DIE VIELEN WOHNZIMMER DES MICHAEL GLÖCKEL
Text
Johannes Reichl
Ausgabe
Es ist ein schlüssiges Bild, das sich mir präsentiert, als ich den hinteren Gastraum des EMMI in der Linzerstraße betrete: Chef Michael Glöckel schmökert gerade im „Falter“ und nimmt dazu einen Schluck vom hauseigenen Felix-Kaffee. Das erinnert an Alfred Polgars Spruch vom Kaffeehaus als Ort, wo man in Gesellschaft allein sein kann.
Und es deckt sich definitiv mit Glöckels Zugang zu seiner Profession: „Ein Kaffeehaus muss ein Ort sein, wo du immer, zu jeder Tageszeit, hingehen kannst. Das ist eine Art öffentliches Wohnzimmer.“
Dass er in St. Pölten mit Café Schubert, EMMI und Vinzenz Pauli mittlerweile gleich drei solcher Wohnzimmer geschaffen hat, ist ohne Zweifel bemerkenswert, wenn es auch alles andere denn eine ausgemachte Sache war. „Ich bin da eigentlich mehr oder weniger hineingestolpert“, verrät Glöckel. Eine familiäre gastronomische Vorprägung gab es ebenso wenig wie eine spezifische Ausbildung. Glöckel besuchte nach Volksschule und Unterstufe den besonders musischen Zweig des BORG St. Pölten „wobei ich alles andere als ‚besonders musikalisch‘ war, aber ich habe den alten ‚Kasten’ geliebt.“ Nach der Matura studiert er an der Uni Wien Internationale Betriebswirtschaft „das war nach dem BORG ein ganz schöner Kulturschock, aber die Materie hat mich sehr interessiert.“ Dass er dennoch nicht im Management irgendeines Konzerns landet, sondern in der Gastronomie, hat dann einerseits mit seinem Studienkollegen Christoph Hubmayer zu tun, der späterhin selbst ein Café in Lissabon eröffnen wird, zum anderen mit dem Umstand, dass die am Herrenplatz situierte Buchhandlung Schubert in die ehemalige Filiale des Spielwarenladens „Singer“ übersiedelt. „Ich bin ja in dem Haus am Herrenplatz aufgewachsen. Die Wohnung meiner Großeltern lag direkt über der Buchhandlung, die schon mein Großvater geführt hat. Der hat dort tagein tagaus gearbeitet – und ich hab zwischen den Büchern und Regalen gespielt, oft auch nach Ladenschluss. Das war schon besonders, dieser Geruch von Druckerschwärze und Papier“, erinnert sich Glöckel mit einem Hauch Sentimentalität zurück. Als die Mutter, welche die Buchhandlung weiterführt, schließlich mit dem Geschäft in die Wiener Straße übersiedelt und einen Nachmieter für den Herrenplatz sucht, hat Glöckel so etwas wie ein Aha-Erlebnis. „Ich stand mitten im leeren Geschäftslokal, wo keine Regale mehr den Blick verstellten, wo die Fenster nicht mehr verbarrikadiert waren, und mit einem Mal wurde offensichtlich, wie hell und offen diese Räumlichkeiten waren, welchen Charme sie versprühten – da wurde mir klar, dass das für ein Kaffeehaus geradezu prädestiniert ist.“ Zwar werden noch einige Interessenten bei der Mutter vorstellig, „aber irgendwann war mir klar, dass ich das selbst machen muss.“ Als Glöckel mit Heribert Weidinger, der die leider nicht mehr existierende Edelbar „Rother Krebs“ in der Kremsergasse eingerichtet hatte, ins Gespräch kommt, steigt dieser überhaupt gleich mit ins Projekt ein. „Erst heuer im Frühling ist Heribert sozusagen in die Gastro-Pension gegangen“, verrät Glöckel. Mit viel Liebe und auch Respekt vor der Substanz setzt man die Vision vom Kaffeehaus räumlich in die Tat um, Bücherregale als Reminsizenz an die ehemalige Buchhandlung werden ebenso integriert wie heimelige Nischen „und beim Namen waren wir uns rasch klar, dass es Schubert heißen soll – warum sollten wir etwas Neues erfinden?“
Obwohl Glöckel im Vorfeld viele Besserwisser zuraunen „was, schon wieder ein Kaffeehaus?“, hält er Kurs „auch weil ich das ganz anders sah. Der ‚Wolf‘ hatte gerade erst zugesperrt und ich hatte irgendwie den Eindruck, dass so etwas wie das ‚Schubert‘ mit seinen Öffnungszeiten bis Mitternacht, sieben Tage die Woche in der Stadt einfach fehlte“ – womit der Neogastronom absolut richtig liegen sollte.
