Everything’s gonna be alright?
Text
Johannes Mayerhofer
Ausgabe
Welche Wellen wird der Brexit in der Region St. Pölten-Krems schlagen? Wie blicken heimische Unternehmen auf die Geschehnisse? Und was sagen hier lebende Briten dazu? MFG hörte sich um.
Es ist viel zu nichtssagend, wenn über „die Auswirkungen“ des Brexit auf „die EU“ gesprochen wird. Realistischer ist eher die Annahme, dass die Scheidung der Briten von der Rest-EU zu vielen kleinen, mehr oder minder starken lokalen Tragödien – wirtschaftlich und sozial – führen wird. Nicht jedes EU-Land ist gleich eng mit dem Vereinigten Königreich verbunden, selbiges gilt für einzelne Regionen und Städte. Niederösterreich hatte mit den Briten ein Warenexportvolumen von 477 Millionen Euro im Jahr 2017, damit stehen sie lediglich auf Platz 11 der niederösterreichischen Auslandsmärkte. Laut dem Niederösterreichischen Wirtschaftspressedienst ergab die von der Industriellenvereinigung NÖ vierteljährlich durchgeführte Konjunkturumfrage unter den 34 größten Industrieunternehmen des Bundeslandes (mit insgesamt 16.000 Beschäftigten) im Oktober 2018, dass nur eine von zehn Firmen sich vom Brexit „stark“ oder „sehr stark betroffen“ sieht. St. Pölten oder Krems an der Donau etwa beheimaten zahlreiche exportorientierte Unternehmen. Wie blickt man hier auf den Ausstieg der Briten aus der EU? Ist die Lage sehr ernst oder halb so wild?
„Die spinnen, die Briten!“
Das war der erste Satz – auch bekannt aus dem Comic-Film „Asterix bei den Briten“ –, der Thomas Salzer durch den Kopf schoss, als am Abend des 23. Juni 2016 das Ergebnis des Brexit-Referendums über die Fernsehbildschirme flackerte. Eine hauchdünne Mehrheit von 51,5% der britischen Bevölkerung entschied sich dafür, aus dem Club „EU“ auszusteigen. Salzer hat einen doppelten Blickwinkel auf die Ereignisse, das politische Chaos und die Unsicherheit, die seitdem zwischen der Insel und dem Kontinent herrschen. Seit November 2015 ist Salzer Präsident der Industriellenvereinigung in Niederösterreich. Außerdem ist er selber Unternehmer, hat drei Firmen mit Sitz in St. Pölten: die Salzer Papier Gmbh (Papiererzeugnisse), Salzer Formtech Gmbh (Verpackungsmaterial) und die Salzer Industrieservice Gmbh (Instandhaltung und Wartung von Industrieanlagen). Insgesamt sind 130 Menschen in der Unternehmenspruppe in Lohn und Brot. „Ich sage es mal so, früher hatten wir stärkere Handelsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich. Mittlerweile nicht mehr so stark“, erklärt der Firmenchef Salzer, wieso er derzeit kein Damoklesschwert über seiner Unternehmens-Gruppe hängen sieht. „Das hat unter anderem mit der Pfundentwicklung und den Rohstoffpreisen zu tun“, fügt er erläuternd hinzu.Alles in Butter also? Nicht ganz, denn neben Einbußen im direkten Handel mit dem Vereinigten Königreich können es vor allem indirekte Effekte sein, die einem das Genick brechen können. Salzer denkt da etwa an die Autoindustrie in Deutschland. Sollten wichtige Kunden niederösterreichischer Unternehmen im EU-Ausland durch den Brexit in Bedrängnis geraten, kann sich das natürlich auch auf das hiesige Geschäft auswirken. Was die Zukunft betrifft, ist Salzers Aussagen eine ebenso große Ratlosigkeit zu entnehmen wie sie auch in vielen Politikerinterviews und Journalisten-Analysen quer durch Europa herauszuhören ist. „Im Moment ist es wirklich schwer, irgendwelche fixen Statements zu machen. Wir haben ja keine Ahnung, wie die Situation sich entwickelt und ich finde, die größte Uneinigkeit, das größte Chaos ist eindeutig bei den Briten zu finden“, kritisiert der 50-Jährige. Eine der vordringlichsten Aufgaben sei für viele Unternehmen mit Handelsbeziehungen