Das Gesetz am anderen Ende des Regensbogens
Ausgabe
Alles bleibt anders für gleichgeschlechtliche Paare. Der österreichische Paragraphendschungel ist seit 1. Jänner um 74 Seiten Bundesgesetzblatt reicher. Das Gesetz der Eingetragenen Partnerschaften ist nach jahrelangem Hin und Her in Geltung. Werden Träume für St. Pöltner Paare durch das neue Gesetz wirklich wahr? Von Rosen, der „normalen“ Gesellschaft und Wortungetümen.
Sommer 2009. Mit 40 roten Rosen überraschte Peter seinen Poldi. Anlass war nicht nur das 40. Wiegenfest seines Liebsten, sondern noch etwas Anderes – etwas Großes. Der österreichische Gesetzgeber sprach ernsthaft den Entwurf einer „Homo-Ehe“ an. Schuld daran sind drohende Strafen der EU. Aber am heutigen Tag ist für Peter das Warum völlig egal. Nach 18 gemeinsamen Jahren ist für Peter der Schritt zur großen Frage ein kleiner. Die Augen sind feucht und man(n) wird etwas sentimental. Im Hintergrund singt Elton John seinen „Song for Guy“. „Noch bevor der Peter überhaupt was sagen hat können, hab ich schon losgeheult“, erinnert sich Poldi. Schon immer hat er sich einen romantischen Antrag gewünscht „so wie bei der Traumhochzeit“. Und so war es dann auch: Das gemeinsame Lied, Rosen, und der Mann seines Lebens. „Für uns wird ein Traum wahr!“
Dezember 2009. Die Zeit im Bild verkündet in gewohnt nüchternem Nachrichtenstil, dass die Regierung das Gesetz der Eingetragenen Partnerschaften (kurz EPG) verabschiedet hat, das mit Jänner 2010 in Kraft treten wird. Ingrid und Andrea haben die Diskussion und das Ringen um dieses Gesetz laufend mitverfolgt, weniger nüchtern als gespannt. Noch am selben Abend überrascht Ingrid ihre Partnerin nach 14 glücklichen Jahren mit einem Ring. Die Antwort: natürlich ein Ja! „Ingrid ist mir ein bisserl zuvor gekommen. Ich hätte den Antrag für den Heiligen Abend geplant gehabt“, verrät die frisch „verlobte“ Andrea.
Willkommen am Stammtisch
Durchs Reden kommen ja bekanntlich die Leut‘ zsamm. Im einschlägig bekannten St. Pöltner Lokal „Emely Rose“ trifft sich jeden Donnerstag ein Regenbogen-Stammtisch, daher bitten wir Lokalbetreiber Richie, Mr. Emely Rose, quasi „Heiratsvermittler“ zu spielen und die „Verlobten“ zusammen zu trommeln. Eingefunden haben sich die zwei Pärchen sowie Familie und Freunde, um ihre Positionen zur legistischen Arbeit der Regierung dar zu tun. Dabei werden wir gleich korrigiert. „Verlobte sind wir ja eigentlich nicht und geheiratet wird auch nicht. Wir verpartnern uns nur“, betont Andrea mit einem Schmunzeln ob des Wortungetüms.
Rein rechtlich hat Andrea völlig recht. Ein Verlöbnis ist nicht vorgesehen und eine Ehe – das stellen die parlamentarischen Materialien ausdrücklich fest – sind die Eingetragenen Partnerschaften in keinster Weise. Sollen sie auch nicht sein. Es wird sich davor gehütet, den Partnerschaften Familienstatus zu gewähren, was sich nicht nur im Adoptionsverbot niederschlägt, sondern auch darin, dass kein gemeinsamer Familien-, sondern nur ein Nachname geführt werden darf. Natürlich muss sich das auch optisch abheben, daher die Regelung, dass Doppelnamen nur mit Leerzeichen anstatt des obligaten Bindestrichs bei Ehepaaren zur Anwendung kommen. Mit diesen Unterscheidungen will der Gesetzgeber alle Unkenrufe beseitigen, die homosexuellen Partnerschaften zur Last legen, die Gesellschaftsordnung zu destabilisieren, wie z.B. kirchliche Vertreter immer wieder kolportieren.