Das Schubert wird von Beginn weg regelrecht gestürmt. „Am ersten Tag haben wir um 10 Uhr aufgesperrt, um 2 nach 10 herrschte schon Chaos – wir waren ja ein unkoordinierter Wahnsinnshaufen“, erinnert sich Glöckel lachend an die erste turbulente Zeit zurück „da mussten wir so schnell wie möglich Organisation reinbringen.“
Was mit Bravour gelingt, auch weil Glöckel bis heute eine klare Philosophie verfolgt, die im Grunde auf zwei Grundpfeilern abstellt: teamorientierte Personalpolitik und höchster Qualitätsanspruch in allen Belangen. „Gerade ein Kaffeehaus wird ja irrsinnig vom Personal geprägt, von Charakteren! Das heißt jetzt nicht, dass alle Mitarbeiter Grantler sein müssen wie die klassischen Wiener Oberkellner, aber sie dürfen durchaus Ecken und Kanten haben.“ Zudem sollen sie Eigeninitiative zeigen. „Ich seh uns als Team, wo jeder seine Ideen einbringen und sich nach Möglichkeit selbst verwirklichen kann. Mein Job dabei ist es, mich um die Mitarbeiter zu kümmern, Sachen aus dem Weg zu räumen, Vorschläge anzuhören und bei der Umsetzung zu helfen.“ Mit dem Resultat, dass sich die Mitarbeiter voll mit ihrer Arbeit identifizieren, was Glöckels Betrieben einen ganz eigenen Esprit verleiht, der sich auch in positiven Alleinstellungsmerkmalen niederschlägt. Seit gut einem Jahr wird etwa die gesamte Patisserie von zwei Konditorinnen für alle Betreibe selbst hergestellt, wobei auch hier Experimentierfreudigkeit erwünscht ist. Geht einmal etwas schief, auch kein Malheur „weil Fehler gehören dazu“, so Glöckel. Auch thematisch probiert man immer wieder Neues aus, wie etwa die themenbezogenen Brunches im EMMI beweisen, welche das Team quasi autark programmiert. „Da erfahr ich selbst meist erst, wenn ich da sitze, welches Motto diesmal umgesetzt wird – das macht riesig Spaß“, so Glöckel, den von jeher das Konzeptive an seiner Arbeit besonders gereizt hat „also Ideen entwickeln, sich mit Gleichgesinnten austauschen, und diese, so möglich, auch umsetzen.“
Dass er in St. Pölten mit Café Schubert, EMMI und Vinzenz Pauli mittlerweile gleich drei solcher Wohnzimmer geschaffen hat, ist ohne Zweifel bemerkenswert, wenn es auch alles andere denn eine ausgemachte Sache war. „Ich bin da eigentlich mehr oder weniger hineingestolpert“, verrät Glöckel. Eine familiäre gastronomische Vorprägung gab es ebenso wenig wie eine spezifische Ausbildung. Glöckel besuchte nach Volksschule und Unterstufe den besonders musischen Zweig des BORG St. Pölten „wobei ich alles andere als ‚besonders musikalisch‘ war, aber ich habe den alten ‚Kasten’ geliebt.“ Nach der Matura studiert er an der Uni Wien Internationale Betriebswirtschaft „das war nach dem BORG ein ganz schöner Kulturschock, aber die Materie hat mich sehr interessiert.“ Dass er dennoch nicht im Management irgendeines Konzerns landet, sondern in der Gastronomie, hat dann einerseits mit seinem Studienkollegen Christoph Hubmayer zu tun, der späterhin selbst ein Café in Lissabon eröffnen wird, zum anderen mit dem Umstand, dass die am Herrenplatz situierte Buchhandlung Schubert in die ehemalige Filiale des Spielwarenladens „Singer“ übersiedelt. „Ich bin ja in dem Haus am Herrenplatz aufgewachsen. Die Wohnung meiner Großeltern lag direkt über der Buchhandlung, die schon mein Großvater geführt hat. Der hat dort tagein tagaus gearbeitet – und ich hab zwischen den Büchern und Regalen gespielt, oft auch nach Ladenschluss. Das war schon besonders, dieser Geruch von Druckerschwärze und Papier“, erinnert sich Glöckel mit einem Hauch Sentimentalität zurück. Als die Mutter, welche die Buchhandlung weiterführt, schließlich mit dem Geschäft in die Wiener Straße übersiedelt und einen Nachmieter für den Herrenplatz sucht, hat Glöckel so etwas wie ein Aha-Erlebnis. „Ich stand mitten im leeren Geschäftslokal, wo keine Regale mehr den Blick verstellten, wo die Fenster nicht mehr verbarrikadiert waren, und mit einem Mal wurde offensichtlich, wie hell und offen diese Räumlichkeiten waren, welchen Charme sie versprühten – da wurde mir klar, dass das für ein Kaffeehaus geradezu prädestiniert ist.