Andreas Purt – Bleibt alles anders?
Text
Johannes Reichl
Ausgabe
Unser Gespräch beginnt mit der obligatorischen Begrüßungsformel, als es sich Mostviertel Tourismus Geschäftsführer Andreas Purt im grauen Sofa bequem macht. „Und, bist schon geimpft?!“ Sind wir beide, wie mittlerweile Millionen weitere Menschen in ganz Europa, was insbesondere den Touristiker freut, weil es Druck aus der Branche nimmt. Wir sprachen mit Purt über Tourismus in Zeiten der Pandemie, Corona und die Folgen sowie das Landeskulturhauptstadtjahr 2024.
Wie ist die Stimmung in der Branche, und kann man den Schaden, den die Pandemie in Ihrer Tourismusregion angerichtet hat, in etwa beziffern?
Ich würde sagen, nach einer leichten Schockstarre ist nun alles gut angelaufen. Das Problem im Frühling war ja zunächst, dass man praktisch weniger wusste im Hinblick aufs Aufsperren und damit zusammenhängende Bedingungen und Verpflichtungen als im Vorjahr.
Nächtigungsmäßig hatten wir im Mostviertel einen Einbruch von etwa 35% im Vorjahr gegenüber 2019, wobei eine gewisse Zweiteilung zu konstatieren war. Städte, die ja vor allem vom Wirtschaftstourismus, Gruppenreisen, Veranstaltungstourismus abhängen, hat es stärker erwischt – St. Pölten etwa mit einem Minus von 45%. Das alpine Mostviertel wiederum ist mit etwa minus 28% davongekommen, und manch Region wie zum Beispiel Lunz/See hat sogar ein Plus verzeichnet.
War das dem starken Sommer im Vorjahr geschuldet, als viele notgedrungen vor allem Urlaub in Österreich gemacht haben?
Tatsächlich wurden wir bereits im April, Mai regelrecht gestürmt. Ausflugsziele wie etwa der Naturpark Ötscher hatten im Vorjahr ein Rekordergebnis mit über 50.000 Besuchern, und das, obwohl die Saison zwei Wochen kürzer war. Ähnliches haben wir auf den Radstrecken erlebt, die ganz klar auch vom E-Bike-Boom profitiert haben.
Im Gegensatz zum Westen wurden wir zudem – wenn offen war – auch im Winter sehr gut nachgefragt. Obwohl Annaberg etwa 40% weniger Gäste hatte, brach der Umsatz dennoch „nur“ um 16% ein, was wohl auch damit zu tun hatte, dass man kapazitätsmäßig auf Ermäßigungen und Co. verzichtete. St. Corona wiederum, wo man einen 3-Schicht-Betrieb fuhr – coronabedingt lief ja alles über online-Buchungen – verzeichnete sogar eine positive Bilanz.
Glauben Sie diesbezüglich an eine Trendumkehr – dass also, wenn sozusagen wieder Normalität einkehrt, der Urlaub vor der Haustür dennoch attraktiver bleibt als etwa die Sehnsucht nach dem Meer?
Wenn ich höre, dass zu Ostern innerhalb von zehn Minuten 53 Flüge nach Mallorca ausgebucht waren, dann hege ich so meine Zweifel. Andererseits hat die Pandemie für sozusagen „erdgebundende Destinationen“ schon auch eine Chance eröffnet, weil die Leute gesehen haben, welche Schönheiten sie direkt vor der Haustüre haben und nicht unbedingt immer so weit fortfahren müssen, um sich zu erholen. Das könnte eine neue Alternative sein, wenngleich der Mensch natürlich schnell vergisst. Was uns auf Sicht zusätzlich in die Hände spielen könnte, ist der Klimawandel, wie jüngst auch eine Refresh-Studie herausgearbeitet hat, dass in Zukunft die Menschen die kurzfristige „Flucht“ in stadtnahe Ziele suchen, in die Berge, zu den Seen, in die Natur vor der Haustür. Es wird sich weisen, ob das Corona-Jahr in diesem Punkt also nur eine Delle bedeutete oder doch eine nachhaltige Veränderung bringt – prinzipiell liegt es aber in unserer DNA, sich auf Reisen zu begeben.
Vor Corona sagten manche Regionen „Overtourism“ den Kampf an. Wird dieses Unbehagen auch nach der Pandemie bleiben, oder sind diese Stimmen verstummt, weil man jetzt froh ist, dass überhaupt wieder Touristen kommen?