Guter Anfang
Im Emely Rose ist man sich allerdings einig, dass ein erster Schritt mit dem EPG getan wurde. Andrea und Ingrid formulieren es so: „Man darf sich nicht immer über alles beschweren, was man nicht hat, sondern muss auch anerkennen, dass wir jetzt zumindest eine Wahlmöglichkeit haben.“ In Wahrheit gehe es zuallererst um rechtliche Absicherung, die jetzt gegeben ist – für viele ein großer Entscheidungsfaktor, ob „verpartnert“ wird oder nicht. Das Familienleben sei nicht immer Eitel Wonne. Einige Elternteile kommen mit den Beziehungen ihrer homosexuellen Kinder nicht zurecht. Dementsprechend haben die Partner oft keine Handhabe, wenn es um Erbrechtsfolge oder Besuchsrechte im Spital geht.
Viele Dinge lassen sich aber per se nicht zivilrechtlich regeln. So etwa bei Genossenschaftswohnungen. Bei nicht verheirateten Paaren kann nur einer im Mietvertrag eingetragen werden. Dies ist auch bei Andrea und Ingrid der Fall. Stößt zum Beispiel Andrea etwas zu, hat Ingrid, die genausoviel in die Wohnung investiert hat, keinerlei Anspruch darauf, in den Mietvertrag einzutreten. Dies ist dann der Gnade der Genossenschaft überlassen. „Natürlich haben auch die Heteros dieses Problem, aber die haben ja immer heiraten können. Ich bin froh, dass mit der Verpartnerung dieses Problem wegfällt“, so Andrea. Das neue EPG regelt jetzt Rechtsbereiche wie Mitversichern, Pflegeurlaub, Aufenthaltstitel, Besuchsrechte im Spital, Erbrechte etc. Und trotzdem ist das erst die Spitze des Eisberges.
Verzauberte Kinder
In vielen weiteren Punkten gibt es immer noch keine Annäherung. So auch beim heißen Eisen Kindesadoption nicht. In unserer Gesprächsrunde ist dies ein besonders emotionalisiertes Thema. „Ja was glauben denn die Leute? Dass wir ganz plötzlich die Kinder ‚verzaubern‘, und dann sind sie schwul oder lesbisch“, wundert sich Andrea ironisch. Poldi wirft außerdem das Argument in die Runde: „Hetero-Paaren passiert oft ein Kind, das dann nicht gewollt ist und nicht notwendigerweise in einer liebevollen Umgebung aufwächst. Homosexuelle Paare hingegen ziehen immer Wunschkinder auf, weil die sich tausendmal überlegen, ob sie ein Kind wollen oder nicht!“ Zustimmendes Nicken.
Angesichts vieler Alleinerziehender und mannigfaltiger Patchworkfamilien scheint die gleichgeschlechtliche Partnerschaft tatsächlich nur eine unter mehreren Abweichungen vom traditionellen Ehe- und Familienbild. Und als völlig inkompetente Eltern stuft der Gesetzgeber homosexuelle Paare ohnedies nicht ein, sonst würde er nicht gestatten, dass sie sich um Pflegekinder kümmern dürfen. Bis heute ist kein Fall bekannt, dass Kinder unter der Obhut Homosexueller schlechter versorgt oder deshalb homosexuell geworden wären.
Diskriminierung im Alltag?
Vor 20 Jahren wollte man Poldi in Mauer noch mit Stromstößen von seiner „Krankheit“ therapieren. Beim Bundesheer hatte er solche Angst vor den Diskriminierungen, dass er sogar pro forma eine Frau geheiratet hat. Seine Flitterwochen hat er aber daraufhin in Mauer zu einer Evaluierung seines „Zustandes“ verbringen müssen. Die Stromtherapie hat er verweigert, sich scheiden lassen und eine dickere Haut zugelegt. Heute kann er sich das kaum noch vorstellen. In seiner Arbeit sprechen ihn die Kollegen und Kunden bereits mit Herr Eder an. Dass er den Nachnamen seines Zukünftigen annehmen wird, ist für Poldi selbstverständlich: „Na sicher gehört das dazu. Außerdem ist mein Nachname so schwierig zum Buchstabieren, da ist Peters Name viel schöner.“ Die Namensänderung kostet übrigens extra, genau 43 Euro. Für Verheiratete ist sie kostenlos. Aber Ungleichbehandlungen ist man gewohnt.
