In Österreich ist träumen schwierig
Text
Marion Pfeffer
Ausgabe
Wir schreiben das Jahr 2001. Für gläubige Christen sind die Straßen Nigerias nicht sicher. Zu erbittert ist der Kampf der Muslime gegen sie, zu groß der Hass – ein Leben in ständiger Todesangst. Die Regierung kann die Christen nicht schützen, und so bleibt oft nur ein Ausweg: Flucht.
Mit 17 Jahren ist man beinahe noch Kind, man weiß noch nicht viel von der Welt. Doch mit 17 trifft der junge Geophysik-Student, John Ozuma, eine Entscheidung, die ihn für seine jungen Jahre Dinge erleben lässt, die prägen. Er verlässt sein Heimatland, seine Familie, alles, was ihm bekannt ist, um sich in eine ungewisse Zukunft in ein fernes, fremdes Land aufzumachen, das ein besseres Leben verspricht. „Ich wusste damals überhaupt nichts. Ich bestieg ein Schiff, das mich nach Europa bringen sollte. Welche Route wir genommen haben und über welche Länder ich dann tatsächlich in Österreich gelandet bin, kann ich nicht mehr sagen“, beschreibt Ozuma seine Flucht aus Nigeria recht kurz und emotionslos. Wichtig war nur, in einem freien Land zu landen. Dafür ist man allein mit dem vermeintlichen Zauberwort „Asyl“ gerüstet. Als er mit ein paar anderen dann die Grenze Slowakei-Österreich illegal zu Fuß überquerte, wurde er von der österreichischen Polizei aufgegriffen. Was danach folgte, war eine Ungewissheit, die neun Jahre andauerte.
Untergebracht wird er in der Pension Auer in Traisen, einem Flüchtlingsquartier. Sechs Personen in einem Zimmer, das üblicherweise für zwei ausgelegt ist. Man verharrt in Wartestellung. Dann nach drei Wochen der erste Asylbescheid: Negativ. Da Ozuma nicht vom Staat Nigeria direkt Verfolgung wegen seiner Religion droht, sondern von Mitbürgern, erfüllt er die Kriterien nicht. Über seine Berufung wird im Juli 2009 entschieden. Das bedeutet acht (!) Jahre, in denen er über die Runden kommen muss und sich ein neues Leben aufbaut.
Schnell war ihm klar, dass es ohne Arbeit und ohne Deutschkenntnisse in Österreich keine Zukunft gibt. Daher nimmt er sein Schicksal selbst in die Hand. Er übersiedelt in das Emmaus-Heim am Kalvarienberg in St. Pölten, besucht Deutschkurse und sucht Arbeit. Bei einem bekannten St. Pöltner Gastronom in der Innenstadt hat er Glück, er findet Beschäftigung und Logis. Dank dessen Engagements und zahlreichen Interventionen im Innenministerium bekommt Ozuma 2003 endlich eine Arbeitsbewilligung. Seither bestreitet er seinen Lebensunterhalt selbst. 2008 wechselt er als Transit-Arbeitskraft zur Emmaus Gemeinschaft und bezieht seine eigene Wohnung. Seit September 2010 ist er bei Spar beschäftigt: „Ich kommissioniere, bin also Kommissar“, lacht er. Dass er einst hoffnungsvoller Geophysik-Student war, daran denkt er nicht mehr. Ozuma verfolgt einen pragmatischen Ansatz: „Ich habe Glück gehabt. Ich darf hier sitzen und meinen Orangensaft trinken. Ich bin frei!“ betont er mit einem zufriedenen Kopfnicken. „Ich kann hier arbeiten und leben. Das ist alles, was ich brauche. Träume sind in Österreich schwierig“, meint er. Er hat keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Er arbeitet hart und spart, um seine Familie in Nigeria zu besuchen.
Bleiberecht
Dann im Juli 2009 ergeht der Berufungsbescheid: 1. Der Asylantrag wird abgewiesen, 2. Die Ausweisung ist zulässig, 3. Die Voraussetzungen für eine Niederlassungsbewilligung sind erfüllt.
John Ozuma ist damit einer der Wenigen, denen von Amts wegen aufgrund seiner langen Aufenthaltsdauer und seiner Selbsterhaltungsfähigkeit das Bleiberecht gewährt wird. Es wird noch ein volles Jahr vergehen, bis er im Juli 2010 seine Niederlassungsbewilligung in Händen hält. Aber er darf nach beinahe zehn Jahren in Österreich bleiben. Dafür hat er gearbeitet, dafür hat er sich hier ein neues Leben aufgebaut. Resigniert hat er nie. „Was soll man machen? Ich bin nach Österreich gekommen. Dann muss ich auch warten. Gesetze kann man nicht ändern und Behörden auch nicht“, meint er fatalistisch. Er vertraut auf Gott. „Ich bin sehr gläubig, gehe in die Kirche. Gott schenkt mir Hoffnung, alles durchzustehen.“
Von seinen Landsleuten, die in Österreich in die Kriminalität abgerutscht sind, möchte er sich klar differenzieren. „Dieses Klischee vom drogenverkaufenden Schwarzen ist schrecklich. Es gibt überall gute und schlechte Menschen. Einige schlechte bringen uns alle in Verruf. Ich habe keine Kriminalität in mir. Sowas existiert in meinem Kopf nicht. Ich habe gar keine Zeit, Drogen zu verkaufen, ich muss arbeiten gehen!“
Bei der Emmaus, der Caritas und seiner Freikirche in der Linzer Straße hat er Freunde gefunden. „Wir treffen uns, wir reden, spielen Spiele. Ein richtiges soziales Leben habe ich in Österreich allerdings nicht. Ich gehe eigentlich immer nur arbeiten“, beschreibt Ozuma seinen Alltag. Außerhalb der sozialen Institutionen interessieren sich die Menschen wenig für ihn. Sie leben ihr eigenes Leben, haben eine Parallelwelt zu seiner: „Die St. Pöltner denken sehr engstirnig. Ich kenne eigentlich keine Leute, außer jene bei Emmaus oder der Caritas. Auf mich kommt keiner zu. Vielleicht ist es in einer großen Stadt wie Wien besser, aber damit habe ich keine Erfahrung.“ Daher erhält man als Antwort, ob St. Pölten seine Heimat ist, nur ein mildes Lächeln. „Ich bin heute hier zuhause. Ich kann arbeiten und habe meine Freiheit. Was morgen ist, weiß ich nicht.“
Untergebracht wird er in der Pension Auer in Traisen, einem Flüchtlingsquartier. Sechs Personen in einem Zimmer, das üblicherweise für zwei ausgelegt ist. Man verharrt in Wartestellung. Dann nach drei Wochen der erste Asylbescheid: Negativ. Da Ozuma nicht vom Staat Nigeria direkt Verfolgung wegen seiner Religion droht, sondern von Mitbürgern, erfüllt er die Kriterien nicht. Über seine Berufung wird im Juli 2009 entschieden. Das bedeutet acht (!) Jahre, in denen er über die Runden kommen muss und sich ein neues Leben aufbaut.
