We can be heroes
Text
Johannes Reichl
Ausgabe
Wenn in einer Runde das Gespräch auf Jakob Redl fällt, beginnen in der Regel die Augen jener, die ihn kennen, zu leuchten und man hört Sätze wie „Das ist ein ganz gscheiter Bursch“ oder lapidarer „ein echt cooler Typ“. Der ehemalige grüne EU-Abgeordnete Johannes Voggenhuber hat ihn gar einmal für eine Serie in der ZEIT als „Helden von Morgen“ nominiert. Zeit, den Mann kennenzulernen.
Cinema Paradiso. Sonntagabend. Während am Rathausplatz bei Temperaturen um den Gefrierpunkt noch die letzten Versprengten am Christkindlmarkt einen Schluck vom wärmenden Glühwein nehmen, ist das Paradiso knackevoll. Von wegen Sonntag ist nichts los. Jakob Redl, Jahrgang 1983, sitzt gleich beim Eingang, und schickt noch schnell eine letzte Mail von seinem Macbook ab. Danach wutzelt er sich eine Zigarette und nimmt einen Schluck vom Bier. Pressetermine am Sonntag-Abend, noch dazu im Rest-Urlaub seiner aktuellen Anstellung an der Uni Salzburg – wohl ein erster Vorgeschmack auf seinen neuen Job. Denn Redl wird ab 1. Dezember einer der Big Three in Sachen Kulturhauptstadt. Geschäftsführer der NÖ Kulturlandeshauptstadt St. Pölten GmbH, wie es sperrig heißt, wird Michael Duscher, Redl wird einer von zwei Prokuristen, dem wir – Voggenhuber lässt grüßen – als Local Hero sozusagen den Vortritt lassen, zumal er als Mitinitiator der Plattform „KulturhauptSTART“ auch nachhaltig dazu beigeraten hat, dass das Werkl überhaupt erst ins Laufen gekommen ist. „Wir wollten eine Bewegung von unten initiieren, und die Politik sozusagen mitreißen.“ Das ist gelungen. Ebenso hat es sich Redl aber – im positiven Sinne – auch selbst schwer gemacht „weil ich immer mehr in die Sache hineingekippt bin.“ Spätestens, nachdem er Ulrich Fuchs, den künstlerischen Leiter der Kulturhauptstadt Linz09 und Marseille 2013 kennenlernt „und er mir bis in die Nacht hinein von seinen Erfahrungen erzählt hat, wie man so eine Bewerbung angehen kann, wo die Fallstricke lauern“, ist es um Redl geschehen. Er widmet sich unter Aufbringung nahezu aller Freizeit-Ressourcen ehrenamtlich dem Unternehmen Kulturhauptstadt, die nun tatsächlich sein neuer Job wird. „Ich dachte mir, wie soll ich in Ruhe in Salzburg an meinem Doktorat arbeiten, wenn ich weiß, dass in meiner Heimat St. Pölten gerade eines der spannendsten Projekte überhaupt von statten geht? Darum hab ich mich beworben.“ Und weiß zu überzeugen. Dass seitens der Gesellschafter, also Stadt und Land, auch ein Tick Kalkül dahinter stecken mag, in der Person Redls sozusagen auch gleich die Plattform mit an Bord zu holen, mag diese v. a. als Bestätigung ihres bisherigen Engagements verstehen, wobei Redl explizit betont „dass ich da jetzt nicht als Plattform drin bin, sondern eben für alle.“ Und genau deshalb hat man Redl auch angeheuert, weil er für die ihm zugeordneten Bereiche PR und Partizipation tatsächlich die Idealbesetzung darstellt – Europa ist seit etwas über einem Jahrzehnt, auch wissenschaftlich, sein Thema; die Sache mit der Partizipation hat er nicht nur mit KulturhauptSTART, sondern auch als Mitglied von LAMES oder als Mitinitiator von „Sonnenpark bleibt!“ erfolgreich vor- und durchexerziert; und last but not least ist er St. Pöltner, kennt also die Hood und ihre Befindlichkeiten! Dass er gemeinsam mit Geschäftsführer Michael Duscher diesbezüglich – angesichts vieler Gambler wie Stadt, Land, Künstler, Plattform etc. – ein bisschen wie ein Dompteur die verschiedenen Begehrlichkeiten austarieren wird müssen, macht ihm ebenso wenig Angst wie der Umstand, dass fortan – wie beim Fußball-Teamchef – wohl 50.000 kleine Kulturhauptstadtexperten ihren Senf zum Projekt geben werden. „Das ist ja unsere Aufgabe, die Leute zu aktivieren und hereinzuholen! Ich freue mich jedenfalls riesig auf die neue Herausforderung!“ Die künftige Rolle des Projektteams vergleicht er dabei „mit der eines Regisseurs – wenngleich mit partizipativem Grundverständnis. Es entsteht ein Skript, wo die Vorschläge der verschiedenen Skriptschreiber einfließen, an dem man aber auch selbst mitarbeitet. Dann gibt es die Produzenten – da würde ich Stadt und Land sehen, schließlich die Schauspieler, also jene, die es umsetzen und beleben, und die Zuschauer, die aber – das ist die Herausforderung – selbst zu Mitspielern werden, sich einbringen.“