zum Vereinigten Königreich die Sicherstellung der Logistik. „Natürlich halten die betroffenen Unternehmen enge Rücksprache mit ihren Kunden und Partnern auf der Insel. Da ist vieles im Gerede, etwa auch das Einfliegen von Waren per Helikopter“, erzählt der niederösterreichische IV-Präsident. In den bald drei Jahren seit dem Referendum ist es den verantwortlichen Politikern nicht gelungen, eine stabile und zukunftsträchtige Perspektive für die Briten und die EU auf die Beine zu stellen. Im Zentrum standen vor allem zwei Optionen, nämlich ein Brexit, bei dem das Vereinigte Königreich zwar formal aus der EU austritt, aber bis zum Ende einer Übergangsfrist in sämtlichen Strukturen (Stichwort Binnenmarkt) teilhat. Option zwei: Ein „Hard Brexit“, also ein ganz klarer EU-Ausstieg, bei dem der Handel zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU schlagartig wieder auf die alten Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) zurückfallen würden – das würde umfassende Zölle auf die ausgetauschten Waren bedeuten. Der ursprünglich ausgehandelte Brexit-Vertrag der britischen Premierministerin Theresa May scheiterte ja im Jänner grandios im britischen Parlament. Ein Plan B bleibt höchst nebulös und das Ergebnis des momentanen Versuchs einer Neuverhandlung des Brexit-Vertrages äußerst ungewiss. Wird es noch zu einem geordneten Brexit kommen? Oder doch zu einem Chaos-Brexit? Wird der Austritt möglicherweise bis zur EU-Wahl im Mai verschoben? Und unabhängig davon: Was kommt danach? „Mir wäre es natürlich am liebsten, es gäbe ein zweites Referendum und danach eine Mehrheit für den Verbleib in der Europäischen Union“, gibt Salzer zu verstehen. „Für wahrscheinlich halte ich das aber nicht.“
Das war der erste Satz – auch bekannt aus dem Comic-Film „Asterix bei den Briten“ –, der Thomas Salzer durch den Kopf schoss, als am Abend des 23. Juni 2016 das Ergebnis des Brexit-Referendums über die Fernsehbildschirme flackerte. Eine hauchdünne Mehrheit von 51,5% der britischen Bevölkerung entschied sich dafür, aus dem Club „EU“ auszusteigen. Salzer hat einen doppelten Blickwinkel auf die Ereignisse, das politische Chaos und die Unsicherheit, die seitdem zwischen der Insel und dem Kontinent herrschen. Seit November 2015 ist Salzer Präsident der Industriellenvereinigung in Niederösterreich. Außerdem ist er selber Unternehmer, hat drei Firmen mit Sitz in St. Pölten: die Salzer Papier Gmbh (Papiererzeugnisse), Salzer Formtech Gmbh (Verpackungsmaterial) und die Salzer Industrieservice Gmbh (Instandhaltung und Wartung von Industrieanlagen). Insgesamt sind 130 Menschen in der Unternehmenspruppe in Lohn und Brot. „Ich sage es mal so, früher hatten wir stärkere Handelsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich. Mittlerweile nicht mehr so stark“, erklärt der Firmenchef Salzer, wieso er derzeit kein Damoklesschwert über seiner Unternehmens-Gruppe hängen sieht. „Das hat unter anderem mit der Pfundentwicklung und den Rohstoffpreisen zu tun“, fügt er erläuternd hinzu.Alles in Butter also? Nicht ganz, denn neben Einbußen im direkten Handel mit dem Vereinigten Königreich können es vor allem indirekte Effekte sein, die einem das Genick brechen können. Salzer denkt da etwa an die Autoindustrie in Deutschland. Sollten wichtige Kunden niederösterreichischer Unternehmen im EU-Ausland durch den Brexit in Bedrängnis geraten, kann sich das natürlich auch auf das hiesige Geschäft auswirken. Was die Zukunft betrifft, ist Salzers Aussagen eine ebenso große Ratlosigkeit zu entnehmen wie sie auch in vielen Politikerinterviews und Journalisten-Analysen quer durch Europa herauszuhören ist. „Im Moment ist es wirklich schwer, irgendwelche