Sekundarstufe I
Text
Siegrid Mayer
Ausgabe
Die gymnasiale Unterstufe und die Hauptschule bzw. die Neuen Mittelschulen bilden die Sekundarstufe I – und damit wohl eines der am häufigsten und hitzigsten diskutierten Themen der österreichischen Bildungspolitik. Gesamtschule, PISA-Schock und Bildungsvererbung sind Kernthemen vergangener und aktueller Bildungsdebatten.
Spätestens nach dem „PISA-Schock“ im Jahr 2003 flammten die Diskussionen rund um das österreichische Schulsystem wieder auf, Kernpunkt war die Sekundarstufe I. So wurden – vor allem von SPÖ-Seite – Forderungen nach einer Gesamtschule laut, der Absturz im PISA-Ergebnis wurde parteipolitisch instrumentalisiert und als Versagen der schwarz-blauen Regierung ausgelegt. Nachdem Ungereimtheiten von Statistikern entdeckt worden waren, wurden die PISA-Ergebnisse des Jahres 2000 nachträglich nach unten korrigiert – demnach gab es keinen Absturz, sondern man befand sich bereits damals im Mittelfeld der getesteten Länder. Und man kann von der PISA-Studie halten was man will, sie liefert aber dennoch in einmaliger Form eine Vielzahl von Daten und Vergleichsmöglichkeiten. Die Rufe nach einer Gesamtschule blieben jedenfalls bestehen, so forderte etwa das von Hannes Androsch initiierte Bildungsvolksbegehren im Jahr 2011 eine „Trennung der Kinder nach ihren Interessen und Begabungen erstmals am Ende der Schulpflicht“. Es passierte das, was häufig in Österreich passiert: Schulreformen bleiben vielfach halbgare Kompromisse und verkommen eher zu ideologischen Grabenkämpfen – zu verfahren sind die politischen Fronten.
Die Gesamtschule als Zankapfel
Die Meinungen zur Gesamtschule gehen nicht nur in der Politik auseinander, sondern auch auf Ebene der Experten. Das österreichische und das deutsche Schulsystem sind dabei im Gegensatz zu vielen anderen (auch westeuropäischen) Ländern durch eine Zäsur nach der Volksschule gekennzeichnet, hier erfolgt bereits die Trennung in Hauptschule bzw. Neue Mittelschule und gymnasiale Unterstufe. Genau da setzt auch die Kritik der Gesamtschulbefürworter an: Die frühe Selektion „für anspruchsvollere weiterführende Bildungskarrieren im Alter von zehn Jahren ist psychometrisch in hohem Maße unverlässlich“, schreibt etwa der emeritierte Professor der Universität Wien Karl-Heinz Gruber im Artikel „Gesamtschule – Anatomie und Pathologie der Reform der Sekundarstufe I in Österreich und Deutschland im internationalen Kontext“. Es ließen sich zwar am unteren und oberen Ende des Begabungsspektrums Kinder identifizieren, für die künftiger Schulerfolg ziemlich bzw. kaum wahrscheinlich sei, dennoch sei für die große Mehrheit eine derartige Prognose schlicht nicht möglich, wie Gruber weiter ausführt. So würde nicht einmal das höchstentwickelte und aufwendigste Ausleseverfahren, das im Alter von elf Jahren durchgeführte englische Ausleseverfahren „Eleven-plus“, eine zufriedenstellende Reliabilität aufweisen. Die mangelnde Trennschärfe der Ausleseverfahren und die Überlappung der Begabungsspektren seien vielfach bestätigt, schreibt Gruber, der zur folgenden Conclusio kommt: „Je früher schulische Auslese bzw. organisatorische Differenzierung erfolgt, desto stärker profitieren davon Kinder aus ‚bildungsnahen‘ Mittel- und Oberschichtfamilien und desto stärker benachteiligt sind Kinder aus ‚bildungsfernen‘ Unterschicht- und Migrantenfamilien. Infolge der ‚Weichheit‘, der Subjektivität und des Mittelschichtkinder begünstigenden ‚social bias‘ der Grundschullehrerurteile über die Gymnasialeignung erfolgt der Übertritt ins gymnasiale Schulsystem in Österreich und in Deutschland weitgehend als soziale Selbstauslese, die mehr von den Ambitionen und den Aspirationen der Eltern als von der Begabung der Kinder bestimmt wird.“ Die im Vergleich zu anderen Ländern frühe Selektion determiniert in weiterer Folge den weiteren Bildungsweg, so schreibt auch die Statistik Austria in ihrem Bericht „Bildung in Zahlen 2013/14“: „Die Wahl der dort [Sekundarstufe II, Anm.] besuchten Ausbildung wird stark von dem in der Sekundarstufe I besuchten Schultyp, also der ‚schulischen Herkunft‘, beeinflusst.“ So zeigte sich etwa beim österreichischen Expertenbericht zur PISA-Studie 2006, dass die gymnasiale Unterstufe mit steigendem Bildungsgrad der Eltern immer häufiger gewählt wird: Haben die Eltern maximal einen Pflichtschulabschluss, besuchen elf Prozent deren Kinder eine AHS, bei BMS bzw. Lehre sind es 17 Prozent, bei Matura bereits 47 Prozent und bei universitären Abschlüssen als höchsten Bildungsabschluss der Eltern besuchen 61 Prozent der Kinder eine AHS.
