Die dunkle Seite
Text
Johannes Reichl
Ausgabe
Die Ermordung eines Buben in der Wagramer Volksschule durch seinen eigenen Vater erschütterte vor knapp vier Monaten die ganze Nation. Sie warf die quälende Frage auf, wie ein Mensch zu einer solchen Wahnsinnstat fähig ist. Zugleich rückte sie auch ein Faktum in den Mittelpunkt, das zwar gemeinhin bekannt ist, worüber aber doch kaum gesprochen wird: Häusliche Gewalt! MFG besuchte das Haus der Frau in St. Pölten, plauderte mit einem Gewaltberater sowie mit einem Opfer.
There is a house
Das Frauenhaus St. Pölten ist an einem unscheinbaren Fleck der Stadt gelegen. Nur die Überwachungskameras vor den Eingängen sowie die Hochsicherheitstür, die sich nach vorheriger Anmeldung und visuellem Check unter lautem Schnarren automatisch öffnet, lassen Rückschlüsse auf einen gesicherten Ort zu. „Im Grunde sind wir ein Hochsicherheitstrakt“, so Maria Imlinger, Leiterin des St. Pöltner Frauenhauses, „auch wenn wir das natürlich nach innen nicht vermitteln wollen. Die Frauen sollen sich ja nicht wie im Gefängnis fühlen.“ Dennoch sind die Sicherheitsvorkehrungen notwendig. Zwar ist die Adresse nicht leicht zu eruieren, „aber selbst jene, die sie nicht wissen sollten, wissen, wo wir sind“, spielt Imlinger auf die gewalttätigen Partner der Frauen an, die mitunter auftauchen und sich Einlass verschaffen möchten. Ohne Erfolg. Die Sicherheitsvorkehrungen zeigen ebenso Wirkung wie die Polizei, „die ein wachsames Auge auf uns wirft.“ Und das nicht ohne Grund. Das Bedrohungspotenzial ist leider omnipräsent: Nicht nur für die Frauen selbst, sondern auch für die Einrichtung an sich. Im Jahr 1990 – damals noch an anderer Stelle – passierte das Unfassbare: Ein Mann drang in das Haus der Frau ein, verletzte eine Frau (nicht seine!) und ein Kind schwer und nahm, bevor er sich selbst richtete, einen Polizeibeamten mit in den Tod. „Das war damals ein Angriff auf die Einrichtung!“, ist Imlinger überzeugt.
Auch die Mitarbeiter des Frauenhauses werden also nolens volens in den Kreis der Gewalt hinein gezogen. Zu Gerichtsverhandlungen begleitet deshalb nie die Betreuerin einer Frau selbige, sondern eine Kollegin – die Identität der Betreuerin soll geschützt werden. Was nicht immer gelingt. Imlinger selbst hat nicht erst einmal Drohbriefe, ja sogar Morddrohungen bekommen. Bisweilen lassen sich Kolleginnen, die Angst haben, von ihren Männern zur Arbeit bringen und wieder abholen, „und eine Kollegin aus Wien wurde eine Zeit lang von der Polizei vom Bahnhof zu uns und wieder retour eskortiert.“
Ein hoher Preis für eine wichtige Arbeit. Und Anklang dessen, womit sich die Frauen, die im Haus der Frau Schutz suchen, noch in viel intensiverer Weise konfrontiert sehen: Gewalt. Angst. Verfolgung. Durch den eigenen „Partner“!
Das Frauenhaus St. Pölten ist an einem unscheinbaren Fleck der Stadt gelegen. Nur die Überwachungskameras vor den Eingängen sowie die Hochsicherheitstür, die sich nach vorheriger Anmeldung und visuellem Check unter lautem Schnarren automatisch öffnet, lassen Rückschlüsse auf einen gesicherten Ort zu. „Im Grunde sind wir ein Hochsicherheitstrakt“, so Maria Imlinger, Leiterin des St. Pöltner Frauenhauses, „auch wenn wir das natürlich nach innen nicht vermitteln wollen. Die Frauen sollen sich ja nicht wie im Gefängnis fühlen.“ Dennoch sind die Sicherheitsvorkehrungen notwendig. Zwar ist die Adresse nicht leicht zu eruieren, „aber selbst jene, die sie nicht wissen sollten, wissen, wo wir sind“, spielt Imlinger auf die gewalttätigen Partner der Frauen an, die mitunter auftauchen und sich Einlass verschaffen möchten. Ohne Erfolg. Die Sicherheitsvorkehrungen zeigen ebenso Wirkung wie die Polizei, „die ein wachsames Auge auf uns wirft.“ Und das nicht ohne Grund. Das Bedrohungspotenzial ist leider omnipräsent: Nicht nur für die Frauen selbst, sondern auch für die Einrichtung an sich. Im Jahr 1990 – damals noch an anderer Stelle – passierte das Unfassbare: Ein Mann drang in das Haus der Frau ein, verletzte eine Frau (nicht seine!) und ein Kind schwer und nahm, bevor er sich selbst richtete, einen Polizeibeamten mit in den Tod. „Das war damals ein Angriff auf die Einrichtung!“, ist Imlinger überzeugt.
Auch die Mitarbeiter des Frauenhauses werden also nolens volens in den Kreis der Gewalt hinein gezogen. Zu Gerichtsverhandlungen begleitet deshalb nie die Betreuerin einer Frau selbige, sondern eine Kollegin – die Identität der Betreuerin soll geschützt werden. Was nicht immer gelingt. Imlinger selbst hat nicht erst einmal Drohbriefe, ja sogar Morddrohungen bekommen. Bisweilen lassen sich Kolleginnen, die Angst haben, von ihren Männern zur Arbeit bringen und wieder abholen, „und eine Kollegin aus Wien wurde eine Zeit lang von der Polizei vom Bahnhof zu uns und wieder retour eskortiert.“
Ein hoher Preis für eine wichtige Arbeit. Und Anklang dessen, womit sich die Frauen, die im Haus der Frau Schutz suchen, noch in viel intensiverer Weise konfrontiert sehen: Gewalt. Angst. Verfolgung. Durch den eigenen „Partner“!