fixen Statements zu machen. Wir haben ja keine Ahnung, wie die Situation sich entwickelt und ich finde, die größte Uneinigkeit, das größte Chaos ist eindeutig bei den Briten zu finden“, kritisiert der 50-Jährige. Eine der vordringlichsten Aufgaben sei für viele Unternehmen mit Handelsbeziehungen zum Vereinigten Königreich die Sicherstellung der Logistik. „Natürlich halten die betroffenen Unternehmen enge Rücksprache mit ihren Kunden und Partnern auf der Insel. Da ist vieles im Gerede, etwa auch das Einfliegen von Waren per Helikopter“, erzählt der niederösterreichische IV-Präsident. In den bald drei Jahren seit dem Referendum ist es den verantwortlichen Politikern nicht gelungen, eine stabile und zukunftsträchtige Perspektive für die Briten und die EU auf die Beine zu stellen. Im Zentrum standen vor allem zwei Optionen, nämlich ein Brexit, bei dem das Vereinigte Königreich zwar formal aus der EU austritt, aber bis zum Ende einer Übergangsfrist in sämtlichen Strukturen (Stichwort Binnenmarkt) teilhat. Option zwei: Ein „Hard Brexit“, also ein ganz klarer EU-Ausstieg, bei dem der Handel zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU schlagartig wieder auf die alten Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) zurückfallen würden – das würde umfassende Zölle auf die ausgetauschten Waren bedeuten. Der ursprünglich ausgehandelte Brexit-Vertrag der britischen Premierministerin Theresa May scheiterte ja im Jänner grandios im britischen Parlament. Ein Plan B bleibt höchst nebulös und das Ergebnis des momentanen Versuchs einer Neuverhandlung des Brexit-Vertrages äußerst ungewiss. Wird es noch zu einem geordneten Brexit kommen? Oder doch zu einem Chaos-Brexit? Wird der Austritt möglicherweise bis zur EU-Wahl im Mai verschoben? Und unabhängig davon: Was kommt danach? „Mir wäre es natürlich am liebsten, es gäbe ein zweites Referendum und danach eine Mehrheit für den Verbleib in der Europäischen Union“, gibt Salzer zu verstehen. „Für wahrscheinlich halte ich das aber nicht.“
Don’t panic but prepare
Wie sieht das Stimmungsbild bei anderen Industrieunternehmen in der Region Krems-Herzogenburg-St. Pölten aus? Nach mehrfacher Nachfrage kann das Resümee gezogen werden, dass man vonseiten der Wirtschaft keine oder nur minimalste Auskunft geben kann, oder will. Bei der Georg Fischer Casting Solutions Herzogenburg Iron Gmbh und der Georg Fischer Casting Solutions Herzogenburg HPDC Gmbh – hier werden Bauteile aus Eisenguss und Aluminium produziert – gibt man sich überaus verschlossen. Auf Anfrage um ein Statement heißt es dort nur lakonisch: „Machen wir nicht“, und auf weiteres Nachfragen richtet man noch aus: „Wir sind nicht betroffen durch den Brexit.“ Auch beim Kremser Betrieb Eybl International sieht man das ähnlich: „Wir haben unseren Produktionsbetrieb in Krems schon geschlossen, daher ist die Frage des Brexits für uns nicht relevant.“ Gar keine Rückmeldung kam unter anderem von der Sunpor Gmbh in St. Pölten, welche Dämm- und Verpackungsmaterial herstellt und zu den weltweit größten Styroporproduzenten zählt. Eindeutig entspannt zeigt sich die Kemira Krems. „Unser Handel mit den Briten ist nicht so vordergründig für uns. Wir haben relevante Handelspartner vor allem in Osteuropa und sind mit unseren Kunden am europäischen Festland gut aufgestellt“, ist auf MFG-Anfrage zu erfahren. Ähnlich gelassene Auskünfte erteilt Voest Alpine, die auch ein Werk in Krems betreibt. Das Unternehmen sei in 40 Ländern vertreten und müsse daher immer mit unterschiedlichsten Handelsbedingungen und Schwierigkeiten umgehen können. Gilt also: „Everything is gonna be alright“? Im Großen und Ganzen scheint das zumindest