Die Meinungen zur Gesamtschule gehen nicht nur in der Politik auseinander, sondern auch auf Ebene der Experten. Das österreichische und das deutsche Schulsystem sind dabei im Gegensatz zu vielen anderen (auch westeuropäischen) Ländern durch eine Zäsur nach der Volksschule gekennzeichnet, hier erfolgt bereits die Trennung in Hauptschule bzw. Neue Mittelschule und gymnasiale Unterstufe. Genau da setzt auch die Kritik der Gesamtschulbefürworter an: Die frühe Selektion „für anspruchsvollere weiterführende Bildungskarrieren im Alter von zehn Jahren ist psychometrisch in hohem Maße unverlässlich“, schreibt etwa der emeritierte Professor der Universität Wien Karl-Heinz Gruber im Artikel „Gesamtschule – Anatomie und Pathologie der Reform der Sekundarstufe I in Österreich und Deutschland im internationalen Kontext“. Es ließen sich zwar am unteren und oberen Ende des Begabungsspektrums Kinder identifizieren, für die künftiger Schulerfolg ziemlich bzw. kaum wahrscheinlich sei, dennoch sei für die große Mehrheit eine derartige Prognose schlicht nicht möglich, wie Gruber weiter ausführt. So würde nicht einmal das höchstentwickelte und aufwendigste Ausleseverfahren, das im Alter von elf Jahren durchgeführte englische Ausleseverfahren „Eleven-plus“, eine zufriedenstellende Reliabilität aufweisen. Die mangelnde Trennschärfe der Ausleseverfahren und die Überlappung der Begabungsspektren seien vielfach bestätigt, schreibt Gruber, der zur folgenden Conclusio kommt: „Je früher schulische Auslese bzw. organisatorische Differenzierung erfolgt, desto stärker profitieren davon Kinder aus ‚bildungsnahen‘ Mittel- und Oberschichtfamilien und desto stärker benachteiligt sind Kinder aus ‚bildungsfernen‘ Unterschicht- und Migrantenfamilien. Infolge der ‚Weichheit‘, der Subjektivität und des Mittelschichtkinder begünstigenden ‚social bias‘ der Grundschullehrerurteile über die Gymnasialeignung erfolgt der Übertritt ins gymnasiale Schulsystem in Österreich und in Deutschland weitgehend als soziale Selbstauslese, die mehr von den Ambitionen und den Aspirationen der Eltern als von der Begabung der Kinder bestimmt wird.“ Die im Vergleich zu anderen Ländern frühe Selektion determiniert in weiterer Folge den weiteren Bildungsweg, so schreibt auch die Statistik Austria in ihrem Bericht „Bildung in Zahlen 2013/14“: „Die Wahl der dort [Sekundarstufe II, Anm.] besuchten Ausbildung wird stark von dem in der Sekundarstufe I besuchten Schultyp, also der ‚schulischen Herkunft‘, beeinflusst.“ So zeigte sich etwa beim österreichischen Expertenbericht zur PISA-Studie 2006, dass die gymnasiale Unterstufe mit steigendem Bildungsgrad der Eltern immer häufiger gewählt wird: Haben die Eltern maximal einen Pflichtschulabschluss, besuchen elf Prozent deren Kinder eine AHS, bei BMS bzw. Lehre sind es 17 Prozent, bei Matura bereits 47 Prozent und bei universitären Abschlüssen als höchsten Bildungsabschluss der Eltern besuchen 61 Prozent der Kinder eine AHS.
Bildungsmobilität in Österreich
Die Bildungsmobilität wird dabei in Österreich immer wieder kritisiert, Bildung wird in Österreich quasi vererbt. So konstatiert auch hier die Statistik Austria: „Die Schulbildung der Eltern und ihre Stellung im Beruf wirken sich erheblich auf die Bildungslaufbahn aus.“ So erreichten etwa in der Altersgruppe der 25- bis 44-Jährigen 55,8 Prozent der Kinder aus Akademikerhaushalten einen Hochschulabschluss, aber nur 6,6 Prozent jener Kinder, deren Eltern als höchste Ausbildung lediglich einen Pflichtschulabschluss aufweisen. Der Zusammenhang besteht auch vice versa: 27,3 Prozent der Kinder aus einem Elternhaus mit höchstens Pflichtschulabschluss in dieser Altersgruppe erreichen selbst nur diesen Bildungsabschluss, wohingegen nur 5,1 Prozent der Akademikerkinder auf der untersten Ausbildungsstufe verbleiben. Auch vonseiten des Ministeriums für Bildung und Frauen wird dies bestätigt: „Es ist richtig, dass die Bildungskarriere in Österreich leider noch immer sehr stark vererbt wird. Besondere Anstrengungen sehe ich daher vor allem darin, Maßnahmen zu setzen und zu fördern, die allen Schülerinnen und Schülern unabhängig von ihrer sozialen, regionalen oder kulturellen Herkunft entsprechende Bildungsmöglichkeiten gewähren. Der Ausbau der Ganztagsschulplätze und die Förderung einer guten Durchlässigkeit der verschiedenen Schulangebote sind zentrale Maßnahmen.“ Notburga Grosser, Vizerektorin der KPH Wien/Krems, ergänzt: „Ein wichtiges Ziel für das österreichische Bildungssystem wird sein, dass möglichst viele Schülerinnen und Schüler qualifizierte Schulabschlüsse der Sekundarstufe I erreichen und somit Berechtigungen für weitere Bildungswege erwerben. Des Weiteren kann interkulturelle Elternarbeit, die die Kooperation zwischen Schule und Elternhaus stärkt, eine Maßnahme zum Abbau von Bildungsbenachteiligung sein.“ Die in Österreich besonders stark ausgeprägte Korrelation von familiärem Hintergrund und Bildungskarriere kritisiert auch der 2014 erschienene OECD-Bericht „Education at a Glance“. So haben in Österreich nur 29 Prozent (Durchschnitt liegt bei 38 Prozent, Anm.) ein höheres Bildungsniveau als ihre Eltern erreicht. In diesem Bereich wird Österreich als 21. Land von 23 untersuchten und gereihten Ländern geführt, nur in Deutschland und Tschechien ist es um die Aufwärtsmobilität noch schlechter bestellt. Bemerkenswert ist hier vor allem aber auch das schlechte Abschneiden im internationalen Vergleich.