Massentourismus ist auch eine Frage der Relation. Da sieht es bei uns sicher anders aus als etwa im alpinen Bereich in Westösterreich. Die Grundfrage ist eher, wie viel Tourismus brauche ich, wie viel möchte ich haben? Ein Beispiel: In Mitterbach wurde über einen neuen Parkplatz diskutiert, und da tauchte die Frage auf: Brauchen wir den überhaupt, wozu noch mehr Gäste? Aktuell hat man etwa 30.000 Nächtigungen im Jahr, früher waren es 100.000! Da hat sich also schon die Sicht auf die Dinge verschoben, auch im Hinblick auf die Rentabilität des Tourismus, was er der Region also bringt an Wertschöpfung, Arbeitsplätzen etc. Wenn ich etwa ein Hotel mit neun Mitarbeitern habe, wovon sieben aus Ungarn kommen, dann fragen sich die Einheimischen natürlich „Und was bringt das jetzt uns?“ Solche Fragestellungen werden sicher bleiben, ebenso wie die Zweitwohnsitzerdebatte, die vor allem im Westen ein Problem darstellt. Da hat man es bei uns noch leichter, weil man bewusst sagen kann „Das wollen wir regulieren, damit es nicht aus dem Ruder läuft.“ Andererseits (lacht) – die Gier is bekanntlich a Luada! Was aber defintiv bleiben wird und mit der Nachhaltigkeitsthematik zusammenhängt, ist ein stärkerer Fokus auf Regionalität, Wertschätzung der heimischen Produzenten, Märkte, Angebote. Das fragen auch die Gäste nach.
Wie steht‘s eigentlich um die Betriebe im Mostviertel? Mussten viele zusperren?
Es hat mich teilweise überrascht, als wie resilient sich unsere Betriebe erwiesen haben. Viele Unternehmer haben sogar eine gewisse Gelassenheit an den Tag gelegt, wenn ich etwa an einen Wirt denke, der – nach einer Schockstarre und nachdem die finanziellen Existenzfragen für sich und die Mitarbeiter geregelt waren – meinte: „Nur acht Stunden Arbeit am Tag ist eigentlich auch ganz okay!“ Nach acht Wochen hat er dann aber eh schon wieder in den Löchern gescharrt, weil er endlich wieder mehr Action wollte (lacht). Viele waren auch voll aktiv, haben in der Gastronomie etwa neue Angebote kreiert oder – wie manche Landwirte – neue Appartements für Urlaub am Bauernhof geschaffen. Andere wiederum haben die Zimmer renoviert – die ÖHT (Österreichische Hotel und Tourismusbank, Anm.) hatte 2020 ein ähnliches Fördervolumen für Hotelinvestitionen wie 2019.
Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Betriebe, die es nicht geschafft haben oder nicht schaffen werden – vor allem jene, wo es keine geregelte Nachfolge gibt. Da haben sich die Alten schon die Sinnfrage gestellt – macht das Durchhalten überhaupt Sinn oder ist es nicht besser, ich versuche den Betrieb zu veräußern, oder ich sperr ihn gleich ganz zu. Wie viele Betriebe wirklich am Ende des Tages zusperren müssen, ist aktuell aber noch nicht seriös vorherzusagen.
Wie ist es um St. Pölten bestellt? Die heimische Hotellerie scheint es ja einigermaßen mit Fassung zu tragen.
St. Pölten wird durch das Virus sicher nicht aus der Bahn geworfen. Die Stadt hat ja eine so unglaublich dynamische Entwicklung genommen, die hält an – da genügt allein ein Blick aufs Baugeschehen. Das Landeskulturhauptstadtjahr 2024 wird einen zusätzlichen, nachhaltigen Schub bringen, wodurch auch der Tourismus als solcher auf ein neues Level gehoben wird. Wir reden immerhin von 16 Millionen Euro, die in die Hand genommen werden. Organisatorisch – das wird gerade auf Schiene gebracht – kommt es in Sachen Tourismus zu einem noch stärkeren Zusammenschluss von Stadt/Land/Region, was sich wohl auch in der Struktur des St. Pölten Tourismus niederschlagen wird. Die neuen Einrichtungen wie etwa das KiKuLa werden hoffentlich so einschlagen, wie man es sich erhofft. Damit soll auch – das ist eines der großen Ziele – einer stärkeren emotionalen Bindung an die Stadt, die von den Bürgern der Umlandgemeinden bislang eher als formal-kühle Gesundheits-, Schul-, Kultur-, Einkaufsstadt wahrgenommen wird, Vorschub geleistet werden. Diese Emotionalisierung wird auch durch die stärkere Vernetzung der gesamten Region erfolgen, St. Pölten wird also noch stärker mit dem Mostviertel aufgeladen, das Mostviertel noch stärker mit der Landeshauptstadt, man befruchtet sich gegenseitig! Last but not least wird das erhöhte Angebot auch eine positive Weiterentwicklung anstoßen, weshalb mit dem einen oder anderen neuen Hotel in der Landeshauptstadt zu rechnen ist.
