Die Lichter aus
Ausgabe
Österreichs Gemeinden haben ein Budgetproblem. Die unterste Verwaltungsebene ist zwar dem Bürger sehr nahe, dafür aber auch finanziell am Sand. Der Wiener Neustädter Bürgermeister Bernhard Müller gestand im „profil“: „Hin sind wir sowieso alle. Es geht nur mehr darum, wer es als Erster zugibt“. Schon im Oktober platzierte das Monatsmagazin „Datum“ eine Ortstafel am Cover – „Am Arsch“ beleuchtete die Schwierigkeiten der Kommunen ausgeglichen zu budgetieren. Ein Kunststück, das derzeit auch in St. Pölten nicht gelingen will.
157 Millionen Euro beträgt der „ordentliche Haushalt“, also das offizielle Budget der Stadt St. Pölten. Einnahmen und Ausgaben sind gleich hoch angesetzt, allerdings werden Rücklagen von rund sieben Millionen Euro aufgelöst, um diese Punktlandung zu erreichen. In Folge der Wirtschaftskrise gingen die Steuereinnahmen der Städte zurück, die aktuellen Zahlen lassen aber auf einen raschen und anhaltenden Aufschwung hoffen, womit der „Krisen-Effekt“ nicht so dramatisch zu Buche schlagen wird wie beispielsweise in Folge der letzten Krise nach 2001. Abgesehen von den fehlenden Einnahmen gibt es aber ein noch viel grundsätzlicheres Problem. Ernst Knoth, oberster Finanzbeamter des Magistrats St. Pölten, bringt es auf den Punkt: „Beim letzten Finanzausgleich wurden kleinere, ländliche Gemeinden gegenüber den größeren Kommunen besser gestellt.“
Bürgermeister Matthias Stadler sieht in dieser Ungleichbehandlung das Problem: „Es heißt die ‚finanzstärkeren‘ Gemeinden sollen mehr zahlen. Das Problem ist aber, dass diese Definition nicht aussagekräftig ist.“ Gerade St. Pölten sei vielfach benachteiligt, leiste jedoch überdurchschnittlich hohe Beiträge, etwa bei der Spitalsfinanzierung. Stadler: „Die Frustration bei vielen Bürgermeistern entsteht, weil wir allesamt sparen und sparen, aber dennoch die Schere immer weiter aufgeht. Wir stehen vor einem strukturellen Problem, dass die Gemeinden nicht durch Effizienzsteigerung und eisernes Sparen selber lösen können. Das Land NÖ ist besonders gefordert, gerade in NÖ geht es den Gemeinden schlecht.“ Oft wird auch ins Spiel gebracht, dass den Gemeinden zusätzliche Aufgaben von anderen Gebietskörperschaften „zugeschanzt“ wurden – freilich ohne dafür eine „Aufwandsentschädigung“ zu erhalten. Bei rund 45 Millionen Personalausgaben in St. Pölten – übrigens der größte Brocken im Stadtbudget – wird beispielsweise das Passwesen nicht der große Kostentreiber sein, aber es zeigt wie schwierig strukturelle Lösungen sind.
Wer zahlt…
Eine Idee ging so: Man könnte auf die „Bezirksverwaltung“ verzichten. Als Statutarstadt hat St. Pölten nämlich die gleichen Aufgaben wie eine Bezirkshauptmannschaft (BH) – und „leistet“ sich somit diverse Behörden. Am ersten Blick klingt es verlockend, diese Budgetposten zu streichen – jedoch entfällt damit ein „Gestaltungsspielraum“ für die Stadtentwicklung. Ob so ein Schritt rechtlich überhaupt möglich sei, ist auch umstritten. Und kühle Rechner halten fest: Die Arbeit muss ja sowieso wer machen, egal ob der am Magistrat oder auf der BH sitzt. Wie also sinnvoll sparen? Ernst Knoth: „Ohne Anstrengungen wird man das Budget nicht nachhaltig sanieren können – aber mit der nötigen Kraft und guter Konjunktur.“ Stadler verweist zudem auf Rücklagen, die in guten Jahren gemacht wurden und die für zukünftige Investitionen zur Verfügung stehen. Rund 30 Millionen sollen aus den 90er Jahren noch zurückgelegt sein (als der damalige Bürgermeister Willi Gruber „bei Investitionen auf der Bremse stand“, wie im Rathaus formuliert wird). Auch der Verkauf der städtischen Fernwärme brachte rund 17 Millionen Euro – und machte strategisch viel Sinn. Gewinn warf der Stadtbetrieb nie ab. Und wären die zwei wichtigsten Kunden Krankenhaus und Regierungsviertel (beide fest in schwarzer Hand) zur Konkurrenz gewechselt, wäre das ein massives Problem geworden.
