MFG - Das Kino ist tot, lang lebe das Kino
Das Kino ist tot, lang lebe das Kino


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Das Kino ist tot, lang lebe das Kino

Text Johannes Reichl
Ausgabe 06/2015

Das „Theatre of Dreams“ hat schon manch prophezeiten Todesstoß überlebt und sich immer wieder neu erfunden. Wir sprachen mit Hollywood Megaplex Geschäftsführer Mario Hueber anlässlich der Eröffnung des neuen IMAX-Saales über neue Technologien, alte Stärken, leuchtende Kinderaugen und „ewiges Ruhen“ im Infight mit dem cinema paradiso.

Das Hollywood Megaplex hat in den letzten Jahren schwer investiert in St. Pölten – das Tüpfelchen auf dem i ist der neue IMAX-Saal. Warum hat man diesen Schritt gesetzt, wieviel hat man investiert?
In den Komplettumbau des IMAX-Saales, der insgesamt um drei Meter aufgestockt wurde und dessen Leinwand nun dadurch um fast ein Drittel größer ist, sind fast 1,5 Millionen Euro geflossen. Diese und auch die letzten Investitionen, darunter die Kinoerweiterung um drei neue Säle, tragen der positiven Entwicklung des Standortes Rechnung. St. Pölten ist ein besonders gutes  „Kinopflaster“ und die St. Pöltner sind sehr aktive Kinogeher, die technische Entwicklungen und Fortschritte besonders aufmerksam  verfolgen und auch begeistert aufnehmen. So war es für uns ein besonderes Anliegen, dass wir unserem Publikum in Niederösterreich mit IMAX das derzeit absolut beste System anbieten.
Viele kennen die IMAX Technologie noch aus eigenen Kinos. Wie hat sich die Technologie verändert, um ein derartiges Megateil auch in ein fixes Kino zu situieren?
Der große Unterschied zu früher, als  IMAX für die spektakulärsten Dokumentationen in eigens dafür gebauten Kinos stand, ist, dass diese Technik, die in diesem Bereich das absolut fortschrittlichste und beste darstellt, konsequent auf die großen Kino-Blockbuster übertragen wurde. Hier wird somit das Beste aus vormals zwei Welten kombiniert: die größten Filme Hollywoods mit der besten Projektions- und Tontechnik auf einer überdimensionalen Leinwand.  

Sie sind als Kino-Bub aufgewachsen – was hat sich gegenüber früher verändert? Es heißt ja bisweilen, das Kino hätte quasi seinen Charme verloren, sei heute zwar perfekt, dafür fehlte die Seele?

