MFG - Im Sitzungssaal...Der ÖVP
Im Sitzungssaal...Der ÖVP


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Im Sitzungssaal...Der ÖVP

Text Johannes Reichl
Ausgabe 09/2010

Die Wahlen stehen ante portas. Zwar dauert es noch gut ein Jahr, bis sich die St. Pöltner Wähler wieder zu den Urnen begeben, um ihr Kreuzerl am überdimensionierten Stimmzettel anzubringen, aber die Parteien bringen sich schon jetzt unübersehbar in Stellung und befinden sich in der Aufwärmphase zum großen Showdown im Herbst 2011. Aus diesem Anlass wird MFG ab sofort in jeder Ausgabe in die Schaltzentralen der Parteien vordringen. Diesmal in jene der ÖVP.

Die ÖVP Zentrale am Schießstattring. Hier tagt der 36 Personen starke Stadtparteivorstand, und zerbricht sich den Kopf über die Geschicke St. Pöltens. Es ist ein geradezu allegorischer Raum, in den das Gebäude eingebettet liegt. So muss es für die ÖVP wie eine Provokation wirken, dass sie just der Aquacity, jenem Prestigeprojekt der SPÖ, das die Volkspartei so massiv bekämpfte und doch nicht verhindern konnte, tagtäglich ins schadenfrohe Antlitz blicken muss. Synonym für eine bittere Pille, die man als Oppositionspartei oft zu schlucken bekommt: Ohnmacht. 
Neben der Aquacity – womit eine andere Spielart der (Oppositions-)Politik manifest wird, nämlich jene der Polemik – liegt der kleine Park mit den berühmten drei Blutbuchen, deren nahes Ende Gemeinderat Bernhard Wurzer durch den Hallenbadbau anno dazumal unter dem Schlachtruf „Baummord“ heraufdämmern sah, um in diesem aussichtslosen Kampf vielleicht doch noch mit der opportunistischen Umweltkarte zu punkten. Geholfen hat auch das nichts, die Aquacity steht, und auch die altehrwürdigen Blutbuchen wiegen sich bis heute gemächlich im Wind und erfreuen sich bester Gesundheit sowie guter nachbarschaftlicher Verhältnisse zum Hallenbad. Der damalige Gemeinderat ist mittlerweile Stadtrat, und aus dem Revoluzzer von einst wurde zwar vielleicht noch kein elderly statesman, aber doch ein Herr Klubobmann, mit dem wir über die ÖVP, ihre Rolle als Oppositionspartei, das Spiel mit den Medien, Wadlbeißerei und den Fetisch „Bürgermeisterjob“ plauderten.
Wie ist die aktuelle Befindlichkeit der ÖVP St. Pölten?
In meiner mittlerweile fast 16 jährigen ÖVP-Erfahrung war das Klima innerparteilich noch nie so offen und ehrlich. Die Kritikfähigkeit ist gewachsen. Das war nicht immer so.
Dieses positive Klima ist enorm wichtig, weil die an sich schon anstrengende und aufreibende Situation als Oppositionspartei nicht auch noch durch interne Zwistigkeiten verschärft wird, wie das früher der Fall war.
Opposition als „Situation“– das klingt interessant. Was ist das Aufreibende daran?
Mit der Oppositionsrolle hat man in gewisser Weise die Arschkarte gezogen. Du kannst auf den ersten Blick hin nichts tun. Egal was du einbringst, deine Ideen werden aus Prinzip von der Regierung abgelehnt, ohne dass sie ernsthaft darüber nachdenkt. Das ist frustrierend und in etwa so, wie wenn du ein Haus baust, und bei jedem Ziegelstein, den du vorschlägst, dir das Gegenüber sagt, wie schirch das ist.
Eine absolute Regierung hat ja prinzipiell zwei Strategien, um die Opposition in Zaum zu halten. Die eine ist, ich binde sie total in die Arbeit mit ein, weil dann fällt es ihr schwer, kritisch zu sein auf breiter Front.
Die andere ist, dass ich ihr überhaupt keine Luft zum Atmen und keinen Spielraum lasse, bis ihre Vertreter frustriert das Handtuch werfen. Diese Variante erleben wir in St. Pölten.