Schuldenfrei? Rund 117 Millionen Euro ist der offizielle Schuldenstand der Stadt, nicht inkludiert sind dabei jedoch ausgelagerte Gesellschaften. Die Stadt gründete beispielsweise eine Immobilien-Tochter, dort sind rund 118 Millionen Anlagevermögen geparkt, rund 63 Millionen Verbindlichkeiten stehen dem gegenüber. Bernhard Wurzer von der ÖVP hakt hier ein: „Wir fordern einen Kassasturz, um endlich transparente Zahlen zu haben, wie hoch der Schuldenstand wirklich ist. Im offiziellen Budget fehlen diese Haftungen der Stadt, die in Tochtergesellschaften ausgelagert wurden und somit die Pro-Kopf-Verschuldung verzerren. Danach muss ein Masterplan erarbeitet werden, wie wir unsere Verschuldung reduzieren. Die ÖVP möchte, dass St. Pölten bis 2030 schuldenfrei ist.“ Ein radikaler Ansatz, wie selbst Wurzer meint. „Über die Grundversorgung müssen wir nicht diskutieren, die ist natürlich Sache der Gemeinde. Aber abgesehen von Kanal, Müllversorgung etc. müssen wir mit dem Bürger diskutieren, was die Aufgaben der Gemeinde sein sollen, beispielsweise im Bereich der Freizeit und Spaßindustrie. Es muss einen klaren Leistungskatalog geben und klare Kosten. Und mit der nötigen Transparenz wäre es auch möglich viele Leistungen in Partnerschaft zwischen Gemeinde und einem privaten, durchaus gewinnorientierten Betreiber zu organisieren. Auch beim Marketing gehört viel hinterfragt. Die Zeit von Brot-und-Spiele-Politik ist vorbei, das können wir uns einfach nicht leisten!“
Im Nachhinein…
Bürgermeister Stadler sieht die Lage nicht dramatisch, auch Spielraum für zukünftige Entwicklungen sei noch gegeben: „Wir werden weiterhin in nachhaltige Projekte investieren müssen, die auch für die Gesamtentwicklung der Stadt etwas bringen, etwa die Fachhochschule. Das sind Investitionen in die Zukunft, die sich natürlich bezahlt machen!“ Gerade die letzten zwei Jahre machten aber auch für die Gemeinden die Finanzierungssituation eng. Innere Darlehen zwischen Stadt und Tochtergesellschaften sowie das Anlegen in konservative Floater-Anleihen bei österreichischen Banken dienen heute als Veranlagungsinstrumente. Auch die aus heutiger Sicht wenig erfolgreichen Derivatgeschäfte beschäftigen die St. Pöltner Finanzabteilung. Ernst Knoth: „Neu beginnen würde diese Geschäfte keiner, aber wir haben sie einigermaßen im Griff und schauen, dass wir bei gutem Wind rauskommen. Damals, als diese Geschäfte abgeschlossen wurden, galt man als unmodern, wenn man nicht zu diesen Produkten greift. Im Nachhinein ist man natürlich immer gescheiter.“
Während Städte andernorts massive Sparprogramme fahren, Einrichtungen schließen und die Straßenbeleuchtung nicht mehr die ganze Nacht über laufen lassen, herrscht in St. Pölten (noch) keine Panik. Offizielle Vertreter im Rathaus sehen die von ihnen verwalteten Stadtfinanzen im Griff – und kämpfen um strukturelle Reformen, für die sie aber Land und Bund brauchen. Im Herbst werden im frisch gewählten Gemeinderat neue Budgets erstellt. Wie groß der Sparzwang bzw. der tatsächliche Spielraum für Investitionen ist, wird man dann sehen. Notfalls bleibt ja noch Schulden machen. Die eine oder andere Million mehr tut ja nicht weh.