Stefanie und Michi, die sich bisher recht ruhig verhalten haben, schalten sich in die Diskussion ein. Die beiden sind mittlerweile seit 13 Jahren verbandelt und haben sich gegen eine Eingetragene Partnerschaft entschieden. Zu unausgegoren sei die Angelegenheit und eher eine „Husch-Pfusch-Aktion“ der Regierung, um keine Strafe von der EU zu kassieren. Stefanie: „Ich bin in dieser Runde eher die Kritische. Für mich kommt das einem Zwangs-Outing gleich, das nur noch mehr Diskriminierung verursacht.“
Konkret spricht sie den neuen Meldezettel an, der neben den üblichen Kategorien wie ledig, verheiratet, geschieden und verwitwet nunmehr drei weitere Kästchen aufweist. Da prangen nämlich jetzt zusätzlich die Wortungetüme „eingetragene Partnerschaft“, „aufgelöste eingetragene Partnerschaft“ und „verwitwet eingetragene Partnerschaft“. Ein Umstand, der auch den Grünen Andersrum in Niederösterreich sauer aufstößt. Deren Sprecher, Marco Schreuder: „Durch den neuen Meldezettel, der im Punkt Personenstand zwischen homo- und heterosexuell unterscheidet, sind Lesben und Schwule – einmal verpartnert – den Rest ihres Lebens geoutet.“
Zur Verpartnerung gehört also schon einiger Mut. Aber auch dann nehmen die gleichgeschlechtlichen Paare sich noch immer sehr zurück. Am Stammtisch sind sich alle einig, dass der Austausch von Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit für homosexuelle Paare keinen Platz hat. Man will ja kein Öl ins Feuer gießen. Auch wenn sich seit den „Therapieversuchen“ Poldis einiges verändert hat, will man sich ungern den Reaktionen aussetzen. Der Stempel „schwul“ oder „lesbisch“ macht sich nicht so gut auf einer Stirn. Man ist ja trotzdem Mensch.
Akzeptiert?
Stellt sich die Frage, was Herrn und Frau Österreicher anno 2010 zugetraut werden darf. In St. Pölten finden sich hier und dort schon Zeichen von Akzeptanz. Trifft man sich etwa auf ein Tässchen Kaffee im Café Pusch in der Domgasse, erwartet einem beim Passieren der Brautpaargalerie hinter den Mehlspeisvitrinen ein außergewöhnlicher Anblick: Da harren nicht nur Braut und Bräutigam, um auf einer Hochzeitstorte angebracht zu werden. Nein, auch Braut und Braut sowie Bräutigam und Bräutigam sehen sich dort seit mittlerweile zwei Jahren verliebt in die Augen. Maria Kappelmüller, Mehlspeis-Fee vom Pusch, hat die Brautpärchen andersrum vor Jahren in einem Katalog gesehen und sofort beschlossen: Die dürfen in unserer Galerie nicht fehlen! „Leider sind sie schon ein bisserl verstaubt, aber das kann sich ja jetzt endlich ändern!“ Privat kennt sie einige Betroffene und freut sich mit ihnen, dass endlich eine Ab-sicherung da ist. Helmut Pusch unterstützt seine Mitarbeiterin: „Wir sind da aufgeschlossen. Das Gesetz war ein wichtiger Schritt. Auch wenn wir von älteren Menschen immer wieder negative Reaktionen darauf bekommen, stehen wir zu unserer Brautpaargalerie.“ Man müsse mit der Zeit gehen, das gehöre eben heute dazu. „Auf die erste Tortenbestellung mit gleichgeschlechtlichem Brautpaar freue ich mich jedenfalls schon!“
Auch die Arbeitgeber von Poldi und Peter sowie von Andrea und Ingrid haben kein Problem. „Früher hat man das schon noch gehört, dass Leute wegen ihrer sexuellen Orientierung rausgeflogen sind. Heute kann sich kein Unternehmer mehr leisten, gute Mitarbeiter deswegen auf die Straße zu setzen“, so Peter. Nur Sonderurlaub gibt es dann doch nicht für den großen Tag. Und wie der ausschauen soll, wissen Peter und sein Poldi schon ganz genau. Wobei ihr Standesbeamter Wolfgang Heuer ihnen das schönste Geschenk gemacht: Sie dürfen am Geburtstag von Peters Mama am 11. Mai heiraten. Die Mama ist zwar leider nicht mehr unter uns, hat aber immer zum Brautpaar gehalten. Auch Wolfgang Heuer unterstützt die beiden, wo es geht. Eingetragen wird im Trauungssaal, sie dürfen Ringe tauschen und im CD-Player wird Elton John wieder ihr Lieblingslied zum besten geben, wenn sich Peter im braunen Anzug und Poldi im champagner farbenen Dreiteiler im kleinen Kreis das Ja-Wort geben. Besonders loben Peter und Poldi, dass das Wort „normal“ tunlichst in ihrem Gespräch nicht vorgekommen ist. Denn, was ist schon normal?
Auch Andrea und Ingrid werden voraussichtlich im Mai vor das Partnerschaftsbuch treten. Über alles Weitere haben sie sich noch keine Gedanken gemacht. Nur eines, das wissen alle – egal, wir nennen’s jetzt so – Verlobten schon genau: Die Hochzeitstafel steht im Emely Rose. Denn dort sind sie schon eine große Familie – pfeif auf’s Gesetz!