Schnell war ihm klar, dass es ohne Arbeit und ohne Deutschkenntnisse in Österreich keine Zukunft gibt. Daher nimmt er sein Schicksal selbst in die Hand. Er übersiedelt in das Emmaus-Heim am Kalvarienberg in St. Pölten, besucht Deutschkurse und sucht Arbeit. Bei einem bekannten St. Pöltner Gastronom in der Innenstadt hat er Glück, er findet Beschäftigung und Logis. Dank dessen Engagements und zahlreichen Interventionen im Innenministerium bekommt Ozuma 2003 endlich eine Arbeitsbewilligung. Seither bestreitet er seinen Lebensunterhalt selbst. 2008 wechselt er als Transit-Arbeitskraft zur Emmaus Gemeinschaft und bezieht seine eigene Wohnung. Seit September 2010 ist er bei Spar beschäftigt: „Ich kommissioniere, bin also Kommissar“, lacht er. Dass er einst hoffnungsvoller Geophysik-Student war, daran denkt er nicht mehr. Ozuma verfolgt einen pragmatischen Ansatz: „Ich habe Glück gehabt. Ich darf hier sitzen und meinen Orangensaft trinken. Ich bin frei!“ betont er mit einem zufriedenen Kopfnicken. „Ich kann hier arbeiten und leben. Das ist alles, was ich brauche. Träume sind in Österreich schwierig“, meint er. Er hat keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Er arbeitet hart und spart, um seine Familie in Nigeria zu besuchen.
Bleiberecht
Dann im Juli 2009 ergeht der Berufungsbescheid: 1. Der Asylantrag wird abgewiesen, 2. Die Ausweisung ist zulässig, 3. Die Voraussetzungen für eine Niederlassungsbewilligung sind erfüllt.
John Ozuma ist damit einer der Wenigen, denen von Amts wegen aufgrund seiner langen Aufenthaltsdauer und seiner Selbsterhaltungsfähigkeit das Bleiberecht gewährt wird. Es wird noch ein volles Jahr vergehen, bis er im Juli 2010 seine Niederlassungsbewilligung in Händen hält. Aber er darf nach beinahe zehn Jahren in Österreich bleiben. Dafür hat er gearbeitet, dafür hat er sich hier ein neues Leben aufgebaut. Resigniert hat er nie. „Was soll man machen? Ich bin nach Österreich gekommen. Dann muss ich auch warten. Gesetze kann man nicht ändern und Behörden auch nicht“, meint er fatalistisch. Er vertraut auf Gott. „Ich bin sehr gläubig, gehe in die Kirche. Gott schenkt mir Hoffnung, alles durchzustehen.“
Von seinen Landsleuten, die in Österreich in die Kriminalität abgerutscht sind, möchte er sich klar differenzieren. „Dieses Klischee vom drogenverkaufenden Schwarzen ist schrecklich. Es gibt überall gute und schlechte Menschen. Einige schlechte bringen uns alle in Verruf. Ich habe keine Kriminalität in mir. Sowas existiert in meinem Kopf nicht. Ich habe gar keine Zeit, Drogen zu verkaufen, ich muss arbeiten gehen!“
Bei der Emmaus, der Caritas und seiner Freikirche in der Linzer Straße hat er Freunde gefunden. „Wir treffen uns, wir reden, spielen Spiele. Ein richtiges soziales Leben habe ich in Österreich allerdings nicht. Ich gehe eigentlich immer nur arbeiten“, beschreibt Ozuma seinen Alltag. Außerhalb der sozialen Institutionen interessieren sich die Menschen wenig für ihn. Sie leben ihr eigenes Leben, haben eine Parallelwelt zu seiner: „Die St. Pöltner denken sehr engstirnig. Ich kenne eigentlich keine Leute, außer jene bei Emmaus oder der Caritas. Auf mich kommt keiner zu. Vielleicht ist es in einer großen Stadt wie Wien besser, aber damit habe ich keine Erfahrung.“ Daher erhält man als Antwort, ob St. Pölten seine Heimat ist, nur ein mildes Lächeln. „Ich bin heute hier zuhause. Ich kann arbeiten und habe meine Freiheit. Was morgen ist, weiß ich nicht.“