100 Mann & kein Befehl
Text
Michael Müllner
Ausgabe
Mehr als ein Jahr hat Kuhbus am Weiterner Kellerweg die Kulturwerkstatt betrieben. Ein Gespräch über die skurrile Szene namens St. Pölten
Wir betreten das Keller- und Kulturgewölbe und finden niemanden vor – außer der Eule. Im Laufe des Abends gesellt sich noch „Die Dame“ hinzu, scheinbar eine Konkubine der Eule. MFG zu Gast in der Kulturwerkstatt und im Gespräch über eine skurrile Szene namens St. Pölten.
Mit was für einer Idee im Hinterkopf habt ihr im März 2004 die Kulturwerkstatt (kW) aufgesperrt?
Die Idee kam ursprünglich von unserem Obmann, Andy Tober. Wir haben einen Act aus Jamaica gebucht, aber keine passende Location gefunden. So ist uns spontan der Gedanke gekommen eine fixe Location aufzumachen. Wir haben herumgesucht und uns letztendlich für den ehemaligen Volkskeller entschieden. Die Idee hat sich also ohne großen Plan im Hintergrund entwickelt – bei Kuhbus entwickelt sich alles eigenständig: Hundert Mann und kein Befehl.
Wie habt ihr den Start dann in so kurzer Zeit geschafft?
Anfangs ist es nicht so gut gelaufen, aber mit der Zeit hat sich dann alles eingespielt. Wir hatten ja Erfahrung mit Einzelveranstaltungen. Aber jedes Wochenende – und jeden Feiertag – eine Location betreiben, das war doch sehr viel mehr Arbeit. Die ersten Monate waren schwierig, mit der Zeit haben wir uns besser organisiert.
Als ihr aufgesperrt hattet, gab es ja auch Anzeichen von Konkurrenzkampf...
Wir wollten für niemanden Konkurrenz sein, sondern eher weniger Leute anziehen, dafür aber ein eigenes Publikum für unser Nischenprogramm gewinnen. Partys mit vielen Besuchern waren höchstens als Finanzspritze gedacht, um den regulären Betrieb zu sichern. Das Programm hat sich ja auch dahingehend entwickelt, wie jeder sehen kann. Mit eigenen Clubs, einem eher elektronischen Programm, das es in St. Pölten ohne uns nicht gegeben hätte.
Ihr habt die kW nun über den Sommer geschlossen. Gibt es noch Chancen, dass ihr im Herbst wieder aufsperrt?
Das sieht wohl jeder leicht anders. Unterm Strich stehen die Chancen dafür aber schlecht. Leute von Wien oder Linz wollen nicht nach St. Pölten kommen, weil: „St. Pölten stinkt!“. Und die St. Pöltner, na ja, das läuft so: Nach der Matura verschwinden alle nach Wien. Wenn sie zurückkommen haben sie Kinder, bauen ein Haus und interessieren sich nicht mehr für die Kräuterbitter an unserer Bar. Urbane Leute schleichen sich aus St. Pölten. Da kann man dann auch herausragende Acts wie Tina303 buchen, keinen interessiert’s.
Zu viel Qualität?
Kuhbus war schon immer ein Dorn im Auge, dass alles auf Quantität aufgebaut wird. In der kW spielen wir da nicht mit. Bei uns wird nicht immer das aufgelegt, was die Crowd garantiert zum Kochen bringt, da kann man noch so lange nach „Seeed“ plärren. Übrigens schauen mittlerweile auch die anderen Veranstalter auf mehr Qualität.
Kann es sein, dass für euer Angebot einfach zu wenig Nachfrage da ist?
Clubschienen wie beispielsweise Disco Banane wurden von den Leuten nicht angenommen, da ist nicht das nötige Potential vorhanden. In Wahrheit haben wir das für uns Bestmögliche aus dieser Location gemacht. Vor allem da wir immer als Soundsystem gedacht haben. Wir wollten nie Geld, sondern nur Partys, machen. Dabei mussten wir halt erst draufkommen, dass es in Wirklichkeit nur um die Schnäpse an der Bar geht: saufen, budan, speiben. Genau in dieser Reihenfolge.
Das klingt sehr desillusioniert. Wie haben sich eure Besucherzahlen in letzter Zeit entwickelt?
Wenn so viele Leute an einem Projekt arbeiten, dann gibt es immer unterschiedliche Zugänge. Momentan sind die Optimisten scheinbar zu Realisten geworden. Die Besucherzahlen sind seit Juni 2004 ziemlich konstant, mit rund 50 Leute konnten wir fix rechnen, je nach Musikrichtung kamen noch zusätzliche Besucher, besonders bei Drum’n’Bass, Goa und Techno. Oder euzn.net, das ist auch so ein St. Pöltner Phänomen, da sind irgendwelche Partys und es kommen plötzlich hunderte Leute...
Aus finanzieller Sicht rennt die kW jedenfalls zufrieden stellend – immer unter dem Hinweis, dass alle kostenlos mitarbeiten! Unterm Strich sind die Freiwilligen nicht mehr so gewillt Partys zu machen. Es gibt zwar einen festen Kern, der immer hart arbeitet, aber nach eineinhalb Jahren wird das mühsam, besonders wenn man keine Steigerung sieht. Irgendwann will man auch selber wieder gemeinsam fortgehen, nicht jede freie Minute arbeiten.
