Kindergarten. Was Hänschen nicht lernt...
Text
Marion Pfeffer
Ausgabe
Der Kindergarten ist die erste Stufe des österreichischen Bildungssystems. Hier wird das Fundament für die Entwicklung der Kinder gelegt. Doch wie brauchbar ist dieses Fundament?
Das österreichische Bildungssystem wird seit jeher kontrovers diskutiert. Gerade für ein rohstoffarmes Land wie Österreich sei Bildung das höchste Gut, hört man seitens der Politik. Vielerorts werden jedoch nur ideologische Grabenkämpfe gefochten, große Veränderungen scheitern oft an der mangelnden Reformbereitschaft oder bleiben halbgare Kompromisse. Der Kindergarten stellt dabei die erste Stufe des Bildungssystems dar. War in früheren Zeiten der Kindergarten (auch) schlicht eine Notlösung, um Kinder vormittags abzugeben, ist die Wichtigkeit dieser ersten Bildungseinrichtungen heutzutage bekannt. Zahlreiche Studien zeigen den Nutzen für das Kind deutlich auf. Dennoch ist gewiss nicht alles perfekt, es gibt überall Verbesserungspotential. Kernthemen der Diskussion um Kindergärten sind etwa Ausbildung und Bezahlung der Kindergartenpädagogen, die Herabsetzung des frühestmöglichen Eintrittsalters in den Kindergarten oder Probleme beim Übertritt zur Volksschule. Einerseits merkt man im Gespräch mit Beteiligten die Begeisterung, andererseits ist da und dort auch eine gewisse Angst um den Job mit dabei. Angst, etwas Falsches, etwas Unerwünschtes zu sagen. Man merkt, dass es sich um ein emotionales und polarisierendes Thema handelt.
Status quo
Der Besuch eines Kindergartens ist in Niederösterreich wie in den meisten Bundesländern (außer Burgenland) von Montag bis Freitag von 7:00 bis 13:00 Uhr kostenlos. Allein in St. Pölten versehen im angelaufenen Kindergartenjahr 101 Pädagogen (inkl. Sonderkindergartenpädagogen und interkultureller Mitarbeiter) und 82 Kinderbetreuer (inkl. Stützkräfte) ihren Dienst in NÖ Landeskindergärten, um die 1.479 Kinder in den 77 Kindergartengruppen im Stadtgebiet zu betreuen. Dabei sind sogar Kapazitäten frei, 1.629 Plätze gäbe es derzeit, erklärt Andreas Schmidt, Leiter des Schulamtes. Davon sind insgesamt 229 für unter 3-Jährige vorgesehen. Nachdem das NÖ Kindergartengesetz 2006 neu herausgegeben und seither zweimal (zuletzt 2009) novelliert wurde, beläuft sich nun die frühestmögliche Aufnahme auf das vollendete 2,5te Lebensjahr, weshalb auch die Stadt St. Pölten unter finanzieller Mithilfe des Landes NÖ eine Kindergartenoffensive gestartet hat, um dem neuen Platzbedarf gerecht zu werden. In der Amtszeit von Bürgermeister Matthias Stadler wurden daher bisher 14 Kindergärten ausgebaut und die Gruppenanzahl um 22 auf derzeit 77 aufgestockt. In der Stadt gibt es zudem sieben Integrationsgruppen, deren Standort je nach Bedarf flexibel ist. Weiters gibt es vier heilpädagogisch-integrative Kindergartengruppen im Stadtgebiet. Neben den Landeskindergärten existieren auch Privatkindergärten, sie spielen in Niederösterreich allerdings ob des kostenfreien Besuches des öffentlichen Äquivalents eine kleinere Rolle als in anderen Bundesländern. In St. Pölten gibt es etwa einen Evangelischen Kindergarten, die Kindergruppe Luna Loo, die Spielwerkstatt oder die Biku Villa.
