NACH DER WAHL IST ALLES ANDERS?
Text
Michael Müllner
Ausgabe
Niederösterreich wird in den nächsten fünf Jahren von ÖVP und FPÖ regiert. Nach der Landtagswahl im Jänner 2023 nehmen nun Landtag und Landesregierung die Arbeit auf. Ein Blick auf die Ausgangslage und eine Interviewstrecke mit drei Abgeordneten, die St. Pölten und Rundherum vertreten.
Wahlkampf in Niederösterreich, das war vor allem ein Kampf mit der absolut regierenden ÖVP von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. „Es steht viel auf dem Spiel“, sagte sie bei einer Wahlveranstaltung dramatisch in die Kameras und der Spruch wurde wohl eher unfreiwillig zum Claim des ganzen Wahlkampfs und auch von Satiresendungen rauf- und runtergespielt. Aus Sicht der ÖVP stand bei entsprechendem Wählerschwund nicht nur die Mehrheit im Landtag, sondern auch die Mehrheit in der Landesregierung am Spiel. Rot-Blau wurde als Gefahr für das Land dargestellt, die Partei kleidete ihre Werbung in die blau-gelben Landesfarben und versuchte sich vom vermeintlich desaströsen Bundestrend abzukoppeln.
Partnersuche
Dennoch setzte es am 29. Jänner 2023 eine Niederlage für die ÖVP. Minus 9,7 Prozentpunkte im Vergleich zur letzten Landtagswahl bedeuteten nur mehr 39,93 Prozent der Stimmen im Landtag. Schmerzlich war zudem, dass auch die Mehrheit an Sitzen in der Landesregierung verloren ging. Dort sind die Parteien gemäß der Landesverfassung automatisch abhängig von ihrer erzielten Stimmenanzahl vertreten. Also unabhängig davon, welche Mehrheit sich im Landtag finden wird, war schon mit dem Endergebnis der Wahl entschieden, dass die ÖVP vier Mitglieder der Landesregierung stellt, die FPÖ drei und die SPÖ zwei. Womit die ÖVP ihre bisherige absolute Mehrheit in der Regierung verlor und nicht gegen den Willen von FPÖ-SPÖ regieren kann.
Am Wahlabend waren selbst die Freiheitlichen vom Wählerzuspruch überrascht, schafften sie doch ein Plus von 9,43 Prozentpunkten und landete damit mit 24,19 Prozent der Wählerstimmen auf dem zweiten Platz, noch vor der SPÖ. Diese verlor ebenso wie die ÖVP, konkret 3,27 Prozentpunkte und kam somit auf 20,65 Prozent der Stimmen. Der schon zuvor nicht unumstrittene SPÖ-Chef Franz Schnabl wurde rasch von Sven Hergovich abgelöst und die beiden Wahlverlierer ÖVP und SPÖ starteten Verhandlungen über ein gemeinsames Arbeitsprogramm für die kommenden fünf Jahre. Weitgehend unbestritten ist, dass man sich in vielen Punkten einig war. Es habe dann den Wunsch der ÖVP gegeben, die SPÖ möge von ihren vielen Wünschen ein paar wesentliche Must-haves formulieren. Dabei war unter anderem ein Vorhaben für eine Job-Garantie für Langzeitarbeitslose. SPÖ-Chef Hergovich merkte in einem Interview an, er würde sich eher die Hand abhacken, als ein Abkommen mit der ÖVP unterzeichnen, das keine ausreichende sozialdemokratische Handschrift trägt. Die ÖVP brach daraufhin die Verhandlungen mit Hergovich ab und lud die FPÖ zu Gesprächen.
Doch Miteinander?
Obwohl die Freiheitlichen in den letzten Jahren den von Landeshauptfrau Mikl-Leitner postulierten Weg des „Miteinanders“ stets kritisch sahen und auch im Wahlkampf massive Kritik an ihr übten, kam es rasch zu einem Arbeitsübereinkommen zwischen ÖVP und FPÖ, welches inhaltlich sehr kontroversiell diskutiert wurde. Ein Corona-Fonds soll sich etwa mit den Folgen der Pandemie(bekämpfung) beschäftigen, wobei vielfach kritisiert wurde, dass sich die Landespolitik zumindest symbolisch von faktenbasierten Entscheidungen der Vergangenheit distanzieren würde. Etwas kurios muteten auch die Ankündigungen an, man wolle sich für eine Deutsch-Sprech-Pflicht am Schulhof oder für eine Förderung typisch österreichischer Speisen in Wirtshäusern starkmachen.
Rund 72 Prozent der knapp 1,3 Millionen Wahlberechtigten machten im Jänner 2023 von ihrem Stimmrecht Gebrauch und entschieden, welche Kandidatinnen und Kandidaten der Parteien in den Landtag einziehen sollen. Dort sitzen nun 56 Mandatare für die nächsten fünf Jahre und haben im Wesentlichen zwei Aufgaben: Sie erarbeiten und erlassen die Landesgesetze, da gewisse Rechtsbereiche nicht bundesweit einheitlich vom Nationalrat geregelt werden, sondern den Ländern hier Gesetzgebungskompetenz zukommt. Zudem kontrollieren sie die Arbeit der Landesregierung und geben somit der Landesverwaltung demokratische Legitimation.
Die Mitglieder der Landesregierung sind nämlich gewählte Politikerinnen und Politiker, sie sind nun für definierte Ressorts zuständig und haben in diesem Bereich Einfluss und Gestaltungsspielraum auf die Ebenen der Landesverwaltung (welche wiederum ihr Handeln aufgrund der Gesetze ausüben müssen). Dass es dabei naturgemäß zu einem Spannungsfeld kommen kann und über legitime politische Einflussnahme auf die Verwaltung viel diskutiert werden kann, zeigte der nun zum Zweiten Landtagspräsidenten aufgestiegene FPÖ-Politiker Gottfried Waldhäusl. Als früherer Asyl-Landesrat saß er wegen des umstrittenen Asylheims in Drasenhofen auf der Anklagebank am Landesgericht St. Pölten, wurde aber vom Verdacht des Amtsmissbrauchs freigesprochen.
Es liegen wohl spannende fünf Jahre vor uns, drei Abgeordnete zum Landtag wollen wir näher zu Wort kommen lassen.
FAKTENKASTEN
• Im Bezirk St. Pölten Stadt verlor die SPÖ 8,85 Prozentpunkte im Vergleich zur letzten Landtagswahl. Das war ein größerer Rückgang als bei der ÖVP, die 8,32 Prozentpunkte verlor. Im Bezirk hielt die ÖVP mit 30,01 Prozent ihren ersten Platz, gefolgt von der SPÖ mit 27,28 Prozent und der FPÖ mit 22,44 Prozent.
• Die Grünen erreichten landesweit 7,59 Prozent der Wählerstimmen und erkämpften sich somit ein viertes Mandat, sie konnten sich über ein Plus von 1,16 Prozentpunkten freuen. Die Neos schafften beim zweiten Antreten 6,67 Prozent und einen Zuwachs um 1,52 Prozentpunkte, wie bisher sind sie mit drei Abgeordneten im Landtag vertreten. Beide Fraktionen stellen keinen Abgeordneten aus St. Pölten, weshalb sie in der folgenden Interviewstrecke nicht berücksichtigt wurden.