Das klingt fatalistisch. Es fällt überhaupt auf, dass manche Oppositionspolitiker fast ausschließlich lamentieren, wie böse nicht die absolute Regierung sei und man eh nichts machen könne. Ist das nicht der Zeitpunkt, mit der Politik aufzuhören? Absolute Verhältnisse sind ja nicht in Stein gemeißelt.
Natürlich ist es unsere Aufgabe, uns immer wieder selbst beim Schopf zu packen und herauszuziehen aus dem Frust, immer wieder einen neuen Anlauf zu nehmen, aufs Neue mit Vollgas gegen die Wand zu fahren – das ist ein Bohren an harten Brettern. Aber es gibt halt Phasen, in denen man sich leer fühlt und fragt: ‚Warum tu ich mir das eigentlich an?‘ Der Regierung wird es da bisweilen nicht anders gehen, wenn sie dauernd nur kritisiert wird. Und natürlich ist eine Absolute nicht in Stein gemeißelt. Diesbezüglich ist zum Glück ganz allgemein Bewegung zu spüren.
Inwiefern?
Früher waren 90% der Stimmen praktisch fix vergeben. Der Verlust von 3, 4% für eine Partei war eine Katastrophe, während heute solche Verlustzahlen schon als Erfolg verkauft werden. Ich halte es jedenfalls für nicht unrealistisch, dass die SPÖ bei der nächsten Wahl die Absolute verliert. Das ist unser Ziel! Absolute Mehrheiten sind nicht mehr zeitgemäß.
Es gibt aber auch absolute Verhältnisse, wo man mitregiert, es einem aber dennoch nicht unbedingt besser  geht, wenn man an die SPÖ unter der ÖVP Absoluten auf Landesebene denkt.
Trotzdem ist dort die Zusammenarbeit anders, weil im Land durch die Proporzregierung eben andere Parteien direkt in die Regierungsarbeit miteingebunden sind. Sie haben daher mehr Spielraum, ihre Bereiche.
Die über die Hintertür unterwandert werden. Trotzdem ventilieren Sie die Idee amtsführender Stadträte.
Ich bin überzeugt, das würde die Arbeit für die Stadt erleichtern. Und auch dem Bürgermeister würde es guttun, wenn nicht alles allein auf seinen Schultern lastet. Außerdem müssten sich dann die anderen einmal beweisen, ob sie es wirklich besser machen können. Aber vielleicht hat man ja gerade davor Angst?
Das Stadtrechtsorganisationsgesetz sieht amtsführende Stadträte aber gar nicht vor.
Per definitionem, also im Hinblick auf Budgetverantwortung oder Weisungsfreiheit nicht, das stimmt. Das wäre natürlich der Idealtypus. Aber ‚amtsführende‘, also ressortzuständige Stadträte gibt es sehr wohl in Niederösterreich, etwa in Krems oder Wr. Neustadt – dort im Übrigen trotz absoluter SPÖ-Mehrheit! Zwar sind die Mandatare dem Bürgermeister gegenüber weisungsgebunden, aber das ist dann eine Frage des Stils, ob er sie nur Jausendirektoren spielen lässt, oder ob sie relativ frei agieren können. In Wiener Neustadt hat man erkannt, dass es für die Stadt nichts bringt, wenn alle gegeneinander arbeiten.
Von derlei Kooperationen scheint man in St. Pölten meilenweit entfernt. Da hat man eher den Eindruck: Rien ne va plus!
Das stimmt insofern nicht, weil – wie auch der Bürgermeister immer wieder betont – ja 80% der Anträge im Gemeinderat einstimmig beschlossen werden. Wir betreiben also sicher keine Fundamentalopposition: Und wenn man will, geht es ja auch gemeinsam bei großen Projekten – ich denke da an Ausgliederungen wie die Immo, den Bahnhofsvorplatz, den Fernwärmedeal mit der EVN, Baurechtsgründe, VAZ Sanierung etc.
Aber warum kommt das Gemeinsame dann so wenig durch –  liegts an den Medien?
Es gibt sicher ein gewisses Medieninteresse an Konflikten – die sind offensichtlich spannender als über Zusammenarbeit zu berichten. Aber ich gebe zu: Wenn ein Konflikt einmal entzündet ist, wirds oft sehr emotional.