Das Kino hat sich in den letzten fünf bis zehn Jahren sicher radikaler verändert als in den 100 Jahren davor. Die Einführung der totalen Digitalisierung ist  vergleichbar mit der Erfindung des Ton- bzw. des Farbfilms. Diese Digitalisierung ermöglichte nun nach mehreren gescheiterten Versuchen den Durchbruch des 3D-Kinos sowie eine noch nie da gewesene Brillanz des Bildes, das bei den „alten“ 35mm-Kopien oft der Schwachpunkt des Kinoerlebnisses war.
Natürlich kann ich auch die vereinzelte Kritik nachvollziehen, wenn diese Perfektion als zu vollkommen empfunden wird, da hier mit einer über Jahrzehnte erlebten und gewohnten Sehgewohnheit gebrochen wird. Auch persönlich geht mir manchmal das Geknatter der alten Projektoren ab, da diese einem als Vorführer ein gewisses Gefühl von Eigenleben und Charakter gegeben haben. Insgesamt empfinde ich diesen Fortschritt jedoch als absolut positiv, da sich auch das Kino, wie alle anderen Bereiche des Lebens, weiterentwickeln muss, um nicht irgendwann nur mehr Teil eines Museums zu sein.  
Kino war immer das Theatre of Dreams – ist es dies heute auch noch, auch angesichts neuer Konkurrenz aus dem web?
Ich bin der festen Überzeugung, dass das Kino auch heute noch dieses „Theatre of Dreams“ verkörpert und auch diese Stellung behalten wird. Auch in den 80er-Jahren wurde dem Kino durch das boomende Fernsehen schon einmal das nahende Aus oder ein Nischendasein vorausgesagt.
Was sich hier verändert hat, ist, dass der heutige Nutzer durch das Mehr an Information und Angebot wählerischer geworden ist und dadurch anspruchsvoller. Es reicht ihm eben nicht mehr, dass ein Film auf einer winzigen Leinwand vor Holzklappstühlen in schlechter Ton- und Bildqualität gezeigt wird. Auch deshalb investieren wir in die immer neuesten Technologien, um diesen Mehrwert und technischen Vorsprung des Kinos gegenüber allen anderen Angeboten aufrechtzuerhalten.
Neben dieser „Hardware“ hat das Kino vor allem aber einen Vorteil gegenüber allen anderen Angeboten, die diese auch nie bieten können werden: das soziale Erlebnis Kino. Jeder und jede hat schon die Erfahrung gemacht, wenn man einen im Kino erlebten Film später zu Hause auf der Couch noch einmal sieht und dieser Film dann nicht mehr so eine Wirkung entfaltet wie davor im Kino. Es ist etwas anderes, alle Emotionen wie Lachen, Weinen, Angst oder Wut, die uns so stark bewegen, in einem Saal mit Freunden und anderen Menschen zu teilen. Eine gute Komödie, bei der hunderte Leute lachen, oder ein Horrorfilm, bei dem hunderte Menschen gleichzeitig erschrecken und schreien, hinterlässt eine andere und tiefere Erfahrung. Das Gemeinschaftserlebnis Kino wird bei aller technischen Entwicklung zeitlos bleiben.
 
In St. Pölten gab es in den letzten Jahren einige Änderungen. So wurde die Disco gekickt, dafür kamen neue Säle. Warum?
Wir wollen unseren Gästen durch das Gesamtangebot in St. Pölten mit Gaming-Bereich und Gastronomie nach wie vor ermöglichen, dass sie einen ganzen Abend oder Nachmittag bei uns verbringen können. Es stimmt aber, dass wir, gerade was den Discobereich betrifft, die „Notbremse“ gezogen haben, da die negative Entwicklung dort die Gefahr barg, auf den ganzen Komplex überzugreifen. Daraufhin haben wir die Diskothek in drei Kinosäle umgebaut. Diese drei zusätzlichen Säle haben uns vor allem auch die Möglichkeit gegeben, unser Programm breiter aufzustellen und auch kleinere Filme anzubieten, die den Weg sonst nicht nach St. Pölten geschafft hätten. Auch unser Angebot an Vorstellungen in englischer Originalsprache konnten wir dadurch ausweiten. Wir merken sehr stark, dass wir mit diesem zusätzlichen Angebot neue Besucherschichten erschließen konnten, die inzwischen ein sehr treues Publikum für uns  darstellen.
Sie haben vor einigen Jahren das St. Pöltner Programmkino „cinema paradiso“ wegen unlauteren Wettbewerbs geklagt, nachdem dort auch Blockbuster gezeigt wurden – das cinema paradiso im Gegensatz zum Hollywood Megaplex aber öffentlich gefördert wird. Wie ist der Status in dieser Causa?
Wir haben diesen Prozess durch „ewiges Ruhen“ einvernehmlich beendet, da für uns kein Ende absehbar war. So haben wir uns nach über fünf Jahren nach wie vor in der ersten Instanz noch weit von einer Entscheidung entfernt befunden. Für uns standen somit das eingesetzte Geld und vor allem die aufreibende nervliche Belastung dieses Prozesses in keinem Verhältnis mehr.
Ein Blick in die Zukunft: Kino 2050 – wie wird sich dieses darstellen?
Eine wirklich schwierige Frage! Ich glaube, dass es im Jahr 2050 wohl 3D ohne Brillen geben wird und vielleicht den interaktiven Film, bei dem das Publikum aktiv in die Handlung eingreifen kann. Ansonsten bin ich davon überzeugt, dass auch noch im Jahr 2050 Kinderaugen strahlen werden, wenn sie mit ihren Eltern zum ersten Mal einen Kinosaal betreten.