Das Elternhaus wird natürlich immer einen großen Einfluss auf die Kinder haben. Nach Pierre Bourdieus Kapitaltheorie ist klar, dass Kinder aus „bildungsfernen“ Haushalten nicht mit demselben Zugang zu sozialem, aber auch zu kulturellem oder ökonomischem Kapital rechnen können. Bourdieu kritisiert aber in weiterer Folge die Institution Schule als mitverantwortlich durch das Reproduzieren bestehender sozialer Strukturen. Und das österreichische und deutsche Schulsystem schneidet zumindest in der Aufwärtsmobilität dahingehend schlecht ab, obgleich der Wiener Universitätsprofessor Stefan Hopmann zu bedenken gibt, dass „soziale Mobilität zunächst und vor allem von gesellschaftlichen Verhältnissen bedingt wird.“ Schule allein könne da nur begrenzt etwas ausrichten, gefordert seien vor allem Sozial-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik: „Wenn zum Beispiel Kinder in Armut, Ungewissheit sozialer Ausgrenzung oder belastenden familiären Verhältnissen leben (sie erklären laut internationaler Forschung gut und gerne 80% der Bildungsunterschiede, Anm.), dann kann Schule das aus eigener Kraft kaum beheben. Es wäre schon viel gewonnen, wenn Schule die Lebenssituation der Betroffenen nicht noch verschlimmert.“ Seiner Ansicht nach müsste die Schule an die geänderten gesellschaftlichen Verhältnisse angepasst werden (Lehrplan, Lehrkräfte, Schulautonomie etc.), zum anderen auch gezielte Hilfen für diejenigen bereitgestellt werden, die weniger außerschulische Ressourcen haben. Die Gesamtschule sieht er hier als kein adäquates Mittel: „Dahinter steckt der irrige Glaube, die Zusammenführung aller in einem formal einheitlichen Schultyp würde quasi automatisch das Ausmaß ungleicher Bildungschancen verringern und zu einer besseren Durchmischung der Schülerströme führen. Das ist jedoch nicht der Fall. Es kommt letztendlich weniger auf die Oberflächenstruktur eines Bildungswesens an, sondern darauf, wie es gelingt, den unterschiedlichen Ausgangsbedingungen und Ressourcen der Schülerinnen und Schüler am jeweiligen Schulstandort gerecht zu werden.“ Hopmann schlussfolgert weiter: „Statt also viel Geld in einer wenig aussichtsreichen Strukturreform zu verplempern, wäre es sinnvoller, zielgruppenspezifische Interventionen zu ermöglichen. Wie man die dementsprechend sehr unterschiedlich aufgestellten Schulen dann nennt, ist völlig nebensächlich.“
Die Bildungsmobilität wird dabei in Österreich immer wieder kritisiert, Bildung wird in Österreich quasi vererbt. So konstatiert auch hier die Statistik Austria: „Die Schulbildung der Eltern und ihre Stellung im Beruf wirken sich erheblich auf die Bildungslaufbahn aus.“ So erreichten etwa in der Altersgruppe der 25- bis 44-Jährigen 55,8 Prozent der Kinder aus Akademikerhaushalten einen Hochschulabschluss, aber nur 6,6 Prozent jener Kinder, deren Eltern als höchste Ausbildung lediglich einen Pflichtschulabschluss aufweisen. Der Zusammenhang besteht auch vice versa: 27,3 Prozent der Kinder aus einem Elternhaus mit höchstens Pflichtschulabschluss in dieser Altersgruppe erreichen selbst nur diesen Bildungsabschluss, wohingegen nur 5,1 Prozent der Akademikerkinder auf der untersten Ausbildungsstufe verbleiben. Auch vonseiten des Ministeriums für Bildung und Frauen wird dies bestätigt: „Es ist richtig, dass die Bildungskarriere in Österreich leider noch immer sehr stark vererbt wird. Besondere Anstrengungen sehe ich daher vor allem darin, Maßnahmen zu setzen und zu fördern, die allen Schülerinnen und Schülern unabhängig von ihrer sozialen, regionalen oder kulturellen Herkunft entsprechende Bildungsmöglichkeiten gewähren. Der Ausbau der Ganztagsschulplätze und die Förderung einer guten Durchlässigkeit der verschiedenen Schulangebote sind zentrale Maßnahmen.“ Notburga Grosser, Vizerektorin der KPH Wien/Krems, ergänzt: „Ein wichtiges Ziel für das österreichische Bildungssystem wird sein, dass möglichst viele Schülerinnen und Schüler qualifizierte Schulabschlüsse der Sekundarstufe I erreichen und somit Berechtigungen für weitere Bildungswege erwerben. Des Weiteren kann interkulturelle Elternarbeit, die die Kooperation zwischen Schule und Elternhaus stärkt, eine Maßnahme zum Abbau von Bildungsbenachteiligung sein.“ Die in Österreich besonders stark ausgeprägte Korrelation von familiärem Hintergrund und Bildungskarriere kritisiert auch der 2014 erschienene OECD-Bericht „Education at a Glance“. So haben in Österreich nur 29 Prozent (Durchschnitt liegt bei 38 Prozent, Anm.) ein höheres Bildungsniveau als ihre Eltern erreicht. In diesem Bereich wird Österreich als 21. Land von 23 untersuchten und gereihten Ländern geführt, nur in Deutschland und Tschechien ist es um die Aufwärtsmobilität noch schlechter bestellt. Bemerkenswert ist hier vor allem aber auch das schlechte Abschneiden im internationalen Vergleich.