Letztlich ist es ein Teufelskreislauf. Wenn du als Opposition dauernd gegen die Wand rennst, verringert sich irgendwann die Bereitschaft, aufeinanderzuzugehen, ebenso, wenn du als Regierung nur kritisiert wirst. Das ist das alte Henne–Ei Problem. Wenn man es seriös betrachtet, sind beide Seiten Schuld an diesem Umstand. Zum Streiten gehören immer zwei!
Zum Versöhnen genügt aber auch die Erstinitiative von einem.
Das ist aber bitteschön eine Frage des Führungsstils im Gemeinderat, das kann ich dem Bürgermeister nicht abnehmen. Will ich jemanden ehrlich einbinden oder nicht. Da gibt es einen sehr grundlegenden Unterschied zwischen ehrlicher Kooperation und dem Versuch des Einlullens, wo ich nur versuche, das Gegenüber auf einem Nebengleis abzustellen.
Diesbezüglich betreibt die SPÖ ein Doppelspiel. Wir werden ja nur bei heiklen Sachen miteingebunden, wo man sich unsicher ist, die vielleicht nicht so gut ankommen bei der Bevölkerung, wo es um Landessachen geht oder der Bürgermeister auch parteiintern auf Gegenwind stößt. Da möchte man plötzlich den breiten Konsens, um nachher sagen zu können: Aber das haben ja alle Parteien mitgetragen! Aber das genügt nicht. Wenn der Bürgermeister das will, muss er bitteschön auch bei den anderen Fragen auf uns zukommen.
Ist in Landessachen die ÖVP wirklich der ideale Lobbying-Partner? Man hat bisweilen den Eindruck, dass die ÖVP St. Pölten bei der eigenen Landespartei nicht hoch im Kurs steht.
Man darf Regierungsarbeit nicht mit Parteiarbeit verwechseln. Wenn der Landeshauptmann etwas mit der Stadt ausmacht, dann ist sein Ansprechpartner natürlich der Bürgermeister und nicht die ÖVP St. Pölten. Das heißt aber nicht, dass wir nicht gut zusammenarbeiten.
Wahrscheinlich schleppen wir historisch betrachtet auch noch eine Altlast mit, weil wir in den Augen der Landespartei immer ein zerstrittener Haufen waren. Es gab kaum einen Obmannwechsel, der friktionsfrei ablief. Dabei hat sich die Ortspartei aufgerieben. Das ist Hannes Sassmanns großes Verdienst, dass er diese Konflikte beendet hat.
Ich bin mir jedenfalls sicher, wenn die Absolute fällt, werden wir uns vor Unterstützung durch das Land gar nicht erwehren können. Und das wird gut für die Stadt sein.
ÖVP Chef Hannes Sassmann scheint jeglicher Eitelkeit zu entbehren. Umgekehrt wird er dann gleich mit dem Etikett „farblos“ versehen. Geht’s medial heute ohne Show nicht mehr?
Das ist wirklich eine sehr schwierige Gratwanderung. Mach ich mich in der Öffentlichkeit sozusagen zum Kasperl, oder hältst du dich dezent zurück, auf die Gefahr hin, nicht wahrgenommen zu werden. Es ist auch schwierig im Hinblick auf die Erwartungshaltung, wenn du einmal auf eine Rolle festgenagelt bist. Es gab Zeiten, da haben mich Journalisten, noch bevor sie mir eine Frage stellten, aufgefordert: „Du, da brauchen wir einen gscheiten Sager von dir.“
Sie deuten damit ihr Image als „Wadlbeißer“ und Scharfmacher  an – ist das ein Stempel, den man aufgedrückt bekommt, oder haben Sie sich den Ruf sozusagen hart erarbeitet?
Es wäre lächerlich zu sagen, die Medien sind schuld. Das ist schon auch mein Naturell. Ich bin halt –  ich würd jetzt nicht sagen ein „Häferl“ – aber doch ein sehr emotionaler Mensch. Sicher kein Diplomat.
Das Bild vom Revoluzzer hat sich wohl einfach entwickelt. Ich war damals, als ich in den Gemeinderat kam, der 22jährige Jungspund, der sich mit dem 60jährigen Vizebürgermeister Amand Kysela gematcht hat. Das hatte schon einen Spaßfaktor für die Leute, auch ich habs eine Zeitlang genossen – das muss ich ehrlich zugeben.
