Ich seh, ich seh, was du nicht siehst
Text
Thomas Winkelmüller
Ausgabe
Wenn die einen behaupten, ein Gesetz spalte die Gesellschaft, und die anderen, es wäre genau das Gegenteil der Fall, dann ist irgendetwas nicht ganz nach Plan gelaufen. Ein Faktencheck zum Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz in St. Pölten.
Wie viele Burkaträgerinnen es in Österreich gibt, ist nicht bekannt. Rund 150 schrieb „Die Presse“ vor sieben Jahren, es sei eine Schätzung. Den Ursprung dieser Angabe nannte sie damals nicht. Seitdem macht diese Zahl ihre Runden. Politiker verwenden sie, Gegner und Befürworter des Verhüllungsverbotes. Ob sie stimmt, weiß leider keiner, empirisch ermitteln kann man sie nicht.
In St. Pölten gibt es zumindest sicher eine Burkaträgerin. Kurz nachdem das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz am 1. Oktober in Kraft getreten ist, wurde eine muslimische Frau mit Burka aufgehalten. Wenige Tage später verhüllte sie wieder ihr Gesicht. Beide Male habe sie sich nicht einsichtig gezeigt und wurde daher angezeigt, erzählt Chefinspektor Johann Baumschlager, Pressesprecher der Landespolizeidirektion St. Pölten. Seitdem seien ihm keine Vorfälle mehr bekannt.
Alles was Recht ist
Aber welche Konsequenzen warten auf eine solche Frau? Beim Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz handelt es sich wie bei der Straßenverkehrsordnung oder dem Baurecht um ein Verwaltungsgesetz und kein Strafgesetz. Der Hauptunterschied ist, dass Verwaltungsgesetze nicht durch Gerichte, sondern durch die jeweilige Bezirksverwaltungsbehörde geahndet werden, in diesem Fall jener St. Pöltens.
Dem Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz zufolge kann die Polizei jemanden, der an öffentlichen Orten dagegen verstößt, auf verschiedene Arten bestrafen: Sie kann die Person abmahnen, also sie auffordern ihr Gesicht zu zeigen. Laut Baumschlager seien die Beamten in St. Pölten bemüht das Gespräch zu suchen, um es bei einer Abmahnung belassen zu können. Wenn sich die Person dennoch weigert ihr Gesicht zu enthüllen, sprechen die Polizisten eine Organstrafverfügung von 50 Euro aus, können die Person auch anzeigen oder im Ernstfall sogar festnehmen, um sie der Behörde vorzuführen. Dort kann die Strafe auf bis zu 150 Euro erhöht werden.
Baumschlager vergleicht die Durchführung des Verhüllungsverbotes gerne mit der Rechtslage beim Autofahren: „Wenn Sie nicht angeschnallt ein Auto in Betrieb nehmen und angehalten werden, gibt es eine Strafe. Werden Sie nach ein paar Tagen wieder ohne Gurt erwischt, zahlen Sie erneut und die Strafe wird höher.“
Offene Gesellschaft oder Kontrollstaat?
Warum ohne Gurt fahren bestraft wird, ist für die meisten Leute logisch. Beim Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz scheiden sich die Geister: Schon lange hat kein Gesetz mehr so viele Kontroversen aufgeworfen. Freiheitsverlust und Kontrollstaat schießt in die Köpfe vieler Menschen, wenn sie davon hören. Für Baumschlager ist das Gegenteil der Fall. „Wir sind eine offene, kommunikative Gesellschaft, und da gehört es auch dazu, sein Gesicht zu zeigen, wenn ich mit einer Person in Kontakt trete. Deshalb haben sich alle Personen in Österreich daran zu halten“, argumentiert er. Das kann die Islamische Religionsgemeinde St. Pölten nicht wirklich nachvollziehen. Mehmet Isik, Pressesprecher der Glaubensgemeinschaft, sieht die Sache umgekehrt: „Ein Verbot kann nie für eine offene Gesellschaft sorgen!“
Dass ein Gesichtsverhüllungsverbot nicht allein auf Integration in die Österreichische Gesellschaft abzielt, weiß Baumschlager durchaus: „Das Gesetz erleichtert unser Einschreiten bei Demonstrationen oder Krawallen während Fußballspielen natürlich massiv.“ Aus diversen kulturellen, künstlerischen oder beruflichen Gründen ist es grundsätzlich aber legal sein Gesicht zu verdecken. In der Praxis funktioniert diese Regelung aber nicht immer. Zwar nicht in St. Pölten, sondern andernorts, kam es etwa zur Verhaftung von Maskottchen oder auch Schalträgern. Manch findige Firma hat das Gesetz zum PR-Gag genutzt, Gegner wollen es durchjudizieren. Ob das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz also unsere Gesellschaft tatsächlich zusammen bringt oder doch spaltet? Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Viele halten es schlicht für „Pfusch“ und Opportunismus, und das wegen 150 Burkaträgerinnen ... geschätzt.