für die Region Krems-Herzogenburg-St. Pölten mehr oder weniger zuzutreffen. Good News! Zumindest, wenn man die Auskünfte der befragten Unternehmen als legitime Anhaltspunkte nimmt. Immerhin beschäftigen allein diese wenigen Firmen rund 1.500 Mitarbeiter zwischen Krems und St. Pölten, sind also nicht „irgendwelche“ Arbeitgeber. Neben dem niederösterreichischen Industriellen-Chef Salzer hat auch Sonja Zwazl eine – relativ entspannte – Vogelperspektive auf den Brexit und seine Auswirkungen auf die Region und Niederösterreich. Die Präsidentin der niederösterreichischen Wirtschaftskammer verwehrt sich jedenfalls gegen die Darstellung, dass der Brexit als eine wie vom Himmel gefallene Katastrophe behandelt wird: „Der Brexit läuft seit 2016 und die Unternehmen setzen sich seither schon mit der Materie auseinander.“ Die Aussage, dass Unternehmen keine Strategien zur Bewältigung der potentiellen Brexit-Schäden hätten, teilt Zwazl nicht. „Es gibt keine Standard-Strategie, die für alle passt.“ Unternehmen müssten sich viel individueller vorbereiten, als das vielleicht oft angenommen werde. „Wichtige Faktoren sind etwa die Größe der Unternehmen oder die Art des Produktes oder der Dienstleistung“, führt Zwazl aus. Ihr Motto-Vorschlag für Unternehmen in Niederösterreich: „Don’t panic, but prepare!“
Wie sieht das Stimmungsbild bei anderen Industrieunternehmen in der Region Krems-Herzogenburg-St. Pölten aus? Nach mehrfacher Nachfrage kann das Resümee gezogen werden, dass man vonseiten der Wirtschaft keine oder nur minimalste Auskunft geben kann, oder will. Bei der Georg Fischer Casting Solutions Herzogenburg Iron Gmbh und der Georg Fischer Casting Solutions Herzogenburg HPDC Gmbh – hier werden Bauteile aus Eisenguss und Aluminium produziert – gibt man sich überaus verschlossen. Auf Anfrage um ein Statement heißt es dort nur lakonisch: „Machen wir nicht“, und auf weiteres Nachfragen richtet man noch aus: „Wir sind nicht betroffen durch den Brexit.“ Auch beim Kremser Betrieb Eybl International sieht man das ähnlich: „Wir haben unseren Produktionsbetrieb in Krems schon geschlossen, daher ist die Frage des Brexits für uns nicht relevant.“ Gar keine Rückmeldung kam unter anderem von der Sunpor Gmbh in St. Pölten, welche Dämm- und Verpackungsmaterial herstellt und zu den weltweit größten Styroporproduzenten zählt. Eindeutig entspannt zeigt sich die Kemira Krems. „Unser Handel mit den Briten ist nicht so vordergründig für uns. Wir haben relevante Handelspartner vor allem in Osteuropa und sind mit unseren Kunden am europäischen Festland gut aufgestellt“, ist auf MFG-Anfrage zu erfahren. Ähnlich gelassene Auskünfte erteilt Voest Alpine, die auch ein Werk in Krems betreibt. Das Unternehmen sei in 40 Ländern vertreten und müsse daher immer mit unterschiedlichsten Handelsbedingungen und Schwierigkeiten umgehen können. Gilt also: „Everything is gonna be alright“? Im Großen und Ganzen scheint das zumindest für die Region Krems-Herzogenburg-St. Pölten mehr oder weniger zuzutreffen. Good News! Zumindest, wenn man die Auskünfte der befragten Unternehmen als legitime Anhaltspunkte nimmt. Immerhin beschäftigen allein diese wenigen Firmen rund 1.500 Mitarbeiter zwischen Krems und St. Pölten, sind also nicht „irgendwelche“ Arbeitgeber. Neben dem niederösterreichischen Industriellen-Chef Salzer hat auch Sonja Zwazl eine – relativ entspannte – Vogelperspektive auf den Brexit und seine Auswirkungen auf die Region und Niederösterreich. Die Präsidentin der niederösterreichischen Wirtschaftskammer verwehrt sich jedenfalls gegen die Darstellung, dass der Brexit als eine wie vom Himmel gefallene Katastrophe behandelt wird: „Der Brexit läuft seit 2016 und die Unternehmen setzen sich seither schon mit der Materie auseinander.