17 Meter hoher Damm geplant. Da würde man nicht mal mehr bis zur Nachbarortschaft, mit der man in der gleichen Pfarrgemeinde ist, rüberblicken können.“ Auch was die Frage der wirtschaftlichen Kompensation betrifft, sei noch alles in der Schwebe. „Der ehemalige Truppenübungsplatz bei Völtendorf wurde von der Stadt angekauft und zu einem Naherholungsgebiet gemacht. Wir dachten ursprünglich, dass hier etwas als Tauschfläche infrage käme, aber das war ein Irrtum“, zeigt sich das Landwirten-Paar enttäuscht. Die Frau unterstreicht: „Egal, wie die Flächenfrage geregelt wird, es wird kompliziert werden. Mit einer 30 Kilometer entfernten Fläche können wir nix anfangen und wenn man allen Landwirten Flächen hier in der Umgebung anbietet, werden die Preise raufschießen.“ Von Geldangeboten wolle man nichts wissen. „Wir brauchen Boden, kein Geld.“
Was sagen die Betroffenen zu den Argumenten der S34-Befürworter? „Ich gehe davon aus, dass die Verkehrsproblematik durch die S34 einfach um ein paar Kilometer verschoben wird. Dann wird es sich künftig eben in Wilhelmsburg stauen.“ Auch die Beteuerungen, die S34 werde Firmenansiedlungen und Arbeitsplätze bringen, sehen sie skeptisch. „Man muss sich anschauen, was das für Unternehmen sind, die hier so siedeln. Da sind viele Transportunternehmen, Speditionen, Lagerhallen, aber kaum personalintensives produzierendes Gewerbe.“
Wenn man 15 Minuten braucht, um „die Mariazeller“ zu queren
Zu behaupten, der St. Pöltner Westen sei fest in der Hand der Anti-S34-Bewegung, ist aber weitab der Realität. Wenige Kilometer ostwärts der direkt betroffenen Landwirte, sind auch andere Töne zu vernehmen. Das scheint vor allem für Menschen zu gelten, die alltäglich die B20 nutzen. MFG hörte sich vor allem in Hart, St. Georgen und Steinfeld um. Mehrere Harter befürworten, das Projekt, wollen, dass es „endlich durchgezogen wird.“ „Wenn Sie nicht von hier sind, können Sie sich das vermutlich nicht so ganz vorstellen, aber der Zustand mit der B20 ist echt kein Spaß“, sagt ein Bewohner Mitte Fünfzig auf MFG-Nachfrage. „Ich bin oft mit dem Rad hier unterwegs. Und manchmal braucht man 15 Minuten, um die Mariazellerstraße zu überqueren.“ Zwei weitere Harter bestätigen außerdem, dass das Autovolumen mit Ausbruch der Corona-Pandemie noch ein Stück gewachsen sei. „Manche Leute wollten sich nicht mit Maske für eine Stunde in den Zug setzen“, theoretisiert da einer. „Manche stiegen auf das Auto um, weil sie sich in den Öffis vor der Gefahr einer Infektion mit dem Virus gefürchtet haben“, meint eine Frau. Alles was „den Verkehr von der B20 wegbringt“, sei ihr herzlich willkommen. Ganz einig, ob dieses Versprechen hält, ist man sich nicht. „Ich denke, dass die S34 haufenweise Verkehr anziehen wird. Das wird nichts mit der Entlastung“, meint ein weiterer Herr. Auch jene Bewohner, welche die S34 „endlich durchgezogen“ sehen wollen, tragen jedoch auch zwei Herzen in ihrer Brust. „Ich schätze Bäume sehr, vor allem wenn sie in meiner direkten Umgebung stehen.“ Dann deutet er mit dem Finger in Richtung der künftigen S34-Baustelle. „Diese Bäume sind zwar weiter weg, aber irgendwo tut mir das trotzdem weh, wenn ein Viertel davon verschwinden muss. Ich unterstütze das Projekt trotzdem und weiß, dass das ein Widerspruch ist.“