Das Elternhaus wird natürlich immer einen großen Einfluss auf die Kinder haben. Nach Pierre Bourdieus Kapitaltheorie ist klar, dass Kinder aus „bildungsfernen“ Haushalten nicht mit demselben Zugang zu sozialem, aber auch zu kulturellem oder ökonomischem Kapital rechnen können. Bourdieu kritisiert aber in weiterer Folge die Institution Schule als mitverantwortlich durch das Reproduzieren bestehender sozialer Strukturen. Und das österreichische und deutsche Schulsystem schneidet zumindest in der Aufwärtsmobilität dahingehend schlecht ab, obgleich der Wiener Universitätsprofessor Stefan Hopmann zu bedenken gibt, dass „soziale Mobilität zunächst und vor allem von gesellschaftlichen Verhältnissen bedingt wird.“ Schule allein könne da nur begrenzt etwas ausrichten, gefordert seien vor allem Sozial-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik: „Wenn zum Beispiel Kinder in Armut, Ungewissheit sozialer Ausgrenzung oder belastenden familiären Verhältnissen leben (sie erklären laut internationaler Forschung gut und gerne 80% der Bildungsunterschiede, Anm.), dann kann Schule das aus eigener Kraft kaum beheben. Es wäre schon viel gewonnen, wenn Schule die Lebenssituation der Betroffenen nicht noch verschlimmert.“ Seiner Ansicht nach müsste die Schule an die geänderten gesellschaftlichen Verhältnisse angepasst werden (Lehrplan, Lehrkräfte, Schulautonomie etc.), zum anderen auch gezielte Hilfen für diejenigen bereitgestellt werden, die weniger außerschulische Ressourcen haben. Die Gesamtschule sieht er hier als kein adäquates Mittel: „Dahinter steckt der irrige Glaube, die Zusammenführung aller in einem formal einheitlichen Schultyp würde quasi automatisch das Ausmaß ungleicher Bildungschancen verringern und zu einer besseren Durchmischung der Schülerströme führen. Das ist jedoch nicht der Fall. Es kommt letztendlich weniger auf die Oberflächenstruktur eines Bildungswesens an, sondern darauf, wie es gelingt, den unterschiedlichen Ausgangsbedingungen und Ressourcen der Schülerinnen und Schüler am jeweiligen Schulstandort gerecht zu werden.“ Hopmann schlussfolgert weiter: „Statt also viel Geld in einer wenig aussichtsreichen Strukturreform zu verplempern, wäre es sinnvoller, zielgruppenspezifische Interventionen zu ermöglichen. Wie man die dementsprechend sehr unterschiedlich aufgestellten Schulen dann nennt, ist völlig nebensächlich.“
Umstellung auf Neue Mittelschulen
Die Hauptschule wird als Schultyp bis 2018/19 von der Neuen Mittelschule abgelöst werden. Die Neue Mittelschule ist dabei nicht als neuer Schultyp konzipiert worden, sondern als Modellprojekt zur organisatorischen und pädagogischen Weiterentwicklung der Sekundarstufe I. Sie stützt sich auf den bestehenden Lehrplan für Realgymnasien, unterscheidet sich aber in einigen Merkmalen von den bisherigen Schulformen: Es werden keine Leistungsgruppen wie in der Hauptschule geführt, sondern heterogene Klassen mittels sogenannter innerer Differenzierung. In Deutsch, Mathematik, Englisch und neuerdings auch in schulautonomen Schwerpunktbereichen werden in einem Teil der Unterrichtsstunden die Schüler von zwei Lehrern unterrichtet, nach Möglichkeit soll einer der beiden Lehrer universitär ausgebildet sein.
Änderungen gibt es auch die Leistungsbeurteilung betreffend, außerdem ist eine geänderte „Lern-Lehr-Kultur“ ein Thema: Hierunter fallen didaktische Ausrichtungen wie die Förderung autonomen Lernens, eine Öffnung des Unterrichts (projektartige und offene Unterrichtsformen) und Individualisierung.