Interview: Matthias Stadler
Wiener Neustadt spekuliert mit der Zahlungsunfähigkeit. Geht’s uns besser?
Innerhalb Österreichs weisen die Städte beträchtliche Unterschiede bei Einnahmen und Zuständigkeiten auf, davon abgesehen gibt es aufgrund der Landesgesetzgebung unterschiedliche Systeme. Dennoch stimmt der Trend, dass die Kostenschere dramatisch auseinander geht. Beim letzten Finanzausgleich haben die größeren Städte verloren und zusätzlich Aufgaben zugeteilt bekommen. Es geht um Gerechtigkeit: Wels in Oberösterreich, mit einer ähnlichen Bevölkerungszahl wie St. Pölten, zahlt rund 14 Millionen für deren Spital, wir zahlen 22 Millionen.
Argumentiert wird das mit der unterschiedlichen Finanzkraft der Städte.
St. Pölten ist auf dem Papier finanzkräftig, aber das sagt nicht viel aus. Etwa bei den Bedarfszuweisungen sind wir ausgenommen und profitieren nicht von Leistungen des Landes. Zudem haben wir als Hauptstadt viele Aufgaben wahrzunehmen, die auch dem Umfeld zugutekommen. Man muss auch die Landespolitik in die Pflicht nehmen. Auffällig ist, dass neun der zehn am höchsten verschuldeten Städte Österreichs in NÖ liegen. In Summe ist es eine ungerechte Finanzierung der Städte, die übergeordneten Stellen Land und Bund putzen sich an den Städten ab. Daran muss sich was ändern.
Wie sieht es mit Sparen aus?
Es ist deprimierend: Wir sparen und bemühen uns über Jahre, dennoch geht die Schere auseinander. Heuer erreichen wir erst wieder das Einnahmeniveau von 2008, die Krise hat uns Jahre an Wachstum gekostet – Geld, das fehlt. Unabhängige Studien beweisen, dass die Städte die Kostenschere aus eigener Kraft nicht mal schließen könnten, wenn sie sich tot sparen würden.
Momentan wird „Erspartes“ aufgezehrt um ausgeglichen bilanzieren zu können.
Noch können wir die Abgänge mit Rücklagen aus guten Jahren finanzieren. Natürlich wollen wir diese Mittel lieber investieren und nicht damit den laufenden Betrieb decken. Wir konnten diese Abgänge aber im letzten Jahr stark eingrenzen.
Inwiefern verschulden sich stadteigene Unternehmen wie die Immobilien GmbH?
Wenn möglich, vergeben wir interne Darlehen an unsere eigenen Unternehmen anstatt Zinsen an Banken zu zahlen, was aber keine Querfinanzierung ist. Natürlich müssen die Tochtergesellschaften auch Schulden aufnehmen, wenngleich wir schauen, dass diese stabil bleiben. Ich will deutlich sagen, dass Schulden nicht gleich Schulden sind. Wir investieren in Infrastruktur und schaffen somit Werte. Wir verblasen kein Geld.
Können Sie uns das Budget in der Sprache eines „normalen“ Bürgers erklären?
Im ordentlichen Haushalt haben wir rund 110 Millionen Euro Schulden. In der Budget-Vorausschau 2011 geben wir rund 157 Millionen aus, 151 Millionen nehmen wir ein. Durch aufgelöste Rücklagen wird das Budget „ausgeglichen“. Das Defizit liegt also bei rund sechs Millionen, 2010 waren es noch knapp zwölf Millionen. Die Einnahmen steigen in letzter Zeit zum Glück wieder.
Man munkelt, Sie lassen wegen der Budgeterstellung im Herbst so rasch wählen. Welchen Spielraum lässt das Budget für Zukunftsinvestitionen?
