MFG - Georg Renner – Die letzten Jahre der Zweiten Republik
Georg Renner – Die letzten Jahre der Zweiten Republik


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Georg Renner – Die letzten Jahre der Zweiten Republik

Text Johannes Reichl
Ausgabe 09/2024

Dieses Buch war überfällig! Nachdem wir uns – auch als Journalisten – angesichts des Dauerfeuers aufeinanderfolgender Krisen zusehends in Einzelthemen und Kleinklein zu verheddern drohen, legt Georg Renner endlich einen Gesamtüberblick über die österreichische Politik der letzten zehn Jahre und ihre Verfasstheit vor. Warum er mit den Entwicklungen gar die letzten Jahre der Zweiten Republik gekommen sieht, und ihn dies hoffnungsfroh stimmt, darüber sprach der Wilhelmsburger mit MFG – Das Magazin.


Der Titel Ihres Buches lautet „Die letzten Jahre der Zweiten Republik“ – das klingt wie ein Abgesang. Schwingt da so etwas wie Melancholie mit oder ist es umgekehrt ein erleichtertes Seufzen?
Es ist ein bisschen was von beidem, Melancholie, Erleichterung – aber am Ende auch Hoffnung. Man kann ja durchaus der Ansicht sein, dass Jahrzehnte, in denen SPÖ und ÖVP die Republik in ihrem Wider- und Zusammenspiel geprägt haben – im Bund, den Ländern, der Sozialpartnerschaft und auch im Vereinsleben – Österreich zu einem der reichsten und sichersten Länder der Welt gemacht haben. Und man kann trotzdem finden, dass es gut ist, wenn so ein Machtoligopol nach einem Jahrzehnt der Krisen, die die Schwächen dieses Systems offengelegt haben, zu Ende ist und Platz für eine dynamischere, vielleicht sogar demokratischere Politik macht.
 
Was hat Sie eigentlich zu Ihrem Buch bewogen: Das Gefühl, dass im vermeintlichen Chaos, Wirbel und politischen Dauerstress der letzten (Krisen)Jahre der Gesamt-Überblick verloren gegangen ist? Oder ist es Enttäuschung über politische Entwicklungen bzw. Handlungen?
Eher ersteres. Ich war in diesen zehn Jahren in verschiedenen Medien mit der österreichischen Politik befasst – und mir ist es oft so gegangen, dass ich mir zwischen Migrationskrise, der endlosen Bundespräsidentenwahl, Ibiza, Corona, Inflation usw. gedacht hab: Hey, jetzt wär einmal ein Jahr zum Durchatmen gut, um zu verdauen und zu reflektieren, was wir als Gesellschaft und Staat da eigentlich durchgemacht haben. In der Kleinen Zeitung habe ich 2021 einen Essay geschrieben über die „atemlose Republik“, über dieses hektische von-Krise-zu-Krise-Hanteln. Seit damals habe ich darüber nachgedacht, das einmal in Buchform auszuschreiben, um, ja, um einen kleinen Beitrag dazu zu leisten, einmal über die Verfasstheit des politischen Österreich als Ganzes nachzudenken. Therapie durch Schreiben quasi.
 
Das Buch bietet einen schönen Überblick über das letzte Jahrzehnt – in der dichten Gesamtschau denkt man sich: „Bist du deppad, was ist da alles abgegangen.“ An globalen Krisen wie etwa Migrationskrise 2015, Pandemie, Ukraine-Krieg, aber auch an hausgemachtem „Irrsinn“ von Silberstein-Affäre bis Beinschab-Tool, von sakrosankter Militärmusik bis Türl mit Seitenteilen, von fehlerhaften Kuverts bei der Präsidentenwahl bis Kneissl-Knicks vor Putin, von SPÖ Selbstzerfleischung bis Ibiza. Da erwischt man sich beim Gedanken: Hätten die nicht ganz andere Probleme zu lösen gehabt? Wie empfinden Sie das selbst?
Ich versuche ja immer, darzustellen, dass Politik gerade in solchen Krisenzeiten kein einfaches Geschäft ist. Wenn ich mir vorstelle, im Bundeskanzleramt oder im Innenministerium zu sitzen, als Orban im September 2015 die Massen in Richtung österreichischer Grenze geschickt hat – ich hätte nicht der sein wollen, der gerade die Verantwortung hat, zu entscheiden: ok Grenze dicht, alle auch mit Gewalt abwehren – oder Grenze auf, alle dürfen durch. Dasselbe, als Corona ausgebrochen ist oder als die Russen in der Ukraine einmarschiert sind. Das ist ein harter Job, und ich beneide niemanden, der ihn machen muss. Das gesagt habend: Aus heutiger Sicht muss man festhalten, dass die österreichische Politik zwischen solchen Krisenphasen etliche Zeitfenster gehabt hätte – 2012 bis 2015 zum Beispiel, oder auch 2017 bis 2019 – in der es Spielraum für tiefgreifende Reformen gegeben hätte: Bildung, Gesundheit, Föderalismus, Verteidigungspolitik, you name it. Man hat sich stattdessen entschieden, Kleinklein zu machen. Und jetzt ist der Spielraum weg. Vergebene Chancen.
 