Auch ein Steinfelder Bürger zeigt sich zerrissen. „Dieses Straßenprojekt ... ich habe da eine gemischte Sichtweise.“ Die Situation der B20, die er häufig nutzt, sei nicht mehr tragbar. Er hätte aber für die ursprüngliche Variante eines Verlaufs bei Ochsenburg plädiert. Aufgrund der vielen Siedlungen – andere meinen „aufgrund der vielen potentiellen Wähler“, die man hätte vergraulen können – habe man sich für die andere Seite entschieden. Hiobsbotschaften, etwa über mehr Lärm, hält er zumindest für seinen Abschnitt nicht für realistisch. „Die S34 geht dort in einen Berg und ich glaube der Lärm wird eher nach oben gehen, als in die Ortschaft.“ Weiters verspricht er sich durch das Projekt eine Besserung der Hochwasserproblematik, unter der er regelmäßig leide. „Wenn die Straße gebaut wird, müssen die ein Rückhaltebecken anlegen. Möglicherweise bleibt mir dann das ein oder andere Hochwasser erspart.“
Eine ganze Reihe weiterer Passanten halten sich sehr kurz auf die Frage nach der S34. „Ich habe keinen sachlichen Einblick, ob die Straße notwendig ist oder nicht“, sagt eine alte Dame und fährt fort, „aber ich liebe die Ruhe hier. Und mein Bauchgefühl sagt mir, dass dieser Straßenbau nicht gut ist.“
Manche Landwirte verlieren mehr als Häfte ihrer Flächen
„Ich sag‘s so: Es ist wie beim Schach. Die Bauern opfert man als erste“, sagt etwa ein Landwirt aus Wetzersdorf. „Ich werde voraussichlich mehr als zehn Prozent meiner eigenen Fläche von etwa 20 Hektar verlieren.“ Mit der einen Hand deutet er auf ein nahes Maisfeld, mit der anderen auf ein weiter weg gelegenes Waldstück. Das Feld werde etwa um bis zu einen Hektar kleiner, der Wald werde voraussichtlich quer von der künftigen S34 durchschnitten. „Was da links und rechts davon übrig bleibt, ist nicht überlebensfähig“, zeigt er sich pessimistisch. Insgesamt bearbeite er 35 Hektar, doch auch von den 15 Hektar Pacht werde vermutlich einiges verloren gehen. Dabei gehe es bei jedem Quadratmeter um mehr als nur um Kapital. Die Anzahl der Tiere, die ein Bauernbetrieb halten darf, ist an die Fläche gebunden. „Fast alle Landwirte hier haben auch Tiere, daher trifft uns das alles stark. Es gibt hier auch Bauern, die verlieren mehr als die Hälfte ihres Bodens.“ Die geplante Absenkung des Grundwassers um sieben bis acht Meter werde den Landwirten, vor allem hinsichtlich der Viehhaltung, auch das Leben schwerer machen, so die Prophezeihung. Die Frau des Landwirten kommt hinzu. „Ein weiteres Problem ist, dass die dörfliche Struktur hier durch die S34 komplett verworfen wird. Im Rahmen der S34 ist ein 17 Meter hoher Damm geplant. Da würde man nicht mal mehr bis zur Nachbarortschaft, mit der man in der gleichen Pfarrgemeinde ist, rüberblicken können.“ Auch was die Frage der wirtschaftlichen Kompensation betrifft, sei noch alles in der Schwebe. „Der ehemalige Truppenübungsplatz bei Völtendorf wurde von der Stadt angekauft und zu einem Naherholungsgebiet gemacht. Wir dachten ursprünglich, dass hier etwas als Tauschfläche infrage käme, aber das war ein Irrtum“, zeigt sich das Landwirten-Paar enttäuscht. Die Frau unterstreicht: „Egal, wie die Flächenfrage geregelt wird, es wird kompliziert werden. Mit einer 30 Kilometer entfernten Fläche können wir nix anfangen und wenn man allen Landwirten Flächen hier in der Umgebung anbietet, werden die Preise raufschießen.“ Von Geldangeboten wolle man nichts wissen. „Wir brauchen Boden, kein Geld.“