Es wurden auch bereits erste Evaluationsergebnisse zu den Umstellungen auf NMS publik. Die Bilanz fällt durchwachsen aus, obgleich die „schulische Lebenswelt“ qualitativ besser geworden sei, der Unterricht sich besser an die Schüler anpasse und es einen kleinen Anstieg an Zufriedenheit gebe. Dennoch wird das Ziel der erhöhten Chancengleichheit verfehlt, die Zugangsquoten zu den AHS im Umfeld der jeweiligen Neuen Mittelschulen hätten sich nicht verändert. Ein geringer Anstieg der Übertritte in weiterführende höhere Schulen nach der Sekundarstufe I sei aber sehr wohl festgestellt worden. Stefan Hopmann erwartete auch nichts anderes: „Die Ergebnisse waren nicht überraschend, sondern erwartungsgemäß. Es ist auch nicht so, als sei die NMS flächendeckend gescheitert. Ganz im Gegenteil haben viele Schulen in anderen als den in der nationalen Evaluation in den Vordergrund geschobenen Bereichen sehr gute Erfolge erzielt, insbesondere wenn es um die Entwicklung und Stabilisierung der Lernkulturen, Lernfähigkeiten und Lernbereitschaften geht. Man hätte sicher noch mehr erreichen können, wenn nicht die Weiterentwicklung der Hauptschule (um mehr geht es ja nicht) durch zahllose unsinnige Beschränkungen (z.B. beim Teamteaching) und Vorgaben (z.B. beim Notensystem) in ihren Entfaltungsmöglichkeiten beschränkt worden wäre.“ So kommt Hopmann zum Schluss, dass der „Fehler hier ganz klar auf Seiten einer ohne pädagogischen Sachverstand agierenden Bundespolitik liegt, nicht auf Seiten der Lehrkräfte, deren Engagement zum Teil durch ebensolche unsinnigen Eingriffe massiv behindert wurde und wird.“
Vonseiten des Bundesministeriums für Bildung und Frauen (BMBF) sieht man das naturgemäß anders, die Ergebnisse hätten gezeigt, „dass wir mit dem pädagogischen Konzept der NMS auf dem richtigen Weg sind: Dort wo es vollständig umgesetzt wurde, ließen sich auch Verbesserungen beim Schulklima und den Leistungen feststellen“. Seitens des Ministeriums wird auch bestätigt, dass über die Einführung einer Gesamtschule nachgedacht wird: „Bereits beim Start mit der NMS 2008 – damals noch im Schulversuchsstadium – war die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen das langfristige Ziel. Durch die längere gemeinsame Zeit und die damit verbundene spätere Trennung können sich die Talente und Begabungen der SchülerInnen besser entwickeln und schaffen mehr Chancen- und Bildungsgerechtigkeit.“
Im Evaluationsbericht zur NMS wird aber treffend formuliert: „Für eine bildungspolitische Entscheidung zur Verwirklichung einer Gesamtschule auf der Sekundarstufe I ist aber derzeit im österreichischen Parlament keine Mehrheit vorhanden.“ Die Bundespolitik ist gespalten, selbst Experten sind sich nicht einig, welches Schulsystem das bessere ist. Auf Länderebene tut sich jedoch etwas, Vorarlberg will in Zukunft auf ein Gesamtschulmodell setzen.
Die Hauptschule wird als Schultyp bis 2018/19 von der Neuen Mittelschule abgelöst werden. Die Neue Mittelschule ist dabei nicht als neuer Schultyp konzipiert worden, sondern als Modellprojekt zur organisatorischen und pädagogischen Weiterentwicklung der Sekundarstufe I. Sie stützt sich auf den bestehenden Lehrplan für Realgymnasien, unterscheidet sich aber in einigen Merkmalen von den bisherigen Schulformen: Es werden keine Leistungsgruppen wie in der Hauptschule geführt, sondern heterogene Klassen mittels sogenannter innerer Differenzierung. In Deutsch, Mathematik, Englisch und neuerdings auch in schulautonomen Schwerpunktbereichen werden in einem Teil der Unterrichtsstunden die Schüler von zwei Lehrern unterrichtet, nach Möglichkeit soll einer der beiden Lehrer universitär ausgebildet sein.
Änderungen gibt es auch die Leistungsbeurteilung betreffend, außerdem ist eine geänderte „Lern-Lehr-Kultur“ ein Thema: Hierunter fallen didaktische Ausrichtungen wie die Förderung autonomen Lernens, eine Öffnung des Unterrichts (projektartige und offene Unterrichtsformen) und Individualisierung.
Es wurden auch bereits erste Evaluationsergebnisse zu den Umstellungen auf NMS publik. Die Bilanz fällt durchwachsen aus, obgleich die „schulische Lebenswelt“ qualitativ besser geworden sei, der Unterricht sich besser an die Schüler anpasse und es einen kleinen Anstieg an Zufriedenheit gebe. Dennoch wird das Ziel der erhöhten Chancengleichheit verfehlt, die Zugangsquoten zu den AHS im Umfeld der jeweiligen Neuen Mittelschulen hätten sich nicht verändert. Ein geringer Anstieg der Übertritte in weiterführende höhere Schulen nach der Sekundarstufe I sei aber sehr wohl festgestellt worden. Stefan Hopmann erwartete auch nichts anderes: „Die Ergebnisse waren nicht überraschend, sondern erwartungsgemäß. Es ist auch nicht so, als sei die NMS flächendeckend gescheitert. Ganz im Gegenteil haben viele Schulen in anderen als den in der nationalen Evaluation in den Vordergrund geschobenen Bereichen sehr gute Erfolge erzielt, insbesondere wenn es um die Entwicklung und Stabilisierung der Lernkulturen, Lernfähigkeiten und Lernbereitschaften geht. Man hätte sicher noch mehr erreichen können, wenn nicht die Weiterentwicklung der Hauptschule (um mehr geht es ja nicht) durch zahllose unsinnige Beschränkungen (z.B. beim Teamteaching) und Vorgaben (z.B. beim Notensystem) in ihren Entfaltungsmöglichkeiten beschränkt worden wäre.“ So kommt Hopmann zum Schluss, dass der „Fehler hier ganz klar auf Seiten einer ohne pädagogischen Sachverstand agierenden Bundespolitik liegt, nicht auf Seiten der Lehrkräfte, deren Engagement zum Teil durch ebensolche unsinnigen Eingriffe massiv behindert wurde und wird.“
Vonseiten des Bundesministeriums für Bildung und Frauen (BMBF) sieht man das naturgemäß anders, die Ergebnisse hätten gezeigt, „dass wir mit dem pädagogischen Konzept der NMS auf dem richtigen Weg sind: Dort wo es vollständig umgesetzt wurde, ließen sich auch Verbesserungen beim Schulklima und den Leistungen feststellen“. Seitens des Ministeriums wird auch bestätigt, dass über die Einführung einer Gesamtschule nachgedacht wird: „Bereits beim Start mit der NMS 2008 – damals noch im Schulversuchsstadium – war die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen das langfristige Ziel. Durch die längere gemeinsame Zeit und die damit verbundene spätere Trennung können sich die Talente und Begabungen der SchülerInnen besser entwickeln und schaffen mehr Chancen- und Bildungsgerechtigkeit.“
Im Evaluationsbericht zur NMS wird aber treffend formuliert: „Für eine bildungspolitische Entscheidung zur Verwirklichung einer Gesamtschule auf der Sekundarstufe I ist aber derzeit im österreichischen Parlament keine Mehrheit vorhanden.“ Die Bundespolitik ist gespalten, selbst Experten sind sich nicht einig, welches Schulsystem das bessere ist. Auf Länderebene tut sich jedoch etwas, Vorarlberg will in Zukunft auf ein Gesamtschulmodell setzen.
