Wir brauchen vor allem höheres Wirtschaftswachstum
Text
Johannes Reichl
Ausgabe
Österreich ist vom Musterschüler in Sachen Arbeitslosenrate im letzten Jahr im EU-Vergleich zurückgefallen. Während anderswo die Arbeitslosigkeit sinkt, ist sie bei uns im Steigen begriffen. Wir sprachen mit AMS St. Pölten-Leiter Thomas Pop über aktuelle Entwicklungen und „Problemfälle“ sowie die viel diskutierten Themen Mindestsicherung, Ostöffnung und Ausländerbeschäftigung.
Wie hoch ist die aktuelle Arbeitslosenrate in St. Pölten?
Die Arbeitslosenrate lag im Bezirk per Ende Jänner bei 10,6%. 7.079 Arbeitslose standen beim AMS in Vormerkung, das sind um 257 oder 3,8% mehr als im Vorjahr. Insgesamt zählen wir 8.189 Jobsuchende, also Menschen, die entweder arbeitslos vorgemerkt oder in Schulungsmaßnahmen des AMS sind.
Wo liegen die „Problemfälle“?
Schwierig bleibt die Arbeitsmarktlage vor allem für gesundheitlich beeinträchtigte Personen mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit um 23,8%, wie auch für Ältere, die ihre Arbeitsstelle verloren haben – da haben wir ein Plus von 6,0% gegenüber dem Vorjahr. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit von Personen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft hat sich hingegen im letzten Monat um 4,5% verlangsamt. Neu ist, dass die Arbeitslosigkeit in den Wintermonaten bei Frauen mit 4,0% etwas stärker angestiegen ist als die der Männer mit 3,6%. Dieser Umstand ist zum Großteil auf branchenspezifische Entwicklungen zurückzuführen. So geht beispielsweise die Arbeitslosigkeit in den Bauberufen aufgrund des ausnehmend milden Winters zurück.
Das heißt, es gibt auch Lichtblicke. Noch andere?
Sehr erfreulich ist der Rückgang der Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen unter 25 Jahren um immerhin 3,1%! Auch bei den gemeldeten offenen Stellen zeigen sich seit gut einem halben Jahr erste, positive Anzeichen für eine Belebung der Konjunktur. Die Arbeitsaufnahmen von vorgemerkten Arbeitslosen konnten – trotz schlechter Konjunktur – gegenüber dem Jahr 2014 um 2,3% auf 7.412 gesteigert werden, jene von Langzeitarbeitslosen, das sind die über ein Jahr Vorgemerkten, sogar um 77% auf 317! Auch bei den Älteren ab 50 Jahren gab es um 11% mehr Arbeitsaufnahmen, insgesamt 1.108.
Das Thema Arbeitslosigkeit ist auch im Konnex zur Mindestsicherung heiß diskutiert. Wie beurteilen Sie das Instrumentarium?
Die Mindestsicherung ist eine wichtige Maßnahme zur Armutsbekämpfung in Österreich sowie ein wesentlicher Schritt „arbeitsmarktferne“ Personen wieder ins Erwerbsleben zu integrieren.
Wie hoch ist der Anteil der Mindestsicherungsbezieher an den Arbeitsuchenden überhaupt?
Im Jahresdurchschnitt 2015 lag der Anteil der Mindestsicherungsbezieher in Niederösterreich – sowohl teilunterstützt, also mit AMS-Bezug, als auch vollunterstützt ohne AMS-Bezug – an allen vorgemerkten Arbeitslosen bei 8,6%.
Wie viele schaffen es wieder in Anstellungsverhältnisse?
Etwa 10.700 von Arbeitslosigkeit Betroffene haben im letzten Jahr Mindestsicherung bezogen. 1.850 von ihnen ist der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt gelungen – ein schöner Erfolg für diese Zielgruppe.
Es fällt auf, dass die Zahl der Mindestsicherungsbezieher in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen ist – worauf führen Sie das zurück?
