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Tobias Zuser
Ausgabe
Der Augenblick, an dem man sich ertappt über die heutige Jugend zu schimpfen, ist nicht unbedingt ein denkwürdiger, aber nichtsdestotrotz ein deutliches Indiz für ein bedachtes (oder doch eher naives) Älterwerden. Und weil natürlich die Kinder heutzutage sowieso mit dem Prädikat „frühreif“ ausgestattet sind, setzt dieses Ereignis auch in immer jüngeren Jahren ein (so wie Raucherbein und katastrophale Leberwerte). Sei’s drum. Die heutige Jugend ist erbärmlich. „Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt mehr vor älteren Leuten und diskutiert, wo sie arbeiten sollte.” (Sokrates, 470-399 v. Chr.). Da hat sich also in 2500 Jahren kein bisschen geändert, trotzdem waren doch wir alle anders, hatten noch echte Werte, wussten mehr zu schätzen, waren dankbarer und hatten – Gott steh uns bei – noch Ahnung von Musik. Wenn man dieses Denken nun zurückverfolgt und annimmt, dass die jeweilige Generation noch um einen Tick besser und anständiger war als die vorige, so darf man JägerIn und SammlerIn wohl als perfekten Menschen annehmen. Da uns aber – selbstverständlich – dieser respektlose und kindische Versuch einer charakterlichen Evolutionstheorie, die uns im Vergleich zu unseren wohlerzogeneren Eltern als aufständische Primaten abstempelt, doch eher missfallen wird, schauen wir lieber verständnislos in die Zukunft, schütteln resigniert unsere Köpfe und malen uns schaudernd aus, wie diese wertlose Jugend ihre Kinder (= unsere Pension) erziehen wird… Und wir haben Angst vor der Vogelgrippe? Seien wir doch mal ehrlich: Das einzige, was diese Welt noch retten kann, ist eine gesunde Pandemie.