Die Influencerin
Text
Timo Wöll
, Johannes Reichl
Ausgabe
Alles begann mit Fotos und Videos auf Instagram für den Privatgebrauch, bis Schwester Carina eine neue Plattform namens TikTok aufs Tapet brachte. Mitten im Lockdown begann Linda Lime dort ihre Videos hochzuladen – heute hat die gebürtige Obritzbergerin über 1,5 Millionen Follower, ihren Beruf als Lehrerin 2021 an den Nagel gehängt und zählt zu Österreichs erfolgreichsten Influencerinnen.
Am Anfang hab ich schon manchmal mit der Entscheidung gehadert. Andererseits waren schon die ersten zwei Monate meiner Selbstständigkeit so unglaublich, dass ich wusste, es war die richtige, und ich durfte in diesem Jahr richtiggehend über mich hinauswachsen. Wenn man sich zu 100 % einer Sache widmet und seine ganze Leidenschaft und Liebe reinsteckt, dann wird das was!
Gibt es eigentlich Parallelen zwischen Lehrersein und Influencer?
Die Jobs überschneiden sich auf alle Fälle. Ich möchte meiner Community – quasi meiner Klasse – Werte wie Nächstenliebe, Dankbarkeit, Abenteuerlust, Geschwisterliebe, Familie und Zusammenhalt vermitteln. Und du brauchst als Influencerin eine gute Planung – eine Fähigkeit, die auch im Lehrerberuf wichtig ist.
Wie wichtig wird beziehungsweise soll Social Media aus schulischer Sicht werden?
Es ist sehr spannend, wie die Schule aktuell noch mit Social Media umgeht. Als ich 2020 TikTok vorgestellt habe, wurde das von der Schule belächelt. Meiner Meinung nach ist Social Media aber ein immens wichtiger Teil unserer heutigen Gesellschaft – jeder nutzt Social Media! Natürlich ist es wichtig Deutsch, Englisch, Mathematik etc. zu vermitteln. Aber es darf auch ein bisschen Kreativität nicht fehlen, und zwar auf heutige Weise – das heißt etwa Content für Social Media produzieren zu können. Ich würde es jedenfalls total cool finden, wenn die Schule z. B. Kurse zur Video-Fotobearbeitung, Social Media Marketing oder auch zum Programmieren anbietet. Da sich viele Lehrerinnen und Lehrer nicht so gut damit auskennen, müssten hierfür Experten eingeladen werden.
Du kannst mittlerweile auf über 1,5 Millionen Follower auf TikTok verweisen. Wie schafft man eine solche Popularität?
Durch viel Fleiß, Zeit und Herzblut! Ich hab anfangs ja drei Videos pro Tag hochgeladen, und wenn man etwas mit so viel Freude und Liebe zum Detail macht, dann merken das auch die Zuschauer, werden regelrecht davon angesteckt und folgen dir. Natürlich gehört auch ein gewisses Know-how für Videobearbeitung dazu, deshalb biete ich auch eine TikTok-Schule an, in der ich Unternehmen oder Privatpersonen das beibringe.
Welche Art von Content kreierst du und welche Videos machen dir selbst am meisten Spaß?
Ich produziere Content in vier verschiedenen Bereichen: Abenteuer, Kunst, Comedy, Familie. Am meisten Spaß machen mir die Abenteuer-Videos, in denen ich u. a. Hotels oder Ausflugsziele teste und selbst ein kleines Abenteuer erlebe.
Wie viele Videos postest du pro Tag und wie viel Zeit geht dafür drauf?
Anfangs waren es drei Videos pro Tag, heute sind es weniger, da sich der Aufwand pro Video durch viele Faktoren stark erhöht hat. Außerdem habe ich etliche Kooperationen, die nochmals sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Je nach Video können zwei bis zehn Stunden Arbeitszeit hineinfließen!
Ist es nicht mitunter mühsam, immer wieder etwas „Neues“ erfinden zu müssen? Woher kommt die Inspiration?
