MFG - Ausrutscher des Herrn Rat
Ausrutscher des Herrn Rat


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St. Pöltens gute Seite

Ausrutscher des Herrn Rat

Text Michael Müllner
Ausgabe 11/2014

In der STP-SWAP-Causa wollte St. Pölten einen Richterwechsel, doch das Handelsgericht Wien sah die Objektivität von Richter Martin Ogris gegeben. Nun wird berufen. Die Argumentation des Ablehnungssenates im Detail.

Sankt Pöltens Anwalt Lukas Aigner kritisierte Richter Martin Ogris bei der letzten Verhandlung am 6. Mai 2014 scharf: Der Richter habe sich parteiisch verhalten, Beweise vorzeitig gewürdigt und unter anderem in Richtung der klagenden Partei von „Irren“ gesprochen, die „herumfuhrwerken“. Aigner stellte einen Ablehnungsantrag, welcher vom zuständigen Richtersenat am Handelsgericht Wien am 12. November 2014 abgelehnt wurde. Da die Stadt gegen diese Entscheidung Rekurs beim Oberlandesgericht Wien (OLG) erhebt, ist die Entscheidung noch nicht rechtskräftig. Bis die letzte Instanz entscheidet, steht das Verfahren weiter still.

Doch wie beurteilte der Senat die Äußerungen des Richters und warum blitzte die Stadt in dieser Instanz mit ihrer Forderung nach einem Richterwechsel ab? Ein Blick in die Begründung des Ablehnungssenates hilft dabei weiter.

So bestritt Richter Martin Ogris nicht, die von Aigner kritisierten Äußerungen getätigt zu haben. Er habe nach einer längeren „Diskussion“ mit den umstrittenen Äußerungen „Vergleichsgespräche“ zwischen den Streitparteien anstoßen wollen. Es sei ihm bewusst, dass seine Wortwahl unangebracht war, weshalb er sich auch sogleich bei beiden Parteien entschuldigt habe. Als er sich auf eine Zeugenaussage des früheren Finanzdirektors der Stadt, Ernst Knoth, bezogen hatte, habe er diesen nur zitiert, damit aber noch nicht die eigentliche Glaubwürdigkeit dieses Zeugen gewürdigt. Generell erachtete sich Ogris dem Senat gegenüber als nicht befangen im gegenständlichen Verfahren.

Auch für die beklagte Partei, die Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien, stand die Objektivität des Richters nicht in Frage. Sie sah in der umstrittenen Äußerung des Richters eine pointierte Kritik des Gerichts, da die Streitparteien den richtigen Zeitpunkt einer vergleichsweisen Bereinigung verpasst hätten, die Kritik habe sich jedoch gleichermaßen an beide Parteien gerichtet.

Der Ablehnungssenat bestand aus drei Richtern, die allesamt am bisherigen Verfahren nicht teilgenommen hatten. Sie mussten sich also anhand der Anträge der Parteien und der Stellungnahme des Richters ein Urteil bilden. Am Handelsgericht Wien sind rund 50 Richter tätig, im letzten Jahr wurden rund 3000 Klagen behandelt. Ablehnungsanträge sind selten, kommen nur bei jedem hundertsten Fall vor. Die Größe des Hauses und der Berufsethos der Richter tragen zu einer objektiven Entscheidung der Ablehnungssenate bei. Auch die Tatsache, dass im Instanzenzug nun jene drei Richter des Ablehnungssenates ihre Entscheidung von einer Oberinstanz prüfen lassen müssen, führe zu objektiven Entscheidungen ohne persönlicher Motive, betont man am Handelsgericht Wien.