“ Zwar werden noch einige Interessenten bei der Mutter vorstellig, „aber irgendwann war mir klar, dass ich das selbst machen muss.“ Als Glöckel mit Heribert Weidinger, der die leider nicht mehr existierende Edelbar „Rother Krebs“ in der Kremsergasse eingerichtet hatte, ins Gespräch kommt, steigt dieser überhaupt gleich mit ins Projekt ein. „Erst heuer im Frühling ist Heribert sozusagen in die Gastro-Pension gegangen“, verrät Glöckel. Mit viel Liebe und auch Respekt vor der Substanz setzt man die Vision vom Kaffeehaus räumlich in die Tat um, Bücherregale als Reminsizenz an die ehemalige Buchhandlung werden ebenso integriert wie heimelige Nischen „und beim Namen waren wir uns rasch klar, dass es Schubert heißen soll – warum sollten wir etwas Neues erfinden?“
Obwohl Glöckel im Vorfeld viele Besserwisser zuraunen „was, schon wieder ein Kaffeehaus?“, hält er Kurs „auch weil ich das ganz anders sah. Der ‚Wolf‘ hatte gerade erst zugesperrt und ich hatte irgendwie den Eindruck, dass so etwas wie das ‚Schubert‘ mit seinen Öffnungszeiten bis Mitternacht, sieben Tage die Woche in der Stadt einfach fehlte“ – womit der Neogastronom absolut richtig liegen sollte.
Das Schubert wird von Beginn weg regelrecht gestürmt. „Am ersten Tag haben wir um 10 Uhr aufgesperrt, um 2 nach 10 herrschte schon Chaos – wir waren ja ein unkoordinierter Wahnsinnshaufen“, erinnert sich Glöckel lachend an die erste turbulente Zeit zurück „da mussten wir so schnell wie möglich Organisation reinbringen.“
Was mit Bravour gelingt, auch weil Glöckel bis heute eine klare Philosophie verfolgt, die im Grunde auf zwei Grundpfeilern abstellt: teamorientierte Personalpolitik und höchster Qualitätsanspruch in allen Belangen. „Gerade ein Kaffeehaus wird ja irrsinnig vom Personal geprägt, von Charakteren! Das heißt jetzt nicht, dass alle Mitarbeiter Grantler sein müssen wie die klassischen Wiener Oberkellner, aber sie dürfen durchaus Ecken und Kanten haben.“ Zudem sollen sie Eigeninitiative zeigen. „Ich seh uns als Team, wo jeder seine Ideen einbringen und sich nach Möglichkeit selbst verwirklichen kann. Mein Job dabei ist es, mich um die Mitarbeiter zu kümmern, Sachen aus dem Weg zu räumen, Vorschläge anzuhören und bei der Umsetzung zu helfen.“ Mit dem Resultat, dass sich die Mitarbeiter voll mit ihrer Arbeit identifizieren, was Glöckels Betrieben einen ganz eigenen Esprit verleiht, der sich auch in positiven Alleinstellungsmerkmalen niederschlägt. Seit gut einem Jahr wird etwa die gesamte Patisserie von zwei Konditorinnen für alle Betreibe selbst hergestellt, wobei auch hier Experimentierfreudigkeit erwünscht ist. Geht einmal etwas schief, auch kein Malheur „weil Fehler gehören dazu“, so Glöckel. Auch thematisch probiert man immer wieder Neues aus, wie etwa die themenbezogenen Brunches im EMMI beweisen, welche das Team quasi autark programmiert. „Da erfahr ich selbst meist erst, wenn ich da sitze, welches Motto diesmal umgesetzt wird – das macht riesig Spaß“, so Glöckel, den von jeher das Konzeptive an seiner Arbeit besonders gereizt hat „also Ideen entwickeln, sich mit Gleichgesinnten austauschen, und diese, so möglich, auch umsetzen.“
Die Sache mit Emmi & Josefine
Einer dieser Gleichgesinnten war und ist ohne Zweifel Felix Teiretzbacher – mit seinem Felix-Kaffee so etwas wie der Haus- & Hoflieferant – der im Gleichschlag mit Glöckel sukzessive seine Rösterei und Marke aufbaute. „Durch Felix bin ich überhaupt erst so richtig in das Kaffee-Thema reingekippt. Ich kann mich noch erinnern, als er mir seine ersten Röstungen zum Verkosten gab – ich war begeistert und dachte mir, bei dem Thema ist in St. Pölten noch viel Luft nach oben.“ Dass diese mittlerweile im positiven Sinne dünner geworden ist, hängt auch mit Glöckels zweitem, 2012 eröffneten Betrieb zusammen: EMMI.