Ideen hole ich mir selbst auf TikTok, wo ich per Hashtags recherchiere oder Videos speichere, die mir gefallen, um so Ideen für meine nächsten eigenen Videoproduktionen zu sammeln. Natürlich ist es wie in jedem Job manchmal mühsam, aber mir macht es immer noch großen Spaß!
Erstellst du deine Posts eigentlich alleine oder hast du Helfer?
Mein Team besteht aus drei Personen: Meinem Freund, der mein Videograf und Fotograf ist; meiner Schwester Carina, die immer noch mein großes Vorbild ist, weil sie immer am Zacken der Zeit lebt und immer über die neusten Trends Bescheid weiß; schließlich meiner Mitarbeiterin, die für mich den Content vorschneidet, damit ich dann den Feinschnitt und die Voiceovers machen kann. Hier ist natürlich eine gute Kommunikation zwischen allen das A & O.
Wie darf man sich das Leben als Influencerin generell vorstellen – mit einem klassischen Nine-to-five-Job wird das ja nichts zu tun haben?
Ich kann mir die Zeit selbst einteilen und als mein eigener Chef auch die Projekte selbst aussuchen, die ich umsetzen möchte. Das war im Vergleich zum Lehrerjob anfangs durchaus gewöhnungsbedürftig, weil einem die feste Struktur fehlt. Mein Arbeitstag beginnt gegen 8.30 Uhr, wenn ich meine E-Mails beantworte. Dann überlege ich neue Videoideen für meinen Contentcreation-Day, an dem ich meine Videos produziere – da drehen wir dann sieben bis zehn Videos am Tag. Zudem muss ich auch Zeit für Marketing, Buchhaltung und Networking einplanen.
Klingt durchaus anstrengend. Manche glauben ja hingegen, „na gut, da macht man gschwind ein paar Videos, da steckt eh nix dahinter.“
Jeder, der eine Karriere als Influencer anstrebt, muss in den ersten ein, zwei Jahren sehr viel Zeit für Content investieren, um damit Geld verdienen zu können. Als ich Social Media neben meinem Lehrerberuf gemacht habe, hatte ich keine Freizeit mehr, deshalb kam irgendwann die Erkenntnis, dass ich mit einem der beiden Berufe aufhören muss.
Mit meiner Reichweite kann ich mittlerweile schon große Deals abschließen und mit tollen Brands zusammenarbeiten, und wenn man gerne im Mittelpunkt steht, zahlt es sich auf alle Fälle aus diesen Weg zu versuchen. Der Influencerjob ist aber sicher nicht für jeden etwas – und es steckt eben viel Arbeit dahinter. Ich arbeite tatsächlich von 8 Uhr morgens bis 8 Uhr abends, sieben Tage die Woche.
Viele Influencer nutzen ihre Reichweite, um eigene Marken zu kreieren. Was sind diesbezüglich deine Projekte und Pläne?
Ich habe die Marke Linda Lime mit der Marke Fruitsisters kombiniert. Zusammen mit meiner Schwester sind wir die Fruitsisters, welche junge Mädchen inspirieren wollen, die Werte, die ich vermitteln möchte, zu leben. Hier haben wir auch Merch wie Jausenboxen, Pullis, Armbänder uvm. entwickelt, damit unsere Fans etwas von uns in der Hand haben können. Mein nächstes Projekt ist es, die TikTok-Schule weiter auszubauen – wir haben hier ja schon unsere ersten Absolventen – aber da kann ich mehr im Frühjahr verraten.
Wie ist das rechtlich? Musst du Werbung, wie im Falle klassischer Medien, als solche kennzeichnen oder passiert das im Falle von Product Placement eher unterschwellig?
Ich muss jedes Video, für das ich bezahlt werde, mit Werbung oder Anzeige markieren. Das nehme ich auch sehr ernst, weil ich rechtlich dafür haften muss, wenn das nicht passiert. Allerdings nenne ich in meinen Videos auch Marken, wofür ich kein Geld bekommen habe, die muss ich dann logischerweise auch nicht kennzeichnen.