Der Besuch eines Kindergartens ist in Niederösterreich wie in den meisten Bundesländern (außer Burgenland) von Montag bis Freitag von 7:00 bis 13:00 Uhr kostenlos. Allein in St. Pölten versehen im angelaufenen Kindergartenjahr 101 Pädagogen (inkl. Sonderkindergartenpädagogen und interkultureller Mitarbeiter) und 82 Kinderbetreuer (inkl. Stützkräfte) ihren Dienst in NÖ Landeskindergärten, um die 1.479 Kinder in den 77 Kindergartengruppen im Stadtgebiet zu betreuen. Dabei sind sogar Kapazitäten frei, 1.629 Plätze gäbe es derzeit, erklärt Andreas Schmidt, Leiter des Schulamtes. Davon sind insgesamt 229 für unter 3-Jährige vorgesehen. Nachdem das NÖ Kindergartengesetz 2006 neu herausgegeben und seither zweimal (zuletzt 2009) novelliert wurde, beläuft sich nun die frühestmögliche Aufnahme auf das vollendete 2,5te Lebensjahr, weshalb auch die Stadt St. Pölten unter finanzieller Mithilfe des Landes NÖ eine Kindergartenoffensive gestartet hat, um dem neuen Platzbedarf gerecht zu werden. In der Amtszeit von Bürgermeister Matthias Stadler wurden daher bisher 14 Kindergärten ausgebaut und die Gruppenanzahl um 22 auf derzeit 77 aufgestockt. In der Stadt gibt es zudem sieben Integrationsgruppen, deren Standort je nach Bedarf flexibel ist. Weiters gibt es vier heilpädagogisch-integrative Kindergartengruppen im Stadtgebiet. Neben den Landeskindergärten existieren auch Privatkindergärten, sie spielen in Niederösterreich allerdings ob des kostenfreien Besuches des öffentlichen Äquivalents eine kleinere Rolle als in anderen Bundesländern. In St. Pölten gibt es etwa einen Evangelischen Kindergarten, die Kindergruppe Luna Loo, die Spielwerkstatt oder die Biku Villa.
Beruf und Berufung
Claudia Wagner-Kresta, Leiterin des NÖ Landeskindergartens am Pernerstorferplatz in St. Pölten, skizziert die Anforderungen im Kindergartenalltag: „Die Liebe zu den Kindern und zum Beruf ist das Wichtigste. Jeder Tag ist anders, der Beruf ist sehr abwechslungsreich, aber auch sehr erfüllend.“ Die Herabsetzung des frühestmöglichen Eintrittsalter stelle ein tolles Angebot dar: „Dies ist eine große Unterstützung für das Elternhaus, gerade wenn man berufstätig ist. Die Eltern nützen das Angebot gerne. Es freut uns, dass Eltern uns vertrauen und ihre Kinder liebevoll betreut wissen.“ Etwa 7.300 2,5-jährige Kinder besuchten im vergangenen Schuljahr einen niederösterreichischen Kindergarten, allein am Pernerstorferplatz sind zwei Gruppen ausschließlich für die Kleinsten reserviert. Dadurch änderten sich auch die Anforderungen an das Personal, wie Wagner-Kresta weiter ausführt: „Die Kleingruppenarbeit gewinnt an Bedeutung. Das Erfahren, das Spüren, der Kontakt untereinander und zueinander ist bei kleineren Kindern noch wichtiger.“ Die Kleinen würden dabei von den Großen, die Großen aber auch umgekehrt von den Kleinen lernen: „Der soziale Aspekt steht hier im Vordergrund.“ Zusätzlich existiert an diesem Standort eine heilpädagogisch-integrative Kindergartengruppe, wo altersgemäß entwickelte und Kinder mit besonderen Bedürfnissen gemeinsam betreut werden, wobei hier zusätzlich ein Sonderkindergartenpädagoge zum Einsatz kommt. Die starre Gruppeneinteilung wird bei offenen Angeboten aufgebrochen: Beim großflächigen Malen oder in der Bewegungslandschaft können sich die Kinder individuell nach ihren eigenen Bedürfnissen austoben. Hier spielt das Miteinander der Kinder eine große Rolle, aber auch ein eingespieltes Betreuerteam ist notwendig.
Claudia Wagner-Kresta, Leiterin des NÖ Landeskindergartens am Pernerstorferplatz in St. Pölten, skizziert die Anforderungen im Kindergartenalltag: „Die Liebe zu den Kindern und zum Beruf ist das Wichtigste. Jeder Tag ist anders, der Beruf ist sehr abwechslungsreich, aber auch sehr erfüllend.“ Die Herabsetzung des frühestmöglichen Eintrittsalter stelle ein tolles Angebot dar: „Dies ist eine große Unterstützung für das Elternhaus, gerade wenn man berufstätig ist. Die Eltern nützen das Angebot gerne. Es freut uns, dass Eltern uns vertrauen und ihre Kinder liebevoll betreut wissen.“ Etwa 7.300 2,5-jährige Kinder besuchten im vergangenen Schuljahr einen niederösterreichischen Kindergarten, allein am Pernerstorferplatz sind zwei Gruppen ausschließlich für die Kleinsten reserviert. Dadurch änderten sich auch die Anforderungen an das Personal, wie Wagner-Kresta weiter ausführt: „Die Kleingruppenarbeit gewinnt an Bedeutung. Das Erfahren, das Spüren, der Kontakt untereinander und zueinander ist bei kleineren Kindern noch wichtiger.“ Die Kleinen würden dabei von den Großen, die Großen aber auch umgekehrt von den Kleinen lernen: „Der soziale Aspekt steht hier im Vordergrund.“ Zusätzlich existiert an diesem Standort eine heilpädagogisch-integrative Kindergartengruppe, wo altersgemäß entwickelte und Kinder mit besonderen Bedürfnissen gemeinsam betreut werden, wobei hier zusätzlich ein Sonderkindergartenpädagoge zum Einsatz kommt. Die starre Gruppeneinteilung wird bei offenen Angeboten aufgebrochen: Beim großflächigen Malen oder in der Bewegungslandschaft können sich die Kinder individuell nach ihren eigenen Bedürfnissen austoben. Hier spielt das Miteinander der Kinder eine große Rolle, aber auch ein eingespieltes Betreuerteam ist notwendig.