Mit dessen Werdung lief es ähnlich wie beim Café Schubert ab. Diesmal gingen die persönlichen Bande zum Haus freilich nicht von Glöckel selbst aus, sondern von Heribert Weidinger, dessen Mutter Emmi im Geschäftslokal in der Linzerstraße ihre gleichnamige legendäre Boutique geführt hatte. Als es galt, eine neue Nutzung für die Räumlichkeiten zu finden, erlebte Glöckel eine Art Déja-vu. „Mir haben die Räumlichkeiten einfach total getaugt, und im Hinterzimmer, wo wir jetzt sitzen, habe ich vorm geistigen Auge schon Felix an seiner Röstmaschine werken sehen – inmitten der Gäste.“ Und genauso kommt es auch. Noch heute kann man am Fußboden erahnen, wo die edle Röstmaschine einige Jahre gestanden ist, bevor die Räumlichkeiten aufgrund der guten Entwicklung von FELIX Kaffee zu klein wurden und Teiretzbacher am Vinzenz Pauli-Areal, also einmal mehr in Tuchfühlung mit Glöckel, seine neue Rösterei baute, während sich das EMMI sitzplatzmäßig ausdehnen konnte. Eine Vergrößerung, die in den Anfangszeiten freilich noch gar nicht absehbar war, denn im Gegensatz zum Café Schubert entwickelt sich das EMMI zunächst eher schleppend. „Die ursprüngliche Idee ist schlicht nicht aufgegangen. Mir schwebte ja eigentlich ein Coffeeshop vor, wo die Leute selbst ihren Kaffee am Tresen holen, wo es etwas billiger ist, weniger Wert auf das Service gelegt wird – das wurde aber nicht angenommen“, konstatiert Glöckel nüchtern. Wobei er nicht zu der Sorte Unternehmer gehört, die quasi dem Publikum für mangelnden Erfolg die Schuld geben, sondern selbstkritisch einräumt, dass „im Nachhinein gesehen die St. Pöltner vollkommen recht hatten: Zu einem guten Kaffeehaus gehört auch umfassendes und freundliches Service! Aber Fehler kann man machen, man muss sie sich halt nur rechtzeitig eingestehen und dann korrigieren.“
Was Glöckel mit Bravour getan hat. Heute ist das EMMI vom Feeling her vielleicht St. Pöltens „internationalstes“ Café, was wohl auch Glöckels stetem Lokal-Radar auf Reisen geschuldet ist. „Natürlich schau ich überall, was die neuesten Trends sind und lass mich inspirieren.“ So hat in den letzten Jahren in Sachen Kaffeetrends etwa eine Verschiebung von Italien Richtung Nordeuropa stattgefunden. „Unsere Bezeichnung Colazione uno, due, tre im Café Schubert ist eigentlich retro“, lacht Glöckel, „tatsächlich sind aktuell die Skandinavier in dem Bereich im Vormarsch.“ Was Glöckel dabei mit besonderem Stolz erfült: „Unser FELIX Kaffee steht der Weltspitze um nichts nach!“
Ebenso wie das EMMI mittlerweile den Turnaround geschafft hat und von Gästen wie Kritik höchst gelobt wird. So hat man (ebenso das Café Schubert) im Falstaff 89 Punkte abgestaubt – nur vier Kaffeehäuser in ganz Niederösterreich wurden besser bewertet!
Mit 90 Punkten übrigens auch ein weiteres Kaffeehaus aus dem Glöckel-Reich, das viele St. Pöltner gar nicht kennen: Das Café Josefine in Wien! Dort waren Glöckels Bruder Sebastian und dessen Freundin Alice die Triebfeder hinter der Gründung, die den älteren Michael mit seinem Know-how mit an Bord holten „wobei ich das jetzt dann alles übergeben möchte.“ Das Josefine ist auf seine Art wieder anders als seine St. Pöltner Verwandtschaft. „Es liegt im 8. Bezirk, ist ein Grätzel-Café. Zugleich spielen – im Unterschied zu St. Pölten – aber auch Touristen eine große Rolle.“ Letztlich überzeugt der Cafetier aber auch in der Bundeshauptstadt – denn diese Herausforderung ist überall gleich, in Wien aufgrund des unglaublichen Mitbewerbs aber vielleicht sogar noch potenziert – durch Qualität, Atmosphäre und v. a. tollen Service. „Ein Kritiker hat einmal vom ‚schaßfreundlichsten Kaffeehaus Wiens‘ gesprochen“, lacht Glöckel über das nicht alltägliche Lob, und erstaunt damit wohl auch manch Hauptstädter: St. Pöltner Charme als Export-Artikel? Auch nicht schlecht …
Einer dieser Gleichgesinnten war und ist ohne Zweifel Felix Teiretzbacher – mit seinem Felix-Kaffee so etwas wie der Haus- & Hoflieferant – der im Gleichschlag mit Glöckel sukzessive seine Rösterei und Marke aufbaute. „Durch Felix bin ich überhaupt erst so richtig in das Kaffee-Thema reingekippt. Ich kann mich noch erinnern, als er mir seine ersten Röstungen zum Verkosten gab – ich war begeistert und dachte mir, bei dem Thema ist in St. Pölten noch viel Luft nach oben.“ Dass diese mittlerweile im positiven Sinne dünner geworden ist, hängt auch mit Glöckels zweitem, 2012 eröffneten Betrieb zusammen: EMMI.