Andererseits wird man in eine Rolle natürlich auch gedrängt und kommt dann wieder schwer weg davon. So war es für mich eine Zeitlang unmöglich, ein Thema zu positionieren. Da war sofort die Frage „Das heißt, die anderen machen es also schlecht.“ Wenn ich dann gesagt habe, ich würde es eben anders machen, stand am nächsten Tag in der Zeitung „Wurzer greift Bürgermeister an“ – die Sache als solche ist völlig untergegangen, es wurde immer der Konflikt in den Vordergrund gedrängt. Man muss einfach höllisch aufpassen, dass das Kritisieren nicht zum Selbstzweck wird, sondern es muss immer um die Sache gehen. Da muss man sich immer wieder selbst hinterfragen.
Hinterfragen ist ja eher eine reife Angelegenheit. Das passt wohl nicht mehr zum Jungpolitikerimage, das Ihnen noch mit 30 Jahren anhaftete?
Ja, das hat sich lange gehalten, wohl bis ich die ersten grauen Haare an den Schläfen bekommen habe. Heute bin ich in manchem sicher gelassener und ruhiger als früher. Ein bissl ist glaub ich auch die SPÖ indirekt mitverantwortlich. Ich habe den Eindruck, dass ich heute akzeptierter bin. Früher gab es Mandatare, die haben die Straße gewechselt, wenn sie mich kommen sahen. Mittlerweile gibt es einen gewissen Respekt, und wohl die Einsicht, dass ich doch nicht der komplette Volltrottel bin. Das mag auch mit meiner Funktion als Klubobmann zu tun haben. In der Phase des Jungpolitikers hatte ich ausschließlich die Rolle des Angreifers. Durch den Klubobmann kommt man mehr ins Gespräch, lernt sich besser kennen. Und da weiß man, dass man sich auf mich verlassen kann, dass das, was hinter verschlossenen Türen ausgemacht wird, auch hält.
Obwohl Sie schon 36 Lenze zählen, sind Sie trotzdem noch immer der zweitjüngste Mandatar im Gemeinderat.
Ja, zugleich aber auch einer der längstdienenden! Wenn Silvia Buschenreiter aufhört und Hermann Nonner eventuell nicht mehr den Einzug schafft, wäre ich sogar der älteste. Nach dem Statut – wenn man ältester Gemeinderat im Sinne von längst dienender übersetzt – ergäbe sich das Kuriosum, dass ich als „Ältester“ den Vorsitz bei der Bürgermeisterwahl leiten würde. Damit wäre ich sozusagen für einen kurzen Moment Bürgermeister!
Die Erfüllung Ihres Wunschtraumes? Würden Ihnen das gefallen, einmal Bürgermeister zu werden?
(lacht) Das müssen Sie meine Frau fragen. Nein, es wäre gelogen, wenn das kein Wunsch ist. Aber die Bürgermeisterfrage ist, um es terminatormäßig zu formulieren, sicher keine Primärfrage mehr für mich. Wahrscheinlich bin ich schon zulange dabei, um den Machtfaktor noch sexy zu finden. Es geht eher darum, nach 15 Jahren harter Arbeit, vielen Vorschlägen, ständigen Rangeleien, viel Einsatz und Herzblut endlich mitbestimmen und umsetzen zu können. Das Ziel muss daher sein, die Regierung zur Kooperation zu zwingen, also die Absolute zu brechen.
„Sexy“ muss aber auch das Angebot sein. Man hat den Eindruck, dass die ÖVP konkrete Konzepte schuldig bleibt, oder kommt man mit den Themen nicht durch?
Natürlich gibt es Konzepte. Aber es ist eine Strategiefrage, wie du deine Ideen lancierst. Als Oppositionspartei ist es halt wahnsinnig schwierig über positive Themen zu spielen. Da hat die Regierung immer einen Vorteil. Wenn der Bürgermeister etwas präsentiert, dann ist das sozusagen beschlossene Sache und nur er wird dazu befragt. Wenn wir etwas präsentieren, dann wird auch der Bürgermeister dazu befragt und darf es zerpflücken, weil das kommt ja von der Opposition, der Partei, und nicht von der „Stadt“. Das ist ein Dilemma!
Aber es gibt ja nicht nur Medien, um die Leute zu erreichen.