Kulturelle Vielfalt
Im NÖ Landeskindergarten Heinrich-Schneidmadl-Straße ist Integration wieder aus einem anderen Blickwinkel ein großes Thema: Den Kindergarten besuchen Kinder aus zwölf verschiedenen Nationen, 80 Prozent haben eine andere Erstsprache als Deutsch. Leiterin Brigitte Hutterer kennt die besonderen Herausforderungen, die dadurch entstehen: „Unterrichtssprache ist Deutsch. Jede Sprache hat aber den gleichen Stellenwert. Die Kinder sollen verstehen, dass es schön ist, unterschiedliche Sprachen hier zu haben.“ Nicht nur sprachlich, auch kulturell sind die Kinder verschieden. „Die Kinder müssen sich angenommen fühlen trotz der Unterschiedlichkeit. Wichtig ist dafür Wertschätzung für jedes einzelne Kind.“ Partizipation sei entscheidend, die Kinder müssten mit einbezogen werden. „Wenn sich die Kinder emotional gut und sicher fühlen, entwickeln sie Vertrauen. Das kann erstaunliche Lernprozesse in Gang setzen“, schildert sie weiter. „Die Kinder müssen denken: ‚Ich bin wichtig, ich bin wertvoll.‘ Dann wird auch das Selbstwertgefühl gestärkt.“ Auch die Elternarbeit sei in diesem Zusammenhang ganz entscheidend: „Die Eltern sollen wissen, was wir machen.“ Es sei ein breites Lernfeld, aber Kinder machen große Lernfortschritte, wenn sie sich wohl fühlen.
Im NÖ Landeskindergarten Heinrich-Schneidmadl-Straße ist Integration wieder aus einem anderen Blickwinkel ein großes Thema: Den Kindergarten besuchen Kinder aus zwölf verschiedenen Nationen, 80 Prozent haben eine andere Erstsprache als Deutsch. Leiterin Brigitte Hutterer kennt die besonderen Herausforderungen, die dadurch entstehen: „Unterrichtssprache ist Deutsch. Jede Sprache hat aber den gleichen Stellenwert. Die Kinder sollen verstehen, dass es schön ist, unterschiedliche Sprachen hier zu haben.“ Nicht nur sprachlich, auch kulturell sind die Kinder verschieden. „Die Kinder müssen sich angenommen fühlen trotz der Unterschiedlichkeit. Wichtig ist dafür Wertschätzung für jedes einzelne Kind.“ Partizipation sei entscheidend, die Kinder müssten mit einbezogen werden. „Wenn sich die Kinder emotional gut und sicher fühlen, entwickeln sie Vertrauen. Das kann erstaunliche Lernprozesse in Gang setzen“, schildert sie weiter. „Die Kinder müssen denken: ‚Ich bin wichtig, ich bin wertvoll.‘ Dann wird auch das Selbstwertgefühl gestärkt.“ Auch die Elternarbeit sei in diesem Zusammenhang ganz entscheidend: „Die Eltern sollen wissen, was wir machen.“ Es sei ein breites Lernfeld, aber Kinder machen große Lernfortschritte, wenn sie sich wohl fühlen.