Mit dessen Werdung lief es ähnlich wie beim Café Schubert ab. Diesmal gingen die persönlichen Bande zum Haus freilich nicht von Glöckel selbst aus, sondern von Heribert Weidinger, dessen Mutter Emmi im Geschäftslokal in der Linzerstraße ihre gleichnamige legendäre Boutique geführt hatte. Als es galt, eine neue Nutzung für die Räumlichkeiten zu finden, erlebte Glöckel eine Art Déja-vu. „Mir haben die Räumlichkeiten einfach total getaugt, und im Hinterzimmer, wo wir jetzt sitzen, habe ich vorm geistigen Auge schon Felix an seiner Röstmaschine werken sehen – inmitten der Gäste.“ Und genauso kommt es auch. Noch heute kann man am Fußboden erahnen, wo die edle Röstmaschine einige Jahre gestanden ist, bevor die Räumlichkeiten aufgrund der guten Entwicklung von FELIX Kaffee zu klein wurden und Teiretzbacher am Vinzenz Pauli-Areal, also einmal mehr in Tuchfühlung mit Glöckel, seine neue Rösterei baute, während sich das EMMI sitzplatzmäßig ausdehnen konnte. Eine Vergrößerung, die in den Anfangszeiten freilich noch gar nicht absehbar war, denn im Gegensatz zum Café Schubert entwickelt sich das EMMI zunächst eher schleppend. „Die ursprüngliche Idee ist schlicht nicht aufgegangen. Mir schwebte ja eigentlich ein Coffeeshop vor, wo die Leute selbst ihren Kaffee am Tresen holen, wo es etwas billiger ist, weniger Wert auf das Service gelegt wird – das wurde aber nicht angenommen“, konstatiert Glöckel nüchtern. Wobei er nicht zu der Sorte Unternehmer gehört, die quasi dem Publikum für mangelnden Erfolg die Schuld geben, sondern selbstkritisch einräumt, dass „im Nachhinein gesehen die St. Pöltner vollkommen recht hatten: Zu einem guten Kaffeehaus gehört auch umfassendes und freundliches Service! Aber Fehler kann man machen, man muss sie sich halt nur rechtzeitig eingestehen und dann korrigieren.“
Was Glöckel mit Bravour getan hat. Heute ist das EMMI vom Feeling her vielleicht St. Pöltens „internationalstes“ Café, was wohl auch Glöckels stetem Lokal-Radar auf Reisen geschuldet ist. „Natürlich schau ich überall, was die neuesten Trends sind und lass mich inspirieren.“ So hat in den letzten Jahren in Sachen Kaffeetrends etwa eine Verschiebung von Italien Richtung Nordeuropa stattgefunden. „Unsere Bezeichnung Colazione uno, due, tre im Café Schubert ist eigentlich retro“, lacht Glöckel, „tatsächlich sind aktuell die Skandinavier in dem Bereich im Vormarsch.“ Was Glöckel dabei mit besonderem Stolz erfült: „Unser FELIX Kaffee steht der Weltspitze um nichts nach!“
Ebenso wie das EMMI mittlerweile den Turnaround geschafft hat und von Gästen wie Kritik höchst gelobt wird. So hat man (ebenso das Café Schubert) im Falstaff 89 Punkte abgestaubt – nur vier Kaffeehäuser in ganz Niederösterreich wurden besser bewertet!