Wie hat sich die St. Pöltner Jugendkulturszene aus eurer Sicht entwickelt?
Das Programm ist ein Wahnsinn. Von den Acts her hochqualitativ, jede Woche eine Band aus den FM4-Charts im Warehouse, fette DnB-DJs, auch in der kW nationale Acts. Dahinter steckt viel Idealismus seitens der Veranstalter, man denke nur an die R’n’R Highschool.
Eure Location war ja bis zuletzt umstritten. Was haben die Behörden gefordert?
Zumindest haben sie unser Projekt – auf Grund fadenscheiniger Gründe – bisher nicht gefördert, man hat uns immer wieder aufs Neue vertröstet. Das Magistrat hat beispielsweise damit argumentiert, dass man einen Verein nicht fördern möchte, da unsere Veranstaltungen ja nicht öffentlich seien. Ich wusste gar nicht, dass jeder im hoch geförderten Ballettverein mitmachen darf. Der SKN wird ja auch gefördert...
Habt ihr alle Sicherheitsauflagen erfüllt? Das wäre ja eine Voraussetzung für Subventionen gewesen...
Wir haben rund 90 Prozent der Auflagen erfüllt. Gewisse Investitionen waren aber unfinanzierbar. Außerdem: Als Vereinshaus müssten wir juristisch gesehen überhaupt keine Auflagen erfüllen. Dennoch, was finanziell möglich war, haben wir erfüllt. Wir schreiben keine Gewinne und zahlen folglich auch keine Steuern, alles im Rahmen eines Vereins. Würden wir die Location als Lokal betreiben wollen, dann hätten wir rund 100.000 Euro investieren müssen – völlig unmöglich!
Die Konstruktion als „Vereinshaus“ ist rechtlich umstritten. Seid ihr sicher, dass die laufenden Verfahren in eurem Sinne ausgehen werden? Hättet ihr euch nicht mit einer unumstrittenen Konstruktion das Leben erleichtert?
Ja, die Konstruktion war problematisch. Aber wir setzen die Idee auch in der Praxis um und legen Wert darauf, dass nur Vereinsmitglieder rein kommen. Rechtlich gesehen bewegen wir uns natürlich in einer Grauzone. Nur, wenn uns die Behörden definitiv was tun könnten, dann hätten sie schon längst etwas gegen uns gemacht.
Und Förderungen habt ihr nicht erhalten?
Als wir erkannt haben, dass wir mit den Einnahmen halbwegs durchkommen, haben wir uns gar nicht mehr mit der Stadt auseinandergesetzt. Denn in St. Pölten ist das ja auch immer eine Frage der Partei – und wir wollten uns nie anbiedern. Also von der Politik hatten wir keine Unterstützung. Nur ÖVP-Gemeinderat Bernhard Wurzer ist regelmäßig vorbeigekommen und hat versucht uns zu helfen.
Man merkt einfach, dass die Stadt ganz andere Probleme hat, weil jahrelang viel Scheiß gebaut wurde und man sich auf solche Sachen wie die kW gar nicht konzentrieren möchte. Allein die Jugendkulturhalle! Das passt nach St. Pölten, wie die Faust auf’s Aug.
Was sagt Kuhbus zur Jugendkulturhalle?
Man fragt sich natürlich schon: Warum will die Stadt alles in ihrer Hand behalten? Es wird sich zeigen, ob das Konzept funktioniert. Hat so eine Idee bisher schon irgendwo funktioniert? Ob es auf geht oder nicht, ist uns letztlich egal, wir wünschen es der Stadt und insbesondere Wolfgang Matzl jedenfalls. Obwohl wir auch gerne etwas Unterstützung bei unserem Projekt gehabt hätten. Wenn wir nur ein Viertel von dem Budget der Jugendkulturhalle hätten, dann würde sich die Fragen gar nicht stellen, ob wird die kW fortführen. Dann würden hier vier Jugendbeauftragte sitzen und wir hätten Türen aus Gold.
Game Over – die kW dankt:
Rund 2.500 Vereinsmitgliedern, dem Ottakringer-Lieferant „Durschti“, Weinbauer „Zichtl“, Meister Eder, den Tieren (Eule, Katze und insbesondere dem Schwein), Weinlady Strasser, Firma Rossbacher und allen Leuten, die bei uns Partys gemacht haben!
Kuhbus & kW
Der Jugendkulturverein zählt heute 2.400 Mitglieder. Im März 2004 hat er in einem Kellergewölbe die „Kulturwerkstatt“ (kW) als permanente Heimstätte des Vereins eröffnet, wobei regelmäßig öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen abgehalten wurden. Die Partys wurden ohne Betriebsstättengenehmigung und ohne öffentlicher Anmeldung abgehalten – als „geschlossen Vereinsfeste“ laut Kuhbus. Gegen ein polizeiliches Straferkenntis läuft derzeit ein Beschwerdeverfahren beim UVS, wodurch die rechtliche Situation seit Monaten ungeklärt ist.