Das stimmt nicht! Bleiben die Rahmenbedingungen gleich, werden wir 2013 oder 2014 wieder ausgeglichen bilanzieren. Es gibt keinen Grund sich vor der Budgeterstellung zu fürchten. Der Spielraum wird leider enger, intern arbeiten wir auch massiv an dieser Problemstellung. Beim Finanzausgleich 2014 müssen die Gemeinden auf die Abgeltung der zusätzlichen Aufgaben drängen und die Situation für uns so verbessern.
Was muss eine Stadt abseits der Grundversorgung leisten? In Harland wird das Amtshaus um 255.000 Euro saniert – wozu brauchen die Leute das, wenn die Verwaltung doch im Rathaus sitzt?
Ein Amtshaus ist ein historisch gewachsenes Stadtteilzentrum und wichtig für die Stadtteilstruktur oder etwa das Vereinswesen. Im Amtshaus ist der Gewichtheberverein einquartiert, es gibt einen Hort zur Nachmittagsbetreuung und eine Außenstelle der Volkshilfe. Letztere bringt sogar Einnahmen. Es ist wichtig für die Gesamtgesellschaft und wir erfüllen Auflagen der Behörde, da wird ja kein Luxus betrieben.
Also nicht „weniger Stadt, mehr privat“?
Wo das gemacht wurde, ist es der Bevölkerung teurer gekommen. Eine Kommune hat für die Daseinsvorsorge Verantwortung zu tragen.
Inklusive Betrieb eines Hallenbads?
Ja, aufgrund der sozialen Komponente: leistbare Bewegungsmöglichkeiten für alle Einwohner, Schulsport und aktive Gesundheitsprävention.
Infos zum Thema:
St. Pölten nimmt im aktuellen Jahr rund 151 Millionen ein und gibt rund 157 Millionen aus. Die Differenz von sechs Millionen Euro wird aus Rücklagen gedeckt.
Rund 30 Millionen Euro sind in solchen Rücklagen „gespart“. Dem stehen Verbindlichkeiten von rund 117 Millionen Euro gegenüber. Dazu kommen Haftungen für Tochtergesellschaften (in denen neben diesen Schulden aber auch Anlagevermögen geparkt ist).
Rund 55 Millionen Einnahmen kommen aus Umlagen aus dem Finanzausgleich, rund 23 Millionen durch die Kommunalsteuer, rund 6 Millionen durch die Grundsteuer.
Rund 45 Millionen gibt St. Pölten für Personal aus, 39 Millionen gehen an Umlagen ans Land (davon rund 20 Millionen fürs Krankenhaus).
2006 hat St. Pölten massiv umgeschuldet, die meisten Verbindlichkeiten sind nun bei zwei deutschen Banken konzentriert. Auch österreichische Banken geben derzeit neue Darlehen an St. Pölten.
Bürgermeister Matthias Stadler sieht in dieser Ungleichbehandlung das Problem: „Es heißt die ‚finanzstärkeren‘ Gemeinden sollen mehr zahlen. Das Problem ist aber, dass diese Definition nicht aussagekräftig ist.“ Gerade St. Pölten sei vielfach benachteiligt, leiste jedoch überdurchschnittlich hohe Beiträge, etwa bei der Spitalsfinanzierung. Stadler: „Die Frustration bei vielen Bürgermeistern entsteht, weil wir allesamt sparen und sparen, aber dennoch die Schere immer weiter aufgeht. Wir stehen vor einem strukturellen Problem, dass die Gemeinden nicht durch Effizienzsteigerung und eisernes Sparen selber lösen können. Das Land NÖ ist besonders gefordert, gerade in NÖ geht es den Gemeinden schlecht.“ Oft wird auch ins Spiel gebracht, dass den Gemeinden zusätzliche Aufgaben von anderen Gebietskörperschaften „zugeschanzt“ wurden – freilich ohne dafür eine „Aufwandsentschädigung“ zu erhalten. Bei rund 45 Millionen Personalausgaben in St. Pölten – übrigens der größte Brocken im Stadtbudget – wird beispielsweise das Passwesen nicht der große Kostentreiber sein, aber es zeigt wie schwierig strukturelle Lösungen sind.