Tätermänner und Opferfrauen
Dabei sind es praktisch immer Männer, die innerhalb der eigenen vier Wände zuschlagen. Dem Versuch, diese in die Opferrolle zu hieven und damit das Thema zu relativieren, erteilt Imlinger daher eine scharfe Absage: „Natürlich werden auch Männer Opfer von Gewalt – aber durch andere Männer! In häuslichen Beziehungen sind zu 99% die Frau bzw. die Kinder die Opfer, dazu genügt ein Blick auf die Statistik über Mordversuche und Morde.“
Für Frauen ist das Frauenhaus oft der letzte Ausweg. Wenn sich Imlinger dann mit Aussagen wie unlängst jener der Amstettner FP-Politikerin Brigitte Kashofer konfrontiert sieht, die meinte, Frauenhäuser seien „an der nachhaltigen Zerstörung von Ehen und Partnerschaften maßgeblich beteiligt“ (im Vorjahr ließ die FP-Politikerin übrigens mit der Theorie aufhorchen, dass Gender Mainstreaming Familien zerstöre und nichts anderes sei, als die Fortsetzung des 2. Weltkrieges mit effektiveren Waffen. Anm.), dann kann die ansonsten gelassen wirkende Leiterin schon einmal in Rage geraten. Wobei sie sich v. a. auch an der verkürzten Berichterstattung stieß. „Ich verstehe nicht, wie man einer einigermaßen einfach strukturierten Politikerin derart viel Raum widmet – und dies, ohne die Fakten entgegenzusetzen.“
Diese sind wahrlich schockierend, ebenso wie die Tatsache – was schon einige Rückschlüsse auf den (bewusst schlampigen?) gesellschaftlichen Umgang mit dem Thema in Österreich zulässt – dass es hierzulande auch im Jahr 2012 noch immer keine seriöse Studie zu dem Thema gibt! Prinzipiell gehen Experten davon aus, dass jede fünfte Frau, möglicherweise sogar jede vierte, zumindest einmal in ihrem Leben Opfer von häuslicher Gewalt wird. Wobei es oft nicht bei dem einmaligen Ereignis bleibt, sondern häusliche Gewalt, wie es die Wiener Gerichtsmedizinerin Andrea Berzlanovich definiert „ein System von Misshandlungen ist, das auf Macht und Kontrolle abzielt."
Dabei sind es praktisch immer Männer, die innerhalb der eigenen vier Wände zuschlagen. Dem Versuch, diese in die Opferrolle zu hieven und damit das Thema zu relativieren, erteilt Imlinger daher eine scharfe Absage: „Natürlich werden auch Männer Opfer von Gewalt – aber durch andere Männer! In häuslichen Beziehungen sind zu 99% die Frau bzw. die Kinder die Opfer, dazu genügt ein Blick auf die Statistik über Mordversuche und Morde.“
Für Frauen ist das Frauenhaus oft der letzte Ausweg. Wenn sich Imlinger dann mit Aussagen wie unlängst jener der Amstettner FP-Politikerin Brigitte Kashofer konfrontiert sieht, die meinte, Frauenhäuser seien „an der nachhaltigen Zerstörung von Ehen und Partnerschaften maßgeblich beteiligt“ (im Vorjahr ließ die FP-Politikerin übrigens mit der Theorie aufhorchen, dass Gender Mainstreaming Familien zerstöre und nichts anderes sei, als die Fortsetzung des 2. Weltkrieges mit effektiveren Waffen. Anm.), dann kann die ansonsten gelassen wirkende Leiterin schon einmal in Rage geraten. Wobei sie sich v. a. auch an der verkürzten Berichterstattung stieß. „Ich verstehe nicht, wie man einer einigermaßen einfach strukturierten Politikerin derart viel Raum widmet – und dies, ohne die Fakten entgegenzusetzen.“
Diese sind wahrlich schockierend, ebenso wie die Tatsache – was schon einige Rückschlüsse auf den (bewusst schlampigen?) gesellschaftlichen Umgang mit dem Thema in Österreich zulässt – dass es hierzulande auch im Jahr 2012 noch immer keine seriöse Studie zu dem Thema gibt! Prinzipiell gehen Experten davon aus, dass jede fünfte Frau, möglicherweise sogar jede vierte, zumindest einmal in ihrem Leben Opfer von häuslicher Gewalt wird. Wobei es oft nicht bei dem einmaligen Ereignis bleibt, sondern häusliche Gewalt, wie es die Wiener Gerichtsmedizinerin Andrea Berzlanovich definiert „ein System von Misshandlungen ist, das auf Macht und Kontrolle abzielt."
Spirale ins Bodenlose
Gewalt ist dabei nicht gleich Gewalt – aber IMMER Gewalt! Sie kann unterschiedliche Gesichter tragen, wie Imlinger ausführt: „Es gibt körperliche Gewalt – das reicht vom Reißen, Stoßen und Schlagen bis hin zum Mord; sexuelle Gewalt, den anderen also zu sexuellen Praktiken zwingen, die er nicht möchte; psychische Gewalt, etwa das stete Niedermachen des anderen ‚Du bist schirch! Du bist fett! Du bist zu dünn!’ etc. sowie bewusste Demütigungen ‚Du bist eine schlechte Mutter! Du kannst überhaupt nichts!’; finanzielle Gewalt im Sinne finanzieller Abhängigkeit und Kontrolle. ‚Ohne mich bist du schlecht gestellt!’“
Die Frauen, die ins Frauenhaus kommen, haben häufig die gesamte „Gewaltpalette“ kennengelernt, viele von ihnen schon ein (oft jahrelanges) Martyrium hinter sich. Für Außenstehende ist es schwer nachzuvollziehen, warum die Opfer sich so lange quälen lassen, bevor sie aktiv werden – so sie es denn überhaupt jemals werden. Imlinger verweist auf die fatale Dynamik von Gewaltbeziehungen. „Für Frauen ist oft gar nicht abschätzbar, ab wann sie in einer gewalttätigen Beziehung leben.“ Zum einen, weil sie es anfangs wohl gar nicht wahrhaben möchten: „Man muss bedenken, es geht um jemanden, den man in der Regel liebt. Den man geheiratet hat. Mit dem man sein Leben geplant hat. Der Intimpartner ist“, zum anderen, weil der Prozess schleichend vor sich geht. „Das baut sich auf. Irgendwann passiert dann ein Stoßen, ein Rempler, eine Watsche – häufig gekoppelt an eine konkrete Kritik. Wenn dann nichts klar entgegensetzt wird, dann werden die Abstände des Gewaltübergriffs kürzer und die Formen immer brutaler.“ Häufig reagieren die Opfer sogar gegenteilig, suchen die Schuld bei sich selbst „vielleicht hat er ja recht“ oder sie relativieren aus einem falsch verstandenen Liebesbegriff „er ist ja nur eifersüchtig!“
Durch den Übergriff wird aber etwas nachhaltig erschüttert, was bleibt ist Angst. „Deshalb unternehmen Frauen alles, um Situationen wie diese nicht mehr heraufzubeschwören. Sie nehmen zunehmend die Sichtweise des Mannes an: Wie muss ich mich verhalten, damit er so nicht mehr reagiert.“ Fatalerweise liegen sie dabei einem Irrglauben auf, denn der Gewalttäter wird immer neue Gründe finden, um zuzuschlagen, womit Imlinger auch mit der Mär vom Affekttäter aufräumt. „Das ist eine ganz bewusste Handlung!“ Ausreden à la „Ich habe mich so über den Chef geärgert“, sind dabei ebenso eine Lüge „weil dann hätte man den Chef schlagen müssen“, wie der Versuch, sich auf eigene Misshandlung während der Kindheit auszureden. „Dann müssten 90% der Frauen, die ja großteils die Opfer von Misshandlung sind, ihre Männer schlagen.“ Tun sie aber nicht, weil es im Falle von häuslicher Gewalt um andere Parameter geht: Um Macht, Kontrolle, Unterwerfung.