Ich würde sagen, nach einer leichten Schockstarre ist nun alles gut angelaufen. Das Problem im Frühling war ja zunächst, dass man praktisch weniger wusste im Hinblick aufs Aufsperren und damit zusammenhängende Bedingungen und Verpflichtungen als im Vorjahr.
Nächtigungsmäßig hatten wir im Mostviertel einen Einbruch von etwa 35% im Vorjahr gegenüber 2019, wobei eine gewisse Zweiteilung zu konstatieren war. Städte, die ja vor allem vom Wirtschaftstourismus, Gruppenreisen, Veranstaltungstourismus abhängen, hat es stärker erwischt – St. Pölten etwa mit einem Minus von 45%. Das alpine Mostviertel wiederum ist mit etwa minus 28% davongekommen, und manch Region wie zum Beispiel Lunz/See hat sogar ein Plus verzeichnet.
War das dem starken Sommer im Vorjahr geschuldet, als viele notgedrungen vor allem Urlaub in Österreich gemacht haben?
Tatsächlich wurden wir bereits im April, Mai regelrecht gestürmt. Ausflugsziele wie etwa der Naturpark Ötscher hatten im Vorjahr ein Rekordergebnis mit über 50.000 Besuchern, und das, obwohl die Saison zwei Wochen kürzer war. Ähnliches haben wir auf den Radstrecken erlebt, die ganz klar auch vom E-Bike-Boom profitiert haben.
Im Gegensatz zum Westen wurden wir zudem – wenn offen war – auch im Winter sehr gut nachgefragt. Obwohl Annaberg etwa 40% weniger Gäste hatte, brach der Umsatz dennoch „nur“ um 16% ein, was wohl auch damit zu tun hatte, dass man kapazitätsmäßig auf Ermäßigungen und Co. verzichtete. St. Corona wiederum, wo man einen 3-Schicht-Betrieb fuhr – coronabedingt lief ja alles über online-Buchungen – verzeichnete sogar eine positive Bilanz.
Glauben Sie diesbezüglich an eine Trendumkehr – dass also, wenn sozusagen wieder Normalität einkehrt, der Urlaub vor der Haustür dennoch attraktiver bleibt als etwa die Sehnsucht nach dem Meer?
Wenn ich höre, dass zu Ostern innerhalb von zehn Minuten 53 Flüge nach Mallorca ausgebucht waren, dann hege ich so meine Zweifel. Andererseits hat die Pandemie für sozusagen „erdgebundende Destinationen“ schon auch eine Chance eröffnet, weil die Leute gesehen haben, welche Schönheiten sie direkt vor der Haustüre haben und nicht unbedingt immer so weit fortfahren müssen, um sich zu erholen. Das könnte eine neue Alternative sein, wenngleich der Mensch natürlich schnell vergisst. Was uns auf Sicht zusätzlich in die Hände spielen könnte, ist der Klimawandel, wie jüngst auch eine Refresh-Studie herausgearbeitet hat, dass in Zukunft die Menschen die kurzfristige „Flucht“ in stadtnahe Ziele suchen, in die Berge, zu den Seen, in die Natur vor der Haustür. Es wird sich weisen, ob das Corona-Jahr in diesem Punkt also nur eine Delle bedeutete oder doch eine nachhaltige Veränderung bringt – prinzipiell liegt es aber in unserer DNA, sich auf Reisen zu begeben.
Vor Corona sagten manche Regionen „Overtourism“ den Kampf an. Wird dieses Unbehagen auch nach der Pandemie bleiben, oder sind diese Stimmen verstummt, weil man jetzt froh ist, dass überhaupt wieder Touristen kommen?