Wer zahlt…
Eine Idee ging so: Man könnte auf die „Bezirksverwaltung“ verzichten. Als Statutarstadt hat St. Pölten nämlich die gleichen Aufgaben wie eine Bezirkshauptmannschaft (BH) – und „leistet“ sich somit diverse Behörden. Am ersten Blick klingt es verlockend, diese Budgetposten zu streichen – jedoch entfällt damit ein „Gestaltungsspielraum“ für die Stadtentwicklung. Ob so ein Schritt rechtlich überhaupt möglich sei, ist auch umstritten. Und kühle Rechner halten fest: Die Arbeit muss ja sowieso wer machen, egal ob der am Magistrat oder auf der BH sitzt. Wie also sinnvoll sparen? Ernst Knoth: „Ohne Anstrengungen wird man das Budget nicht nachhaltig sanieren können – aber mit der nötigen Kraft und guter Konjunktur.“ Stadler verweist zudem auf Rücklagen, die in guten Jahren gemacht wurden und die für zukünftige Investitionen zur Verfügung stehen. Rund 30 Millionen sollen aus den 90er Jahren noch zurückgelegt sein (als der damalige Bürgermeister Willi Gruber „bei Investitionen auf der Bremse stand“, wie im Rathaus formuliert wird). Auch der Verkauf der städtischen Fernwärme brachte rund 17 Millionen Euro – und machte strategisch viel Sinn. Gewinn warf der Stadtbetrieb nie ab. Und wären die zwei wichtigsten Kunden Krankenhaus und Regierungsviertel (beide fest in schwarzer Hand) zur Konkurrenz gewechselt, wäre das ein massives Problem geworden.
Schuldenfrei? Rund 117 Millionen Euro ist der offizielle Schuldenstand der Stadt, nicht inkludiert sind dabei jedoch ausgelagerte Gesellschaften. Die Stadt gründete beispielsweise eine Immobilien-Tochter, dort sind rund 118 Millionen Anlagevermögen geparkt, rund 63 Millionen Verbindlichkeiten stehen dem gegenüber. Bernhard Wurzer von der ÖVP hakt hier ein: „Wir fordern einen Kassasturz, um endlich transparente Zahlen zu haben, wie hoch der Schuldenstand wirklich ist. Im offiziellen Budget fehlen diese Haftungen der Stadt, die in Tochtergesellschaften ausgelagert wurden und somit die Pro-Kopf-Verschuldung verzerren. Danach muss ein Masterplan erarbeitet werden, wie wir unsere Verschuldung reduzieren. Die ÖVP möchte, dass St. Pölten bis 2030 schuldenfrei ist.“ Ein radikaler Ansatz, wie selbst Wurzer meint. „Über die Grundversorgung müssen wir nicht diskutieren, die ist natürlich Sache der Gemeinde. Aber abgesehen von Kanal, Müllversorgung etc. müssen wir mit dem Bürger diskutieren, was die Aufgaben der Gemeinde sein sollen, beispielsweise im Bereich der Freizeit und Spaßindustrie. Es muss einen klaren Leistungskatalog geben und klare Kosten. Und mit der nötigen Transparenz wäre es auch möglich viele Leistungen in Partnerschaft zwischen Gemeinde und einem privaten, durchaus gewinnorientierten Betreiber zu organisieren. Auch beim Marketing gehört viel hinterfragt. Die Zeit von Brot-und-Spiele-Politik ist vorbei, das können wir uns einfach nicht leisten!“
Im Nachhinein…