Alternative Wege
Im Privatkindergarten „Spielwerkstatt“ gibt es hingegen gar keine Gruppen. Die rund 20 Kinder dürfen sich am Gelände und im Haus gänzlich frei bewegen, und fallen je nach Aufenthaltsort in die Zuständigkeit einer der drei Betreuerinnen. Der in Pottenbrunn situierte Privatkindergarten wird von Eltern getragen und stützt sich auf reformpädagogische Erkenntnisse: Man orientiert sich an der Pädagogik von Montessori, Piaget oder dem Ehepaar Wild. „Die Pädagogik geht vom Kind aus. Die Entwicklungsprozesse von Kindern sollen nicht unterbrochen werden“, skizziert Renate Liangos, eine der drei Pädagoginnen, die Grundidee: „Wir wollen emotionale Geborgenheit. Wir nehmen die Kinder so an, wie sie sind.“ Regeln gibt es nur wenige, ebenso keine altersmäßige Trennung. Der Schwerpunkt liegt auf vielfältigen Erfahrungen im sensorischen, motorischen und sozialen Bereich. „Der Kindergarten soll nicht verschult werden. Kinder sollen tun, wozu die Kindheit da ist: Viel ausprobieren und das auf spielerischer Basis.“ Es wird nicht vorgegeben, was die Kinder tun sollen. Kinder sollen einfach ihren Interessen nachgehen. „Es geht vor allem um die Selbsttätigkeit der Kinder. Dem einen Kind macht das mehr Spaß, dem anderen das. Jeder soll so sein dürfen, wie er ist.“ So gäbe es zwar etwa Bastelangebote für die Kinder, diese seien aber nicht verpflichtend. „Wir vertrauen darauf, dass das für jedes Kind stimmig ist“, fährt Liangos fort. In der Spielwerkstatt werden Kinder ab 2,5 Jahren nur in Ausnahmefällen aufgenommen, wenn es zum Beispiel Geschwister sind, die sich leichter tun. „Sonst ist es für kleinere Kinder überfordernd, etwa das große Areal. Es wird aber von Kind zu Kind unterschiedlich gehandhabt“, erklärt Liangos. Marcel Högl ist Vater eines Kindes, das die Spielwerkstatt besucht. „Wir haben ein äußerst kritisches Kind. Im Regelkindergarten hat es nicht gepasst. Wir hatten kein gutes Gefühl“, erklärt er die Beweggründe. „Vielleicht war es einfach nur die falsche Betreuerin im öffentlichen Kindergarten. Aber hier ist auf alle Fälle ein anderer Umgang mit den Kindern.“ Die gesamte Struktur sei offener, es gäbe Schnuppertage, wo die Eltern allein kommen. „Aber auch sonst ist man viel involvierter, weil es eben ein elterngeführter Verein ist. Es gibt viel Elternarbeit, man wächst dadurch zusammen, wird eine richtige Gemeinschaft“, schwärmt er. Er ist sich sicher: „Das ist der ideale Kindergarten für mein Kind.“
Im Privatkindergarten „Spielwerkstatt“ gibt es hingegen gar keine Gruppen. Die rund 20 Kinder dürfen sich am Gelände und im Haus gänzlich frei bewegen, und fallen je nach Aufenthaltsort in die Zuständigkeit einer der drei Betreuerinnen. Der in Pottenbrunn situierte Privatkindergarten wird von Eltern getragen und stützt sich auf reformpädagogische Erkenntnisse: Man orientiert sich an der Pädagogik von Montessori, Piaget oder dem Ehepaar Wild. „Die Pädagogik geht vom Kind aus. Die Entwicklungsprozesse von Kindern sollen nicht unterbrochen werden“, skizziert Renate Liangos, eine der drei Pädagoginnen, die Grundidee: „Wir wollen emotionale Geborgenheit. Wir nehmen die Kinder so an, wie sie sind.“ Regeln gibt es nur wenige, ebenso keine altersmäßige Trennung. Der Schwerpunkt liegt auf vielfältigen Erfahrungen im sensorischen, motorischen und sozialen Bereich. „Der Kindergarten soll nicht verschult werden. Kinder sollen tun, wozu die Kindheit da ist: Viel ausprobieren und das auf spielerischer Basis.“ Es wird nicht vorgegeben, was die Kinder tun sollen. Kinder sollen einfach ihren Interessen nachgehen. „Es geht vor allem um die Selbsttätigkeit der Kinder. Dem einen Kind macht das mehr Spaß, dem anderen das. Jeder soll so sein dürfen, wie er ist.“ So gäbe es zwar etwa Bastelangebote für die Kinder, diese seien aber nicht verpflichtend. „Wir vertrauen darauf, dass das für jedes Kind stimmig ist“, fährt Liangos fort. In der Spielwerkstatt werden Kinder ab 2,5 Jahren nur in Ausnahmefällen aufgenommen, wenn es zum Beispiel Geschwister sind, die sich leichter tun. „Sonst ist es für kleinere Kinder überfordernd, etwa das große Areal. Es wird aber von Kind zu Kind unterschiedlich gehandhabt“, erklärt Liangos. Marcel Högl ist Vater eines Kindes, das die Spielwerkstatt besucht. „Wir haben ein äußerst kritisches Kind. Im Regelkindergarten hat es nicht gepasst. Wir hatten kein gutes Gefühl“, erklärt er die Beweggründe. „Vielleicht war es einfach nur die falsche Betreuerin im öffentlichen Kindergarten. Aber hier ist auf alle Fälle ein anderer Umgang mit den Kindern.