“ Die Aussage, dass Unternehmen keine Strategien zur Bewältigung der potentiellen Brexit-Schäden hätten, teilt Zwazl nicht. „Es gibt keine Standard-Strategie, die für alle passt.“ Unternehmen müssten sich viel individueller vorbereiten, als das vielleicht oft angenommen werde. „Wichtige Faktoren sind etwa die Größe der Unternehmen oder die Art des Produktes oder der Dienstleistung“, führt Zwazl aus. Ihr Motto-Vorschlag für Unternehmen in Niederösterreich: „Don’t panic, but prepare!“
Help, I need somebody
Zur Zusammenarbeit zwischen Politik, Sozialpartnerschaft und Wirtschaft zur Bewältigung der Auswirkungen des Brexits meint IV-NÖ Präsident Salzer: „Mein Standpunkt ist: Die Sozialpartnerschaft arbeitet hierzulande generell gut.“ Für betroffene heimische Unternehmen und österreichische Staatsbürger, die ihren Lebensmittelpunkt, ihren Arbeits- oder Ausbildungsplatz im Vereinigten Königreich haben, gibt es einige Anlaufstellen, um sich über die wichtigsten diesbezüglichen Fragen zu informieren. Ab 30. Jänner verstärkte etwa die Wirtschaftskammer ihr Info-Service für Exporteure und Importeure. So wird etwa eine ständig aktualisierte Checkliste online angeboten, die Unternehmen helfen soll, die Auswirkungen des Brexit für sich selbst abschätzen zu können. Die Liste bezieht sich vor allem auf Fragen der Anmeldung und Abwicklung von Zöllen und anfallende Kosten. Außerdem wurde ein Brexit-Infopoint eingerichtet, bei dem WKO-Fachleute Unternehmer telefonisch mit ihrer Expertise beraten. Im Gespräch mit Arnold Stivanello von der WKNÖ ist zu erfahren: „Wir haben in der ersten Woche seit dem Start unserer Info-Hotline rund 80 Anrufe von Unternehmern aus ganz Österreich hereinbekommen.“ Meist seien es kleine und mittelgroße Unternehmen, die um Rat ansuchen. Stivanello sieht den Grund darin, dass sich Konzerne sowieso eigene Wirtschaftsexpertise und entsprechende Berater leisten können. „Wir erleben momentan keinen großen Ansturm an Anfragen. Meistens drehen sich die Anrufe aber um Fragen nach Handelszöllen, oder auf die Möglichkeit eines Hard Brexit. Oft werden wir auch nach der Gültigkeit technischer Normen gefragt. Oder nach dem Status von Mitarbeitern hier und im Vereinigten Königreich.“
Zur Zusammenarbeit zwischen Politik, Sozialpartnerschaft und Wirtschaft zur Bewältigung der Auswirkungen des Brexits meint IV-NÖ Präsident Salzer: „Mein Standpunkt ist: Die Sozialpartnerschaft arbeitet hierzulande generell gut.“ Für betroffene heimische Unternehmen und österreichische Staatsbürger, die ihren Lebensmittelpunkt, ihren Arbeits- oder Ausbildungsplatz im Vereinigten Königreich haben, gibt es einige Anlaufstellen, um sich über die wichtigsten diesbezüglichen Fragen zu informieren. Ab 30. Jänner verstärkte etwa die Wirtschaftskammer ihr Info-Service für Exporteure und Importeure. So wird etwa eine ständig aktualisierte Checkliste online angeboten, die Unternehmen helfen soll, die Auswirkungen des Brexit für sich selbst abschätzen zu können. Die Liste bezieht sich vor allem auf Fragen der Anmeldung und Abwicklung von Zöllen und anfallende Kosten. Außerdem wurde ein Brexit-Infopoint eingerichtet, bei dem WKO-Fachleute Unternehmer telefonisch mit ihrer Expertise beraten. Im Gespräch mit Arnold Stivanello von der WKNÖ ist zu erfahren: „Wir haben in der ersten Woche seit dem Start unserer Info-Hotline rund 80 Anrufe von Unternehmern aus ganz Österreich hereinbekommen.“ Meist seien es kleine und mittelgroße Unternehmen, die um Rat ansuchen. Stivanello sieht den Grund darin, dass sich Konzerne sowieso eigene Wirtschaftsexpertise und entsprechende Berater leisten können. „Wir erleben momentan keinen großen Ansturm an Anfragen. Meistens drehen sich die Anrufe aber um Fragen nach Handelszöllen, oder auf die Möglichkeit eines Hard Brexit. Oft werden wir auch nach der Gültigkeit technischer Normen gefragt. Oder nach dem Status von Mitarbeitern hier und im Vereinigten Königreich.“
