Chicken
Text
Althea Müller
Ausgabe
Ich bin ein Wrack. Ein junges zwar, aber trotzdem ein Wrack: In der Früh beginnt’s mit Totenblässe, Schädelweh und Fluchtgedanken, mittags drückt der Magen und abends kämpfe ich mit Frustschüben, die mir gar das Augenlicht trüben. Ich wundere mich über plötzlich auftretende Allergieschübe, die mich – leider, leider – monatelang ans Sofa fesseln, genauso wie darüber, dass ich schon nach wenigen Minuten Waldlauf Gelenksschmerzen bekomme. Was mich wiederum – leider, leider – dazu zwingt, Sport selbst in kleinsten Dosen aus dem Tagesplan zu streichen. Noch bedrückender als das ist jedoch das Ohrensausen, das ich regelmäßig beim Autofahren kriege. Oder das fiebrige Frösteln jeden vierten Abend, wenn ich mal ein Fenster zu lang offen halte. Verdammte Luft der Außenwelt. And last but not least: Dieser Stress! Ich tue es nicht gerne, aber was bleibt mir denn schon anderes übrig, als nach dem obligatorischen Morgenkaffee einen Satz Beruhigungskapseln einzuwerfen? Nein. Ich mach das sicher nicht aus Spaß – die Welt macht mich hin! Zum Glück aber finde ich laufend immer beeindruckendere Hilfskrücken. Preiswert. Legal. Die Apothekerin steht mittlerweile ganz oben auf meiner illusorischen Weihnachtskartenliste. Und für den Hausarzt habe ich eine Stempelkarte, mit der ich nach jedem 10. Besuch ein wahlweise sedierendes oder aufputschendes Produkt günstiger bekomme. Brauch ich alles. Dringend. Vielleicht hilft es außerdem, sich im Bett zu verschanzen. Vorhänge runter, Tabs auf den Nachttisch. Eh nur ein paar Tage. Bis es mir halt besser geht. Ich mich wieder gut fühle. Ansonsten bleibt mir immer noch eine Operation. Irgendeine.
Jagged little pill.
Jagged little pill.