“ Die gesamte Struktur sei offener, es gäbe Schnuppertage, wo die Eltern allein kommen. „Aber auch sonst ist man viel involvierter, weil es eben ein elterngeführter Verein ist. Es gibt viel Elternarbeit, man wächst dadurch zusammen, wird eine richtige Gemeinschaft“, schwärmt er. Er ist sich sicher: „Das ist der ideale Kindergarten für mein Kind.“
Eine Frage des Geldes
Auch Liangos ist überzeugt, dass man dem idealen Kindergarten schon „ziemlich nahe“ gekommen ist: „Die Kinder kommen gern und entwickeln sich gut. Sie können eine glückliche Zeit erleben.“ Mehr Betreuer wären ihr Wunsch, Problem sei hier aber das Geld. Das Personal sei nämlich das teuerste. In dieselbe Kerbe schlägt der Universitätsprofessor Stefan Hopmann (siehe Interview, Anm.), der sich kleinere Gruppen und qualifiziertere Fachkräfte wünscht, und dafür mehr Geld und Personal fordert, denn: „Kindergärten sind die Visitenkarte für die soziale Qualität einer Gemeinde und einer Gesellschaft.“ Edmund Lobinger, Direktor der BAKIP/BASOP in St. Pölten, findet hier jedoch klare Worte: „Alles, was Schule betrifft, liegt gemäß Verfassung in der Bundeskompetenz, das Kindergartenwesen dagegen ist rechtlich Sache der Länder. Es gibt daher ein bundeseinheitliches Schul- und Lehrerdienstrecht, aber neun verschiedene Kindergartengesetze, in denen u.a. festgeschrieben ist, wer im Kindergarten arbeitet. Es gibt dementsprechend in Österreich auch unterschiedliche Rechtsträger von Kindergärten: Länder, Gemeinden und diverse kirchliche und private Träger. Das Interesse vor allem der Länder und Gemeinden an höher qualifizierten Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen ist also schlicht aus finanziellen Gründen endenwollend. Sie müssten als Dienstgeber ein tertiär ausgebildetes Personal ja besser bezahlen. Kurz gesagt: Solange wir unsere föderale Verfassung haben, wird sich daran nur schwer etwas ändern.“ Der Psychologe und Universitätsprofessor Holger Brandes sah im Standard-Interview die Entlohnung mit als einen Grund an, weshalb etwa so wenige Männer in die Kinderbetreuung gehen: „Es geht auch ums Geld. Der Erzieherberuf müsste aber finanziell aufgewertet werden, weil die Arbeit mit Kindern ein hochwertiger und wichtiger Beruf ist – das gilt für Frauen und Männer gleichermaßen. Man kann nicht die Pädagogik nach dem Alter der Adressaten entlohnen: Also einem Kindergärtner sehr wenig und einer Universitätsprofessorin sehr viel bezahlen. Das ist eine ganz merkwürdige Logik. Das Wichtigste ist aber vermutlich, dass viele Männer immer noch finden: Kinderbetreuung und Kinderbildung sind Sache der Frauen.“
Auch Liangos ist überzeugt, dass man dem idealen Kindergarten schon „ziemlich nahe“ gekommen ist: „Die Kinder kommen gern und entwickeln sich gut. Sie können eine glückliche Zeit erleben.“ Mehr Betreuer wären ihr Wunsch, Problem sei hier aber das Geld. Das Personal sei nämlich das teuerste. In dieselbe Kerbe schlägt der Universitätsprofessor Stefan Hopmann (siehe Interview, Anm.), der sich kleinere Gruppen und qualifiziertere Fachkräfte wünscht, und dafür mehr Geld und Personal fordert, denn: „Kindergärten sind die Visitenkarte für die soziale Qualität einer Gemeinde und einer Gesellschaft.“ Edmund Lobinger, Direktor der BAKIP/BASOP in St. Pölten, findet hier jedoch klare Worte: „Alles, was Schule betrifft, liegt gemäß Verfassung in der Bundeskompetenz, das Kindergartenwesen dagegen ist rechtlich Sache der Länder. Es gibt daher ein bundeseinheitliches Schul- und Lehrerdienstrecht, aber neun verschiedene Kindergartengesetze, in denen u.a. festgeschrieben ist, wer im Kindergarten arbeitet. Es gibt dementsprechend in Österreich auch unterschiedliche Rechtsträger von Kindergärten: Länder, Gemeinden und diverse kirchliche und private Träger. Das Interesse vor allem der Länder und Gemeinden an höher qualifizierten Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen ist also schlicht aus finanziellen Gründen endenwollend. Sie müssten als Dienstgeber ein tertiär ausgebildetes Personal ja besser bezahlen. Kurz gesagt: Solange wir unsere föderale Verfassung haben, wird sich daran nur schwer etwas ändern.