Ciao!
Text
Johannes Reichl
Ausgabe
Oh mein Gott, jetzt ist es passiert! Ich kann mich noch gut erinnern, als ich vor nicht allzu langer Zeit (also vor ungefähr drei Jahrzehnten) immer die Augen verdreht habe, wenn ältere Semester ab 45 Plus sich über Anglizismen in der ach so hehren deutschen Sprache echauffierten. Dann erntete ich ein stichelndes „Kids, was soll denn das heißen? Wir waren noch Kinder“, und Ausdrücke wie Prime Time sorgten gar für Zornesröte, „weil das Hauptabendprogramm heißt!“ Gut, dachte ich für mich, ihr habt ja auch noch um Mitternacht auf FS1 der Nationalflagge beim Flattern zugesehen und dazu leis‘ die Bundeshymne mitgesummt, bevor nach Sendeschluss der Krieg der Ameisen ausbrach – ihr alten Säcke!
Und jetzt? Jetzt ertappe ich mich – obwohl selbst kein Kind von Anglizismen-Traurigkeit – immer öfter dabei, dass ich selbst am Neudeutschen herumnörgle. Kurzum, mein schöngezeichnetes Selbstbild vom coolen, noch hippen Mitvierziger zerbröckelt gehörig Richtung sprachlich altes Eisen. Und plötzlich begreife ich auch den Argwohn der Älteren von damals: Man versteht schlicht manches nicht mehr, und das tut weh, weil es einem das Älterwerden vor Augen führt. Die Kids sprechen in ihrer eigenen Sprache. In einer Story mit Start-up Gründern, die jetzt übrigens Founder heißen, hievte ich mich bei manchen Ausführungen, Verständnis vortäuschend, in den Wackel-Dackel-Modus und dachte heimlich: Verdammt, kann mir bitte jemand einen Simultanübersetzer zur Seite stellen oder zumindest ein Lösungsheft? Das abschließende „stay tuned“ quittierte ich mit einem gequälten Lächeln. „Äh ja, ihr mich auch.“
Dabei sind Anglizismen natürlich Alltag, etwa in der Arbeitswelt, wo sie zur vermeintlich genauen Beschreibung herhalten müssen. Aber eine Buchhalterin die zum senior CFO (Chief Of Finance) beim Hängemattenknüpfer im tiefsten Waldviertel mutiert – und das ist nicht einmal die Oma im Rentenalter, sondern die 21 jährige Cousine Babsi! Hallo?! Und vom Hausbesorger wusste man wenigstens noch, was er konkret macht – aber der Facility Mananger? Klingt ja alles irgendwie wichtig und tut dem Ego gut … aber das „kompensiert“ der Arbeitergeber dann oft mit niedrigerem Gehalt – also Obacht junge Padawans!
Englisch in der Werbung ist sowieso nicht mehr wegzudenken. So shoppten wir zuletzt am Black Friday (okay, „Schwarzer Freitag“ würde auch zu sehr an Börsencrash erinnern, nicht gerade verkaufsfördernd), dem Cybermonday (da drehe ich mich immer ängstlich um, weil ich jeden Moment den Angriff der Borg „Widerstand ist zwecklos!“ erwarte – Star Trek lässt grüßen), und dann natürlich Woman Day!
Apropos Woman. Ein gutes haben die Anglizismen dann doch: Sie umschiffen die teils völlig sinnbefreiten bis paranoiden Diskussionen um Binnen-I, *, _ (GründerInnen, Gründer_innen, Gründer*innen) und damit die Verhunzung sowie Unlesbarkeit/Unverständlichkeit der Sprache. Oder hätten Sie schon einmal Anreden gehört wie „Liebe Founderinnen und Founder“?
Wenn man auf Deutsch krampfhaft nach geschlechtsneuralen Begriffen sucht, bewirkt man häufig das glatte Gegenteil. Zuletzt las ich vom „Studierenden-Ausweis“. Zu meiner Zeit (Ha, sehen Sie, ich mache das auch schon. Zu meiner Zeit …) war das noch der Studentenausweis, und niemals in 100.000 Jahren wäre ich auf den Gedanken verfallen, dass damit nur Männer gemeint sein könnten. Erst der fundamentalistische Tunnelblick und die krampfhaft-bizarre Suche nach Ersatz haben dem Wort ein Geschlecht eingeschrieben, denn in Wahrheit ist Sprache v. a. eines: Das, was wir aus ihr machen und womit wir sie aufladen.
Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein ander mal erzählt werden. Sprache ist jedenfalls ein lebendiger Organismus, übrigens auch punkto Anglizismen – da orte ich ja eine Gegenbewegung. Mein Sohn, zarte neun, findet neuerdings nämlich alles „übelst“. Wir sagten noch cool dazu. Aber wie auch immer, wenigstens die Grußformeln bleiben deutsch, was beruhigend ist. In diesem Sinne, Ciao!
Und jetzt? Jetzt ertappe ich mich – obwohl selbst kein Kind von Anglizismen-Traurigkeit – immer öfter dabei, dass ich selbst am Neudeutschen herumnörgle. Kurzum, mein schöngezeichnetes Selbstbild vom coolen, noch hippen Mitvierziger zerbröckelt gehörig Richtung sprachlich altes Eisen. Und plötzlich begreife ich auch den Argwohn der Älteren von damals: Man versteht schlicht manches nicht mehr, und das tut weh, weil es einem das Älterwerden vor Augen führt. Die Kids sprechen in ihrer eigenen Sprache. In einer Story mit Start-up Gründern, die jetzt übrigens Founder heißen, hievte ich mich bei manchen Ausführungen, Verständnis vortäuschend, in den Wackel-Dackel-Modus und dachte heimlich: Verdammt, kann mir bitte jemand einen Simultanübersetzer zur Seite stellen oder zumindest ein Lösungsheft? Das abschließende „stay tuned“ quittierte ich mit einem gequälten Lächeln. „Äh ja, ihr mich auch.“
Dabei sind Anglizismen natürlich Alltag, etwa in der Arbeitswelt, wo sie zur vermeintlich genauen Beschreibung herhalten müssen. Aber eine Buchhalterin die zum senior CFO (Chief Of Finance) beim Hängemattenknüpfer im tiefsten Waldviertel mutiert – und das ist nicht einmal die Oma im Rentenalter, sondern die 21 jährige Cousine Babsi! Hallo?! Und vom Hausbesorger wusste man wenigstens noch, was er konkret macht – aber der Facility Mananger? Klingt ja alles irgendwie wichtig und tut dem Ego gut … aber das „kompensiert“ der Arbeitergeber dann oft mit niedrigerem Gehalt – also Obacht junge Padawans!
Englisch in der Werbung ist sowieso nicht mehr wegzudenken. So shoppten wir zuletzt am Black Friday (okay, „Schwarzer Freitag“ würde auch zu sehr an Börsencrash erinnern, nicht gerade verkaufsfördernd), dem Cybermonday (da drehe ich mich immer ängstlich um, weil ich jeden Moment den Angriff der Borg „Widerstand ist zwecklos!“ erwarte – Star Trek lässt grüßen), und dann natürlich Woman Day!
Apropos Woman. Ein gutes haben die Anglizismen dann doch: Sie umschiffen die teils völlig sinnbefreiten bis paranoiden Diskussionen um Binnen-I, *, _ (GründerInnen, Gründer_innen, Gründer*innen) und damit die Verhunzung sowie Unlesbarkeit/Unverständlichkeit der Sprache. Oder hätten Sie schon einmal Anreden gehört wie „Liebe Founderinnen und Founder“?
Wenn man auf Deutsch krampfhaft nach geschlechtsneuralen Begriffen sucht, bewirkt man häufig das glatte Gegenteil. Zuletzt las ich vom „Studierenden-Ausweis“. Zu meiner Zeit (Ha, sehen Sie, ich mache das auch schon. Zu meiner Zeit …) war das noch der Studentenausweis, und niemals in 100.000 Jahren wäre ich auf den Gedanken verfallen, dass damit nur Männer gemeint sein könnten. Erst der fundamentalistische Tunnelblick und die krampfhaft-bizarre Suche nach Ersatz haben dem Wort ein Geschlecht eingeschrieben, denn in Wahrheit ist Sprache v. a. eines: Das, was wir aus ihr machen und womit wir sie aufladen.
Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein ander mal erzählt werden. Sprache ist jedenfalls ein lebendiger Organismus, übrigens auch punkto Anglizismen – da orte ich ja eine Gegenbewegung. Mein Sohn, zarte neun, findet neuerdings nämlich alles „übelst“. Wir sagten noch cool dazu. Aber wie auch immer, wenigstens die Grußformeln bleiben deutsch, was beruhigend ist. In diesem Sinne, Ciao!