Durch die völlige Fokussierung auf den Mann sowie die sukzessive Isolierung der Frau durch den Mann verliert diese zusehends ihr eigenes Ich, wird als Person gebrochen. „Er überwacht ihr Handy, ihre Wege, verbietet ihr, sich mit bestimmten Menschen zu treffen, bestimmte Veranstaltungen zu besuchen, fordert genau Rechenschaft über ihre Ausgaben etc.“ Außerdem, womit sich der Isolationskreislauf sozusagen schließt, verbietet er ihr unter Drohung über die Vorfälle zu sprechen: „Du wirst schon sehen, was passiert, wenn du etwas erzählst.“ Aus diesem Kreislauf ist nur schwer auszubrechen.
Gewalt ist dabei nicht gleich Gewalt – aber IMMER Gewalt! Sie kann unterschiedliche Gesichter tragen, wie Imlinger ausführt: „Es gibt körperliche Gewalt – das reicht vom Reißen, Stoßen und Schlagen bis hin zum Mord; sexuelle Gewalt, den anderen also zu sexuellen Praktiken zwingen, die er nicht möchte; psychische Gewalt, etwa das stete Niedermachen des anderen ‚Du bist schirch! Du bist fett! Du bist zu dünn!’ etc. sowie bewusste Demütigungen ‚Du bist eine schlechte Mutter! Du kannst überhaupt nichts!’; finanzielle Gewalt im Sinne finanzieller Abhängigkeit und Kontrolle. ‚Ohne mich bist du schlecht gestellt!’“
Die Frauen, die ins Frauenhaus kommen, haben häufig die gesamte „Gewaltpalette“ kennengelernt, viele von ihnen schon ein (oft jahrelanges) Martyrium hinter sich. Für Außenstehende ist es schwer nachzuvollziehen, warum die Opfer sich so lange quälen lassen, bevor sie aktiv werden – so sie es denn überhaupt jemals werden. Imlinger verweist auf die fatale Dynamik von Gewaltbeziehungen. „Für Frauen ist oft gar nicht abschätzbar, ab wann sie in einer gewalttätigen Beziehung leben.“ Zum einen, weil sie es anfangs wohl gar nicht wahrhaben möchten: „Man muss bedenken, es geht um jemanden, den man in der Regel liebt. Den man geheiratet hat. Mit dem man sein Leben geplant hat. Der Intimpartner ist“, zum anderen, weil der Prozess schleichend vor sich geht. „Das baut sich auf. Irgendwann passiert dann ein Stoßen, ein Rempler, eine Watsche – häufig gekoppelt an eine konkrete Kritik. Wenn dann nichts klar entgegensetzt wird, dann werden die Abstände des Gewaltübergriffs kürzer und die Formen immer brutaler.“ Häufig reagieren die Opfer sogar gegenteilig, suchen die Schuld bei sich selbst „vielleicht hat er ja recht“ oder sie relativieren aus einem falsch verstandenen Liebesbegriff „er ist ja nur eifersüchtig!“
Durch den Übergriff wird aber etwas nachhaltig erschüttert, was bleibt ist Angst. „Deshalb unternehmen Frauen alles, um Situationen wie diese nicht mehr heraufzubeschwören. Sie nehmen zunehmend die Sichtweise des Mannes an: Wie muss ich mich verhalten, damit er so nicht mehr reagiert.“ Fatalerweise liegen sie dabei einem Irrglauben auf, denn der Gewalttäter wird immer neue Gründe finden, um zuzuschlagen, womit Imlinger auch mit der Mär vom Affekttäter aufräumt. „Das ist eine ganz bewusste Handlung!“ Ausreden à la „Ich habe mich so über den Chef geärgert“, sind dabei ebenso eine Lüge „weil dann hätte man den Chef schlagen müssen“, wie der Versuch, sich auf eigene Misshandlung während der Kindheit auszureden. „Dann müssten 90% der Frauen, die ja großteils die Opfer von Misshandlung sind, ihre Männer schlagen.“ Tun sie aber nicht, weil es im Falle von häuslicher Gewalt um andere Parameter geht: Um Macht, Kontrolle, Unterwerfung.
Durch die völlige Fokussierung auf den Mann sowie die sukzessive Isolierung der Frau durch den Mann verliert diese zusehends ihr eigenes Ich, wird als Person gebrochen. „Er überwacht ihr Handy, ihre Wege, verbietet ihr, sich mit bestimmten Menschen zu treffen, bestimmte Veranstaltungen zu besuchen, fordert genau Rechenschaft über ihre Ausgaben etc.“ Außerdem, womit sich der Isolationskreislauf sozusagen schließt, verbietet er ihr unter Drohung über die Vorfälle zu sprechen: „Du wirst schon sehen, was passiert, wenn du etwas erzählst.“ Aus diesem Kreislauf ist nur schwer auszubrechen.