“ Der Psychologe und Universitätsprofessor Holger Brandes sah im Standard-Interview die Entlohnung mit als einen Grund an, weshalb etwa so wenige Männer in die Kinderbetreuung gehen: „Es geht auch ums Geld. Der Erzieherberuf müsste aber finanziell aufgewertet werden, weil die Arbeit mit Kindern ein hochwertiger und wichtiger Beruf ist – das gilt für Frauen und Männer gleichermaßen. Man kann nicht die Pädagogik nach dem Alter der Adressaten entlohnen: Also einem Kindergärtner sehr wenig und einer Universitätsprofessorin sehr viel bezahlen. Das ist eine ganz merkwürdige Logik. Das Wichtigste ist aber vermutlich, dass viele Männer immer noch finden: Kinderbetreuung und Kinderbildung sind Sache der Frauen.“
Fundierte Ausbildung
Die Frage stelle sich aber auch, so BAKIP/BASOP-Direktor Lobinger weiter, ob eine tertiäre Ausbildung (also an Pädagogischen Hochschulen und/oder Universitäten) überhaupt sinnvoll, notwendig, wünschenswert sei: „Die Meinungen dazu sind durchaus differenziert. Außer Frage steht, dass die Anforderungen an das pädagogische Personal im Kindergarten massiv gewachsen sind. Es herrscht Konsens darüber, dass der Kindergarten keine Bewahranstalt, sondern die erste Bildungseinrichtung ist.“ Der Wert der bestehenden Ausbildung liege in der starken Verknüpfung von Theorie und Praxis. „Im Rahmen einer tertiären Ausbildung müsste unbedingt sichergestellt sein, dass diese Praxisrelevanz nicht einer reinen Verwissenschaftlichung zum Opfer fällt. Kindergartenpädagoginnen und –pädagogen brauchen auch ein hohes Maß an sozialer und emotionaler Kompetenz und Persönlichkeitsbildung. Dies wird an Pädagogischen Hochschulen und Unis erfahrungsgemäß nur sehr bedingt vermittelt.“ Außerdem gebe es bislang kein brauchbares Konzept, was mit den 25 BAKIPs (davon sechs in NÖ) passiere, falls die Ausbildung an die Hochschulen komme. Weiters bräuchten die Pädagogischen Hochschulen (nach interner Expertenmeinung) noch mindestens zehn Jahre, um genügend wissenschaftlich qualifiziertes Personal im Bereich der Elementarpädagogik aufzubauen, um einen Output in der Größenordnung der BAKIPs (jährlich rund 1.200 Absolventen) zu gewährleisten. Tatsächlich befinden alle Pädagogen, mit denen wir sprachen, die derzeitige Form der Ausbildung für gut und sehr fundiert. Alle anderen Pädagogen werden aber mittlerweile an Pädagogischen Hochschulen oder Universitäten ausgebildet.
Die Frage stelle sich aber auch, so BAKIP/BASOP-Direktor Lobinger weiter, ob eine tertiäre Ausbildung (also an Pädagogischen Hochschulen und/oder Universitäten) überhaupt sinnvoll, notwendig, wünschenswert sei: „Die Meinungen dazu sind durchaus differenziert. Außer Frage steht, dass die Anforderungen an das pädagogische Personal im Kindergarten massiv gewachsen sind. Es herrscht Konsens darüber, dass der Kindergarten keine Bewahranstalt, sondern die erste Bildungseinrichtung ist.“ Der Wert der bestehenden Ausbildung liege in der starken Verknüpfung von Theorie und Praxis. „Im Rahmen einer tertiären Ausbildung müsste unbedingt sichergestellt sein, dass diese Praxisrelevanz nicht einer reinen Verwissenschaftlichung zum Opfer fällt. Kindergartenpädagoginnen und –pädagogen brauchen auch ein hohes Maß an sozialer und emotionaler Kompetenz und Persönlichkeitsbildung. Dies wird an Pädagogischen Hochschulen und Unis erfahrungsgemäß nur sehr bedingt vermittelt.“ Außerdem gebe es bislang kein brauchbares Konzept, was mit den 25 BAKIPs (davon sechs in NÖ) passiere, falls die Ausbildung an die Hochschulen komme. Weiters bräuchten die Pädagogischen Hochschulen (nach interner Expertenmeinung) noch mindestens zehn Jahre, um genügend wissenschaftlich qualifiziertes Personal im Bereich der Elementarpädagogik aufzubauen, um einen Output in der Größenordnung der BAKIPs (jährlich rund 1.200 Absolventen) zu gewährleisten. Tatsächlich befinden alle Pädagogen, mit denen wir sprachen, die derzeitige Form der Ausbildung für gut und sehr fundiert. Alle anderen Pädagogen werden aber mittlerweile an Pädagogischen Hochschulen oder Universitäten ausgebildet.