Mit 90 Punkten übrigens auch ein weiteres Kaffeehaus aus dem Glöckel-Reich, das viele St. Pöltner gar nicht kennen: Das Café Josefine in Wien! Dort waren Glöckels Bruder Sebastian und dessen Freundin Alice die Triebfeder hinter der Gründung, die den älteren Michael mit seinem Know-how mit an Bord holten „wobei ich das jetzt dann alles übergeben möchte.“ Das Josefine ist auf seine Art wieder anders als seine St. Pöltner Verwandtschaft. „Es liegt im 8. Bezirk, ist ein Grätzel-Café. Zugleich spielen – im Unterschied zu St. Pölten – aber auch Touristen eine große Rolle.“ Letztlich überzeugt der Cafetier aber auch in der Bundeshauptstadt – denn diese Herausforderung ist überall gleich, in Wien aufgrund des unglaublichen Mitbewerbs aber vielleicht sogar noch potenziert – durch Qualität, Atmosphäre und v. a. tollen Service. „Ein Kritiker hat einmal vom ‚schaßfreundlichsten Kaffeehaus Wiens‘ gesprochen“, lacht Glöckel über das nicht alltägliche Lob, und erstaunt damit wohl auch manch Hauptstädter: St. Pöltner Charme als Export-Artikel? Auch nicht schlecht …
Die Sache mit Vinzenz Pauli
Dass Glöckel freilich nicht nur Kaffeehaus kann, sondern sozusagen auch Wirtshaus, hat er mit der Übernahme des ehemaligen Gasthaus Koll bewiesen. Als das legendäre Wirtshaus nach durchwachsenen Wiederbelebungsversuchen Ende 2014 zum Verkauf steht, fühlt sich Glöckel aufgrund persönlicher Erinnerungen einmal mehr magisch angezogen. „Ich hab beim Koll ja, wie zahlreiche St. Pöltner meiner Generation, quasi meine Jugendzeit verbracht.“ Als er eines Tages mit Coworking-Space-Betreiber Matthias Nolz und Felix Teiretzbacher im Büro zusammensitzt und gerade über den Koll plaudert, schneit Maler Florian Nährer mit den Worten „So Burschen, und was mach ja jetzt mit dem Koll?“ herein. „Spätestens da wusste ich, dass ich es machen muss! Es wäre auch wirklich schade um das Lokal gewesen, mit all seinem Charme, seiner Geschichte – soetwas kannst du ja nicht erfinden oder irgendwo auf die grüne Wiese stellen.“
Zugleich weiß Glöckel, dass die Übernahme kein Spaziergang wird „weil ja alle eine Vorstellung hatten, was der Koll ist oder zu sein hat. Die Herausforderung war also zum einen den Geist zu bewahren, den Koll-Jüngern also nicht alles umzudrehen, zum anderen aber sehr wohl etwas Neues und Eigenes zu schaffen.“ Als Namen switched man auf jenen des ersten Wirten anno dazumal zurück, „Vinzenz Pauli“. Das Ambiente wird, bei Beibehaltung der legendären Holzvertäfelung und Schank, „aufgehellt“ und saniert, der Gastgarten samt genialer Terrasse revitalisiert. V. a. setzt Glöckel aber voll auf die Küche. „Ich wollte einfach ein gutes Speiselokal schaffen, mit vielfältiger Küche, die auf beste Zutaten setzt aber ohne Schnickschnack auskommt.“ Eine umfangreiche Weinkarte mit rund 200 edlen Tropfen komplettiert das Angebot, während Glöckel auf die legendäre Koll-Schnitzelsemmel, eine Art fleischgewordenes Glaubensbekenntnis der Koll-Jünger, bewusst verzichtet „weil die in der Erinnerung der Kollgänger sowieso derart großartig und glorifiziert war – durchaus zurecht – dass ich da nur hätte scheitern können.“ Stattdessen setzt Glöckel neben Klassikern der österreichischen Wirtshausküche v. a. auf Abwechslung – die Karte wird regelmäßig geändert. „Der Küchenchef soll sich austoben können, wobei wir immer auch ein Augenmerk auf ausgefallene vegetarische Speisen legen!“ Alles, wenn man es so formulieren möchte, mit Herkunftsnachweis, denn Glöckel sind regionale und, wo möglich, Bioprodukte ein ehrliches Anliegen „ganz einfach weil ich wissen möchte, wo etwa ein Tier herkommt, wie es aufwächst, wie es geschlachtet wird.“ Ein Anspruch, den er im Übrigen auch privat lebt. So holt er sich nicht nur frische Kräuter aus dem Garten seines Hauses im lauschigen Pielachtal „weil frischer Schnittlauch auf ein Brot vom Gutding – besser geht’s ja gar nicht“, sondern hält auch 20 Hühner, die ihm nicht nur frische Eier schenken, sondern die er auch selbst schlachtet. Der Kreislauf wird sozusagen nicht durchbrochen – alles kommt aus einer Hand. Ein Prinzip, das der Gastronom auch in seinen Betrieben noch stärker implementieren möchte. Dies betrifft nicht nur bereits erwähnte hauseigene Patisserie, sondern es kommt mitunter auch vor, „dass wir etwa ein halbes Schwein ins Vinzenz Pauli geliefert bekommen, das wir dann selbst zerlegen und verarbeiten. Diese Woche machen wir zum Beispiel Würste und Speck aus einem Freiland-Schwein vom Biobauern aus Ruprechtshofen“, verrät Glöckel.