Infos zum Thema:
HARD FACTS
✖Es gibt kein Verlöbnis
✖Eine Eintragung verpflichtet nicht zur Treue.
✖Der Name wird grundsätzlich beibehalten. Namensänderungen sind im üblichen Weg erlaubt. Doppelnamen sind aber nur in der Schreibweise ohne Bindestrich, nur mit Leerzeichen erlaubt.
✖Verbot der Adoption
✖Verbot der künstlichen Befruchtung
✖Eine Eintragung hat keinen Familiencharakter, das bedeutet, dass der Partner nicht in den Genuss familienbezogener Rechte kommt.
✖Bereits im Ausland geschlossene Partnerschaften (Deutschland, England, Norwegen, Dänemark, Schweiz, Tschechien) bzw. Ehen (Spanien, Belgien, Niederlande, Portugal) werden nunmehr allerdings nur im Rahmen der EP anerkannt.
✖Regelungen betreffend Erbrecht, Unterhalt, Pension, Versicherung und Scheidung sind mit wenigen Ausnahmen mit denen des Eherechts ident.
Meinungen zum Thema:
DDr. Klaus Küng, Diözesanbischof:
Prinzipiell halte ich eine eingetragene Partnerschaft homosexueller Paare weiterhin weder für angebracht noch für notwendig, weil die bestehenden zivilrechtlichen Bestimmungen auch gleichgeschlechtlich orientierten Personen die nötigen Sicherheiten gewähren.
Im gewissen Sinne versucht das EPG, das bestehende Eherecht mit gewissen Anpassungen auf das neue Rechtsinstitut einer eingetragenen Partnerschaft homosexueller Paare zu übertragen. Gerade darin liegt der Fehler. Der Familie auf der Grundlage der Ehe zwischen Mann und Frau gebühren bestimmte Rechte – es handelt sich nicht um Privilegien – wegen der Leistungen, die die Familie insbesondere in Bezug auf die Erziehung von Kindern erbringt. Eine Übertragung solcher Rechte auf gleichgeschlechtliche Paare ist ein falscher Weg, der zur Desorientierung beiträgt.
Dass im neuen Gesetz für gleichgeschlechtliche Paare keine Zeremonie vor dem Standesamt vorgesehen ist, ist grundsätzlich zu begrüßen. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob diese Regelung nicht in der Praxis umgangen werden wird – in diese Richtung deutet etwa ein Interview, das Bundespräsident Heinz Fischer vor einigen Tagen gegeben hat.
Dass hingegen kein Adoptionsrecht vorgesehen ist, halte ich für positiv, denn ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare wäre ein Verstoß der Gesellschaft gegenüber dem Kindeswohl, da Kinder für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung Vater und Mutter benötigen.
Interview: MAG. Josef Kronister, Bezirkshauptmann
Wie beurteilen Sie die Eingetragene Partnerschaft, und wo wird diese durchgeführt auf der BH?
Als Bezirksverwaltungsbehörde übernehmen wir natürlich die Aufgabe der Eintragung.
Wir haben allerdings gar keine Räumlichkeiten, um die Sache ein bisschen persönlicher zu gestalten. Eine Zeremonie ist vom Gesetzgeber ohnehin nicht vorgesehen.
Gab es auf der Bezirkshauptmann schon viele Anmeldungen?
Wir hatten eine Anfrage von einem Paar, die sind dann aber nach Wien gegangen. Dort wird bekanntlich eine Zeremonie durchgeführt. Das ist für die Betroffenen sicher eine wünschenswertere Situation.
Interview: Wolfgang Heuer, Standesbeamter
Wie melden sich Paare für eine Eintragung an?
Bei uns am Standesamt läuft das ganz locker ab. Die Partner stellen zuerst den Antrag, suchen sich einen Termin aus und sagen uns am besten gleich, ob sie eine Namensänderung wünschen oder nicht.
Welche Unterschiede gibt es zur Hetero-Trauung?
Der einzige Unterschied beim Antrag ist, dass sie zusätzlich noch eine Erklärung unterschreiben müssen, dass sie eine Eingetragene Partnerschaft eingehen wollen. Eine Zeremonie ist nicht grundsätzlich verboten, sondern einfach im Gesetz nicht vorgesehen. Ich nutze den Graubereich aus und gestalte die Eintragung so persönlich wie möglich. Es wird einen Ringtausch geben, und ich sage auch ein paar Worte. Wenn ich ganz ehrlich bin – und das können Sie ruhig schreiben – bereitet mir das neue Gesetz Kopfschütteln. Hätte der Gesetzgeber gleich die Ehe für alle zugelassen, hätten wir im Gesetz nur zwei Worte verändert und uns diesen ganzen Firlefanz erspart. Im erzkatholischen Spanien funktioniert das ja auch.
