MFG - „Mithalten ist gar nicht das Thema!“
„Mithalten ist gar nicht das Thema!“


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

„Mithalten ist gar nicht das Thema!“

Text Johannes Reichl
Ausgabe 06/2016

10 Jahre und kein bisschen leise – und das ist im hartumkämpften Privatradio-Sektor alles andere denn einfach. Radio Arabella, mit Sitz in St. Leonhard am Forst, hat das Kunststück zuwege gebracht. Wir sprachen mit Geschäftsführer Erich Graf über Strategien, manipulierte Radiotests und die Folgen der digitalen Revolution.

In St. Pölten haben sich manche Sender bereits die Zähne ausgebissen: Radio RPN oder Radio PL1 sind Geschichte, Hit FM mutierte zu 88,6. Warum ist das Privatradio-Pflaster so schwierig?
Privatradio muss wie jedes andere Unternehmen ergebnisorientiert arbeiten, um das Überleben zu sichern. Die Einkünfte kommen vorwiegend aus Erlösen der verkauften Werbung. Hier spielt die lokale Vermarktung eine wesentliche Rolle, wobei es für den Erfolg kein generelles Konzept gibt. Wichtig ist auf alle Fälle die ehrliche Einbettung und Akzeptanz in der Region. Die Kunden und die Hörer wollen über ihre eigene Umgebung informiert werden und sich selbst im Medium wiederfinden. Am allerwichtigsten ist daher auch die gemeinsame Vorgangsweise mit den Kunden bei der Mediaberatung. Manchmal ist es auch erforderlich „nein“ zu sagen und nicht um jeden Preis zu verkaufen. Das schädigt sonst den lokalen Markt und die Marke Radio.  

Unter welchen Grundvoraussetzungen kann es funktionieren?

Wenn man nicht über die Verhältnisse, sondern entsprechend der Möglichkeiten wirtschaftet, ist es sicherlich möglich, im Raum St. Pölten einen Privatradiosender erfolgreich zu betreiben. Um in der lokalen Privatradiobranche zu überleben, braucht man ca. 50.000 Hörer täglich. Dann stimmt der Sekundenpreis für die Werbeeinschaltungen und Werbeerfolge sind nachvollziehbar.
Wobei auch Radio Arabella Niederösterreich schon sehr turbulente Zeiten und manch Fehlschläge hinter sich hat. Wesentlich war und ist sicher ein starker Rückhalt durch die Gesellschafter, in unserem Fall Radio Arabella Wien und Dahab Invest,  sowie die Vernetzung innerhalb der Senderfamilie. Ein regelmäßiger Austausch innerhalb der verbundenen Unternehmen stärkt die Marke. Und natürlich spielt auch der persönliche Einsatz jedes einzelnen Mitarbeiters eine wesentliche Rolle.

Beim Radiotest wurde jahrelang, wie kürzlich bekannt wurde, manipuliert. Der Anteil der Privatradiosender wurde geringer ausgewiesen als er war. Was bedeutet das?

Das ist leider ein sehr trauriges Kapitel in der Geschichte der Privatradios. Die jahrelangen Bemühungen, das Vertrauen in die Marke Radio aufzubauen, sind sehr stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Derzeit laufen Untersuchungen und es wurde eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der Privatradios und der ORF Radios gebildet, um die Sachlage restlos aufzuklären. Rechtliche Schritte werden entsprechend der Ergebnisse, die bis August vorliegen sollen, durch die betroffenen Stationen und den Verband Österreichischer Privatsender (VÖP) in Erwägung gezogen.
Es fällt auf, dass Ihr Radiosender sich musikalisch verbreitert hat. Fuhr man früher einen noch „ländlicheren“ Kurs mit Volksmusik und Schlager, so reicht das Angebot heute bis in die Gegenwart hinauf. Hat man damit nicht sein persönliches Profil aufgegeben?
„Jedem Recht getan ist eine Kunst, die niemand kann!“ So verhält es sich natürlich auch bei der Musikausrichtung eines Radiosenders. In Österreich wird die werberelevante Zielgruppe mit 14 bis 49 Jahre definiert. Daher ist es ein Bedürfnis, diese Altersgruppe der Hörer bestmöglich anzusprechen, auch um den Unternehmen, unseren Kunden, den bestmöglichen Werbeerfolg zu gewährleisten. Theoretisch muss ein Radiosender das Musikangebot jedes Jahr um ein Jahr verjüngen, um das Durchschnittsalter gleich zu halten. Im Vorjahr gab es bei uns einen größeren Ruck in der Musikprogrammierung. Wesentlich ist aber auch, wie oft ein Titel gespielt wird oder wie lange die Wiederholungen auseinanderliegen. Ebenso ist die Abstimmung auf die Tageszeit, die Anmutung der Titel und die Durchhörbarkeit entscheidend. Die Musik ist ja die wichtigste Entscheidungsebene überhaupt, ob ein Radiosender gehört wird oder nicht. Bei Radio Arabella sollen sich die Hörer letztlich wiederfinden.