Mit Beginn der Wirtschaftskrise 2008 begann das Wirtschaftswachstum stetig sich der 0%-Grenze anzunähern und damit eine Stagnation auf dem Arbeitsmarkt zu erzeugen. Personalabbau und Sparmaßnahmen prägen seitdem die Wirtschaft. Was wir vor allem brauchen ist höheres Wirtschaftswachstum. In Niederösterreich steigt zwar die Beschäftigung, aber leider Hand in Hand auch die Arbeitslosigkeit. Das gesamte Angebot an Arbeitskräften ist deutlich höher als die Zahl der zusätzlichen Stellen, die Unternehmen anbieten.
Ein anderes heißes Eisen betrifft Asyl & Arbeitsmarkt. Wie lange ist aktuell die durchschnittliche Verweildauer von anerkannten Schutzbedürftigen bis sie eine Anstellung finden.
Im Jahresdurchschnitt 2015 betrug die durchschnittliche Verweildauer von Asylberechtigten, das sind Konventionsflüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, in Niederösterreich 125 Tage. Die Verweildauer von allen vorgemerkten Arbeitslosen betrug 133 Tage.
Im Landtag wurden nunmehr verpflichtende Deutschkurse festgeschrieben – wer diese nicht einhält, verliert Leistungen. Wie ist Ihre Erfahrung mit Deutschkursen? Gibt es überhaupt genug?
Das AMS hat Deutschkurse zugekauft und stellt sie den Asylanten und subsidiär Schutzbedürftigen zur Verfügung. Derzeit gibt es eine Warteliste von etwa zwei bis drei Monaten. Welche Quantitäten in den nächsten Monaten erforderlich sind, wird sich in der Anerkennungsquote zeigen. Viele andere Institutionen stellen ebenfalls Deutschkurse zur Verfügung.
Was ist an der Pauschalbehauptung „ausländische Arbeitnehmer nehmen inländischen die Jobs weg“ dran? Überschneiden sich die Felder?
Im Jahr 2015 ist die Zahl der erwerbstätigen Ausländer in Niederösterreich um 5,5%, jene der Inländer um 0,3% gestiegen. Dagegen stieg die Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen Inländer um 8,0% gegenüber dem Jahr 2014 an, die der arbeitslosen Ausländer um durchschnittlich 14,6%. Der Anstieg der Ausländerarbeitslosigkeit ist durch das höhere Arbeitskräfteangebot somit prozentuell höher als jener der Inländer. Diese Sichtweise lässt sich in den Daten aber nicht 1:1 ableiten, da wir keine zuverlässigen Aussagen treffen können, in welchem Ausmaß die Beschäftigung bei österreichischen Betrieben höher wäre, wenn es keine Entsendungen [ausländischer Arbeitskräfte durch ausländische Unternehmen, Anm.] gäbe.
Welche Folgen hat die Ostöffnung auf den Arbeitsmarkt in Niederösterreich/St. Pölten gezeitigt. Wurde dadurch ein Verdrängungswettbewerb ausgelöst wie von mehreren behauptet wird?
Einen Verdrängungswettbewerb konnten wir im Bezirk St. Pölten nicht feststellen. Der Beschäftigtenstand mit Jänner 2016 lag mit 59.825 um 752 oder 1,3% höher als im Vergleichszeitraum des Vorjahres und um 2.200 oder 3,8% höher als im Jänner 2011 – also noch vor der Ostöffnung! Die Arbeitslosigkeit stieg im gleichen Zeitraum im Bezirk St. Pölten von Jänner 2011 bis Jänner 2016 um 1.333 Personen oder 23,2% auf insgesamt aktuell 7.079 an.
ARBEITSMARKTSITUATION PER JÄNNER 2016, BEZIRK ST. PÖLTEN
• Arbeitslosenrate: 10,6%
• 7.079 arbeitslose Personen (+257 od. +3,8%): Frauen: 2.562 (+98 od. +4,0%), Männer: 4.517 (+159 od. +3,6%)
• 1.110 in Schulung befindliche Personen (+83 od. +8,1%)
• 1.993 Ältere über 50 Jahre (+113 od. +6,0%): Frauen: 679 (+42 od. +6,6%),
Männer: 1.314 (+71 od. +5,7%)
• 3.221 Personen mit Pflichtschulabschluss: (+97 od. +3,1%)
• 887 Jugendliche bis 25 Jahre (-28 od. -3,1%): Frauen: 282 (-21 od. -6,9%), Männer: 605 (-7 od. –1,1%)
• 120 Lehrstellensuchende (-15 od. -11,1%)
• Anteil der Ausländer an vorgemerkten Arbeitslosen: 23,1%.