Wie man diesen Prozess ins Laufen bringt – das sind jetzt die nächsten unmittelbaren Herausforderungen für das Triumvirat, denn für die Bewerbung muss man einerseits eine klare Kulturstrategie vorlegen, zum anderen eine konkrete Vision formulieren und diese auch inhaltlich unterfüttern. „Es klingt jetzt vielleicht weniger spannend, aber in einem ersten Schritt geht es vor allem einmal um eine Analyse des Ist-Zustandes. Wo liegen die Potenziale der Stadt, wo liegen aber auch – und da ist Ehrlichkeit gefragt – unsere Schwachstellen und blinden Flecken. Welche Inhalte sind für das künftige Selbstbild der Stadt relevant, wo möchte man mit der Bewerbung hin.“ Wobei – einem breiten Kulturansatz verpflichtet – die Stadt in ihrer Gesamtheit betrachtet wird, dieser Prozess also nicht nur Fragen der Kultur im engeren Sinne, sondern auch Fragen der allgemeinen Stadtplanung (Schlagwort Smart City), des Verkehrs, des Tourismus, der sozialen Inklusion, der Integration oder etwa auch der historischen Auseinandersetzung betreffen wird „weil das auch ein ganz konkreter Punkt in der Ausschreibung ist, die Einbettung der Bewerberstadt in die europäische Geschichte herauszuarbeiten.“
Als mögliches Vehikel der Partizipations-Aktivierung schwebt Redl der Begriff der „Werkstatt“ vor, „was gerade auch in einer Arbeiterstadt wie St. Pölten schlüssig ist. Vielleicht schaffen wir Ateliers, wo Leute anderen Leuten etwas zeigen, übergreifende ‚Kulturzentren‘, die die Stadt durchdringen, wo sich die Bürger aktiv einbringen können.“ Und noch einen Step weiter wird es dann um passende Formate gehen, um die erarbeiteten Inhalte der Kulturhauptstadt zu vermitteln.
Doch das ist noch Zukunftsmusik, die über die nächsten Jahre hinweg in einem großen Gesamtprozess gemeinsam komponiert werden wird. Eine, an deren Schluss aber ein neues Selbstverständnis und Außenbild St. Pöltens als Hauptstadt mit europäischer Dimension samt dementsprechender Vernetzung stehen soll, und zwar mit nachhaltigen Langzeitwirkungen über die eigentliche Kulturhauptstadt 2024 hinaus. Wenn dies Redl und seinen Mitstreitern gelingt, dann wird sich – zumindest aus Stadtsicht – Voggenhubers Prophezeiung vom Helden tatsächlich erfüllen. In diesem Sinne an alle Regisseure und Mitwirkenden, also uns – Film ab für das größte Abenteuer St. Pöltens seit langem. Europa wir kommen!
Wie man diesen Prozess ins Laufen bringt – das sind jetzt die nächsten unmittelbaren Herausforderungen für das Triumvirat, denn für die Bewerbung muss man einerseits eine klare Kulturstrategie vorlegen, zum anderen eine konkrete Vision formulieren und diese auch inhaltlich unterfüttern. „Es klingt jetzt vielleicht weniger spannend, aber in einem ersten Schritt geht es vor allem einmal um eine Analyse des Ist-Zustandes. Wo liegen die Potenziale der Stadt, wo liegen aber auch – und da ist Ehrlichkeit gefragt – unsere Schwachstellen und blinden Flecken. Welche Inhalte sind für das künftige Selbstbild der Stadt relevant, wo möchte man mit der Bewerbung hin.“ Wobei – einem breiten Kulturansatz verpflichtet – die Stadt in ihrer Gesamtheit betrachtet wird, dieser Prozess also nicht nur Fragen der Kultur im engeren Sinne, sondern auch Fragen der allgemeinen Stadtplanung (Schlagwort Smart City), des Verkehrs, des Tourismus, der sozialen Inklusion, der Integration oder etwa auch der historischen Auseinandersetzung betreffen wird „weil das auch ein ganz konkreter Punkt in der Ausschreibung ist, die Einbettung der Bewerberstadt in die europäische Geschichte herauszuarbeiten.“
Als mögliches Vehikel der Partizipations-Aktivierung schwebt Redl der Begriff der „Werkstatt“ vor, „was gerade auch in einer Arbeiterstadt wie St. Pölten schlüssig ist. Vielleicht schaffen wir Ateliers, wo Leute anderen Leuten etwas zeigen, übergreifende ‚Kulturzentren‘, die die Stadt durchdringen, wo sich die Bürger aktiv einbringen können.“ Und noch einen Step weiter wird es dann um passende Formate gehen, um die erarbeiteten Inhalte der Kulturhauptstadt zu vermitteln.
Doch das ist noch Zukunftsmusik, die über die nächsten Jahre hinweg in einem großen Gesamtprozess gemeinsam komponiert werden wird. Eine, an deren Schluss aber ein neues Selbstverständnis und Außenbild St. Pöltens als Hauptstadt mit europäischer Dimension samt dementsprechender Vernetzung stehen soll, und zwar mit nachhaltigen Langzeitwirkungen über die eigentliche Kulturhauptstadt 2024 hinaus. Wenn dies Redl und seinen Mitstreitern gelingt, dann wird sich – zumindest aus Stadtsicht – Voggenhubers Prophezeiung vom Helden tatsächlich erfüllen. In diesem Sinne an alle Regisseure und Mitwirkenden, also uns – Film ab für das größte Abenteuer St. Pöltens seit langem. Europa wir kommen!