MFG - Freunde der Blasmusik
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St. Pöltens gute Seite

Freunde der Blasmusik

Ausgabe 06/2010

Montag Abend in St. Pölten. Allmählich füllt sich der Kinosaal. Bepackt mit teils schwerem Gerät betreten die Personen den Raum. Wider Erwarten wird jedoch kein Film gezeigt, sondern geblasen, was das Zeug hält: Die Räumlichkeiten des ehemaligen Forumkinos dienen der Blasmusik der Musikschule der Landeshauptstadt St. Pölten (welch Wortkonvolut!) als Probelokal.

Eine kleine (Nacht)Musik
In ländlichen Gebieten ist die Blasmusik noch fest im Alltag verankert, kämpft aber auch dort mit Imageproblemen und fehlendem Nachwuchs.
Noch dramatischer stellt sich die Situation in St. Pölten dar: Zwar besuchen die Musikschule über 1.000 Schüler, auch Bläser und Schlagzeuger gibt es, jedoch finden nur wenige  von ihnen den Weg in die Blasmusik. Vor allem der Mangel an sogenanntem tiefen Blech (Tuba, Horn, Posaune etc.) ist unübersehbar. Gerade der Bass ist aber in der Musik das Fundament, und ohne richtiges Fundament beginnt bekanntlich alles zu wanken. „Das sind wir schon gewöhnt“, schmunzelt Kapellmeister Sepp Fahrngruber im Hinblick auf die angespannte Personalsituation. „Das Problem ist auch die hohe Fluktuationsrate. Viele der Musiker studieren in Wien und können daher nicht auf die Probe kommen.“
Constanze Bannholzer, Studentin, „unterschreibt“ dies: „Ich habe leider keine Möglichkeit, montags in St. Pölten zu proben. Zu den Auftritten komme ich aber meistens.“ Beim alljährlichen Neujahrskonzert ist das Orchester fast 70 Mann (und Frau) stark, schrumpft bei anderen Ausrückungen auf 20 Personen, und bei den Proben sind knapp 10 Musiker keine Seltenheit. „Eine gute Probenarbeit ist unabkömmlich für die Qualität eines Klangkörpers“, appelliert auch Robert Rosenthaler, die rechte und die linke Hand des Kapellmeisters, an die notorischen Probenschwänzer.

Wer nicht kommt zur rechten Zeit...
Tatsächlich bangt man auch diesen Montag, ob ein Tubist erscheint. Sorgenvolle Blicke Richtung Tür, dann erleichtertes Aufatmen - der Retter erscheint mit schwerem Gerät.
Bald darauf erfüllt eine bekannte Melodie den Raum. „Einzug der Gladiatoren“, heißt das Stück, welches die meisten von uns als Eröffnungsmelodie aus dem Zirkus kennen. Schon bei den ersten Takten meint man die Spielfreude des Klangkörpers zu erkennen, was auch Michael Schlaffer bestätigt: „Wir sind wie die sprichwörtliche große Familie. Wir haben Spaß am Musizieren, und die Geselligkeit kommt in der Probe auch nicht zu kurz.“ Ins gleiche Horn stößt auch sein Kollege Reinhold Gansch: „Der Spaß ist das Wichtigste an der Sache!“ Keine Spur also von „Ich-Muss-Heute-Wieder-In-Die-Probe-Gehen“.
Als man nach der ersten Halbzeit der Probe in die Pause geht, erkennt man sofort, dass dahinter nicht nur leere Worte stehen. Ein paar Stiegen führen hinab in den Aufenthaltsraum, wo bereits reges Treiben vor dem Kühlschrank herrscht und der Schmäh rennt. Es ist ein kleiner Raum, an den Wänden kleben Schallschutzmatten. Das Klischee des biertrinkenden Musikers bestätigt sich aber nicht, wie Michael Schlaffer, nebenbei noch Mitglied in der Freiwilligen Feuerwehr, einräumt: „Ich werde oft gefragt, ob das meine Leber aushält, bei der Musik und bei der Feuerwehr zu sein.“

Die vier Jahreszeiten
Die Blasmusik probt das ganze Jahr für verschiedene Gigs (um in „modernen“ Anglizismen zu schreiben): Großes Highlight ist das alljährliche Neujahrskonzert, andere Fixpunkte sind das Festwochenkonzert oder die Eröffnung des Volksfestes. Zahlreiche Ausrückungen werden von kleinen Formationen durchgeführt, wie z. B. vom Saxophonquartett oder einer Dixieland-Band. Vor allem beim älteren Publikum kommen die Auftritte der Blasmusik immer gut an, jüngere Personen quittieren die Auftritte oft mit einem Lächeln. Uniform, Blasmusik, das mutet in einer Stadt nach wie vor exotisch an. Aber auch im ländlichen Raum sinken die Mitgliederzahlen. „Gerade junge Menschen haben in diesem Alter oftmals andere Interessen“, mutmaßt Peter Bonigl. „Wahrscheinlich ist Blasmusik einfach in der heutigen Zeit nicht mehr ‚cool’“, fügt Gregor Halbartschlager hinzu. Nicht zuletzt deshalb spielt man in der Blasmusik auch vermehrt moderne Stücke, was auch das Publikum goutiert. „Neben klassischen Stücken haben wir ebenso ein reiches Repertoire an modernerer Musik. Die Resonanz ist stets positiv“, skizziert der Kapellmeister den Trend. Der berühmte St. Louis Blues steht ebenso am Programm wie Medleys von Robbie Williams oder Overtüren von Strauß. Selbstverständlich dürfen auch der obligatorische Radetzky Marsch oder die bekannten Melodien der Heidrun oder Slavonicka Polka nicht fehlen. „Man muss den Kindern und Jugendlichen zeigen, dass es sehr wohl ‚cool’ sein kann, bei der Blasmusik zu sein“, so der Grundtenor der Musiker, und widerspricht damit vehement dem Vorurteil: „Blasmusik ist Schasmusik.“