MFG - Darfs ein bisserl mehr sein?
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St. Pöltens gute Seite

Darfs ein bisserl mehr sein?

Text Michael Müllner
Ausgabe 03/2023

Manche Projekte brauchen einfach viel Platz. Aber welche Bodenversiegelung ist wirklich nötig? Während der REWE-Konzern in St. Georgen ein Zentrallager plant, geht es bei Supermärkten neuerdings nicht nur um die Schnäppchen im Markt, sondern auch um nachhaltige Bauweise.

Im Sommer 2022 verkündete das St. Pöltner Rathaus, der REWE-Konzern setze ein „deutliches Zeichen für den Wirtschaftsstandort St. Pölten.“ Der Einzelhandelskonzern mit den Marken Billa, Penny, Bipa, Adeg und anderen plane im Gewerbegebiet von St. Georgen auf 200.000 Quadratmetern die Neuerrichtung eines zentralen Frischelagers. Den Großteil der Fläche verkaufe die Stadt, den Rest private Grundeigentümer nach Vermittlung der städtischen Wirtschaftsservicestelle Ecopoint. Es dauerte nicht lange, bis eine Diskussion darüber entstand, ob derartige Großprojekte nötig sind. Stichworte: Flächenverbrauch, Bodenversiegelung. Die Stadtregierung würde eigene Flächen „aus reiner Profitgier und Größenwahn an einen Riesenkonzern verscherbeln“, zitierte die NÖN den St. Pöltner Grünen-Mandatar Fabian Schindelegger. Diese konterte mit der Absicherung von Arbeitsplätzen und einer Stärkung des Wirtschaftsstandortes. Zudem seien die Gründe für genau solche Zwecke als Gewerbegebiet vorgesehen. 
Während Kritiker mit Nachhaltigkeit und Ökologie argumentierten, taten es ihnen die Verteidiger der Ansiedelung gleich: Das neue Zentrallager würde einen größeren Raum zentral bedienen und bessere Voraussetzungen für regionale Erzeugnisse und Frischeprodukte schaffen, heißt es. Wieso das so ist, konnte uns der REWE-Konzern jedoch nicht erklären. Auch zur Frage, welche Standorte in Folge der Zusammenlegung aufgelassen werden und welche Nachnutzung für diese Flächen angedacht ist, gab es keine Antwort: „Unser geplanter Logistikstandort befindet sich noch in einem sehr frühen Stadium – es finden derzeit zahlreiche Gespräche statt, um offene Punkte zu klären und den weiteren Projektverlauf festzulegen. Wir bitten um Verständnis, dass wir laufende Konsultationen nicht öffentlich kommentieren.“
Wie so oft schwingt bei der Kritik an Großprojekten das alte Floriani-Prinzip mit. Keiner will neben dem Feuerwehrhaus wohnen, aber wenn es brennt, kann die Löschmannschaft nicht schnell genug an Ort und Stelle sein. Ob es der Umwelt hilft, wenn das Zentrallager nicht in Gemeindegebiet von St. Pölten errichtet wird, sondern hinter der Stadtgrenze? Wo sonst wohl, soll man ein riesiges Logistikzentrum bauen, als in ein explizites Gewerbegebiet? Und es wäre nicht St. Pölten, würde nicht auch die Gretchenfrage der städtischen Verkehrspolitik mitschwingen: Wie hältst du es mit der S 34? Ist die Anbindung an eine Schnellstraße nötig und wenn ja, wie wirkt sich die Unsicherheit des Straßenbauprojektes auf die Pläne des Händlers aus?
Wie relevant Nachhaltigkeit für Handelskonzerne abseits von Werbeprospekten ist, zeigte sich im Dezember ein paar Kilometer östlich von St. Pölten. In Eichgraben wurde ein neuer Billa-Markt eröffnet. Kritiker stießen sich daran, dass die Parkplätze auf einer Asphaltschicht errichtet wurden, es würden versprochene Bäume und innovative Flächen fehlen, bei denen Regenwasser versickern kann. REWE betont hingegen, dass alle Projektauflagen eingehalten wurden: „Verbauung in den Hang und Ausstattung mit einem Gründach sowie Pflanzung von Bäumen in der Pflanzhöhe von rund vier Metern, welche jahreszeitbedingt natürlich erst im Laufe der kommenden Wochen und Monate richtig anwachsen und Blätter ausbilden werden.“ Österreichweit werde das Filialnetz heuer um 460 Millionen Euro modernisiert, besonders wichtig dabei: „Ökologisch errichtete Märkte, bei denen unterschiedlichste Maßnahmen zum Einsatz kommen, die ineinandergreifen. Energieeffiziente Technik, Photovoltaik-Anlagen, Begrünungen, der Einsatz ökologischer Bauweisen und LED-Technik sowie die Beauftragung von Firmen in unmittelbarer Nähe.“ Bei versickerungsoffenen Parkplätzen sei man erst in einer Entwicklungsphase. 
Weiter scheint man diesbezüglich beim Mitbewerber SPAR, der in seiner St. Pöltner Zentrale ein halbes Jahr lang mit drei unterschiedlichen Testparkplätzen experimentiert hatte. Laut einer Presseaussendung des Landes Niederösterreich setzte sich dabei die „Sickergitter-Variante“ durch. Sie geht nun in Serie, denn Land NÖ und Spar hätten eine „Offensive gegen Bodenversiegelung“ gestartet. Mit dabei sind Photovoltaikanlagen am Dach der Supermärkte und Sickergitter statt Asphaltfläche am Boden. Auch ein anderer Anfang scheint gemacht, der kurz vor der Landtagswahl geborene „blau-gelbe Bodenbonus“. Dabei sollen vorrangig Gemeinden Projekte gefördert bekommen, die zur Entsiegelung der Oberflächen beitragen. In der kurzen Zeit sind dreißig konkrete Förderanfragen eingegangen, welche auf Förderfähigkeit geprüft werden und im Frühjahr wohl genehmigt werden. Bund und Land stellen dafür jährlich zwei Millionen Euro zur Verfügung.