Radiosender machen – vom Hörer praktisch unbemerkt – riesige Veränderungen durch, Stichwort digitale Revolution. Was hat sich die letzen Jahre alles geändert, und wie kann man mithalten?

Seit ca. fünf Jahren wird in Österreich mehr Geld in Onlinewerbung investiert als in Radiowerbung. Das Problem ist die Schnelllebigkeit und die große, schier unendliche Menge der digitalen Angebote und Nutzungsmöglichkeiten. Wir selbst und auch unsere Kunden sind mit immer vielfältigeren Angeboten und vielleicht noch besseren Möglichkeiten konfrontiert. Natürlich tragen auch wir dieser Entwicklung Rechnung und bieten neben digitaler Werbefläche auf unseren Internetseiten mehrere Onlineangebote im Bereich Streaming und Onlineradios an. Auch die Cross Media Aktivitäten finden vermehrt Einzug in die Kampagnenplanung und spielen ebenso in der Programmplanung eine wesentliche Rolle. Mithalten ist gar nicht das Thema, sondern die Frage ist, wie können wir es jetzt gleich besser machen. Die Zukunft passiert nämlich jetzt! In den nächsten Jahren wird der geplante Ausbau der digitalen terrestrischen Ausstrahlung (DAB+) eine riesige Herausforderung für die Radiostationen darstellen. Derzeit gibt es im Großraum Wien einen Versuchsbetrieb, bei dem Radio Arabella federführend mitwirkt. Über diese neue Technologie werden bereits zusätzlich zum normalen Radio­programm  mehrere Programme wie „Arabella Rock“ und „Radio Melodie“ ausgestrahlt.
Was ist bzw. kann dieses DAB+?
Digitalradio DAB+ ist das Radio der Zukunft und bietet seinen Hörern bessere Services, mehr interaktive Dienste und eine in Österreich noch nie dagewesene Programmvielfalt. Unter anderem wird es möglich sein, Verkehrsinformationen mit viel höherer Detaillierung und geringerer zeitlicher Verzögerung zu übermitteln. Zusätzlich verschmilzt dank DAB+ Radiohören immer mehr mit dem gewohnten Online-Medienkonsum. In Zukunft kann etwa der Radiohörer seine Lieblingssongs direkt am Display liken, mit seinen Freunden teilen, auf die persönliche Playlist setzen oder über einen Online Store downloaden.
Video Killed The Radio Star ist zwar nicht eingetreten, dafür scheint die Digitalisierung den klassischen Radiomoderator gekilled zu haben, an seiner statt spuckt der Computer das Musikprogramm aus. Wie persönlich ist Radio noch?
Durch die Digitalisierung Ende der 90er-Jahre wurden alle Studios zu „Selbstfahrerstudios“, das heißt unsere Moderatoren sind mittlerweile Alleskönner. Sie müssen die Technik beherrschen, sich die Themen für ihre Sendungen selbst erarbeiten und gemeinsam mit dem Redaktionsteam die relevanten Vorbereitungen treffen. Die Kunst liegt darin, den Hörern die Musik durch möglichst persönliche Ansprache zu präsentieren und auf die momentanen Gefühle durch Wortwahl und Themenauswahl Rücksicht zu nehmen. Jeder für sich ist die eigene Kreativabteilung bei Radio Arabella Niederösterreich.