Unser Vorteil ist, dass wir in der direkten Kommunikation, vor allem in den Katastralgemeinden, gut aufgestellt sind. Im Stadt- und Ballungsgebiet ist dies natürlich schwieriger. Da müssen wir unsere Kommunikationsstrategien sicher verbessern, wobei es halt die normative Kraft des Machbaren gibt, kurzum wir haben budgetär nur beschränkte Möglichkeiten. Wir als kleine Fraktion brauchen für jeden Kilometer, den wir laufen, ja wesentlich mehr Sprit, als wenn du als Regierungspartei einen 1000 Leute Apparat hinter dir hast, der für dich läuft.
Sie meinen damit die Verquickung von Verwaltung und Politik?
Ja, das ist demokratiepolitisch problematisch, weil sich die Partei eines Apparats bemächtigt, der ihr eigentlich nicht zusteht und dadurch ein Ungleichgewicht in der politischen Auseinandersetzung entsteht. Es kann z.B. nicht sein, wie etwa unlängst passiert, dass im Fall der Ausgrabungen am Domplatz ein Mandatar einen Vorschlag einbringt und dann via Zeitung drei Beamte – nicht etwa Politiker – das ins Lächerliche ziehen. Oder in der Frage der Tiefgarage vor dem Bahnhof: Man kann diesen Vorschlag politisch für Blödsinn halten und ihn als Politiker dementsprechend kommentieren – aber nicht als Beamter! Da muss sich der Bürgermeister bitte schon selbst hinstellen und darf nicht Beamte vorschicken, um in der öffentlichen Meinung den Eindruck von „unabhängigen“ Experten zu erwecken.
Umgekehrt hat man den Eindruck, dass es Erfolge über die Hintertür gibt – sie haben die Umweltinitiative gestartet, plötzlich wurde seitens der Stadt ein Energiebeauftragter aus dem Hut gezaubert. Ulli Nesslingers Innenstadtkonzerte kommen gut an – die SPÖ hat eine Schanigartenaktion ins Leben gerufen.
Das sind Erfolge, an denen man sich aufbauen kann. Da gibt es viele Initiativen, die halt dann erst später Früchte tragen und leicht abgewandelt von der Mehrheitspartei als ihre Idee verkauft werden.
Dem kann man auf zweierlei Arten begegnen: Entweder man ist frustriert, weil es nicht gemacht wurde, als man es selbst vorschlug. Oder man freut sich, dass man letztlich doch Erfolg gehabt hat.
Oppositionsarbeit wirkt halt sehr unterschwellig, aber sie wirkt. So leichtsinnig, wie die SPÖ-Regierung etwa früher Sachen umgesetzt hat – das ist mittlerweile einer gewissen Sorgfalt gewichen, weil man weiß, wenn man so agiert, haut uns die ÖVP wieder eine vor den Latz.
Als Opposition kannst du also sehr wohl agieren und verbessern, oder zumindest Verschlechterungen verhindern. Die Opposition ist das wichtige Korrektiv, sonst würde die Regierung ja nur mehr machen, was sie will. Man muss die Kritik allerdings so formulieren, dass sie das Gegenüber auch ernst nimmt. Wenn man nur destruktiv ist, nur reinhaut, dann wird es schnell – und zurecht – heißen: Die sind sowieso immer dagegen, da brauchen wir sie gleich gar nicht fragen. Du hast schon auch Verantwortung als Opposition, und die läuft sich nicht im blinden Schreien tot.
Aus Sicht der ÖVP: Was sind die Kernthemen für St. Pölten in den nächsten Jahren?
Zunächst die begleitende Stadtentwicklung, insbesondere die Innenstadt. Nur wenn wir es schaffen, Innenstadtwohnen attraktiv zu machen, Wohnbevölkerung reinzubringen, wird die Entwicklung nachhaltig sein. Die Innenstadt als reines Dienstleistungs- und Schanigartenmuseum ist der falsche Ansatz.
Ein weiteres Kernthema ist die Energiefrage. Hier setzen wir auf Sicht darauf, dass St. Pölten energieautark wird. Der Fernwärmedeal mit der EVN ist zwar gut, aber nicht das allein Seligmachende. Bei neuen Stadtgebieten, neuen Siedlungen, neuen Betriebsansiedlungsgebieten etc. sollten wir uns um eine dezentrale Versorgung bemühen. Unser Nachbarbezirk Lilienfeld ist der waldreichste Niederösterreichs. Ein Ansatz wäre also, auf Hackschnitzel umzustellen, kleine Fernheizkraftwerke für 50, 60 Einheiten zu schaffen. Damit bleibt auch das Geld in der Region. Ebenso gehört die thermische Sanierung von Stadtgebäuden weiter fortgesetzt.