Massentourismus ist auch eine Frage der Relation. Da sieht es bei uns sicher anders aus als etwa im alpinen Bereich in Westösterreich. Die Grundfrage ist eher, wie viel Tourismus brauche ich, wie viel möchte ich haben? Ein Beispiel: In Mitterbach wurde über einen neuen Parkplatz diskutiert, und da tauchte die Frage auf: Brauchen wir den überhaupt, wozu noch mehr Gäste? Aktuell hat man etwa 30.000 Nächtigungen im Jahr, früher waren es 100.000! Da hat sich also schon die Sicht auf die Dinge verschoben, auch im Hinblick auf die Rentabilität des Tourismus, was er der Region also bringt an Wertschöpfung, Arbeitsplätzen etc. Wenn ich etwa ein Hotel mit neun Mitarbeitern habe, wovon sieben aus Ungarn kommen, dann fragen sich die Einheimischen natürlich „Und was bringt das jetzt uns?“ Solche Fragestellungen werden sicher bleiben, ebenso wie die Zweitwohnsitzerdebatte, die vor allem im Westen ein Problem darstellt. Da hat man es bei uns noch leichter, weil man bewusst sagen kann „Das wollen wir regulieren, damit es nicht aus dem Ruder läuft.“ Andererseits (lacht) – die Gier is bekanntlich a Luada! Was aber defintiv bleiben wird und mit der Nachhaltigkeitsthematik zusammenhängt, ist ein stärkerer Fokus auf Regionalität, Wertschätzung der heimischen Produzenten, Märkte, Angebote. Das fragen auch die Gäste nach.
Wie steht‘s eigentlich um die Betriebe im Mostviertel? Mussten viele zusperren?
Es hat mich teilweise überrascht, als wie resilient sich unsere Betriebe erwiesen haben. Viele Unternehmer haben sogar eine gewisse Gelassenheit an den Tag gelegt, wenn ich etwa an einen Wirt denke, der – nach einer Schockstarre und nachdem die finanziellen Existenzfragen für sich und die Mitarbeiter geregelt waren – meinte: „Nur acht Stunden Arbeit am Tag ist eigentlich auch ganz okay!“ Nach acht Wochen hat er dann aber eh schon wieder in den Löchern gescharrt, weil er endlich wieder mehr Action wollte (lacht). Viele waren auch voll aktiv, haben in der Gastronomie etwa neue Angebote kreiert oder – wie manche Landwirte – neue Appartements für Urlaub am Bauernhof geschaffen. Andere wiederum haben die Zimmer renoviert – die ÖHT (Österreichische Hotel und Tourismusbank, Anm.) hatte 2020 ein ähnliches Fördervolumen für Hotelinvestitionen wie 2019.
Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Betriebe, die es nicht geschafft haben oder nicht schaffen werden – vor allem jene, wo es keine geregelte Nachfolge gibt. Da haben sich die Alten schon die Sinnfrage gestellt – macht das Durchhalten überhaupt Sinn oder ist es nicht besser, ich versuche den Betrieb zu veräußern, oder ich sperr ihn gleich ganz zu. Wie viele Betriebe wirklich am Ende des Tages zusperren müssen, ist aktuell aber noch nicht seriös vorherzusagen.
Wie ist es um St. Pölten bestellt? Die heimische Hotellerie scheint es ja einigermaßen mit Fassung zu tragen.
St. Pölten wird durch das Virus sicher nicht aus der Bahn geworfen. Die Stadt hat ja eine so unglaublich dynamische Entwicklung genommen, die hält an – da genügt allein ein Blick aufs Baugeschehen. Das Landeskulturhauptstadtjahr 2024 wird einen zusätzlichen, nachhaltigen Schub bringen, wodurch auch der Tourismus als solcher auf ein neues Level gehoben wird. Wir reden immerhin von 16 Millionen Euro, die in die Hand genommen werden. Organisatorisch – das wird gerade auf Schiene gebracht – kommt es in Sachen Tourismus zu einem noch stärkeren Zusammenschluss von Stadt/Land/Region, was sich wohl auch in der Struktur des St. Pölten Tourismus niederschlagen wird. Die neuen Einrichtungen wie etwa das KiKuLa werden hoffentlich so einschlagen, wie man es sich erhofft. Damit soll auch – das ist eines der großen Ziele – einer stärkeren emotionalen Bindung an die Stadt, die von den Bürgern der Umlandgemeinden bislang eher als formal-kühle Gesundheits-, Schul-, Kultur-, Einkaufsstadt wahrgenommen wird, Vorschub geleistet werden. Diese Emotionalisierung wird auch durch die stärkere Vernetzung der gesamten Region erfolgen, St. Pölten wird also noch stärker mit dem Mostviertel aufgeladen, das Mostviertel noch stärker mit der Landeshauptstadt, man befruchtet sich gegenseitig! Last but not least wird das erhöhte Angebot auch eine positive Weiterentwicklung anstoßen, weshalb mit dem einen oder anderen neuen Hotel in der Landeshauptstadt zu rechnen ist.