Was sagen die Betroffenen zu den Argumenten der S34-Befürworter? „Ich gehe davon aus, dass die Verkehrsproblematik durch die S34 einfach um ein paar Kilometer verschoben wird. Dann wird es sich künftig eben in Wilhelmsburg stauen.“ Auch die Beteuerungen, die S34 werde Firmenansiedlungen und Arbeitsplätze bringen, sehen sie skeptisch. „Man muss sich anschauen, was das für Unternehmen sind, die hier so siedeln. Da sind viele Transportunternehmen, Speditionen, Lagerhallen, aber kaum personalintensives produzierendes Gewerbe.“
Wenn man 15 Minuten braucht, um „die Mariazeller“ zu queren
Zu behaupten, der St. Pöltner Westen sei fest in der Hand der Anti-S34-Bewegung, ist aber weitab der Realität. Wenige Kilometer ostwärts der direkt betroffenen Landwirte, sind auch andere Töne zu vernehmen. Das scheint vor allem für Menschen zu gelten, die alltäglich die B20 nutzen. MFG hörte sich vor allem in Hart, St. Georgen und Steinfeld um. Mehrere Harter befürworten, das Projekt, wollen, dass es „endlich durchgezogen wird.“ „Wenn Sie nicht von hier sind, können Sie sich das vermutlich nicht so ganz vorstellen, aber der Zustand mit der B20 ist echt kein Spaß“, sagt ein Bewohner Mitte Fünfzig auf MFG-Nachfrage. „Ich bin oft mit dem Rad hier unterwegs. Und manchmal braucht man 15 Minuten, um die Mariazellerstraße zu überqueren.“ Zwei weitere Harter bestätigen außerdem, dass das Autovolumen mit Ausbruch der Corona-Pandemie noch ein Stück gewachsen sei. „Manche Leute wollten sich nicht mit Maske für eine Stunde in den Zug setzen“, theoretisiert da einer. „Manche stiegen auf das Auto um, weil sie sich in den Öffis vor der Gefahr einer Infektion mit dem Virus gefürchtet haben“, meint eine Frau. Alles was „den Verkehr von der B20 wegbringt“, sei ihr herzlich willkommen. Ganz einig, ob dieses Versprechen hält, ist man sich nicht. „Ich denke, dass die S34 haufenweise Verkehr anziehen wird. Das wird nichts mit der Entlastung“, meint ein weiterer Herr. Auch jene Bewohner, welche die S34 „endlich durchgezogen“ sehen wollen, tragen jedoch auch zwei Herzen in ihrer Brust. „Ich schätze Bäume sehr, vor allem wenn sie in meiner direkten Umgebung stehen.“ Dann deutet er mit dem Finger in Richtung der künftigen S34-Baustelle. „Diese Bäume sind zwar weiter weg, aber irgendwo tut mir das trotzdem weh, wenn ein Viertel davon verschwinden muss. Ich unterstütze das Projekt trotzdem und weiß, dass das ein Widerspruch ist.“
Auch ein Steinfelder Bürger zeigt sich zerrissen. „Dieses Straßenprojekt ... ich habe da eine gemischte Sichtweise.“ Die Situation der B20, die er häufig nutzt, sei nicht mehr tragbar. Er hätte aber für die ursprüngliche Variante eines Verlaufs bei Ochsenburg plädiert. Aufgrund der vielen Siedlungen – andere meinen „aufgrund der vielen potentiellen Wähler“, die man hätte vergraulen können – habe man sich für die andere Seite entschieden. Hiobsbotschaften, etwa über mehr Lärm, hält er zumindest für seinen Abschnitt nicht für realistisch. „Die S34 geht dort in einen Berg und ich glaube der Lärm wird eher nach oben gehen, als in die Ortschaft.“ Weiters verspricht er sich durch das Projekt eine Besserung der Hochwasserproblematik, unter der er regelmäßig leide. „Wenn die Straße gebaut wird, müssen die ein Rückhaltebecken anlegen. Möglicherweise bleibt mir dann das ein oder andere Hochwasser erspart.“
Eine ganze Reihe weiterer Passanten halten sich sehr kurz auf die Frage nach der S34. „Ich habe keinen sachlichen Einblick, ob die Straße notwendig ist oder nicht“, sagt eine alte Dame und fährt fort, „aber ich liebe die Ruhe hier. Und mein Bauchgefühl sagt mir, dass dieser Straßenbau nicht gut ist.“