Wie gehst du mit dem großen Fan-Andrang um? Stresst das manchmal auch?
Wenn ich in die Stadt gehe, werde ich immer erkannt und um Fotos gebeten. Das war am Anfang sehr gewöhnungsbedürftig, aber es gehört jetzt zu meinem Leben dazu. Ich bin ein sehr sozialer Mensch und freu mich jedes Mal, wenn Fans auf mich zukommen. Und falls mir der Andrang mal zu viel werden sollte, kann ich immer noch ins Ausland reisen, weil ich dort noch nicht so bekannt bin wie im deutschsprachigen Raum.
Was ist deine persönliche Grundmotivation: Ist es mittlerweile einfach sozusagen ein Job, mit dem man Geld verdient, oder geht es um den Spaß, die Öffentlichkeit und den „Ruhm“?
Ich habe ja früher immer Videos von meinen Urlauben und anderen Erlebnissen gedreht und möchte mein Leben wie in einem digitalen Tagebuch festhalten. Darauf kann ich dann immer zurückgreifen, und mir macht es einfach eine riesige Freude, das mit Leuten zu teilen und ihnen dabei etwas mit auf den Weg zu geben. Natürlich gibt es auch Tage, an denen es mich weniger freut, aber ich bin sehr dankbar, dass ich mit einem Handy und WLAN mein Hobby zum Beruf machen konnte. Dadurch, dass ich selbst sehr gut davon leben kann, möchte ich alle, die es interessiert, inspirieren, es einmal nebenberuflich zu probieren und sich selbst ein Business aufzubauen.
Was ist das Besondere an diesem Beruf? Und kann man ihn ewig machen oder besteht in einem schnelllebigen Medium wie Social Media nicht die Gefahr, dass die Fans irgendwann das Interesse verlieren?
Als Influencer hat man eine große Verantwortung und Einfluss auf eine Vielzahl von Menschen, mit der man wirklich Gutes tun und kleine Veränderungen bewirken kann. Man muss natürlich immer am Zacken der Zeit sein, um da nicht in Vergessenheit zu geraten. Das stresst mitunter und übt großen Druck aus. Selbst im Urlaub musst du Content produzieren, wobei man sich den Stress natürlich selbst macht. Aber es zeigt zugleich, dass man für diesen Beruf brennt. Langfristiger Erfolg in dieser Branche hängt stark von einer strukturierten Planung, kreativen Ideen sowie gutem Marketing ab.
Wo siehst du dich in zehn Jahren?
Das ist sehr schwer, sich vorzustellen. Aber da habe ich sicher schon zwei Kinder, eine Familie und werde sicher noch im Social Media Bereich tätig sein. Vielleicht ist die TikTok-Schule schon so groß, dass man mehrere Unternehmen unterstützt, erfolgreich Produkte zu vermarkten oder Branding aufzubauen. Aber wer weiß, was die Jahre bringen.
Zuletzt: Was empfiehlst du unseren Lesern, die vielleicht auch davon träumen, einmal auf Social Media durchzustarten?
Ich möchte alle Leser und Leserinnen inspirieren, diesen Schritt zu wagen und die ersten Videos hochzuladen. Vielleicht haben manche Bedenken „Was könnten denn die Nachbarn, Freunde oder die Familie davon halten“ – aber man ist Herrscher und Meister seines eigenen Lebens und muss sich daher eher die Frage stellen „Will ich es den anderen recht machen, oder will ich meinem Traum folgen?“ Wenn jemand diese Leidenschaft verspürt, dann sofort machen und durchstarten!
TIPPS & TRICKS
• Gutes Licht! Nur bei guten Lichtverhältnissen wird auch ein Video ausgespielt.
• Sei authentisch! Sonst erkennen es die Zuschauer sofort!
• Sei in deinen Videos selbstbewusst!
• Entwickle Formate, die deine Zuschauer interessieren und einen Mehrwert bieten!
• Analysiere deine eigenen Videos und optimiere sie laufend, um Reichweiten zu erzielen!
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