Bürgermeister Stadler sieht die Lage nicht dramatisch, auch Spielraum für zukünftige Entwicklungen sei noch gegeben: „Wir werden weiterhin in nachhaltige Projekte investieren müssen, die auch für die Gesamtentwicklung der Stadt etwas bringen, etwa die Fachhochschule. Das sind Investitionen in die Zukunft, die sich natürlich bezahlt machen!“ Gerade die letzten zwei Jahre machten aber auch für die Gemeinden die Finanzierungssituation eng. Innere Darlehen zwischen Stadt und Tochtergesellschaften sowie das Anlegen in konservative Floater-Anleihen bei österreichischen Banken dienen heute als Veranlagungsinstrumente. Auch die aus heutiger Sicht wenig erfolgreichen Derivatgeschäfte beschäftigen die St. Pöltner Finanzabteilung. Ernst Knoth: „Neu beginnen würde diese Geschäfte keiner, aber wir haben sie einigermaßen im Griff und schauen, dass wir bei gutem Wind rauskommen. Damals, als diese Geschäfte abgeschlossen wurden, galt man als unmodern, wenn man nicht zu diesen Produkten greift. Im Nachhinein ist man natürlich immer gescheiter.“
Während Städte andernorts massive Sparprogramme fahren, Einrichtungen schließen und die Straßenbeleuchtung nicht mehr die ganze Nacht über laufen lassen, herrscht in St. Pölten (noch) keine Panik. Offizielle Vertreter im Rathaus sehen die von ihnen verwalteten Stadtfinanzen im Griff – und kämpfen um strukturelle Reformen, für die sie aber Land und Bund brauchen. Im Herbst werden im frisch gewählten Gemeinderat neue Budgets erstellt. Wie groß der Sparzwang bzw. der tatsächliche Spielraum für Investitionen ist, wird man dann sehen. Notfalls bleibt ja noch Schulden machen. Die eine oder andere Million mehr tut ja nicht weh.
Interview: Matthias Stadler
Wiener Neustadt spekuliert mit der Zahlungsunfähigkeit. Geht’s uns besser?
Innerhalb Österreichs weisen die Städte beträchtliche Unterschiede bei Einnahmen und Zuständigkeiten auf, davon abgesehen gibt es aufgrund der Landesgesetzgebung unterschiedliche Systeme. Dennoch stimmt der Trend, dass die Kostenschere dramatisch auseinander geht. Beim letzten Finanzausgleich haben die größeren Städte verloren und zusätzlich Aufgaben zugeteilt bekommen. Es geht um Gerechtigkeit: Wels in Oberösterreich, mit einer ähnlichen Bevölkerungszahl wie St. Pölten, zahlt rund 14 Millionen für deren Spital, wir zahlen 22 Millionen.
Argumentiert wird das mit der unterschiedlichen Finanzkraft der Städte.
St. Pölten ist auf dem Papier finanzkräftig, aber das sagt nicht viel aus. Etwa bei den Bedarfszuweisungen sind wir ausgenommen und profitieren nicht von Leistungen des Landes. Zudem haben wir als Hauptstadt viele Aufgaben wahrzunehmen, die auch dem Umfeld zugutekommen. Man muss auch die Landespolitik in die Pflicht nehmen. Auffällig ist, dass neun der zehn am höchsten verschuldeten Städte Österreichs in NÖ liegen. In Summe ist es eine ungerechte Finanzierung der Städte, die übergeordneten Stellen Land und Bund putzen sich an den Städten ab. Daran muss sich was ändern.
Wie sieht es mit Sparen aus?
Es ist deprimierend: Wir sparen und bemühen uns über Jahre, dennoch geht die Schere auseinander. Heuer erreichen wir erst wieder das Einnahmeniveau von 2008, die Krise hat uns Jahre an Wachstum gekostet – Geld, das fehlt. Unabhängige Studien beweisen, dass die Städte die Kostenschere aus eigener Kraft nicht mal schließen könnten, wenn sie sich tot sparen würden.
Momentan wird „Erspartes“ aufgezehrt um ausgeglichen bilanzieren zu können.
Noch können wir die Abgänge mit Rücklagen aus guten Jahren finanzieren. Natürlich wollen wir diese Mittel lieber investieren und nicht damit den laufenden Betrieb decken. Wir konnten diese Abgänge aber im letzten Jahr stark eingrenzen.
Inwiefern verschulden sich stadteigene Unternehmen wie die Immobilien GmbH?