Gibt es einen großen Ansturm auf Termine zu Eintragungen?
Der Boom ist ausgeblieben. Bisher gab es zwei Eintragungen ins Partnerschaftsbuch, im Mai haben sich Peter und Poldi angemeldet. Meiner Meinung gehört viel Mut dazu, das zu machen, weil das in den persönlichen Dokumenten eingetragen wird und dann weiß es wirklich jeder.
Wo darf man sich verpartnern?
In St. Pölten benutzen wir wie bei allen den Trauungsraum dazu.
Dezember 2009. Die Zeit im Bild verkündet in gewohnt nüchternem Nachrichtenstil, dass die Regierung das Gesetz der Eingetragenen Partnerschaften (kurz EPG) verabschiedet hat, das mit Jänner 2010 in Kraft treten wird. Ingrid und Andrea haben die Diskussion und das Ringen um dieses Gesetz laufend mitverfolgt, weniger nüchtern als gespannt. Noch am selben Abend überrascht Ingrid ihre Partnerin nach 14 glücklichen Jahren mit einem Ring. Die Antwort: natürlich ein Ja! „Ingrid ist mir ein bisserl zuvor gekommen. Ich hätte den Antrag für den Heiligen Abend geplant gehabt“, verrät die frisch „verlobte“ Andrea.
Willkommen am Stammtisch
Durchs Reden kommen ja bekanntlich die Leut‘ zsamm. Im einschlägig bekannten St. Pöltner Lokal „Emely Rose“ trifft sich jeden Donnerstag ein Regenbogen-Stammtisch, daher bitten wir Lokalbetreiber Richie, Mr. Emely Rose, quasi „Heiratsvermittler“ zu spielen und die „Verlobten“ zusammen zu trommeln. Eingefunden haben sich die zwei Pärchen sowie Familie und Freunde, um ihre Positionen zur legistischen Arbeit der Regierung dar zu tun. Dabei werden wir gleich korrigiert. „Verlobte sind wir ja eigentlich nicht und geheiratet wird auch nicht. Wir verpartnern uns nur“, betont Andrea mit einem Schmunzeln ob des Wortungetüms.
Rein rechtlich hat Andrea völlig recht. Ein Verlöbnis ist nicht vorgesehen und eine Ehe – das stellen die parlamentarischen Materialien ausdrücklich fest – sind die Eingetragenen Partnerschaften in keinster Weise. Sollen sie auch nicht sein. Es wird sich davor gehütet, den Partnerschaften Familienstatus zu gewähren, was sich nicht nur im Adoptionsverbot niederschlägt, sondern auch darin, dass kein gemeinsamer Familien-, sondern nur ein Nachname geführt werden darf. Natürlich muss sich das auch optisch abheben, daher die Regelung, dass Doppelnamen nur mit Leerzeichen anstatt des obligaten Bindestrichs bei Ehepaaren zur Anwendung kommen. Mit diesen Unterscheidungen will der Gesetzgeber alle Unkenrufe beseitigen, die homosexuellen Partnerschaften zur Last legen, die Gesellschaftsordnung zu destabilisieren, wie z.B. kirchliche Vertreter immer wieder kolportieren.
Guter Anfang
Im Emely Rose ist man sich allerdings einig, dass ein erster Schritt mit dem EPG getan wurde. Andrea und Ingrid formulieren es so: „Man darf sich nicht immer über alles beschweren, was man nicht hat, sondern muss auch anerkennen, dass wir jetzt zumindest eine Wahlmöglichkeit haben.“ In Wahrheit gehe es zuallererst um rechtliche Absicherung, die jetzt gegeben ist – für viele ein großer Entscheidungsfaktor, ob „verpartnert“ wird oder nicht. Das Familienleben sei nicht immer Eitel Wonne. Einige Elternteile kommen mit den Beziehungen ihrer homosexuellen Kinder nicht zurecht. Dementsprechend haben die Partner oft keine Handhabe, wenn es um Erbrechtsfolge oder Besuchsrechte im Spital geht.