AntiGesichtsverhüllungsgesetz (AGesVG) § 1. Ziele dieses Bundesgesetzes sind die Förderung von Integration durch die Stärkung der Teilhabe an der Gesellschaft und die Sicherung des friedlichen Zusammenlebens in Österreich. Integration ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, dessen Gelingen von der Mitwirkung aller in Österreich
lebenden Menschen abhängt und auf persönlicher Interaktion beruht.
In St. Pölten gibt es zumindest sicher eine Burkaträgerin. Kurz nachdem das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz am 1. Oktober in Kraft getreten ist, wurde eine muslimische Frau mit Burka aufgehalten. Wenige Tage später verhüllte sie wieder ihr Gesicht. Beide Male habe sie sich nicht einsichtig gezeigt und wurde daher angezeigt, erzählt Chefinspektor Johann Baumschlager, Pressesprecher der Landespolizeidirektion St. Pölten. Seitdem seien ihm keine Vorfälle mehr bekannt.
Alles was Recht ist
Aber welche Konsequenzen warten auf eine solche Frau? Beim Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz handelt es sich wie bei der Straßenverkehrsordnung oder dem Baurecht um ein Verwaltungsgesetz und kein Strafgesetz. Der Hauptunterschied ist, dass Verwaltungsgesetze nicht durch Gerichte, sondern durch die jeweilige Bezirksverwaltungsbehörde geahndet werden, in diesem Fall jener St. Pöltens.
Dem Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz zufolge kann die Polizei jemanden, der an öffentlichen Orten dagegen verstößt, auf verschiedene Arten bestrafen: Sie kann die Person abmahnen, also sie auffordern ihr Gesicht zu zeigen. Laut Baumschlager seien die Beamten in St. Pölten bemüht das Gespräch zu suchen, um es bei einer Abmahnung belassen zu können. Wenn sich die Person dennoch weigert ihr Gesicht zu enthüllen, sprechen die Polizisten eine Organstrafverfügung von 50 Euro aus, können die Person auch anzeigen oder im Ernstfall sogar festnehmen, um sie der Behörde vorzuführen. Dort kann die Strafe auf bis zu 150 Euro erhöht werden.
Baumschlager vergleicht die Durchführung des Verhüllungsverbotes gerne mit der Rechtslage beim Autofahren: „Wenn Sie nicht angeschnallt ein Auto in Betrieb nehmen und angehalten werden, gibt es eine Strafe. Werden Sie nach ein paar Tagen wieder ohne Gurt erwischt, zahlen Sie erneut und die Strafe wird höher.“
Offene Gesellschaft oder Kontrollstaat?
Warum ohne Gurt fahren bestraft wird, ist für die meisten Leute logisch. Beim Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz scheiden sich die Geister: Schon lange hat kein Gesetz mehr so viele Kontroversen aufgeworfen. Freiheitsverlust und Kontrollstaat schießt in die Köpfe vieler Menschen, wenn sie davon hören. Für Baumschlager ist das Gegenteil der Fall. „Wir sind eine offene, kommunikative Gesellschaft, und da gehört es auch dazu, sein Gesicht zu zeigen, wenn ich mit einer Person in Kontakt trete. Deshalb haben sich alle Personen in Österreich daran zu halten“, argumentiert er. Das kann die Islamische Religionsgemeinde St. Pölten nicht wirklich nachvollziehen. Mehmet Isik, Pressesprecher der Glaubensgemeinschaft, sieht die Sache umgekehrt: „Ein Verbot kann nie für eine offene Gesellschaft sorgen!“
Dass ein Gesichtsverhüllungsverbot nicht allein auf Integration in die Österreichische Gesellschaft abzielt, weiß Baumschlager durchaus: „Das Gesetz erleichtert unser Einschreiten bei Demonstrationen oder Krawallen während Fußballspielen natürlich massiv.“ Aus diversen kulturellen, künstlerischen oder beruflichen Gründen ist es grundsätzlich aber legal sein Gesicht zu verdecken. In der Praxis funktioniert diese Regelung aber nicht immer. Zwar nicht in St. Pölten, sondern andernorts, kam es etwa zur Verhaftung von Maskottchen oder auch Schalträgern. Manch findige Firma hat das Gesetz zum PR-Gag genutzt, Gegner wollen es durchjudizieren. Ob das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz also unsere Gesellschaft tatsächlich zusammen bringt oder doch spaltet? Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Viele halten es schlicht für „Pfusch“ und Opportunismus, und das wegen 150 Burkaträgerinnen ... geschätzt.
AntiGesichtsverhüllungsgesetz (AGesVG) § 1. Ziele dieses Bundesgesetzes sind die Förderung von Integration durch die Stärkung der Teilhabe an der Gesellschaft und die Sicherung des friedlichen Zusammenlebens in Österreich. Integration ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, dessen Gelingen von der Mitwirkung aller in Österreich
lebenden Menschen abhängt und auf persönlicher Interaktion beruht.