• Anteil der Mindestsicherungsbezieher an vorgemerkten Arbeitslosgen: 2015 nö-weit 8,6%
Die Arbeitslosenrate lag im Bezirk per Ende Jänner bei 10,6%. 7.079 Arbeitslose standen beim AMS in Vormerkung, das sind um 257 oder 3,8% mehr als im Vorjahr. Insgesamt zählen wir 8.189 Jobsuchende, also Menschen, die entweder arbeitslos vorgemerkt oder in Schulungsmaßnahmen des AMS sind.
Wo liegen die „Problemfälle“?
Schwierig bleibt die Arbeitsmarktlage vor allem für gesundheitlich beeinträchtigte Personen mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit um 23,8%, wie auch für Ältere, die ihre Arbeitsstelle verloren haben – da haben wir ein Plus von 6,0% gegenüber dem Vorjahr. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit von Personen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft hat sich hingegen im letzten Monat um 4,5% verlangsamt. Neu ist, dass die Arbeitslosigkeit in den Wintermonaten bei Frauen mit 4,0% etwas stärker angestiegen ist als die der Männer mit 3,6%. Dieser Umstand ist zum Großteil auf branchenspezifische Entwicklungen zurückzuführen. So geht beispielsweise die Arbeitslosigkeit in den Bauberufen aufgrund des ausnehmend milden Winters zurück.
Das heißt, es gibt auch Lichtblicke. Noch andere?
Sehr erfreulich ist der Rückgang der Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen unter 25 Jahren um immerhin 3,1%! Auch bei den gemeldeten offenen Stellen zeigen sich seit gut einem halben Jahr erste, positive Anzeichen für eine Belebung der Konjunktur. Die Arbeitsaufnahmen von vorgemerkten Arbeitslosen konnten – trotz schlechter Konjunktur – gegenüber dem Jahr 2014 um 2,3% auf 7.412 gesteigert werden, jene von Langzeitarbeitslosen, das sind die über ein Jahr Vorgemerkten, sogar um 77% auf 317! Auch bei den Älteren ab 50 Jahren gab es um 11% mehr Arbeitsaufnahmen, insgesamt 1.108.
Das Thema Arbeitslosigkeit ist auch im Konnex zur Mindestsicherung heiß diskutiert. Wie beurteilen Sie das Instrumentarium?
Die Mindestsicherung ist eine wichtige Maßnahme zur Armutsbekämpfung in Österreich sowie ein wesentlicher Schritt „arbeitsmarktferne“ Personen wieder ins Erwerbsleben zu integrieren.
Wie hoch ist der Anteil der Mindestsicherungsbezieher an den Arbeitsuchenden überhaupt?
Im Jahresdurchschnitt 2015 lag der Anteil der Mindestsicherungsbezieher in Niederösterreich – sowohl teilunterstützt, also mit AMS-Bezug, als auch vollunterstützt ohne AMS-Bezug – an allen vorgemerkten Arbeitslosen bei 8,6%.
Wie viele schaffen es wieder in Anstellungsverhältnisse?
Etwa 10.700 von Arbeitslosigkeit Betroffene haben im letzten Jahr Mindestsicherung bezogen. 1.850 von ihnen ist der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt gelungen – ein schöner Erfolg für diese Zielgruppe.
Es fällt auf, dass die Zahl der Mindestsicherungsbezieher in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen ist – worauf führen Sie das zurück?
Mit Beginn der Wirtschaftskrise 2008 begann das Wirtschaftswachstum stetig sich der 0%-Grenze anzunähern und damit eine Stagnation auf dem Arbeitsmarkt zu erzeugen. Personalabbau und Sparmaßnahmen prägen seitdem die Wirtschaft. Was wir vor allem brauchen ist höheres Wirtschaftswachstum. In Niederösterreich steigt zwar die Beschäftigung, aber leider Hand in Hand auch die Arbeitslosigkeit. Das gesamte Angebot an Arbeitskräften ist deutlich höher als die Zahl der zusätzlichen Stellen, die Unternehmen anbieten.