Viele Dinge lassen sich aber per se nicht zivilrechtlich regeln. So etwa bei Genossenschaftswohnungen. Bei nicht verheirateten Paaren kann nur einer im Mietvertrag eingetragen werden. Dies ist auch bei Andrea und Ingrid der Fall. Stößt zum Beispiel Andrea etwas zu, hat Ingrid, die genausoviel in die Wohnung investiert hat, keinerlei Anspruch darauf, in den Mietvertrag einzutreten. Dies ist dann der Gnade der Genossenschaft überlassen. „Natürlich haben auch die Heteros dieses Problem, aber die haben ja immer heiraten können. Ich bin froh, dass mit der Verpartnerung dieses Problem wegfällt“, so Andrea. Das neue EPG regelt jetzt Rechtsbereiche wie Mitversichern, Pflegeurlaub, Aufenthaltstitel, Besuchsrechte im Spital, Erbrechte etc. Und trotzdem ist das erst die Spitze des Eisberges.
Verzauberte Kinder
In vielen weiteren Punkten gibt es immer noch keine Annäherung. So auch beim heißen Eisen Kindesadoption nicht. In unserer Gesprächsrunde ist dies ein besonders emotionalisiertes Thema. „Ja was glauben denn die Leute? Dass wir ganz plötzlich die Kinder ‚verzaubern‘, und dann sind sie schwul oder lesbisch“, wundert sich Andrea ironisch. Poldi wirft außerdem das Argument in die Runde: „Hetero-Paaren passiert oft ein Kind, das dann nicht gewollt ist und nicht notwendigerweise in einer liebevollen Umgebung aufwächst. Homosexuelle Paare hingegen ziehen immer Wunschkinder auf, weil die sich tausendmal überlegen, ob sie ein Kind wollen oder nicht!“ Zustimmendes Nicken.
Angesichts vieler Alleinerziehender und mannigfaltiger Patchworkfamilien scheint die gleichgeschlechtliche Partnerschaft tatsächlich nur eine unter mehreren Abweichungen vom traditionellen Ehe- und Familienbild. Und als völlig inkompetente Eltern stuft der Gesetzgeber homosexuelle Paare ohnedies nicht ein, sonst würde er nicht gestatten, dass sie sich um Pflegekinder kümmern dürfen. Bis heute ist kein Fall bekannt, dass Kinder unter der Obhut Homosexueller schlechter versorgt oder deshalb homosexuell geworden wären.
Diskriminierung im Alltag?
Vor 20 Jahren wollte man Poldi in Mauer noch mit Stromstößen von seiner „Krankheit“ therapieren. Beim Bundesheer hatte er solche Angst vor den Diskriminierungen, dass er sogar pro forma eine Frau geheiratet hat. Seine Flitterwochen hat er aber daraufhin in Mauer zu einer Evaluierung seines „Zustandes“ verbringen müssen. Die Stromtherapie hat er verweigert, sich scheiden lassen und eine dickere Haut zugelegt. Heute kann er sich das kaum noch vorstellen. In seiner Arbeit sprechen ihn die Kollegen und Kunden bereits mit Herr Eder an. Dass er den Nachnamen seines Zukünftigen annehmen wird, ist für Poldi selbstverständlich: „Na sicher gehört das dazu. Außerdem ist mein Nachname so schwierig zum Buchstabieren, da ist Peters Name viel schöner.“ Die Namensänderung kostet übrigens extra, genau 43 Euro. Für Verheiratete ist sie kostenlos. Aber Ungleichbehandlungen ist man gewohnt.
Stefanie und Michi, die sich bisher recht ruhig verhalten haben, schalten sich in die Diskussion ein. Die beiden sind mittlerweile seit 13 Jahren verbandelt und haben sich gegen eine Eingetragene Partnerschaft entschieden. Zu unausgegoren sei die Angelegenheit und eher eine „Husch-Pfusch-Aktion“ der Regierung, um keine Strafe von der EU zu kassieren. Stefanie: „Ich bin in dieser Runde eher die Kritische. Für mich kommt das einem Zwangs-Outing gleich, das nur noch mehr Diskriminierung verursacht.“
Konkret spricht sie den neuen Meldezettel an, der neben den üblichen Kategorien wie ledig, verheiratet, geschieden und verwitwet nunmehr drei weitere Kästchen aufweist. Da prangen nämlich jetzt zusätzlich die Wortungetüme „eingetragene Partnerschaft“, „aufgelöste eingetragene Partnerschaft“ und „verwitwet eingetragene Partnerschaft“. Ein Umstand, der auch den Grünen Andersrum in Niederösterreich sauer aufstößt. Deren Sprecher, Marco Schreuder: „Durch den neuen Meldezettel, der im Punkt Personenstand zwischen homo- und heterosexuell unterscheidet, sind Lesben und Schwule – einmal verpartnert – den Rest ihres Lebens geoutet.“
Zur Verpartnerung gehört also schon einiger Mut. Aber auch dann nehmen die gleichgeschlechtlichen Paare sich noch immer sehr zurück. Am Stammtisch sind sich alle einig, dass der Austausch von Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit für homosexuelle Paare keinen Platz hat. Man will ja kein Öl ins Feuer gießen. Auch wenn sich seit den „Therapieversuchen“ Poldis einiges verändert hat, will man sich ungern den Reaktionen aussetzen. Der Stempel „schwul“ oder „lesbisch“ macht sich nicht so gut auf einer Stirn. Man ist ja trotzdem Mensch.