Unterschiedliche Meinungen zur Gesamtschule in St. Pölten
Zur Gesamtschule gibt es also verschiedene Meinungen. Von der Direktorin des Gymnasiums Josefstraße, Silvia Klimek, sowie der Direktorin des Mary Ward Privatgymnasiums, Charlotte Ennser, wird sie dezidiert abgelehnt. So verweist Klimek darauf, dass Kinder verschiedene Fähigkeiten und Anlagen haben. „Zu viele unterschiedliche Begabungen und Entwicklungsstadien in einer Klasse sind kaum zu überbrücken. Eine Förderung individueller Bedürfnisse kann dabei nicht umgesetzt werden, auch wenn zwei Lehrer in einer Klasse stehen – was überdies sehr teuer ist.“
Zielführender fände Ennser dahingegen ganztägige Schulen. „Die Wahl sollten aber letztlich immer die Eltern haben, aber keine Zwangsverpflichtung.“ Ihrer Ansicht nach besteht kein großer Unterschied zwischen der NMS und der Hauptschule: „Ich beobachte dies in unserer NMS, wo Lehrer vom Gymnasium eingesetzt werden. Die Erwartungen sollten hier aber nicht überdehnt werden, die NMS kann auch mit Gymnasiallehrern keine Wunder bewirken.“ Positiv sei aber, dass die Lehrer zu zweit sehr gut in der NMS arbeiten könnten.
Die Erfahrungen mit der NMS seien aber generell sehr positiv. Auch in der NMS Theodor Körner IV zeigt man sich zufrieden. Drei Jahre sind seit der Umstellung vergangen, ein letzter Jahrgang wird derzeit noch als herkömmliche Hauptschule unterrichtet, der Rest ist bereits auf das neue System umgestellt. Otto Weber, Direktor der Schule, zeigt sich mit dem neuen System grundsätzlich zufrieden: „Für uns war die Umstellung nicht ganz so schwierig, weil wir wegen der Schülerzahlen nie drei Leistungsgruppen hatten – immer maximal zwei.“ Dadurch, dass alle Kinder einer Klasse gemeinsam unterrichtet werden sollen, entstehen auch neue Herausforderungen: „Wir haben in allen Jahrgängen auch Integrationskinder, die in manchen Gegenständen nach dem Lehrplan der Sonderschule unterrichtet werden“, beschreibt Weber die Pluralität seiner Schule. Machbar sei das nur mit sogenannten Integrationslehrern, die als Zweitlehrer fungieren und somit den gemeinsamen Unterricht in einer Klasse nach zwei Lehrplänen ermöglichen. Bereits hier lässt sich erahnen, dass die konsequente Umsetzung der NMS hohen Ressourceneinsatz braucht
Zur Gesamtschule gibt es also verschiedene Meinungen. Von der Direktorin des Gymnasiums Josefstraße, Silvia Klimek, sowie der Direktorin des Mary Ward Privatgymnasiums, Charlotte Ennser, wird sie dezidiert abgelehnt. So verweist Klimek darauf, dass Kinder verschiedene Fähigkeiten und Anlagen haben. „Zu viele unterschiedliche Begabungen und Entwicklungsstadien in einer Klasse sind kaum zu überbrücken. Eine Förderung individueller Bedürfnisse kann dabei nicht umgesetzt werden, auch wenn zwei Lehrer in einer Klasse stehen – was überdies sehr teuer ist.“
Zielführender fände Ennser dahingegen ganztägige Schulen. „Die Wahl sollten aber letztlich immer die Eltern haben, aber keine Zwangsverpflichtung.“ Ihrer Ansicht nach besteht kein großer Unterschied zwischen der NMS und der Hauptschule: „Ich beobachte dies in unserer NMS, wo Lehrer vom Gymnasium eingesetzt werden. Die Erwartungen sollten hier aber nicht überdehnt werden, die NMS kann auch mit Gymnasiallehrern keine Wunder bewirken.“ Positiv sei aber, dass die Lehrer zu zweit sehr gut in der NMS arbeiten könnten.