Dass Glöckel freilich nicht nur Kaffeehaus kann, sondern sozusagen auch Wirtshaus, hat er mit der Übernahme des ehemaligen Gasthaus Koll bewiesen. Als das legendäre Wirtshaus nach durchwachsenen Wiederbelebungsversuchen Ende 2014 zum Verkauf steht, fühlt sich Glöckel aufgrund persönlicher Erinnerungen einmal mehr magisch angezogen. „Ich hab beim Koll ja, wie zahlreiche St. Pöltner meiner Generation, quasi meine Jugendzeit verbracht.“ Als er eines Tages mit Coworking-Space-Betreiber Matthias Nolz und Felix Teiretzbacher im Büro zusammensitzt und gerade über den Koll plaudert, schneit Maler Florian Nährer mit den Worten „So Burschen, und was mach ja jetzt mit dem Koll?“ herein. „Spätestens da wusste ich, dass ich es machen muss! Es wäre auch wirklich schade um das Lokal gewesen, mit all seinem Charme, seiner Geschichte – soetwas kannst du ja nicht erfinden oder irgendwo auf die grüne Wiese stellen.“
Zugleich weiß Glöckel, dass die Übernahme kein Spaziergang wird „weil ja alle eine Vorstellung hatten, was der Koll ist oder zu sein hat. Die Herausforderung war also zum einen den Geist zu bewahren, den Koll-Jüngern also nicht alles umzudrehen, zum anderen aber sehr wohl etwas Neues und Eigenes zu schaffen.“ Als Namen switched man auf jenen des ersten Wirten anno dazumal zurück, „Vinzenz Pauli“. Das Ambiente wird, bei Beibehaltung der legendären Holzvertäfelung und Schank, „aufgehellt“ und saniert, der Gastgarten samt genialer Terrasse revitalisiert. V. a. setzt Glöckel aber voll auf die Küche. „Ich wollte einfach ein gutes Speiselokal schaffen, mit vielfältiger Küche, die auf beste Zutaten setzt aber ohne Schnickschnack auskommt.“ Eine umfangreiche Weinkarte mit rund 200 edlen Tropfen komplettiert das Angebot, während Glöckel auf die legendäre Koll-Schnitzelsemmel, eine Art fleischgewordenes Glaubensbekenntnis der Koll-Jünger, bewusst verzichtet „weil die in der Erinnerung der Kollgänger sowieso derart großartig und glorifiziert war – durchaus zurecht – dass ich da nur hätte scheitern können.“ Stattdessen setzt Glöckel neben Klassikern der österreichischen Wirtshausküche v. a. auf Abwechslung – die Karte wird regelmäßig geändert. „Der Küchenchef soll sich austoben können, wobei wir immer auch ein Augenmerk auf ausgefallene vegetarische Speisen legen!“ Alles, wenn man es so formulieren möchte, mit Herkunftsnachweis, denn Glöckel sind regionale und, wo möglich, Bioprodukte ein ehrliches Anliegen „ganz einfach weil ich wissen möchte, wo etwa ein Tier herkommt, wie es aufwächst, wie es geschlachtet wird.“ Ein Anspruch, den er im Übrigen auch privat lebt. So holt er sich nicht nur frische Kräuter aus dem Garten seines Hauses im lauschigen Pielachtal „weil frischer Schnittlauch auf ein Brot vom Gutding – besser geht’s ja gar nicht“, sondern hält auch 20 Hühner, die ihm nicht nur frische Eier schenken, sondern die er auch selbst schlachtet. Der Kreislauf wird sozusagen nicht durchbrochen – alles kommt aus einer Hand. Ein Prinzip, das der Gastronom auch in seinen Betrieben noch stärker implementieren möchte. Dies betrifft nicht nur bereits erwähnte hauseigene Patisserie, sondern es kommt mitunter auch vor, „dass wir etwa ein halbes Schwein ins Vinzenz Pauli geliefert bekommen, das wir dann selbst zerlegen und verarbeiten. Diese Woche machen wir zum Beispiel Würste und Speck aus einem Freiland-Schwein vom Biobauern aus Ruprechtshofen“, verrät Glöckel.
