MFG - Wie begegnen?
Wie begegnen?


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Wie begegnen?

Text Johannes Reichl
Ausgabe 10/2007
Manchmal entwickeln Magazin-Ausgaben eine Art Eigenleben, die man als Macher auf den ersten Blick hin gar nicht wahrnimmt. So ist es mir mit diesem MFG ergangen. Als die Nummer fertig gelayoutet war und Korrekturgelesen wurde, meinte die Lektorin überraschend: Na, ihr seid jetzt wohl die Kirche Bunt oder wie?! Jetzt bin ich – ich gestehe – kein klassischer Kirche Bunt Leser, aber was sie meinte, war die offensichtliche Konzentration von Sozialthemen und sozialen Menschen, die in dieser Ausgabe vorkommen. Wahrscheinlich Zufall, vielleicht aber auch – wer weiß – ist es ein unterbewusstes Statement auf Entwicklungen in diesem Staat, die sauer aufstoßen, bedenklich oder gar traurig stimmen. Entwicklungen, denen man nur durch klare Worte, ein Zurechtrücken in richtige Relationen sowie Beispiele von Menschen, die Gutes tun und nicht mit dem Strom schwimmen, entgegentreten kann. Ein Auslöser für diese Reaktion mag die ORF Talkrunde zum „Fall Arigona“ gewesen sein, wo ein anderes „ausländisches“, gut integriertes Mädchen (dessen seit langem in Österreich lebende Familie gleichfalls vor der Abschiebung steht), zwischen Juristen, Fachleuten, der Nationalratspräsidentin und dem Kärntner Landeshauptmann Platz nehmen musste. Ein junger Mensch umzingelt von erwachsenen „Experten“, die nüchtern dozierten sowie mit Quoten und Statistiken um sich warfen, als ginge es rein um Zahlen und nicht etwa um Schicksale. „Menschen“ hab ich unter ihnen keinen gesehen. Für das Mädchen (wie für so viele andere) ist Kafkas schlimmste Vision Wirklichkeit geworden: Man ist dem kalten System völlig ausgeliefert, und zwar einem System – und das ist relevant – das schlichtweg falsch ist! Falsch aus Gründen der Humanität, falsch aber auch, weil es – siehe Asylanträge-Rückstau, der so späte, fatale Entscheidungen überhaupt erst möglich macht – im Vollzug definitiv nicht funktioniert. Und das sage im Hinblick auf das österreichische Asyl- und Fremdenrecht nicht ich, sondern das kritisiert sogar die UNO! Und genau diesbezüglich lief die Diskussion im Fernsehen sowie die gesamte zu dem Thema bislang in die verkehrte Richtung. Immer wieder hörte man das „Totschlagargument“, man dürfe den Rechtsstaat nicht aushöhlen - also keine Ausnahmen. Absolut richtig! Nur der Reflex darauf ist falsch: Festhalten am Falschen. Die Gesetze sind ja nicht, so wie derzeit getan wird, in Stein gemeiselt. Genau diese muss man aber ändern, anstatt ein Larifari-Bleiberecht aus dem Hut zu zaubern, womit man Menschen erst recht wieder der Willkür des Apparates und dem Gutdünken einzelner ausliefert. Letztlich blieb nach der Diskussion eine simple, vielleicht naive Frage mit schalem Nachgeschmack offen: Wie ist derlei Beschämendes in einem der reichsten Staaten der Welt möglich? Ohne Zweifel auch durch Medien, welche – zum Teil bewusst – die Menschen manipulieren und ein Klima des Unverständnisses, der Desintegration, der Angst, somit eine verzerrte Realität herbeischreiben. Dass gerade die schlimmsten von ihnen Arigona jetzt zur „Asylheldin“ stilisieren ist besonders perfid und fast schon wieder Kalkül: Als wollte man eine kollektive Reinwaschung ermöglichen für all die Spießer mit schlechtem Gewissen: „Seht, ich bin ja gar nicht ausländerfeindlich. Das Schicksal von Arigona geht mir wirklich zu Herzen. Aber...“ Wie begegnen? Durch Aufklärung. Durch Mut. Durch Auseinandersetzung. Durch Handeln. Durch Hilfe. Charly Rottenschlager redet in seinem Portrait der „Zivilisation der Liebe“ und der „Globalisierung der Solidarität“ das Wort. Ein Sozialromantiker? Nein! Rottenschlager ist kein Träumer! Er ist Vorbild!