MFG - Sie tun es alle
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MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Sie tun es alle

Text Johannes Reichl
Ausgabe 04/2008
Da staunte manch Zuseher der ZIB 2 nicht schlecht, als im Zuge der angeblichen politischen Intervention bei Postenbestellungen im Polizeiapparat auch ein namhafter St. Pöltner Ordnungshüter in einem eingeblendeten Mail aufschien.
Schon ecchauffierte man sich am Stammtisch über Freunderlwirtschaft, Korruption, Postenschacher. Igitt, pfui gack und Frechheit, und überhaupt!
Eine Neuigkeit ist dies freilich nicht gerade, ja im öffentlichen Dienst (egal ob Gemeinde, Land, Bund) gang und gäbe. Jeder von uns, entweder selbst erfahren (als Nutznießer?) oder aus dem Bekanntenkreis wissend, hat schon von den manchmal plumpen, manchmal auch eleganten Methoden erfahren, die letztlich aber doch immer aufs Gleiche hinauslaufen: Jemanden zu einer Partei zu lotsen oder – wenn der Günstling schon dabei ist – ihn zu binden. Da kann schon passieren, dass einem gleich beim Einstellungsgespräch die Beitrittserklärung zur Partei rübergereicht wird, „weil das die Sache schon erleichtern würd“, oder der Personalchef freimütig philosopiert „Wissen Sie, ich betrachte alle unsere Mitarbeiter als Kinder. Die unserer Bewegung sind meine eigenen, die anderen die Nachbarskinder.“ Oder dass man eben schneller Karriere macht als andere bzw. überhaupt eine Chance dazu bekommt.
Im österreichischen öffentlichen Dienst ist diese Praxis durch die parteipolitische Durchdringung quasi systemimmanent. Keine unentscheidende Rolle spielen dabei die „Personalvertretungen“, oftmals nichts weiter als der verlängerte Arm der Parteien. Da sie bei Postenbesetzungen ein gewichtiges Wörtchen mitzureden haben, wird dies mitunter auch parteipolitisch ausgenutzt. Personalvertretungswahlen sind parteipolitische Wahlkämpfe. Ob es der Sache zuträglich ist, darf stark bezweifelt werden. Sind Arbeitnehmerinteressen tatsächlich parteipolitisch? Wohl kaum. Dementsprechend sollten es auch die Vertreter nicht sein!
Für die Parteien freilich ist das Aufmarschgebiet „Arbeitsplatz“ unter dem Aspekt Geben (Jobs, Aufstiegschancen) und Nehmen (Stimmen, Loyalität) von enormer Bedeutung. Verliert man an Einfluss, so möglicherweise auch bei den nächsten Wahlen. Ein Paradebeispiel hierfür war das St. Pöltner Landtagswahlergebnis. Da wurde erstmals nämlich auch der Landesklinikumfaktor (das Haus hat über 2.500 Angestellte) schlagend. Das ehemals „rote“ Spital ist in der Zwischenzeit ein „schwarzes“ geworden. Manch Mitarbeiter hat die Seiten mitgewechselt. Augenscheinlch, warum die Stadt-SPÖ ehemals so verbissen um das Krankenhaus kämpfte. Nicht (nur?) weil man meinte, es besser führen zu können, sondern v. a. auch aufgrund des großen Versorungspools und Agitationsraumes. In diesem fischt nun das „schwarze“ Land, ein Mitgrund für die Übernahme.
Ideal für die Apparate ist dies alles nicht. Abgesehen davon, dass dieses System Mittelmäßigkeit produziert (weil die Prioritätensetzung Partei vor Kompetenz lautet), bekommt es in sensiblen Bereichen wie Justiz und Sicherheit, also Rechtssprechung, Heer und Polizei, eine staatssubstanzielle Dimension. Denn Staaten sind fragile Elemente. Geht es im Extremszenario hart auf hart, und der Apparat ist für eine Seite gänzlich politisch eingefärbt, dann gerät das System schnell ins Ungleichgewicht und ist anfällig für autoritäre Tendenzen.
Neu ist das alles nicht. Bedenklich durchaus. Dennoch wird der Parlaments-Untersuchungsausschuss keine Änderung bringen, wie auch ein hoher Spitzenbeamter des Innenministeriums, der sich über nächtelanges Vorbereiten von Personalakten ägerte, überzeugt ist: „Rauskommen wird da gar nichts!“ Nicht zuletzt, weil alle, die an der Macht sind, dieses System praktizieren. Sie tun es alle – ausnahmslos!