Last/First Exit Frauenhaus
Jene Frauen, die es doch schaffen und etwa mit dem Haus der Frau Kontakt aufnehmen, könnten dabei – auch wenn sie ein ähnliches Schicksal teilen – unterschiedlicher nicht sein: Die Altersbandbreite reicht von „18 Jahren bis über 70“, sie kommen aus verschiedenen Milieus und sind unterschiedlicher Herkunft, wobei Imlinger gleich mit einem Vorurteil aufräumt: „Natürlich haben wir neben Österreicherinnen z. B. auch Türkinnen im Haus. Ebenso Frauen mit anderem Migrationshintergrund, wobei dabei eines auffällt: Viele von ihnen sind mit gebürtigen Österreichern zusammen.“
Überraschend erscheint, dass die meisten Frauen nicht aus einer Akutsituation heraus kommen, sondern den Schritt geplant haben. „Fast alle rufen vorher an. Viele kommen in Folge auf ein Gespräch vorbei, lassen sich beraten, was sie tun können – nicht nur in sozialer, sondern auch in rechtlicher und finanzieller Hinsicht!“ Einige ziehen schließlich ein, wobei die Verweildauer je nach Gefährdungspotenzial und Begleitumständen variiert, „von einem Tag über ein paar Wochen bis hin zu einem Jahr!“
Viele Frauen kommen auch mit ihren Kindern, weshalb übers Jahr hin neben 90 Frauen auch rund 90 Kinder zumindest eine Zeit lang im Frauenhaus wohnen. „Das ist ein ganz schön bunter Trupp“, schmunzelt Imlinger. Freilich sind viele von ihnen wie ihre Mütter vom Erlebten gezeichnet, müssen professionell betreut werden. „Sowohl das Erleben der Gewalt zwischen den Eltern ist traumatisch, als auch – in noch höherem Maße – wenn die Kinder selbst Opfer von Gewalt werden“, so Imlinger, die nachdenklich hinzufügt: „Es ist schon tragisch, wenn sich zwölfjährige Kinder vor lauter Angst vor dem Vater in die Hose machen.“
Wobei sie, wenn keine Gefahr besteht, den Kontakt zum Vater für sinnvoll erachtet, „weil er sonst entweder zum Monster oder zum Märchenprinzen gemacht wird. Beides entspricht zumeist nicht der Realität.“
Jene Frauen, die es doch schaffen und etwa mit dem Haus der Frau Kontakt aufnehmen, könnten dabei – auch wenn sie ein ähnliches Schicksal teilen – unterschiedlicher nicht sein: Die Altersbandbreite reicht von „18 Jahren bis über 70“, sie kommen aus verschiedenen Milieus und sind unterschiedlicher Herkunft, wobei Imlinger gleich mit einem Vorurteil aufräumt: „Natürlich haben wir neben Österreicherinnen z. B. auch Türkinnen im Haus. Ebenso Frauen mit anderem Migrationshintergrund, wobei dabei eines auffällt: Viele von ihnen sind mit gebürtigen Österreichern zusammen.“
Überraschend erscheint, dass die meisten Frauen nicht aus einer Akutsituation heraus kommen, sondern den Schritt geplant haben. „Fast alle rufen vorher an. Viele kommen in Folge auf ein Gespräch vorbei, lassen sich beraten, was sie tun können – nicht nur in sozialer, sondern auch in rechtlicher und finanzieller Hinsicht!“ Einige ziehen schließlich ein, wobei die Verweildauer je nach Gefährdungspotenzial und Begleitumständen variiert, „von einem Tag über ein paar Wochen bis hin zu einem Jahr!“
Viele Frauen kommen auch mit ihren Kindern, weshalb übers Jahr hin neben 90 Frauen auch rund 90 Kinder zumindest eine Zeit lang im Frauenhaus wohnen. „Das ist ein ganz schön bunter Trupp“, schmunzelt Imlinger. Freilich sind viele von ihnen wie ihre Mütter vom Erlebten gezeichnet, müssen professionell betreut werden. „Sowohl das Erleben der Gewalt zwischen den Eltern ist traumatisch, als auch – in noch höherem Maße – wenn die Kinder selbst Opfer von Gewalt werden“, so Imlinger, die nachdenklich hinzufügt: „Es ist schon tragisch, wenn sich zwölfjährige Kinder vor lauter Angst vor dem Vater in die Hose machen.“
Wobei sie, wenn keine Gefahr besteht, den Kontakt zum Vater für sinnvoll erachtet, „weil er sonst entweder zum Monster oder zum Märchenprinzen gemacht wird. Beides entspricht zumeist nicht der Realität.“
Das 3-b-Prinzip
Insgesamt kümmern sich sieben Angestellte und 14 ehrenamtliche Mitarbeiter um die Frauen und Kinder, die quasi nach dem "3-b-Prinzip" arbeiten: beschützen, beraten, begleiten. Zieht eine Frau ein, „geht es zunächst einmal darum, dass sie zur Ruhe kommt, sich sicher fühlt“, so Imlinger. Zeitgleich gilt es die unmittelbaren, durch den (zumindest vorübergehenden) Auszug von zuhause verursachten Gegebenheiten abzuklären – wie ist das mit dem Arbeitsplatz, mit dem Kindergarten, der Schule. „Viele Frauen kommen ja aus anderen Landesteilen, da muss man das rasch klären“, wobei zu den hiesigen Behörden guter Kontakt bestehe.
In weiterer Folge bemüht sich das Team um eine Stabilisierung der Lage, vermittelt die Klientin im Bedarfsfall auch zu etwaigen anderen Sozial- und Therapieeinrichtungen weiter, hilft beim Abklären der Lebenssituation, bis die Frau für sich weiß, was sie weiter unternehmen möchte. Die Erfahrung zeigt, dass etwa 30% zurück zu ihrem Partner gehen, andere verlassen ihn für immer, lassen sich scheiden, bauen eine neue Existenz auf. Auch in diesem Fall begleitet das Haus der Frau seine Klientinnen, z. B. bei (problembehafteten) Scheidungsverfahren, bei diversen Behördengängen sowie bei der Arbeits- und Wohnungssuche. „Letztendlich geht es um eine Hilfestellung bei der Frage ‚Was muss sich verändern in meinem Leben‘“, fasst Imlinger die Bemühungen zusammen. Und auch wenn sie aus langjähriger Beobachtung weiß, dass sich im Fall einer Rückkehr der Frau die Situation auf Sicht selten ändert, sich die Gewaltspirale – trotz Versprechungen des Mannes – sehr bald wieder aufs Neue zu drehen beginnt, betont sie „dass dies zu bestimmen nicht unsere Aufgabe ist. Die Entscheidung, wie sie weiter vorgehen möchte, muss jede Frau für sich allein treffen. Es ist ihr Leben!“
Eines, das nach dem Aufenthalt im Haus der Frau jedenfalls um eine fundamentale Erkenntnis reicher ist: „Ich bin nicht ohnmächtig. Ich kann etwas tun, die Sache selbst in die Hand nehmen. Ich bin nicht allein. Es gibt Menschen, die mir helfen! FAKTEN
Eine deutsche, auch auf Österreich umlegbare Prävalenzstudie unter 10.264 Frauen ab 16 Jahren ergab, dass
• 37 Prozent der befragten Frauen zumindest einmal in ihrem Leben körperliche Gewalt (von Ohrfeigen bis hin zu Verprügeln und Waffengewalt) erlitten hatten.
• 13 Prozent der Befragten zumindest einmal Sex-Attacken in strafrechtlich relevantem Ausmaß erlitten hatten.
• 58 Prozent der Frauen schon einmal sexuell belästigt worden waren.
• 42 Prozent aller Frauen psychische Gewalt (von Einschüchterung bis hin zu Psychoterror) erlitten hatten.
• 2010 verfügte die Exekutive in Österreich 6.759 Wegweisungen wegen Gewalt in der Familie, es gab 2.534 Anzeigen nach dem Anti-Stalking Gesetz. Mehr als 50% aller Morde passiert im Familien- und Bekanntenkreis, die Opfer sind mehrheitlich Frauen und Kinder.
• Im Bereich der Bundespolizeidirektion St. Pölten gab es im Jahr 2011 insgesamt 49 Interventionen im Hinblick auf häusliche Gewalt, es wurden 77 Betretungsverbote ausgesprochen sowie 12 einstweilige Verfügungen erlassen.