Die Sache mit der Urbanität
Auch hier gibt der Erfolg dem Wirten recht, „auch wenn es anfangs ein hartes Stück Arbeit war.“ Eines, das sich aber – nicht zuletzt auch für die gastronomische Vielfalt der Stadt insgesamt – gelohnt hat. Viele Gäste kommen mittlerweile nämlich nicht nur mehr aus der Stadt selbst, sondern zusehends auch von auswärts, was beileibe nicht immer der Fall war. Lange Zeit galt St. Pölten als blinder Fleck auf der Gourmet-Landkarte. Betrieben wie jenen Glöckels ist es zu danken, dass auch hier der Turnaround geschafft wurde, wenngleich der Wirt durchaus noch Luft nach oben ortet: „St. Pölten ist noch in der positiven Situation, dass mehr Angebot auch mehr Nachfrage nach sich zieht. Das heißt neue Betriebe sind nicht nur Konkurrenz, sondern beleben die Szene zusätzlich!“ Dass er selbst mit seinen Kaffeehäusern und dem Vinzenz Pauli zu dieser Belebung, damit auch zu einem Stück mehr Urbanität nachhaltig beigetragen hat „ist eher so passiert“, wie er bescheiden einräumt, „es ist aber schön, dass es so ist. Tatsächlich ist man ja immer beides: Man wird von anderen inspiriert, und beeinflusst mit seinem Handeln selbst wieder andere.“ Für St. Pölten insgesamt ist diese Dynamik jedenfalls Goldes wert, wobei Glöckel überzeugt ist „dass wir erst am Anfang dieser Entwicklung stehen. St. Pölten hat sich in den letzten Jahren als spannende Kleinstadt positioniert, ist urbaner und selbstbewusster geworden.“ Ein Indiz dafür ortet er etwa in der Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt 2024 „weil damit zum Ausdruck kommt, dass wir uns das schlicht zutrauen. In meiner Jugendzeit wäre dieser Gedanke noch völlig absurd gewesen.“
Ebenso für ihn damals wohl jener, dass er dereinst St. Pöltens höchst ausgezeichneter Cafetier sein wird und seinem „Koll“ ein Weiterleben als Vinzenz Pauli ermöglicht. Vor allem hat Glöckel damit aber St. Pölten einige seiner schönsten öffentlichen Wohnzimmer beschert, weshalb wir durchaus Gusto auf noch mehr Glöckel-Häuser hätten. Da lacht der Gastronom und schüttelt abwehrend den Kopf, um dann doch irgendwie einen kleinen Hoffnungsschimmer glimmen zu lassen. „Formulieren wir es so: Ich hoffe, es kommt nicht wieder etwas, wo ich nicht nein sagen kann!“ Da müssen wir leider vehement widersprechen: Wir hoffen das sehr!
Auch hier gibt der Erfolg dem Wirten recht, „auch wenn es anfangs ein hartes Stück Arbeit war.“ Eines, das sich aber – nicht zuletzt auch für die gastronomische Vielfalt der Stadt insgesamt – gelohnt hat. Viele Gäste kommen mittlerweile nämlich nicht nur mehr aus der Stadt selbst, sondern zusehends auch von auswärts, was beileibe nicht immer der Fall war. Lange Zeit galt St. Pölten als blinder Fleck auf der Gourmet-Landkarte. Betrieben wie jenen Glöckels ist es zu danken, dass auch hier der Turnaround geschafft wurde, wenngleich der Wirt durchaus noch Luft nach oben ortet: „St. Pölten ist noch in der positiven Situation, dass mehr Angebot auch mehr Nachfrage nach sich zieht. Das heißt neue Betriebe sind nicht nur Konkurrenz, sondern beleben die Szene zusätzlich!“ Dass er selbst mit seinen Kaffeehäusern und dem Vinzenz Pauli zu dieser Belebung, damit auch zu einem Stück mehr Urbanität nachhaltig beigetragen hat „ist eher so passiert“, wie er bescheiden einräumt, „es ist aber schön, dass es so ist. Tatsächlich ist man ja immer beides: Man wird von anderen inspiriert, und beeinflusst mit seinem Handeln selbst wieder andere.“ Für St. Pölten insgesamt ist diese Dynamik jedenfalls Goldes wert, wobei Glöckel überzeugt ist „dass wir erst am Anfang dieser Entwicklung stehen. St. Pölten hat sich in den letzten Jahren als spannende Kleinstadt positioniert, ist urbaner und selbstbewusster geworden.“ Ein Indiz dafür ortet er etwa in der Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt 2024 „weil damit zum Ausdruck kommt, dass wir uns das schlicht zutrauen. In meiner Jugendzeit wäre dieser Gedanke noch völlig absurd gewesen.“
Ebenso für ihn damals wohl jener, dass er dereinst St. Pöltens höchst ausgezeichneter Cafetier sein wird und seinem „Koll“ ein Weiterleben als Vinzenz Pauli ermöglicht. Vor allem hat Glöckel damit aber St. Pölten einige seiner schönsten öffentlichen Wohnzimmer beschert, weshalb wir durchaus Gusto auf noch mehr Glöckel-Häuser hätten. Da lacht der Gastronom und schüttelt abwehrend den Kopf, um dann doch irgendwie einen kleinen Hoffnungsschimmer glimmen zu lassen. „Formulieren wir es so: Ich hoffe, es kommt nicht wieder etwas, wo ich nicht nein sagen kann!“ Da müssen wir leider vehement widersprechen: Wir hoffen das sehr!