Der schwierige Übergang
Als potentielle Schwachstellen des österreichischen Bildungssystems werden oftmals auch die Übergänge zwischen den Bildungseinrichtungen identifiziert. Um dem entgegenzuwirken, wird nun seitens des Ministeriums für Bildung und Frauen (BMBF) an 35 Standorten eine Volksschulreform ausgerollt. Dabei soll eine engere Kooperation zwischen Kindergarten und Volksschule stattfinden, sie sollen mehr miteinander verschmelzen. Eine Arbeitsgruppe arbeitet derzeit daran, die konkrete Umsetzung zu entwerfen und gesetzliche Barrieren zu identifizieren und abzubauen. Ministerin Heinisch-Hosek wünscht, dass sich Volksschullehrer über Portfolios – auf freiwilliger Basis – bereits ein Bild über die Kinder machen können. Um diesen besagten Übergang zu erleichtern, gibt es seitens des Landes NÖ bereits das Übergangsportfolio und Übergangsgespräche. „Das Übergangsportfolio ist eine Mappe, die in die Schule vom Kind mitgenommen wird. Hier wird die Lerngeschichte dokumentiert. Dies dient auch Volksschullehrern als Hilfe, was die Kinder bereits erlebt oder gelernt haben“, erzählt Wagner-Kresta vom NÖ Landeskindergarten Pernerstorferplatz: „Es gibt aber etwa auch bereits Schuleinschreibungen mit Eltern und Kindergartenpädagoginnen gemeinsam.“ Dies funktioniere alles sehr gut, es gebe laufend Verbesserungen. Der Kindergartensektor ist also merkbar im Wandel, neueste pädagogische Erkenntnisse fließen in die Betreuung ein. Eines bleibt aber bestehen: Eine geringere Bezahlung der Kindergartenpädagogen, die Bereitschaft zur Änderung bleibt wohl ein Lippenbekenntnis. Gruppenhöchstzahlen in NÖ Landeskindergärten Regelgruppe ................................. Höchstzahl 25
bis zu 4 Kinder unter 3 Jahre ........ Höchstzahl 20
5 Kinder unter 3 Jahre .................. Höchstzahl 19
6 – 12 Kinder unter 3 Jahre .......... Höchstzahl 16
13 – 16 Kinder unter 3 Jahre ........ Höchstzahl 16 und zusätzlich eine 2. Kinderbetreuerin
Als potentielle Schwachstellen des österreichischen Bildungssystems werden oftmals auch die Übergänge zwischen den Bildungseinrichtungen identifiziert. Um dem entgegenzuwirken, wird nun seitens des Ministeriums für Bildung und Frauen (BMBF) an 35 Standorten eine Volksschulreform ausgerollt. Dabei soll eine engere Kooperation zwischen Kindergarten und Volksschule stattfinden, sie sollen mehr miteinander verschmelzen. Eine Arbeitsgruppe arbeitet derzeit daran, die konkrete Umsetzung zu entwerfen und gesetzliche Barrieren zu identifizieren und abzubauen. Ministerin Heinisch-Hosek wünscht, dass sich Volksschullehrer über Portfolios – auf freiwilliger Basis – bereits ein Bild über die Kinder machen können. Um diesen besagten Übergang zu erleichtern, gibt es seitens des Landes NÖ bereits das Übergangsportfolio und Übergangsgespräche. „Das Übergangsportfolio ist eine Mappe, die in die Schule vom Kind mitgenommen wird. Hier wird die Lerngeschichte dokumentiert. Dies dient auch Volksschullehrern als Hilfe, was die Kinder bereits erlebt oder gelernt haben“, erzählt Wagner-Kresta vom NÖ Landeskindergarten Pernerstorferplatz: „Es gibt aber etwa auch bereits Schuleinschreibungen mit Eltern und Kindergartenpädagoginnen gemeinsam.“ Dies funktioniere alles sehr gut, es gebe laufend Verbesserungen. Der Kindergartensektor ist also merkbar im Wandel, neueste pädagogische Erkenntnisse fließen in die Betreuung ein. Eines bleibt aber bestehen: Eine geringere Bezahlung der Kindergartenpädagogen, die Bereitschaft zur Änderung bleibt wohl ein Lippenbekenntnis. Gruppenhöchstzahlen in NÖ Landeskindergärten Regelgruppe ................................. Höchstzahl 25
bis zu 4 Kinder unter 3 Jahre ........ Höchstzahl 20
5 Kinder unter 3 Jahre .................. Höchstzahl 19
6 – 12 Kinder unter 3 Jahre .......... Höchstzahl 16
13 – 16 Kinder unter 3 Jahre ........ Höchstzahl 16 und zusätzlich eine 2. Kinderbetreuerin
NÖ Landeskindergärten in St. Pölten (Kindergartenjahr 2014/15)
1.479 Kinder
1.629 Plätze
77 Kindergartengruppen
101 Pädagogen (inkl. Sonderkindergartenpädagogen,
interkulturelle Mitarbeiter)
82 Kindergartenbetreuer (inkl. Stützkräfte) Interview UNIV.-PROF. STEFAN HOPMANN, Institut für Bildungswissenschaft, Universität Wie: "Kinder sind keine Trivialmaschinen" Was sind die dringendsten aktuellen Themen betreffend (Regel-)Kindergarten?Der Umgang mit Vielfalt: Kinder waren und sind sehr unterschiedlich. Sie bedürfen dementsprechend sehr unterschiedlicher Förderungen und Forderungen.