Bei einem Ablehnungsantrag sei auch nicht über die richtige oder unrichtige Rechtsauffassung eines Richters zu entscheiden – dafür gibt es die Rechtsmittelinstanzen, die Entscheidungen und Urteile der Richter prüfen. Als Befangenheitsgründe seien in erster Linie private, persönliche Beziehungen des Richters zu einer Prozesspartei zu sehen. Wenn ein Richter jedoch in freier Rede, auch mit Eifer und Leidenschaft, Kritik übt, so dürfen ihm dabei auch „Ausrutscher“ unterlaufen, auch ohne dass dadurch seine Objektivität in Frage zu Stellen sei.

Im konkreten Fall sei auch für einen unbeteiligten Dritten, der sich in die Lage der Klägerin versetzt, die Äußerung von Ogris nicht so zu verstehen gewesen, dass sie sich alleine gegen die Klägerin oder ihre Repräsentanten richtete. Die Äußerung sei zwar unsachlich gewesen, eine Befangenheit könne darin aber nicht erblickt werden.

In seiner Zeugenaussage vom 27. November 2012 hatte St. Pöltens ehemaliger Finanzdirektor Ernst Knoth ausgesagt: „Ich habe natürlich gewusst, dass ich zu jedem der angeführten Zahlungstermine diese Formel anwenden muss und daher theoretisch auch bei jeder dieser Termine ‚drauf zahlen’ könnte.“ Mit der Wiedergabe dieses Zitates und der Anregung von Vergleichsgesprächen habe der Richter jedoch keine Beweiswürdigung vorgenommen – wie Lukas Aigner jedoch aus Sicht der klagenden Partei kritisiert hatte.

Grundsätzlich wird auch festgehalten, dass bei der Prüfung der Unbefangenheit eines Richters im Interesse des Ansehens der Justiz ein strenger Maßstab anzulegen sei. Zugleich sollen Parteien aber nicht die Möglichkeit erhalten, sich eines nicht genehmen Richters per Ablehnungsantrag zu entledigen.

Bis 28. November 2014 hat die Stadt St. Pölten nun Zeit sich an das Handelsgericht Wien zu wenden und gegen den Beschluss des Ablehnungssenates Rekurs beim Oberlandesgericht Wien zu beantragen. Mit einer endgültigen Entscheidung ist dann binnen Wochen zu rechnen, zumal verhindert werden soll, dass laufende Verfahren durch Berufungen unnötig verschleppt werden können.

Der Rechtsanwalt der Stadt sieht laut einer Aussendung des Magistrats „gute Chancen, dass dem Ablehnungsantrag in der zweiten Instanz stattgegeben wird. Er ist nach wie vor der Meinung, dass der Richter einseitig gegen die Stadt. Pölten agiert hat.“ Lukas Aigner hielt dazu in der letzten Printausgabe von MFG fest: „Der Senat des Handelsgerichts Wien gesteht zu, dass die Aussagen überzogen und nicht angemessen waren. Letztlich handelt es sich also um eine Wertungsfrage und ob sich daraus der Eindruck einer Befangenheit ableiten lässt. Es liegt sehr viel Verantwortung in den Händen eines Richters, sodass bereits der Anschein, dass andere als rein sachliche Gründe die Entscheidung leiten könnten, als Ablehnungsgrund ausreicht.“

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Wie berichtet stellte Lukas Aigner, der Rechtsvertreter der Stadt St. Pölten, am 6. Mai 2014 bei der letzten öffentlichen Verhandlung einen Ablehnungsantrag. Richter Ogris sei für das Verfahren nicht mehr tragbar, er führe es nicht objektiv und würdige Beweise vorzeitig. Schwerwiegende Vorwürfe, die nun am 12. November 2014 vom zuständigen Ablehnungssenat am Handelsgericht Wien verworfen wurden.
„Wir kommentieren inhaltlich nicht, wieso der Senat den Antrag der klagenden Partei  ...


Foto Michael Müllner

Über den Rechtsstreit zwischen St. Pölten und der Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien (kurz: RLB) haben wir schon oft und intensiv berichtet. Es geht um rund 80 Millionen Euro Schaden – zu zahlen von Stadtbürgern und/oder der RLB. Da kann man schon mal drum streiten.

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