Die Erfahrungen mit der NMS seien aber generell sehr positiv. Auch in der NMS Theodor Körner IV zeigt man sich zufrieden. Drei Jahre sind seit der Umstellung vergangen, ein letzter Jahrgang wird derzeit noch als herkömmliche Hauptschule unterrichtet, der Rest ist bereits auf das neue System umgestellt. Otto Weber, Direktor der Schule, zeigt sich mit dem neuen System grundsätzlich zufrieden: „Für uns war die Umstellung nicht ganz so schwierig, weil wir wegen der Schülerzahlen nie drei Leistungsgruppen hatten – immer maximal zwei.“ Dadurch, dass alle Kinder einer Klasse gemeinsam unterrichtet werden sollen, entstehen auch neue Herausforderungen: „Wir haben in allen Jahrgängen auch Integrationskinder, die in manchen Gegenständen nach dem Lehrplan der Sonderschule unterrichtet werden“, beschreibt Weber die Pluralität seiner Schule. Machbar sei das nur mit sogenannten Integrationslehrern, die als Zweitlehrer fungieren und somit den gemeinsamen Unterricht in einer Klasse nach zwei Lehrplänen ermöglichen. Bereits hier lässt sich erahnen, dass die konsequente Umsetzung der NMS hohen Ressourceneinsatz braucht
Die Schüler
Auch für die Schüler bedeutet das neue System Umstellung. Denn anders als in den alten Hauptschulen sind auch Prüfungen einheitlich und müssen von allen Schülern einer Klasse gleichermaßen abgelegt werden. Dabei ist die Balance wichtig – Beispiele müssen für Schwächere machbar sein und gleichzeitig Bessere fördern. Für die Umsetzung dieser utopisch anmutenden Vision ist an der Schule unter anderem Lerndesignerin Ilse Suez zuständig. Die Integrationslehrerin hat sich in einem zweijährigen Kurs auf die Anforderungen der Neuen Mittelschule vorbereitet und ist zumindest vom theoretischen Konzept überzeugt: „Im Fokus steht das selbstständige Arbeiten, freiwillige Mehrarbeit nach Interessen und Präsentationsfähigkeit – auch im Hinblick auf Bewerbungsgespräche.“ Das alles, bei gleichzeitiger Individualisierung der Schüler, klingt nach einer, vorsichtig ausgedrückt, schwierigen Aufgabe. In der Praxis führt vor allem der Ressourcenmangel zu einer schleppenden Umsetzung, konstatiert auch Suez. „Die Idee der Neuen Mittelschule ist super, das jetzige System ist viel durchlässiger als die Leistungsgruppen früher! Aber mit der aktuellen Sparpolitik ist es nur sehr bedingt umsetzbar.“ Eine Lehrkraft alleine könne den theoretischen Anforderungen der Schulform nicht gerecht werden, vor allem im Angesicht des Mehraufwands an Vorbereitung, den die NMS definitiv gebracht hat. Äußerungen wie jene des Wiener Bürgermeisters stoßen hier nur auf müdes Lächeln. Was letztlich über Erfolg oder Misserfolg entscheiden wird, sind aber ohnehin die Akteure. Es braucht einerseits engagierte Lehrkräfte, gleichzeitig aber auch Schüler und Klassen, die das Angebot wahrnehmen. Das geht manchmal besser und schlechter. Direktor Weber spricht auch von einer konkreten Klasse, bei der sich die neue Unterrichtsform nicht umsetzen lasse, weil die Schüler das partnerschaftliche Lernen schlicht nicht annehmen. „Da bleibt uns nur der herkömmliche Frontalunterricht.“
Unterschied zwischen Arbeitszeit und Unterrichtszeit
Ebenfalls neu ist die Lehrerausbildung. So wurde nunmehr auch an den Universitäten das Lehramtsstudium auf das Bologna-System, das mit Bachelor und Master abschließt, umgestellt. Auch das neue Lehrerdienstrecht wurde fixiert, das aber die Forderung der Pädagogen nach mehr Unterstützungspersonal nicht stillen konnte – nach wie vor hinkt Österreich diesbezüglich im internationalen Vergleich weit hinterher.
Dies spielt auch eine Rolle bei der leidigen Diskussion um die Unterrichtszeit, Lehrer müssen hierzulande nämlich viel Zeit auch für Unterrichtsfremdes aufwenden. Klimek, Direktorin des Gymnasiums Josefstraße, dazu: „Es besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen Arbeitszeit und Unterrichtszeit!“ Unterstützungspersonal könnte helfen, dass Lehrer sich wieder ihrer Kernkompetenz, dem Unterrichten, widmen können. „Unterstützungspersonal gibt es in vielen Schulen gar nicht. Das Gymnasium Josefstraße ist in der glücklichen Lage eine Sozialarbeiterin zu haben, die zwei Mal in der Woche anwesend ist.“
Stefan Hopmann gehen all diese Änderungen aber ohnedies nicht weit genug: „Es macht wenig Sinn nur an einer Schraube zu drehen. Bis zum Beispiel Wirkungen einer neuen Lehrerbildung flächendeckend im Schulsystem ankommen, vergeht mehr als ein Dutzend Jahre. Nein, es käme darauf an, das österreichische Schulwesen ‚vom Kopf auf die Füße zu stellen‘, das heißt das dichtmaschige, immer weiter um sich greifende zentralistische Verwaltungsregime durch eine neue Art der Schulfreiheit zu ersetzen. Wir brauchen ‚starke Schulen‘, die sich ihr Personal aussuchen, ihr Budget verwalten und ihren Schulalltag entsprechend den Erfordernissen am Standort organisieren können. Alles übrige: Schulfinanzierung, Dienstrecht, Ausbildung, Weiterbildung, Arbeitseinteilung, Schulorganisation etc. müsste also am Grundsatz ausgerichtet sein, ‚starke Schulen‘ zu schaffen. Deswegen bringt es auch nichts, Schulen ein bisschen mehr Spielraum und viel mehr Verantwortung zuzuschieben. Nein, wir brauchen einen grundlegenden Wandel, wie er in vielen Ländern schon begonnen hat, in Österreich aber immer noch an Maria Theresianischen Handlungsstrukturen scheitert.“
Der grundlegende Wandel wird aber wohl noch ausbleiben. Immerhin sind aber bereits Änderungen durchgeführt worden – ob zum Besseren, bleibt abzuwarten.