Insgesamt kümmern sich sieben Angestellte und 14 ehrenamtliche Mitarbeiter um die Frauen und Kinder, die quasi nach dem "3-b-Prinzip" arbeiten: beschützen, beraten, begleiten. Zieht eine Frau ein, „geht es zunächst einmal darum, dass sie zur Ruhe kommt, sich sicher fühlt“, so Imlinger. Zeitgleich gilt es die unmittelbaren, durch den (zumindest vorübergehenden) Auszug von zuhause verursachten Gegebenheiten abzuklären – wie ist das mit dem Arbeitsplatz, mit dem Kindergarten, der Schule. „Viele Frauen kommen ja aus anderen Landesteilen, da muss man das rasch klären“, wobei zu den hiesigen Behörden guter Kontakt bestehe.
In weiterer Folge bemüht sich das Team um eine Stabilisierung der Lage, vermittelt die Klientin im Bedarfsfall auch zu etwaigen anderen Sozial- und Therapieeinrichtungen weiter, hilft beim Abklären der Lebenssituation, bis die Frau für sich weiß, was sie weiter unternehmen möchte. Die Erfahrung zeigt, dass etwa 30% zurück zu ihrem Partner gehen, andere verlassen ihn für immer, lassen sich scheiden, bauen eine neue Existenz auf. Auch in diesem Fall begleitet das Haus der Frau seine Klientinnen, z. B. bei (problembehafteten) Scheidungsverfahren, bei diversen Behördengängen sowie bei der Arbeits- und Wohnungssuche. „Letztendlich geht es um eine Hilfestellung bei der Frage ‚Was muss sich verändern in meinem Leben‘“, fasst Imlinger die Bemühungen zusammen. Und auch wenn sie aus langjähriger Beobachtung weiß, dass sich im Fall einer Rückkehr der Frau die Situation auf Sicht selten ändert, sich die Gewaltspirale – trotz Versprechungen des Mannes – sehr bald wieder aufs Neue zu drehen beginnt, betont sie „dass dies zu bestimmen nicht unsere Aufgabe ist. Die Entscheidung, wie sie weiter vorgehen möchte, muss jede Frau für sich allein treffen. Es ist ihr Leben!“
Eines, das nach dem Aufenthalt im Haus der Frau jedenfalls um eine fundamentale Erkenntnis reicher ist: „Ich bin nicht ohnmächtig. Ich kann etwas tun, die Sache selbst in die Hand nehmen. Ich bin nicht allein. Es gibt Menschen, die mir helfen! FAKTEN
Eine deutsche, auch auf Österreich umlegbare Prävalenzstudie unter 10.264 Frauen ab 16 Jahren ergab, dass
• 37 Prozent der befragten Frauen zumindest einmal in ihrem Leben körperliche Gewalt (von Ohrfeigen bis hin zu Verprügeln und Waffengewalt) erlitten hatten.
• 13 Prozent der Befragten zumindest einmal Sex-Attacken in strafrechtlich relevantem Ausmaß erlitten hatten.
• 58 Prozent der Frauen schon einmal sexuell belästigt worden waren.
• 42 Prozent aller Frauen psychische Gewalt (von Einschüchterung bis hin zu Psychoterror) erlitten hatten.
• 2010 verfügte die Exekutive in Österreich 6.759 Wegweisungen wegen Gewalt in der Familie, es gab 2.534 Anzeigen nach dem Anti-Stalking Gesetz. Mehr als 50% aller Morde passiert im Familien- und Bekanntenkreis, die Opfer sind mehrheitlich Frauen und Kinder.
• Im Bereich der Bundespolizeidirektion St. Pölten gab es im Jahr 2011 insgesamt 49 Interventionen im Hinblick auf häusliche Gewalt, es wurden 77 Betretungsverbote ausgesprochen sowie 12 einstweilige Verfügungen erlassen.
EINRICHTUNGEN
HAUS DER FRAU ST. PÖLTEN
02742/366 514;
hausderfrau.st.poelten@pgv.at
www.frauenhaus-stpoelten.at
Spendenkonto RB Region St. Pölten
BLZ 32585, Kontonummer 95.000
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GEWALTSCHUTZZENTRUM NIEDERÖSTERREICH
Kremsergasse 37/1, 3100 St. Pölten
02742/ 319 66;
office.st.poelten@gewaltschutzzentrum-noe.at
www.gewaltschutzzentrum.at/noe
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INTERVIEW: "Ein Jahr im Niemandsland"
Zwei Damen zogen ihr Angebot, über ihre Erfahrungen in einer gewalttätigen Beziehung zu sprechen, wieder zurück. Zu belastend scheint die Erinnerung zu sein. Schließlich klappt es aber doch, und wir sitzen im Frauenhaus Angelika S. (Name geändert, Anm.) gegenüber – ein Umstand, der ihr selbst irgendwie unwirklich vorkommt. „Bis vor einem Jahr hatte ich ein perfektes Leben: eine tolle Beziehung, ein tolles Kind, ein tolles Haus!“, erzählt sie. Doch dann lief etwas aus dem Ruder, „wobei ich nicht Opfer von körperlicher, sondern von psychischer Gewalt geworden bin“, wie sie betont.
Vor einem Jahr, das war in etwa jener Zeitpunkt, als bei ihrem Mann die Diagnose „Burnout“ gestellt wurde: „Er ging in Folge auf Kur. Während dieser Zeit hat er den Kontakt zu uns völlig abgebrochen.“ Auch nach seiner Rückkehr zieht sich der Gatte zurück, ist wie ausgewechselt. „Er ist stundenlang nur so da gesessen, hat in die Luft gestarrt.“ So sehr sich Frau S. auch bemüht, sie dringt nicht mehr zu ihm durch. „Er hat plötzlich alles in Frage gestellt: Brauchen wir das alles? Das Haus? Die Freunde, die ohnedies alle Arschlöcher sind. Ist unsere Beziehung nicht nur mehr Gewohnheit?“ Ein Mann in der Krise, der irgendwann meinte: „‘Am liebsten wäre mir, ihr zieht aus!‘ Ich hab ihm damals gesagt, wenn ich ausziehe, lasse ich mich aber auch scheiden!“ In Folge beginnt Frau S., für die die Situation zuhause zusehends unerträglicher wird, mit der Wohnungssuche. Als ihr Mann bemerkt, dass sie es ernst meint, folgen erste Einschüchterungsversuche à la „Ich würde mich schon anschauen, wenn ich wirklich ausziehe – ich bekäme gar nichts!“ Schließlich spricht der Gatte offene Drohungen aus: „Er hat gesagt ‘Ich sprenge das Haus in die Luft‘, wobei er genau erklärte, wie er es machen wird, dass er den Gashahn aufdrehen wird, und dann von der Galerie oben ein Zündholz hinunterschmeißt.“ Es ist laufender Psychoterror, dem Frau S. ausgesetzt ist. Das Zusammenleben mit ihrem Gatten, mit dem sie seit 24 Jahren zusammen ist, macht ihr Angst.