Auch die Idee, die Stadtverwaltung an einem neuen Standort zu konzentrieren, ist nicht so dumm. Das Rathaus könnte dann als Repräsentationsraum fungieren, in den anderen Gebäuden könnten u. a. Wohneinheiten entstehen. Das ist natürlich Zukunftsmusik, weil das aktuell nicht leistbar ist, aber ich rede da von einem Horizont auf 20 Jahre hinaus.
Damit sind wir bei der Finanzfrage, die uns weiter beschäftigen wird. Alles zusammengerechnet hat die Stadt rund 200 Millionen Euro Verbindlichkeiten und ist damit eine der meistverschuldeten Österreichs. Das wird ein Kraftakt, diese Situation in den Griff zu bekommen. Das wird nur gelingen, wenn alle an einem Strang ziehen, weil damit auch unangenehme Entscheidungen verbunden sein werden.
Sie meinen damit Steuer- und Abgabenerhöhungen?
Nicht nur. Man wird sich prinzipiell die Frage stellen müssen, ob man den Gemeinden wirklich alle Leistungen zumuten kann, die man heute von ihnen erwartet. Als Stadt nur nach dem Bund zu rufen wird jedenfalls zu wenig sein.
Schließlich ist ein Kernthema noch die Stadtentwicklung in der Peripherie und der Verkehr. Die aktuelle Politik – da ein Fachmarktzentrum, dort ein Baurechtsgrund, da eine Betriebsansiedlung – dieser Fleckerlteppich ist nicht nachhaltig. Das gehört akkordiert.
Sie haben unangenehme Entscheidungen angesprochen. Politiker haben aber selten den Mut, den Leuten Wahrheiten ins Gesicht zu sagen, obwohl sich die Menschen solche Persönlichkeiten durchaus wünschen würden.
Eine gewisse Plattheit der Politik auf allen Ebenen, in ganz Europa, ist nicht zu übersehen. Die meisten Politiker sind zu sehr an Show orientiert. Da ist vordergründig immer die Frage, „Wie verkaufe ich mich? Wie weiche ich wahren Themen aus, um die Bevölkerung nicht vor den Kopf zu stoßen.“ Jeder Politiker ist vorsichtig, überlegt sich dreimal, was er sagt.
Umgekehrt ist es eine stete Gradwanderung. Denn die Medien, die Bevölkerung müssten dann schon auch tolerieren, dass er vielleicht Fehler macht, und dürften ihn nicht gleich fertigmachen.
Diesbezüglich – um auch einmal einen Vorteil zu nennen – hast du es als Opposition natürlich leichter, weil du ja nicht die Verantwortung übernehmen musst.
Weil Sie Fehler angesprochen haben. Es fällt auf, dass es kaum Politiker gibt, die Fehler eingestehen. Machen die einfach keine?
Um bei mir selbst zu bleiben: Es gibt sicher Dinge, die ich heute anders machen würde. Ein Klassiker etwa war die Frequency-Diskussion, wobei ich mich schon gegen den Vorwurf wehre, es war eine bewusst demagogisch geführte. Aber im Nachhinein, wissend, wie emotionalisierend die Statements in ihrer Außenwirkung waren, wäre es wohl besser gewesen, die Diskussion – gemeinsam mit Anrainervertretern, Politikern und Veranstalter – hinter verschlossenen Türen zu führen. Die Leute sind im Gemeinderat extrem aufgestachelt worden, das war mir nicht bewusst. Und auch nicht, dass ich falsche Erwartungen geweckt habe – auch wenn ich mehrmals betont habe, dass wir nicht gegen das Festival an sich sind! Andererseits hatte man heuer die Müllproblematik eindeutig besser im Griff, was umgekehrt bestätigt, dass sie im Vorjahr eben nicht ideal funktioniert hat.
Und natürlich denkt man sich bisweilen, wenn man dann die Kommentare liest, die Karikaturen sieht, dass man das eine oder andere besser formulieren hätte können.  Es ist ohne Zweifel wichtig, dass man sich als Poltiker, ja überhaupt als Mensch, immer wieder hinterfragt.