MFG - Elongó
Elongó


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Elongó

Text Gotthard Gansch
Ausgabe 12/2012

Gerade in der Weihnachtszeit wird Nächstenliebe sprichwörtlich gepredigt, doch wird sie auch gelebt? Bleibt sie nicht oft nur ein frommer Wunsch und wird höchstens im kleinen Kreise der Familie oder vielleicht noch im erlauchten Freundeskreis praktiziert?

Elongó bedeutet auf Lingala, einer zentralafrikanischen Sprache, soviel wie „gemeinsam, zusammen“. Das Gemeinsame ist Kern des gleichnamigen Projekts der Diakonie: Ehrenamtliche Mitarbeiter treffen sich regelmäßig mit anerkannten Flüchtlingen. Und das eben nicht nur während der Weihnachtszeit. Genannt werden diese Ehrenamtlichen „Buddies“. Das sollen sie auch den Flüchtlingen sein: ein Buddy – also ein Kumpel, ein Freund. Schließlich verlassen die Flüchtlinge ihre Heimat und wollen sich nach erfolgreich abgeschlossenem Asylverfahren hier ein neues Leben aufbauen – nur ist das nicht so einfach, wenn man in ein ganz anderes Land kommt und niemanden kennt. Hier wird versucht, anzusetzen. Eine Kontaktperson, mit der man sich trifft, vor der man keine Scheu hat, etwas zu fragen, die österreichische Eigenheiten näher bringt.
Alltagstrott
All jene Dinge, die für uns alltäglich wirken, sind für Flüchtlinge teilweise neu. Wie nehme ich einen Einkaufswagen? Wie geht die Tür im Zug auf? Wie funktioniert ein Parkscheinautomat? Gerade diese routinemäßigen Aufgaben können dann ganz schnell jemanden dumm wirken lassen. Daraus resultiert auch eine gewisse Angst, diese Dinge zu erfragen. Dabei können eben die Buddies helfen. Zwei dieser Buddies sind Horst und Brigitte aus Herzogenburg. Sie wollten aktiv mithelfen, und nachdem ihre Kinder schon älter sind und keiner Betreuung mehr bedürfen, kümmern sie sich jetzt um eine Flüchtlingsfamilie. „Wir wollten nicht nur über die schimpfen, die über Flüchtlinge schimpfen, sondern wirklich helfen!“, so Horst. Die Familie, die sie begleiten, kommt aus Tschetschenien. Sie passt gar nicht in das Klischee des Flüchtlings, das man oft hierzulande hat: Denn im Gegensatz zu grassierenden Vorurteilen, dass Flüchtlinge ungebildete Leute seien, die faul auf der Haut liegen und sich vom Staat durchfüttern lassen, ist Alsina ein wahres Sprachtalent: Sie war Englischlehrerin in ihrer Heimat und spricht sechs bis sieben Sprachen. Ihre Ausbildung wird ihr aber in Österreich nicht anerkannt, und so kann sie nicht in ihren alten Job zurückkehren. Aus diesem Grund möchte sie schnell Deutsch lernen – am Tag unseres Treffens absolvierte sie gerade den Test des Deutschkurses mit dem Niveau B1, also der selbstständigen Sprachverwendung laut gemeinsamen europäischen Referenzrahmen – und anschließend möchte sie an der Universität Wien Lehramt studieren – so ihr großes Ziel.

Die zweite Familie

Mittlerweile sind Horst und Brigitte schon wie eine zweite Familie für Alsina und ihren Mann Aslambek sowie deren drei Kinder geworden. Seit fast anderthalb Jahren treffen sie sich einmal pro Woche. „Das ist eine Freundschaft, die wir sehr schätzen. Wir machten früher viele Ausflüge, vor allem kulturelle Sachen“, erzählt Horst. „Wir gingen ins Landesmuseum, in Büchereien, zu den NÖKISS (NÖ Kindersommerspiele, Anm.)“, fährt er fort. Außerdem stehen sie mit Rat und Tat zur Seite. So besorgten sie beispielsweise einen Kühlschrank und erledigten Behördengänge. „Wir klapperten auch Versicherungen ab“, ergänzt Brigitte. „Wesentliches erledigt aber die Diakonie“, bleibt Horst bescheiden. Denn wirklich große Probleme habe Alsina nicht, wie sie selbst sagt. Sie habe kein Problem sich zu integrieren, nur die Sprache falle ihr schwer, weil Deutsch, vor allem die Grammatik, nicht leicht zu erlernen sei.
Ein Ausflug, der ihr in Erinnerung geblieben ist, war der ins Pielachtal zum Dirndlkirtag: „Dort habe ich diese Trachten gesehen, das war sehr interessant!“, ist sie noch heute begeistert. Einzig das Wetter störe sie etwas, wie die aus dem südlicheren und wärmeren Teil Kasachstans stammende Alsina schmunzelnd erwähnt.
Ausgebildeter Kumpel
Um selbst Buddy zu werden, muss man nicht viel machen: Gefordert sind lediglich 18 Lenze, das ist im Grunde das einzige Hindernis. „Ist das nicht nur etwas für Pensionisten?“, wurde Anna Brandstetter, Ansprechperson der Diakonie, einmal gefragt, was sie getrost negieren kann: „Wir hatten einmal viele Studenten, aber es ist komplett durchmischt. Wir haben Leute zwischen 18 und 65. Gerade das macht es spannend!“ Aktuell gibt es 25 Buddies. Der Fokus liegt zwar auf St. Pölten, doch kommen mittlerweile auch Buddies aus Wien oder Baden. Die Flüchtlinge sind da natürlich andere Distanzen gewohnt: Aus dem Iran, Tschetschenien, Russische Föderation, Irak, Syrien, Pakistan, etc. kommen sie. Für die Buddies selbst gibt es auch Betreuung in Form von Seminaren und Fortbildungen über wichtige Themen wie Flucht und Herkunftsländer, wie Brigitte erzählt. Einmal monatlich treffen sich die Buddies und tauschen ihre Erfahrungen aus. Erfahrungen, wie sie Horst und Brigitte schon gemacht haben.