Akzeptiert?
Stellt sich die Frage, was Herrn und Frau Österreicher anno 2010 zugetraut werden darf. In St. Pölten finden sich hier und dort schon Zeichen von Akzeptanz. Trifft man sich etwa auf ein Tässchen Kaffee im Café Pusch in der Domgasse, erwartet einem beim Passieren der Brautpaargalerie hinter den Mehlspeisvitrinen ein außergewöhnlicher Anblick: Da harren nicht nur Braut und Bräutigam, um auf einer Hochzeitstorte angebracht zu werden. Nein, auch Braut und Braut sowie Bräutigam und Bräutigam sehen sich dort seit mittlerweile zwei Jahren verliebt in die Augen. Maria Kappelmüller, Mehlspeis-Fee vom Pusch, hat die Brautpärchen andersrum vor Jahren in einem Katalog gesehen und sofort beschlossen: Die dürfen in unserer Galerie nicht fehlen! „Leider sind sie schon ein bisserl verstaubt, aber das kann sich ja jetzt endlich ändern!“ Privat kennt sie einige Betroffene und freut sich mit ihnen, dass endlich eine Ab-sicherung da ist. Helmut Pusch unterstützt seine Mitarbeiterin: „Wir sind da aufgeschlossen. Das Gesetz war ein wichtiger Schritt. Auch wenn wir von älteren Menschen immer wieder negative Reaktionen darauf bekommen, stehen wir zu unserer Brautpaargalerie.“ Man müsse mit der Zeit gehen, das gehöre eben heute dazu. „Auf die erste Tortenbestellung mit gleichgeschlechtlichem Brautpaar freue ich mich jedenfalls schon!“
Auch die Arbeitgeber von Poldi und Peter sowie von Andrea und Ingrid haben kein Problem. „Früher hat man das schon noch gehört, dass Leute wegen ihrer sexuellen Orientierung rausgeflogen sind. Heute kann sich kein Unternehmer mehr leisten, gute Mitarbeiter deswegen auf die Straße zu setzen“, so Peter. Nur Sonderurlaub gibt es dann doch nicht für den großen Tag. Und wie der ausschauen soll, wissen Peter und sein Poldi schon ganz genau. Wobei ihr Standesbeamter Wolfgang Heuer ihnen das schönste Geschenk gemacht: Sie dürfen am Geburtstag von Peters Mama am 11. Mai heiraten. Die Mama ist zwar leider nicht mehr unter uns, hat aber immer zum Brautpaar gehalten. Auch Wolfgang Heuer unterstützt die beiden, wo es geht. Eingetragen wird im Trauungssaal, sie dürfen Ringe tauschen und im CD-Player wird Elton John wieder ihr Lieblingslied zum besten geben, wenn sich Peter im braunen Anzug und Poldi im champagner farbenen Dreiteiler im kleinen Kreis das Ja-Wort geben. Besonders loben Peter und Poldi, dass das Wort „normal“ tunlichst in ihrem Gespräch nicht vorgekommen ist. Denn, was ist schon normal?
Auch Andrea und Ingrid werden voraussichtlich im Mai vor das Partnerschaftsbuch treten. Über alles Weitere haben sie sich noch keine Gedanken gemacht. Nur eines, das wissen alle – egal, wir nennen’s jetzt so – Verlobten schon genau: Die Hochzeitstafel steht im Emely Rose. Denn dort sind sie schon eine große Familie – pfeif auf’s Gesetz!
Infos zum Thema:
HARD FACTS
✖Es gibt kein Verlöbnis
✖Eine Eintragung verpflichtet nicht zur Treue.
✖Der Name wird grundsätzlich beibehalten. Namensänderungen sind im üblichen Weg erlaubt. Doppelnamen sind aber nur in der Schreibweise ohne Bindestrich, nur mit Leerzeichen erlaubt.
✖Verbot der Adoption
✖Verbot der künstlichen Befruchtung
✖Eine Eintragung hat keinen Familiencharakter, das bedeutet, dass der Partner nicht in den Genuss familienbezogener Rechte kommt.