Deshalb beschließt sie auch, nachdem die gefundene Wohnung erst mit Mai frei wird, die Zwischenzeit im Frauenhaus zu verbringen. Als Einzugstermin wird der Jahresbeginn avisiert. Doch es kommt anders. Am 20. Dezember übergibt ihr ihr Mann zwei Zettel. „Auf einem stand, dass ich alles haben könne, was ich wolle. Es würde alles reibungslos ablaufen. Auf dem zweiten beschrieb er akribisch, wie er das Haus in die Luft jagt, und dass ich für alles verantwortlich sei.“ Über eine Vertrauensperson und in Folge einen Anwalt wird die Polizei alarmiert, die den Gatten zur Einvernahme abholt. Frau S. packt in aller Eile das Notwendigste zusammen, am selben Abend zieht sie mit ihrem Sohn im Frauenhaus ein. „Für mich war klar, dass ich nicht zuhause sein kann, wenn er zurückkommt.“
Deshalb beschließt sie auch, nachdem die gefundene Wohnung erst mit Mai frei wird, die Zwischenzeit im Frauenhaus zu verbringen. Als Einzugstermin wird der Jahresbeginn avisiert. Doch es kommt anders. Am 20. Dezember übergibt ihr ihr Mann zwei Zettel. „Auf einem stand, dass ich alles haben könne, was ich wolle. Es würde alles reibungslos ablaufen. Auf dem zweiten beschrieb er akribisch, wie er das Haus in die Luft jagt, und dass ich für alles verantwortlich sei.“ Über eine Vertrauensperson und in Folge einen Anwalt wird die Polizei alarmiert, die den Gatten zur Einvernahme abholt. Frau S. packt in aller Eile das Notwendigste zusammen, am selben Abend zieht sie mit ihrem Sohn im Frauenhaus ein. „Für mich war klar, dass ich nicht zuhause sein kann, wenn er zurückkommt.“
Neuanfang. Der Anfang im Frauenhaus sei zwar ungewohnt gewesen, „aber es war ein gutes Gefühl, mich und mein Kind in Sicherheit zu wissen. Erst im Frauenhaus habe ich gemerkt, wie erschöpft ich bin.“ Dabei, so führt sie aus, „hatte ich die schlechteste Zeit schon im Oktober, damals hab ich auch Antidepressiva genommen. Man will ja die Beziehung retten, und ich wollte den Grund für sein Verhalten erfahren – aber den weiß ich bis heute nicht.“ Noch im Jänner, so räumt Frau S. ein, wäre sie wohl zu ihrem Mann zurückgegangen, „wenn er gesagt hätte, es tut ihm leid.“ Nachsatz: „Die Wohnung hätte ich aber jedenfalls behalten!“, was auch mit einer Erfahrung im Frauenhaus zu tun haben mag. „Eines Tages zog eine Dame ein, die schon einmal hier gewesen war – dazwischen war sie zu ihrem Mann zurückgekehrt. Da dachte ich mir: ‚Das passiert mir sicher nicht!‘“
Relativ unbeschadet nimmt der Sohn im Volksschulalter die Umstellung auf. „Ich hab relativ offen mit ihm gesprochen, habe schon im Herbst versucht, ihn auf die neue Situation vorzubereiten. Er hat ja auch gemerkt, dass etwas nicht stimmt.“
Insgesamt verbringt Frau S. fast fünf Monate im Frauenhaus. Danach übersiedelt sie in ihre neue Wohnung. Die eingereichte Scheidung zieht sich allerdings noch länger hin und bedeutet nach wie vor eine Zeit der Belastung. „Er hat mir lange nicht erlaubt, Sachen aus dem Haus zu holen. Er schickte unserem Sohn laufend SMS, wollte genau wissen, wo wir sind, mit wem wir unterwegs sind. Er wollte auch eine gewisse Abhängigkeit über das Auto erzeugen – das habe ich ihm dann einfach zurückgegeben." Sätze wie „du wirst dich noch anschauen ohne mich, das kannst du dir doch gar nicht leisten“ gehören ebenso zum Repertoire, wie der Versuch, ein schlechtes Gewissen zu erzeugen „kannst du wirklich verantworten, dass unser Sohn sein Haus verliert.“ Ein Höhepunkt ist, als der Gatte sich am Telefon als EVN-Mann ausgibt und von einer Mitarbeiterin des Frauenhauses die neue Adresse von Frau S. wissen möchte.
Seit Kurzem ist Frau S. geschieden, „das hat schon etwas Endgültiges“, sagt sie, und sie meint es in einem befreienden Sinn. Kontakt zum Mann gibt es über den Sohn nach wie vor. „Anfangs war die Ungewissheit noch sehr belastend. Holt er das Kind vielleicht irgendwann einfach von der Schule ab? Bringt er den Kleinen wieder zurück, wenn er bei ihm war? Wie kommt er mit dem Sohn zurecht – da hätte ich gern die Kontrolle gehabt“, gesteht sie. Heute dürfte die gemeinsame Obsorge aber einigermaßen funktionieren, auch wenn sich Frau S. noch immer mit Überwachungsversuchen seitens ihres Ex-Mannes konfrontiert sieht.
„Prinzipiell geht es mir aber gut“, meint sie abschließend, und fügt hinzu: „Jetzt will ich einfach wieder leben!“ Dereinst vielleicht auch wieder mit einem Mann, oder ist das Thema endgültig abgehakt. Frau S. lacht: „Nun, ich habe sicher nicht vor, so schnell wieder eine Beziehung einzugehen – aber sag niemals nie!“ Heute würde sie eine Liasion jedenfalls anders angehen. „Ich würde sicher nicht gleich mit dem Partner zusammenziehen. Und sollte es sich später doch ergeben, so würde ich auf jeden Fall meine eigene Wohnung behalten. Diese Unabhängigkeit gebe ich keinesfalls mehr auf!“
Relativ unbeschadet nimmt der Sohn im Volksschulalter die Umstellung auf. „Ich hab relativ offen mit ihm gesprochen, habe schon im Herbst versucht, ihn auf die neue Situation vorzubereiten. Er hat ja auch gemerkt, dass etwas nicht stimmt.“
Insgesamt verbringt Frau S. fast fünf Monate im Frauenhaus. Danach übersiedelt sie in ihre neue Wohnung. Die eingereichte Scheidung zieht sich allerdings noch länger hin und bedeutet nach wie vor eine Zeit der Belastung. „Er hat mir lange nicht erlaubt, Sachen aus dem Haus zu holen. Er schickte unserem Sohn laufend SMS, wollte genau wissen, wo wir sind, mit wem wir unterwegs sind. Er wollte auch eine gewisse Abhängigkeit über das Auto erzeugen – das habe ich ihm dann einfach zurückgegeben." Sätze wie „du wirst dich noch anschauen ohne mich, das kannst du dir doch gar nicht leisten“ gehören ebenso zum Repertoire, wie der Versuch, ein schlechtes Gewissen zu erzeugen „kannst du wirklich verantworten, dass unser Sohn sein Haus verliert.“ Ein Höhepunkt ist, als der Gatte sich am Telefon als EVN-Mann ausgibt und von einer Mitarbeiterin des Frauenhauses die neue Adresse von Frau S. wissen möchte.