Englishwoman in STP
Die niederösterreichischen Unternehmen blicken der europäisch-britischen Scheidung also weitgehend gelassen entgegen. Doch wie sieht’s mit dem kleinen Mann und der kleinen Frau auf der Straße aus? Was sagen etwa „austrian people abroad“ und „british people over here“ zu den Entwicklungen? Kathryn Mayer ist geborene Britin, aber schon mehr als verwurzelt in Österreich. Kein Wunder: Ursprünglich aus North Hampton, lebt sie schon seit über 30 Jahren in Österreich, kam in den frühen 80er-Jahren ins „Land der Berge“. Anfangs arbeitete sie mit Pferden, heute gibt sie als „Native Speaker“ Englischunterricht an einer Sprachschule in St. Pölten. Kathryn, die mit einem Österreicher verheiratet ist, hat also die österreichisch-britischen Beziehungen vor dem EU-Beitritt Österreichs 1995 miterlebt. „Es war damals ziemlich schwer mit dem Aufenthalt, der Arbeit. Soviel kann ich sagen“, erklärt die 58-Jährige. Möglicherweise ist das auch einer der Gründe, weshalb sie das Projekt „Brexit“ als Ganzes kritisch betrachtet, vor allem, dass alles so chaotisch abläuft. „Das Best-Case-Szenario wäre, wenn es einen Ausstieg mit Deal gäbe. Ein zweites Referendum der Briten wird es wohl kaum geben, aus meiner Sicht. Ich denke jedenfalls, dass das Vereinigte Königreich die Rechte der dort lebenden EU-Bürger aufrechterhalten wird“, mutmaßt Kathryn.Und was ist mit ihren Landsleuten, die „drüben“ leben, am Festland? Von deren Sorgen und Nöten konnte man sich erst kürzlich ein Bild machen, als bei einer Veranstaltung in St. Pölten zum Thema Brexit österreichische Politiker und britische Diplomaten aufeinandertrafen und auch rund 30 britische Expats anwesend waren. Bei etlichen Leuten ginge es etwa um Pensions- und Versicherungsfragen. Im Falle eines Hard- oder No-Deal-Brexit könnten so manche Austro-Briten um Leistungen und Ansprüche umfallen oder müssten sich dann privat versichern. Bei einem Aufenthalt von unter fünf Jahren müssten sie eine „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ beantragen, die einen zeitlich begrenzten Aufenthalt und uneingeschränkte Arbeitserlaubnis für Drittstaatsangehörige regelt. Briten würden dann rechtlich auf demselben Level mit US-Amerikanern oder Bürgern eines afrikanischen Staates stehen. Bei Aufenthalten von über fünf Jahren müsse ein Daueraufenthalt beantragt werden, der aber an eine Reihe von Bedingungen – regelmäßiges Einkommen in einer gewissen Höhe und das Vorliegen einer Versicherung sind nur einige davon – gekoppelt ist. Als Quasi-Österreicherin, die mehr als ihr halbes Leben in der Alpenrepublik verbracht hat, macht Kathryn nicht den Eindruck, als würde ein Hard Brexit sie – trotz einiger Sorgen – vor unlösbare Probleme stellen. Unter jenen Briten, die schon länger einen Aufenthalt im EU-Ausland geplant haben, gebe es aber einige, die sich nun doch eher für „Stay“ – also für’s Daheim-Bleiben- entscheiden würden. Und damit sind sie nicht alleine, denn umgekehrt gibt es auch Österreicher, deren Perspektive eines Studien- oder Arbeitsaufenthalts oder gar eines Umzugs in das Vereinigte Königreich sich durch den Brexit zumindest verkompliziert hat Eine von ihnen ist Katharina Meyer. Sie plant, den Studiengang „Philosophy, politics and economics“ an einer britischen Universität zu absolvieren. „Dieses Studium gibt es nur im Vereinigten