✖Bereits im Ausland geschlossene Partnerschaften (Deutschland, England, Norwegen, Dänemark, Schweiz, Tschechien) bzw. Ehen (Spanien, Belgien, Niederlande, Portugal) werden nunmehr allerdings nur im Rahmen der EP anerkannt.
✖Regelungen betreffend Erbrecht, Unterhalt, Pension, Versicherung und Scheidung sind mit wenigen Ausnahmen mit denen des Eherechts ident.
Meinungen zum Thema:
DDr. Klaus Küng, Diözesanbischof:
Prinzipiell halte ich eine eingetragene Partnerschaft homosexueller Paare weiterhin weder für angebracht noch für notwendig, weil die bestehenden zivilrechtlichen Bestimmungen auch gleichgeschlechtlich orientierten Personen die nötigen Sicherheiten gewähren.
Im gewissen Sinne versucht das EPG, das bestehende Eherecht mit gewissen Anpassungen auf das neue Rechtsinstitut einer eingetragenen Partnerschaft homosexueller Paare zu übertragen. Gerade darin liegt der Fehler. Der Familie auf der Grundlage der Ehe zwischen Mann und Frau gebühren bestimmte Rechte – es handelt sich nicht um Privilegien – wegen der Leistungen, die die Familie insbesondere in Bezug auf die Erziehung von Kindern erbringt. Eine Übertragung solcher Rechte auf gleichgeschlechtliche Paare ist ein falscher Weg, der zur Desorientierung beiträgt.
Dass im neuen Gesetz für gleichgeschlechtliche Paare keine Zeremonie vor dem Standesamt vorgesehen ist, ist grundsätzlich zu begrüßen. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob diese Regelung nicht in der Praxis umgangen werden wird – in diese Richtung deutet etwa ein Interview, das Bundespräsident Heinz Fischer vor einigen Tagen gegeben hat.
Dass hingegen kein Adoptionsrecht vorgesehen ist, halte ich für positiv, denn ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare wäre ein Verstoß der Gesellschaft gegenüber dem Kindeswohl, da Kinder für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung Vater und Mutter benötigen.
Interview: MAG. Josef Kronister, Bezirkshauptmann
Wie beurteilen Sie die Eingetragene Partnerschaft, und wo wird diese durchgeführt auf der BH?
Als Bezirksverwaltungsbehörde übernehmen wir natürlich die Aufgabe der Eintragung.
Wir haben allerdings gar keine Räumlichkeiten, um die Sache ein bisschen persönlicher zu gestalten. Eine Zeremonie ist vom Gesetzgeber ohnehin nicht vorgesehen.
Gab es auf der Bezirkshauptmann schon viele Anmeldungen?
Wir hatten eine Anfrage von einem Paar, die sind dann aber nach Wien gegangen. Dort wird bekanntlich eine Zeremonie durchgeführt. Das ist für die Betroffenen sicher eine wünschenswertere Situation.
Interview: Wolfgang Heuer, Standesbeamter
Wie melden sich Paare für eine Eintragung an?
Bei uns am Standesamt läuft das ganz locker ab. Die Partner stellen zuerst den Antrag, suchen sich einen Termin aus und sagen uns am besten gleich, ob sie eine Namensänderung wünschen oder nicht.
Welche Unterschiede gibt es zur Hetero-Trauung?
Der einzige Unterschied beim Antrag ist, dass sie zusätzlich noch eine Erklärung unterschreiben müssen, dass sie eine Eingetragene Partnerschaft eingehen wollen. Eine Zeremonie ist nicht grundsätzlich verboten, sondern einfach im Gesetz nicht vorgesehen. Ich nutze den Graubereich aus und gestalte die Eintragung so persönlich wie möglich. Es wird einen Ringtausch geben, und ich sage auch ein paar Worte. Wenn ich ganz ehrlich bin – und das können Sie ruhig schreiben – bereitet mir das neue Gesetz Kopfschütteln. Hätte der Gesetzgeber gleich die Ehe für alle zugelassen, hätten wir im Gesetz nur zwei Worte verändert und uns diesen ganzen Firlefanz erspart. Im erzkatholischen Spanien funktioniert das ja auch.
Gibt es einen großen Ansturm auf Termine zu Eintragungen?
Der Boom ist ausgeblieben. Bisher gab es zwei Eintragungen ins Partnerschaftsbuch, im Mai haben sich Peter und Poldi angemeldet. Meiner Meinung gehört viel Mut dazu, das zu machen, weil das in den persönlichen Dokumenten eingetragen wird und dann weiß es wirklich jeder.
Wo darf man sich verpartnern?
In St. Pölten benutzen wir wie bei allen den Trauungsraum dazu.