Ein anderes heißes Eisen betrifft Asyl & Arbeitsmarkt. Wie lange ist aktuell die durchschnittliche Verweildauer von anerkannten Schutzbedürftigen bis sie eine Anstellung finden.
Im Jahresdurchschnitt 2015 betrug die durchschnittliche Verweildauer von Asylberechtigten, das sind Konventionsflüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, in Niederösterreich 125 Tage. Die Verweildauer von allen vorgemerkten Arbeitslosen betrug 133 Tage.
Im Landtag wurden nunmehr verpflichtende Deutschkurse festgeschrieben – wer diese nicht einhält, verliert Leistungen. Wie ist Ihre Erfahrung mit Deutschkursen? Gibt es überhaupt genug?
Das AMS hat Deutschkurse zugekauft und stellt sie den Asylanten und subsidiär Schutzbedürftigen zur Verfügung. Derzeit gibt es eine Warteliste von etwa zwei bis drei Monaten. Welche Quantitäten in den nächsten Monaten erforderlich sind, wird sich in der Anerkennungsquote zeigen. Viele andere Institutionen stellen ebenfalls Deutschkurse zur Verfügung.
Was ist an der Pauschalbehauptung „ausländische Arbeitnehmer nehmen inländischen die Jobs weg“ dran? Überschneiden sich die Felder?
Im Jahr 2015 ist die Zahl der erwerbstätigen Ausländer in Niederösterreich um 5,5%, jene der Inländer um 0,3% gestiegen. Dagegen stieg die Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen Inländer um 8,0% gegenüber dem Jahr 2014 an, die der arbeitslosen Ausländer um durchschnittlich 14,6%. Der Anstieg der Ausländerarbeitslosigkeit ist durch das höhere Arbeitskräfteangebot somit prozentuell höher als jener der Inländer. Diese Sichtweise lässt sich in den Daten aber nicht 1:1 ableiten, da wir keine zuverlässigen Aussagen treffen können, in welchem Ausmaß die Beschäftigung bei österreichischen Betrieben höher wäre, wenn es keine Entsendungen [ausländischer Arbeitskräfte durch ausländische Unternehmen, Anm.] gäbe.
Welche Folgen hat die Ostöffnung auf den Arbeitsmarkt in Niederösterreich/St. Pölten gezeitigt. Wurde dadurch ein Verdrängungswettbewerb ausgelöst wie von mehreren behauptet wird?
Einen Verdrängungswettbewerb konnten wir im Bezirk St. Pölten nicht feststellen. Der Beschäftigtenstand mit Jänner 2016 lag mit 59.825 um 752 oder 1,3% höher als im Vergleichszeitraum des Vorjahres und um 2.200 oder 3,8% höher als im Jänner 2011 – also noch vor der Ostöffnung! Die Arbeitslosigkeit stieg im gleichen Zeitraum im Bezirk St. Pölten von Jänner 2011 bis Jänner 2016 um 1.333 Personen oder 23,2% auf insgesamt aktuell 7.079 an.
ARBEITSMARKTSITUATION PER JÄNNER 2016, BEZIRK ST. PÖLTEN
• Arbeitslosenrate: 10,6%
• 7.079 arbeitslose Personen (+257 od. +3,8%): Frauen: 2.562 (+98 od. +4,0%), Männer: 4.517 (+159 od. +3,6%)
• 1.110 in Schulung befindliche Personen (+83 od. +8,1%)
• 1.993 Ältere über 50 Jahre (+113 od. +6,0%): Frauen: 679 (+42 od. +6,6%),
Männer: 1.314 (+71 od. +5,7%)
• 3.221 Personen mit Pflichtschulabschluss: (+97 od. +3,1%)
• 887 Jugendliche bis 25 Jahre (-28 od. -3,1%): Frauen: 282 (-21 od. -6,9%), Männer: 605 (-7 od. –1,1%)
• 120 Lehrstellensuchende (-15 od. -11,1%)
• Anteil der Ausländer an vorgemerkten Arbeitslosen: 23,1%.
• Anteil der Mindestsicherungsbezieher an vorgemerkten Arbeitslosgen: 2015 nö-weit 8,6%