Königreich und in Amsterdam. Aber ein Abschluss von einer britischen Uni hätte natürlich mehr Prestige“, erläutert die 19-Jährige ihre Gründe. Jetzt ist sie kritisch, ob ein ungeregelter Brexit die Qualität des Studiums verschlechtern könnte. Immerhin gibt es an britischen Universitäten viel Lehrpersonal aus dem EU-Ausland, für die der Forschungs- und Lehrstandort Vereinigtes Königreich durch einen ungeregelten Austritt sicherlich nicht attraktiver werden wird. Außerdem steht die Frage im Raum, wie die Briten ohne Vertrag künftig am Wissenschaftsaustausch teilhaben werden. So könnte der Brexit Katharinas finanzielle Planung über den Haufen werfen: „Also an der Universität, die mir auf meine Bewerbung geantwortet hat, würde ich 9.000£ (etwa 10.300 Euro, Anm.) im Jahr bezahlen. Britische und EU-Studenten sind bisher gleichgestellt. Sollten diese Regelungen nicht mehr gelten, könnten da Gebühren von 20.000 £ (22.800 Euro, Anm.) auf mich zukommen. Da gibt es dann noch zwei Möglichkeiten: Dass mich meine Eltern finanziell unterstützen, oder ich stehe nach dem Abschluss mit 30.000 Euro Schulden da“, schildert sie. Auf solch ein „US-amerikanisches Uni-Absolventenschicksal“ habe sie verständlicherweise keinen Bock. Es gäbe zwar britische Universitäten, die ihren EU-Studenten gleiche Tarife wie unter der jetzigen Rechtslage garantierten. „An der Cambridge University machen sie das so. Aber da, wo ich mich beworben habe sagen sie nur: ‚Wir können Ihnen nichts versprechen.‘“ Welches Fazit kann man also ziehen? Die wenigen Pro-Brexit-Stimmen, die es 2016 auch noch in Österreich gegeben hat, sind mittlerweile verstummt. Aber verleiten Medienberichte über drohendes LWK-Chaos bei Calais, die mögliche Massenabwanderung von Unternehmen und heillos zerkrachte Politiker nicht auch zu übertriebenem Alarmismus? Egal in welcher Form die Scheidung der Briten von der EU nun kommt, die allgemeine Stimmung scheint zu sein: „There’s nothing to win in this game“ – es wird nur Verlierer geben in diesem Spiel.
Die niederösterreichischen Unternehmen blicken der europäisch-britischen Scheidung also weitgehend gelassen entgegen. Doch wie sieht’s mit dem kleinen Mann und der kleinen Frau auf der Straße aus? Was sagen etwa „austrian people abroad“ und „british people over here“ zu den Entwicklungen? Kathryn Mayer ist geborene Britin, aber schon mehr als verwurzelt in Österreich. Kein Wunder: Ursprünglich aus North Hampton, lebt sie schon seit über 30 Jahren in Österreich, kam in den frühen 80er-Jahren ins „Land der Berge“. Anfangs arbeitete sie mit Pferden, heute gibt sie als „Native Speaker“ Englischunterricht an einer Sprachschule in St. Pölten. Kathryn, die mit einem Österreicher verheiratet ist, hat also die österreichisch-britischen Beziehungen vor dem EU-Beitritt Österreichs 1995 miterlebt. „Es war damals ziemlich schwer mit dem Aufenthalt, der Arbeit. Soviel kann ich sagen“, erklärt die 58-Jährige. Möglicherweise ist das auch einer der Gründe, weshalb sie das Projekt „Brexit“ als Ganzes kritisch betrachtet, vor allem, dass alles so chaotisch abläuft. „Das Best-Case-Szenario wäre, wenn es einen Ausstieg mit Deal gäbe. Ein zweites Referendum der Briten wird es wohl kaum geben, aus meiner Sicht. Ich denke jedenfalls, dass das Vereinigte Königreich die Rechte der dort lebenden EU-Bürger aufrechterhalten wird“, mutmaßt Kathryn.Und was ist mit ihren Landsleuten, die „drüben“ leben, am Festland? Von deren Sorgen und Nöten konnte man sich erst kürzlich ein Bild machen, als bei einer Veranstaltung in St. Pölten zum Thema Brexit österreichische Politiker und britische Diplomaten aufeinandertrafen und auch rund 30 britische Expats anwesend