Seit Kurzem ist Frau S. geschieden, „das hat schon etwas Endgültiges“, sagt sie, und sie meint es in einem befreienden Sinn. Kontakt zum Mann gibt es über den Sohn nach wie vor. „Anfangs war die Ungewissheit noch sehr belastend. Holt er das Kind vielleicht irgendwann einfach von der Schule ab? Bringt er den Kleinen wieder zurück, wenn er bei ihm war? Wie kommt er mit dem Sohn zurecht – da hätte ich gern die Kontrolle gehabt“, gesteht sie. Heute dürfte die gemeinsame Obsorge aber einigermaßen funktionieren, auch wenn sich Frau S. noch immer mit Überwachungsversuchen seitens ihres Ex-Mannes konfrontiert sieht.
„Prinzipiell geht es mir aber gut“, meint sie abschließend, und fügt hinzu: „Jetzt will ich einfach wieder leben!“ Dereinst vielleicht auch wieder mit einem Mann, oder ist das Thema endgültig abgehakt. Frau S. lacht: „Nun, ich habe sicher nicht vor, so schnell wieder eine Beziehung einzugehen – aber sag niemals nie!“ Heute würde sie eine Liasion jedenfalls anders angehen. „Ich würde sicher nicht gleich mit dem Partner zusammenziehen. Und sollte es sich später doch ergeben, so würde ich auf jeden Fall meine eigene Wohnung behalten. Diese Unabhängigkeit gebe ich keinesfalls mehr auf!“
INTERVIEW: "Aus dem Gewaltkreislauf ausbrechen"
Einrichtungen für Opfer von Gewalt sind einigermaßen bekannt. Man hat schon mal von Frauenhäusern gehört, Frauenschutzzentren etc. Aber wohin wenden sich Täter, die Hilfe suchen? Unter anderem an Menschen wie Herbert Oswald, seines Zeichens nicht nur diplomierter Ehe- und Familienberater, sondern auch Gewaltberater und Gewaltpädagoge.
Es wird viel über Gewalt gesprochen. Tätliche Gewalt, psychische Gewalt – welche Formen gibt es?
Im Grunde genommen gehen wir von einem einzigen Gewaltbegriff aus. Auch das Androhen von Gewalt ist bereits Gewalt. Ich verletze damit jemanden emotional, mache ihm Angst.
Im Grunde genommen gehen wir von einem einzigen Gewaltbegriff aus. Auch das Androhen von Gewalt ist bereits Gewalt. Ich verletze damit jemanden emotional, mache ihm Angst.
Wie wird man eigentlich zu einem Gewalttäter?
Prinzipiell sind Gewalttäter Menschen in der Krise. Sie sind mit der Welt, dem Leben überfordert. Und – das zeigt sich in praktisch allen Fällen – sie sind völlig vereinsamt. Da gibt es niemanden mehr, mit dem sie noch reden können.
Niemand wird also von einem Tag auf den anderen zum Gewalttäter, sondern das ist ein Prozess. Zu Beginn ist da ein Gefühl der Hilflosigkeit, der Ohnmacht, der Angst, der Sprachlosigkeit. Emotionen, die man nicht haben möchte, und deshalb verdrängt. An ihre Stelle treten Wut, Zorn, Hass. Aber auch diese Emotionen sind unangenehm. Man beginnt ein Konstrukt aufzubauen, das einem vermeintlich Sicherheit gibt: Ich bin mächtig. Ich bin stark. Ich kontrolliere die Situation. Ich habe alles im Griff. Die Person beginnt sich dabei sukzessive emotional abzustellen, es erfolgt eine regelrechte Depersonalisierung. Das Gegenüber wird vom Subjekt zum Objekt degradiert und entwertet. So ist es etwa auch – um eine Extremsituation anzuführen – erklärbar, warum in einem Krieg vermeintlich normale Menschen zu den schlimmsten Gräueltaten fähig werden. Sie sind, wie auch der Gewalttäter im letzten Stadium, völlig depersonalisiert. Tatsächlich wirken diese Personen, wie man es nach Gewaltverbrechen immer wieder hört, völlig ruhig. Und da wird’s brandgefährlich. Wut wäre noch eine Emotion, doch diese Personen haben den Kontakt zu sich praktisch völlig verloren. Nur so sind Wahnsinnstaten wie etwa jene des Vaters, der seinen eigenen Sohn ermordet, um damit die Mutter zu treffen, erklärbar. Das war eine ganz bewusst geplante Tat.
Das heißt, Gewalttäter handeln nicht im Affekt?
Richtig, die Gewalttat ist ein bewusster Akt. Ihr geht immer die Entscheidung voraus: Jetzt schlage ich zu.
Genau hier muss man in der Gewaltberatung bzw. in der Tätertherapie ansetzen. Der Gewalttäter muss ein Bewusstsein entwickeln, dass er in diesem Gewaltkreislauf steckt. Er muss begreifen, dass er – und nur er – für sein Handeln verantwortlich ist. Er muss sich der Schuldhaftigkeit dieses Handelns bewusst werden und Reue zeigen. Tut er dies ehrlich aus dem Wunsch heraus, dass er so nicht mehr sein will, dass er sich ändern möchte, dann hat er eine Chance, aus dem Gewaltkreislauf auszubrechen und Strategien zu entwickeln, damit er das nächste Mal nicht mehr zuschlägt.
Prinzipiell sind Gewalttäter Menschen in der Krise. Sie sind mit der Welt, dem Leben überfordert. Und – das zeigt sich in praktisch allen Fällen – sie sind völlig vereinsamt. Da gibt es niemanden mehr, mit dem sie noch reden können.