1.629 Plätze
77 Kindergartengruppen
101 Pädagogen (inkl. Sonderkindergartenpädagogen,
interkulturelle Mitarbeiter)
82 Kindergartenbetreuer (inkl. Stützkräfte) Interview UNIV.-PROF. STEFAN HOPMANN, Institut für Bildungswissenschaft, Universität Wie: "Kinder sind keine Trivialmaschinen" Was sind die dringendsten aktuellen Themen betreffend (Regel-)Kindergarten?Der Umgang mit Vielfalt: Kinder waren und sind sehr unterschiedlich. Sie bedürfen dementsprechend sehr unterschiedlicher Förderungen und Forderungen.
Was wäre Ihr Idealtyp eines Bildungssystems für Zwei- bis Sechsjährige? Vermutlich eine Organisation wie in den meisten skandinavischen Ländern: ein breites freiwilliges Angebot vom ersten bis sechsten Lebensjahr mit Gruppengrößen, die den Altersgruppen und dem jeweiligen Förderungsbedarf angepasst sind. Letztendlich kommt es auf die Qualität des jeweils Gebotenen an. Unterfinanzierte Pflichtkindergartenjahre und vollmundige Bildungsprogramme sind nur Augenauswischerei, wenn man nicht für eine nachhaltige Aufwertung der Ausbildung und Arbeitsbedingungen sorgt.
Was ist Ihrer Ansicht nach verbesserungswürdig? Viele Kindergärten leisten ganz sicher ausgezeichnete Arbeit. Dennoch: Während wir im übrigen Bildungssystem im internationalen Vergleich überdurchschnittlich viel Geld ausgeben (und zum Teil auch verschwenden), hinkt Österreich bei der Ausstattung des frühkindlichen Bereichs deutlich hinterher. Wir brauchen kleinere Gruppen mit besser qualifizierten Fachkräften, als heute meist der Fall ist.
Was bedarf es zur Änderung? Mehr Geld, mehr Personal und mehr Engagement. Kindergärten sind die Visitenkarte für die soziale Qualität einer Gemeinde und einer Gesellschaft.
Sind Kindergärten heutzutage noch eine Schnittstelle zur Schule? Ja sicher, eher mehr als sie es früher waren. Das hängt mit den gesteigerten Erwartungen von Eltern und Gesellschaft zusammen: Immer mehr wird von den Kindern immer früher erwartet. Wenn es nach so manchen Forderungen ginge, würde schon im Kindergarten viel mehr schulförmig gelernt. Entwicklungspsychologisch ist das Unsinn: Kinder sind keine Trivialmaschinen, die beliebig gefüllt und beschleunigt werden können. Früher Leistungsdruck produziert häufig Spätschäden in der Lernfähigkeit. Deshalb sollten uns die Erfahrungen anderer Länder warnen: Beispielsweise hat die vor knapp zwei Jahrzehnten durchgesetzte Vorverlegung der Einschulung um ein Jahr in Norwegen nicht nur nichts gebracht, sondern die langfristige Leistungsentwicklung eher noch beschädigt.
Sollten Kindergartenpädagogen eine universitäre Ausbildung genießen? Nicht alle, aber sie sollte für Leitungs- und Fachfunktionen eine Selbstverständlichkeit sein.
Sollten Kindergartenpädagogen gleich viel verdienen wie zum Beispiel Volksschullehrer?
Ja.
Ja.