waren. Bei etlichen Leuten ginge es etwa um Pensions- und Versicherungsfragen. Im Falle eines Hard- oder No-Deal-Brexit könnten so manche Austro-Briten um Leistungen und Ansprüche umfallen oder müssten sich dann privat versichern. Bei einem Aufenthalt von unter fünf Jahren müssten sie eine „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ beantragen, die einen zeitlich begrenzten Aufenthalt und uneingeschränkte Arbeitserlaubnis für Drittstaatsangehörige regelt. Briten würden dann rechtlich auf demselben Level mit US-Amerikanern oder Bürgern eines afrikanischen Staates stehen. Bei Aufenthalten von über fünf Jahren müsse ein Daueraufenthalt beantragt werden, der aber an eine Reihe von Bedingungen – regelmäßiges Einkommen in einer gewissen Höhe und das Vorliegen einer Versicherung sind nur einige davon – gekoppelt ist. Als Quasi-Österreicherin, die mehr als ihr halbes Leben in der Alpenrepublik verbracht hat, macht Kathryn nicht den Eindruck, als würde ein Hard Brexit sie – trotz einiger Sorgen – vor unlösbare Probleme stellen. Unter jenen Briten, die schon länger einen Aufenthalt im EU-Ausland geplant haben, gebe es aber einige, die sich nun doch eher für „Stay“ – also für’s Daheim-Bleiben- entscheiden würden. Und damit sind sie nicht alleine, denn umgekehrt gibt es auch Österreicher, deren Perspektive eines Studien- oder Arbeitsaufenthalts oder gar eines Umzugs in das Vereinigte Königreich sich durch den Brexit zumindest verkompliziert hat Eine von ihnen ist Katharina Meyer. Sie plant, den Studiengang „Philosophy, politics and economics“ an einer britischen Universität zu absolvieren. „Dieses Studium gibt es nur im Vereinigten Königreich und in Amsterdam. Aber ein Abschluss von einer britischen Uni hätte natürlich mehr Prestige“, erläutert die 19-Jährige ihre Gründe. Jetzt ist sie kritisch, ob ein ungeregelter Brexit die Qualität des Studiums verschlechtern könnte. Immerhin gibt es an britischen Universitäten viel Lehrpersonal aus dem EU-Ausland, für die der Forschungs- und Lehrstandort Vereinigtes Königreich durch einen ungeregelten Austritt sicherlich nicht attraktiver werden wird. Außerdem steht die Frage im Raum, wie die Briten ohne Vertrag künftig am Wissenschaftsaustausch teilhaben werden. So könnte der Brexit Katharinas finanzielle Planung über den Haufen werfen: „Also an der Universität, die mir auf meine Bewerbung geantwortet hat, würde ich 9.000£ (etwa 10.300 Euro, Anm.) im Jahr bezahlen. Britische und EU-Studenten sind bisher gleichgestellt. Sollten diese Regelungen nicht mehr gelten, könnten da Gebühren von 20.000 £ (22.800 Euro, Anm.) auf mich zukommen. Da gibt es dann noch zwei Möglichkeiten: Dass mich meine Eltern finanziell unterstützen, oder ich stehe nach dem Abschluss mit 30.000 Euro Schulden da“, schildert sie. Auf solch ein „US-amerikanisches Uni-Absolventenschicksal“ habe sie verständlicherweise keinen Bock. Es gäbe zwar britische Universitäten, die ihren EU-Studenten gleiche Tarife wie unter der jetzigen Rechtslage garantierten. „An der Cambridge University machen sie das so. Aber da, wo ich mich beworben habe sagen sie nur: ‚Wir können Ihnen nichts versprechen.‘“ Welches Fazit kann man also ziehen? Die wenigen Pro-Brexit-Stimmen, die es 2016 auch noch in Österreich gegeben hat, sind mittlerweile verstummt. Aber verleiten Medienberichte über drohendes LWK-Chaos bei Calais, die mögliche Massenabwanderung von Unternehmen und heillos zerkrachte Politiker nicht auch zu übertriebenem Alarmismus? Egal in welcher Form die Scheidung der Briten von der EU nun kommt, die allgemeine Stimmung scheint zu sein: „There’s nothing to win in this game“ – es wird nur Verlierer geben in diesem Spiel.