Niemand wird also von einem Tag auf den anderen zum Gewalttäter, sondern das ist ein Prozess. Zu Beginn ist da ein Gefühl der Hilflosigkeit, der Ohnmacht, der Angst, der Sprachlosigkeit. Emotionen, die man nicht haben möchte, und deshalb verdrängt. An ihre Stelle treten Wut, Zorn, Hass. Aber auch diese Emotionen sind unangenehm. Man beginnt ein Konstrukt aufzubauen, das einem vermeintlich Sicherheit gibt: Ich bin mächtig. Ich bin stark. Ich kontrolliere die Situation. Ich habe alles im Griff. Die Person beginnt sich dabei sukzessive emotional abzustellen, es erfolgt eine regelrechte Depersonalisierung. Das Gegenüber wird vom Subjekt zum Objekt degradiert und entwertet. So ist es etwa auch – um eine Extremsituation anzuführen – erklärbar, warum in einem Krieg vermeintlich normale Menschen zu den schlimmsten Gräueltaten fähig werden. Sie sind, wie auch der Gewalttäter im letzten Stadium, völlig depersonalisiert. Tatsächlich wirken diese Personen, wie man es nach Gewaltverbrechen immer wieder hört, völlig ruhig. Und da wird’s brandgefährlich. Wut wäre noch eine Emotion, doch diese Personen haben den Kontakt zu sich praktisch völlig verloren. Nur so sind Wahnsinnstaten wie etwa jene des Vaters, der seinen eigenen Sohn ermordet, um damit die Mutter zu treffen, erklärbar. Das war eine ganz bewusst geplante Tat.
Das heißt, Gewalttäter handeln nicht im Affekt?
Richtig, die Gewalttat ist ein bewusster Akt. Ihr geht immer die Entscheidung voraus: Jetzt schlage ich zu.
Genau hier muss man in der Gewaltberatung bzw. in der Tätertherapie ansetzen. Der Gewalttäter muss ein Bewusstsein entwickeln, dass er in diesem Gewaltkreislauf steckt. Er muss begreifen, dass er – und nur er – für sein Handeln verantwortlich ist. Er muss sich der Schuldhaftigkeit dieses Handelns bewusst werden und Reue zeigen. Tut er dies ehrlich aus dem Wunsch heraus, dass er so nicht mehr sein will, dass er sich ändern möchte, dann hat er eine Chance, aus dem Gewaltkreislauf auszubrechen und Strategien zu entwickeln, damit er das nächste Mal nicht mehr zuschlägt.
Das heißt Hilfe ist möglich?
Natürlich! Viele Menschen haben ja Strategien, wenn sie bemerken, dass sie überfordert sind und sozusagen heiß laufen: Sie können ihre Gefühle in der Situation zuordnen und ausdrücken, sprechen sich mit Freunden aus, gehen spazieren etc. Sie haben mehrere Möglichkeiten, landläufig als „Ventil“ bezeichnet, um ihren Ärger, ihre Ängste auszudrücken und somit abbauen zu können. Der Gewalttäter, egal ob Mann oder Frau, hingegen hat diese Möglichkeiten bzw. das Sensorium seine eigenen Gefühle zuzuordnen nicht mehr. Er geht über seine Grenze hinaus. Er muss also aus dem Bewusstsein der Selbstverantwortlichkeit heraus dieses Sensorium wieder entwickeln und Strategien, wie er seine und die Grenzen anderer nicht mehr überschreitet. Der Gewaltberater hilft ihm dabei und begleitet ihn auf diesem Weg.
Natürlich! Viele Menschen haben ja Strategien, wenn sie bemerken, dass sie überfordert sind und sozusagen heiß laufen: Sie können ihre Gefühle in der Situation zuordnen und ausdrücken, sprechen sich mit Freunden aus, gehen spazieren etc. Sie haben mehrere Möglichkeiten, landläufig als „Ventil“ bezeichnet, um ihren Ärger, ihre Ängste auszudrücken und somit abbauen zu können. Der Gewalttäter, egal ob Mann oder Frau, hingegen hat diese Möglichkeiten bzw. das Sensorium seine eigenen Gefühle zuzuordnen nicht mehr. Er geht über seine Grenze hinaus. Er muss also aus dem Bewusstsein der Selbstverantwortlichkeit heraus dieses Sensorium wieder entwickeln und Strategien, wie er seine und die Grenzen anderer nicht mehr überschreitet. Der Gewaltberater hilft ihm dabei und begleitet ihn auf diesem Weg.
Viele Gewalttäter führen ins Treffen, dass sie selbst in ihrer Kindheit Opfer von Gewalt wurden.
Das ist natürlich tragisch wenn dies in der Kindheit passiert ist, jedoch auf ihr eigenes Gewalthandeln bezogen sind das Beschwichtigungen, der Versuch, die Eigenverantwortung abzugeben. Die Täter wollen sich zum Opfer machen – nur das sind sie nicht. Sie sind es, die zuschlagen.
Das ist natürlich tragisch wenn dies in der Kindheit passiert ist, jedoch auf ihr eigenes Gewalthandeln bezogen sind das Beschwichtigungen, der Versuch, die Eigenverantwortung abzugeben. Die Täter wollen sich zum Opfer machen – nur das sind sie nicht. Sie sind es, die zuschlagen.
Apropos Opfer. Werden diese miteinbezogen?
Nach dem Phämoberateransatz, nach der ich arbeite, nicht, weil es schlichtweg kontraproduktiv ist. Das Opfer antwortet bei gemeinsamen Sitzungen oft für den Täter, übernimmt auch oftmals Verantwortung im Sinne „Vielleicht habe ich die Ohrfeige ja verdient. Vielleicht habe ich es übertrieben etc.“ Das ist für den Prozess eine Katastrophe. Es gibt eine ganz eigene Opfer- und Täterstruktur. Daher ist es sinnvoll, dass es auch jeweils eigene Hilfsangebote gibt.
Nach dem Phämoberateransatz, nach der ich arbeite, nicht, weil es schlichtweg kontraproduktiv ist. Das Opfer antwortet bei gemeinsamen Sitzungen oft für den Täter, übernimmt auch oftmals Verantwortung im Sinne „Vielleicht habe ich die Ohrfeige ja verdient. Vielleicht habe ich es übertrieben etc.“ Das ist für den Prozess eine Katastrophe. Es gibt eine ganz eigene Opfer- und Täterstruktur. Daher ist es sinnvoll, dass es auch jeweils eigene Hilfsangebote gibt.
FPK Politiker Uwe Scheuch ließ unlängst aufhorchen, als er meinte, dass Kinder eine Ohrfeige „durchaus vertragen würden.“ Die „gesunde Watsche“ als Erziehungsmittel macht noch immer ab und an die Runde.
Die „gesunde Watsche“ ist schon allein vom Wortlaut her völlig pervers. Eine Watsche, eine Gewalthandlung kann niemals gesund sein! Sie bewirkt genau das Gegenteil. Sie verletzt. Wer also eine derartige Aussage tätigt, offenbart bereits seine prinzipiell positive Grundeinstellung gegenüber Gewalt.
Die „gesunde Watsche“ ist schon allein vom Wortlaut her völlig pervers. Eine Watsche, eine Gewalthandlung kann niemals gesund sein! Sie bewirkt genau das Gegenteil. Sie verletzt. Wer also eine derartige Aussage tätigt, offenbart bereits seine prinzipiell positive Grundeinstellung gegenüber Gewalt.
KONTAKTSTELLEN
www.gewaltberatung-oswald.at; 0680/ 300 91 96
www.euline.eu|www.eupax.eu|www.lempert.at
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