Perspektive
Text
Beate Steiner
Ausgabe
Interessant, welche Filter das Gedächtnis über die Erinnerung legt. „Die Brutalität gegenüber Frauen haben wir importiert“, behaupten meine Gesprächspartner. Ja, eh klar, dass jede Gesellschaft andere Verhaltensmodi lebt und messerzückende Machos eher nicht österreichische Namen tragen. Aber mein Gedächtnis hat offensichtlich anders gefiltert als das der beiden Männer. Denn mir fallen zahlreiche Brutalos ein, die urösterreichisch sozialisiert wurden und schon mörderisch nett zu Frauen waren, als unsere Politiker und Boulevardmedien das Wort Asylant noch nicht buchstabieren konnten und es hierorts als Fremde nur Gastarbeiter gab. Frauenverachtende Männlein sind auch nicht immer muslimischen Glaubens, wie unsere heimische Glaubensgemeinschaft bestätigt hat. Diese bedient sich ja seit Jahrtausenden besonderer Gedächtnis-Filter, die nach nach dem Prinzip wirken „Was nicht sein darf, auch nicht sein kann.“ Die katholischen Priester, die Nonnen als Freiwild betrachteten, glaubten bisher, sich nur vor Gott verantworten zu müssen. Und: Wenn ER auch alles sieht, erzählt ER’s doch keinem. Jetzt sind die Männer Gottes plötzlich irritiert: Die kirchliche Verschleierung wirkt nicht mehr. Die Welt sieht zu, nicht nur Gott! Ein Lichtblick in unserer Fake-News-Gesellschaft, dass Medien dieser Frau Aufmerksamkeit geschenkt und ihre Scheinwerfer auf die Enthüllungen der ehemaligen Nonne gerichtet haben. Das ist so bemerkenswert, weil viele Medien vermitteln, dass Macho-Attitüden gesellschaftsfähig werden. Nicht nur, aber auch von Männern, die mit Wiener Schnitzel und Alpenrock aufgewachsen sind.