Wenn möglich, vergeben wir interne Darlehen an unsere eigenen Unternehmen anstatt Zinsen an Banken zu zahlen, was aber keine Querfinanzierung ist. Natürlich müssen die Tochtergesellschaften auch Schulden aufnehmen, wenngleich wir schauen, dass diese stabil bleiben. Ich will deutlich sagen, dass Schulden nicht gleich Schulden sind. Wir investieren in Infrastruktur und schaffen somit Werte. Wir verblasen kein Geld.
Können Sie uns das Budget in der Sprache eines „normalen“ Bürgers erklären?
Im ordentlichen Haushalt haben wir rund 110 Millionen Euro Schulden. In der Budget-Vorausschau 2011 geben wir rund 157 Millionen aus, 151 Millionen nehmen wir ein. Durch aufgelöste Rücklagen wird das Budget „ausgeglichen“. Das Defizit liegt also bei rund sechs Millionen, 2010 waren es noch knapp zwölf Millionen. Die Einnahmen steigen in letzter Zeit zum Glück wieder.
Man munkelt, Sie lassen wegen der Budgeterstellung im Herbst so rasch wählen. Welchen Spielraum lässt das Budget für Zukunftsinvestitionen?
Das stimmt nicht! Bleiben die Rahmenbedingungen gleich, werden wir 2013 oder 2014 wieder ausgeglichen bilanzieren. Es gibt keinen Grund sich vor der Budgeterstellung zu fürchten. Der Spielraum wird leider enger, intern arbeiten wir auch massiv an dieser Problemstellung. Beim Finanzausgleich 2014 müssen die Gemeinden auf die Abgeltung der zusätzlichen Aufgaben drängen und die Situation für uns so verbessern.
Was muss eine Stadt abseits der Grundversorgung leisten? In Harland wird das Amtshaus um 255.000 Euro saniert – wozu brauchen die Leute das, wenn die Verwaltung doch im Rathaus sitzt?
Ein Amtshaus ist ein historisch gewachsenes Stadtteilzentrum und wichtig für die Stadtteilstruktur oder etwa das Vereinswesen. Im Amtshaus ist der Gewichtheberverein einquartiert, es gibt einen Hort zur Nachmittagsbetreuung und eine Außenstelle der Volkshilfe. Letztere bringt sogar Einnahmen. Es ist wichtig für die Gesamtgesellschaft und wir erfüllen Auflagen der Behörde, da wird ja kein Luxus betrieben.
Also nicht „weniger Stadt, mehr privat“?
Wo das gemacht wurde, ist es der Bevölkerung teurer gekommen. Eine Kommune hat für die Daseinsvorsorge Verantwortung zu tragen.
Inklusive Betrieb eines Hallenbads?
Ja, aufgrund der sozialen Komponente: leistbare Bewegungsmöglichkeiten für alle Einwohner, Schulsport und aktive Gesundheitsprävention.
Infos zum Thema:
St. Pölten nimmt im aktuellen Jahr rund 151 Millionen ein und gibt rund 157 Millionen aus. Die Differenz von sechs Millionen Euro wird aus Rücklagen gedeckt.
Rund 30 Millionen Euro sind in solchen Rücklagen „gespart“. Dem stehen Verbindlichkeiten von rund 117 Millionen Euro gegenüber. Dazu kommen Haftungen für Tochtergesellschaften (in denen neben diesen Schulden aber auch Anlagevermögen geparkt ist).
Rund 55 Millionen Einnahmen kommen aus Umlagen aus dem Finanzausgleich, rund 23 Millionen durch die Kommunalsteuer, rund 6 Millionen durch die Grundsteuer.
Rund 45 Millionen gibt St. Pölten für Personal aus, 39 Millionen gehen an Umlagen ans Land (davon rund 20 Millionen fürs Krankenhaus).
2006 hat St. Pölten massiv umgeschuldet, die meisten Verbindlichkeiten sind nun bei zwei deutschen Banken konzentriert. Auch österreichische Banken geben derzeit neue Darlehen an St. Pölten.