SEKUNDARSTUFE I
ST. PÖLTEN 2013
Auch für die Schüler bedeutet das neue System Umstellung. Denn anders als in den alten Hauptschulen sind auch Prüfungen einheitlich und müssen von allen Schülern einer Klasse gleichermaßen abgelegt werden. Dabei ist die Balance wichtig – Beispiele müssen für Schwächere machbar sein und gleichzeitig Bessere fördern. Für die Umsetzung dieser utopisch anmutenden Vision ist an der Schule unter anderem Lerndesignerin Ilse Suez zuständig. Die Integrationslehrerin hat sich in einem zweijährigen Kurs auf die Anforderungen der Neuen Mittelschule vorbereitet und ist zumindest vom theoretischen Konzept überzeugt: „Im Fokus steht das selbstständige Arbeiten, freiwillige Mehrarbeit nach Interessen und Präsentationsfähigkeit – auch im Hinblick auf Bewerbungsgespräche.“ Das alles, bei gleichzeitiger Individualisierung der Schüler, klingt nach einer, vorsichtig ausgedrückt, schwierigen Aufgabe. In der Praxis führt vor allem der Ressourcenmangel zu einer schleppenden Umsetzung, konstatiert auch Suez. „Die Idee der Neuen Mittelschule ist super, das jetzige System ist viel durchlässiger als die Leistungsgruppen früher! Aber mit der aktuellen Sparpolitik ist es nur sehr bedingt umsetzbar.“ Eine Lehrkraft alleine könne den theoretischen Anforderungen der Schulform nicht gerecht werden, vor allem im Angesicht des Mehraufwands an Vorbereitung, den die NMS definitiv gebracht hat. Äußerungen wie jene des Wiener Bürgermeisters stoßen hier nur auf müdes Lächeln. Was letztlich über Erfolg oder Misserfolg entscheiden wird, sind aber ohnehin die Akteure. Es braucht einerseits engagierte Lehrkräfte, gleichzeitig aber auch Schüler und Klassen, die das Angebot wahrnehmen. Das geht manchmal besser und schlechter. Direktor Weber spricht auch von einer konkreten Klasse, bei der sich die neue Unterrichtsform nicht umsetzen lasse, weil die Schüler das partnerschaftliche Lernen schlicht nicht annehmen. „Da bleibt uns nur der herkömmliche Frontalunterricht.“
Unterschied zwischen Arbeitszeit und Unterrichtszeit
Ebenfalls neu ist die Lehrerausbildung. So wurde nunmehr auch an den Universitäten das Lehramtsstudium auf das Bologna-System, das mit Bachelor und Master abschließt, umgestellt. Auch das neue Lehrerdienstrecht wurde fixiert, das aber die Forderung der Pädagogen nach mehr Unterstützungspersonal nicht stillen konnte – nach wie vor hinkt Österreich diesbezüglich im internationalen Vergleich weit hinterher.
Dies spielt auch eine Rolle bei der leidigen Diskussion um die Unterrichtszeit, Lehrer müssen hierzulande nämlich viel Zeit auch für Unterrichtsfremdes aufwenden. Klimek, Direktorin des Gymnasiums Josefstraße, dazu: „Es besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen Arbeitszeit und Unterrichtszeit!“ Unterstützungspersonal könnte helfen, dass Lehrer sich wieder ihrer Kernkompetenz, dem Unterrichten, widmen können. „Unterstützungspersonal gibt es in vielen Schulen gar nicht. Das Gymnasium Josefstraße ist in der glücklichen Lage eine Sozialarbeiterin zu haben, die zwei Mal in der Woche anwesend ist.“
Stefan Hopmann gehen all diese Änderungen aber ohnedies nicht weit genug: „Es macht wenig Sinn nur an einer Schraube zu drehen. Bis zum Beispiel Wirkungen einer neuen Lehrerbildung flächendeckend im Schulsystem ankommen, vergeht mehr als ein Dutzend Jahre. Nein, es käme darauf an, das österreichische Schulwesen ‚vom Kopf auf die Füße zu stellen‘, das heißt das dichtmaschige, immer weiter um sich greifende zentralistische Verwaltungsregime durch eine neue Art der Schulfreiheit zu ersetzen. Wir brauchen ‚starke Schulen‘, die sich ihr Personal aussuchen, ihr Budget verwalten und ihren Schulalltag entsprechend den Erfordernissen am Standort organisieren können. Alles übrige: Schulfinanzierung, Dienstrecht, Ausbildung, Weiterbildung, Arbeitseinteilung, Schulorganisation etc. müsste also am Grundsatz ausgerichtet sein, ‚starke Schulen‘ zu schaffen. Deswegen bringt es auch nichts, Schulen ein bisschen mehr Spielraum und viel mehr Verantwortung zuzuschieben. Nein, wir brauchen einen grundlegenden Wandel, wie er in vielen Ländern schon begonnen hat, in Österreich aber immer noch an Maria Theresianischen Handlungsstrukturen scheitert.“
Der grundlegende Wandel wird aber wohl noch ausbleiben. Immerhin sind aber bereits Änderungen durchgeführt worden – ob zum Besseren, bleibt abzuwarten.
SEKUNDARSTUFE I
ST. PÖLTEN 2013
8 Standorte von NÖ Mittelschulen: Körner I, Körner II, Körner III, Körner IV, Pottenbrunn, St. Georgen, Viehofen, Wagram
4 Gymnasien: Schulring, Josefstraße, Mary Ward, BORGL
4 Gymnasien: Schulring, Josefstraße, Mary Ward, BORGL