Zum einen sind Sie der nüchterne Chronist, der nicht großartig wertet, zugleich ist da aber auch ein pädagogischer Impetus zu erkennen: Jedem Kapitel stellen Sie explizit Reflexionen unter dem Motto „was man aus dem Gelesenen für die Zukunft lernen kann“ nach. Auffallend ist, dass sich diese Empfehlungen praktisch ausschließlich an die Politik richten.
Ja, weil ich ein großer Anhänger der repräsentativen Demokratie bin. Ich appelliere in meinem Schlusswort schon an die Bürgerinnen und Bürger, bei ihrer Wahlentscheidung darüber nachzudenken, wem sie auf dem Wahlzettel am ehesten zutrauen würden, die Republik durch eine weitere Krise steuern zu können – die nächste kommt bestimmt. Aber letzten Endes formen naturgemäß Parteien und Politiker die Politik; ihnen übertragen wir bei jeder Wahl Macht und deswegen gilt es, ihnen auf die Finger zu schauen, wie sie sie einsetzen – oder ob sie ihr Zeitfenster an der Macht mit sinnlosen nicht-Reformen wie jener der Militärmusik verschwenden.
 
Umgekehrt: Hat der Bürger aus alledem für sich persönlich nichts zu lernen? Ist er als mündiger Staatsbürger nicht auch stärker in die Pflicht zu nehmen, insofern, sich auch selbstständig zu informieren, zu reflektieren – und zwar auf Basis nicht nur seiner möglicherweise eingeschränkten Sicht aus der Social-Media-Bubble, sondern vielfältig über „seriöse“ Medien?
Konrad Adenauer, der große deutsche Nachkriegskanzler, hat gesagt, man muss die Menschen nehmen, wie sie sind – „andere gibt’s nicht!“ Natürlich würde ich mir wünschen, dass jeder von uns besonders seine politischen Entscheidungen vor einem weltpolitischen Gesamtkontext reflektiert, Wahlprogramme liest und abwägt, Qualitätsmedien konsumiert, und so weiter – aber das ist doch nicht realistisch. Bei jeder Wahl wirft uns der Wähler ein interessantes Puzzle hin, und es liegt an den Institutionen – Parteien, Parlament, Bundespräsident und so weiter – daraus etwas Sinnvolles zu machen. Und dieses System hat sich tatsächlich über Jahrzehnte bewährt.
 
Ist das Paradox – „Informations(über)fülle“ bei gleichzeitigem Diskursverlust im Sinne, man hört einander nicht mehr richtig zu – mit ein Grund der politischen Misere?
Es wird – natürlich rede ich da ein bisschen aus Eigeninteresse – tatsächlich eine spannende Frage, wie und wohin sich unsere öffentliche Diskurslandschaft in den nächsten Jahren entwickelt. Wir stehen am Ende dessen, was Kommunikationswissenschaftler als „Gutenberg-Klammer“ bezeichnen: Jenes Zeitalters, in dem Kommunikation im Wesentlichen ein linearer Prozess weniger Akteure war. Eine politische Frage, die weder in Fernseh- und Radiosendern noch in einer Handvoll Zeitungen erörtert worden ist, hat bis vor wenigen Jahren einfach keinen Diskursraum gefunden. Heute findet jedes Mini-Interesse, jede Kleinpartei und jedes noch so kleine Anliegen über Internet und Social Media potenziell Zehntausende Leser, Seher, Zuhörer. Das hat Vor- und Nachteile: Es sind eben nicht mehr einige wenige Eliten, die bestimmen, was öffentlich diskutiert wird – aber stattdessen hat heute jeder ein Megafon in die Hand bekommen, Menschen mit berechtigten politischen Anliegen genauso wie Lügner, Betrüger und Rattenfänger. Ich bin mir sicher: dass Kleinparteien wie die Bier-Truppe von Dominik Wlazny jetzt genauso eine Chance haben, in den Nationalrat einzuziehen wie etablierte Parteien, hängt mit dieser Medienvielfalt zusammen – das ist gut für die Demokratie. Die Schattenseite ist, dass viele Menschen sich in eigene Realitäten und Echokammern zurückziehen und dort in Desinformationswelten versinken, die mit der Realität wenig zu tun haben.
 
Welche Rolle spielen und spielten in diesen Umbruchjahren eigentlich die Medien? Gibt es hier Versäumnisse, Akzente, was man in Zukunft besser machen muss, um seiner idealtypischen Rolle als „vierte Gewalt“ gerecht zu werden?
Das ist ein Rückzugsgefecht, das muss man so klar sagen. Zeitungen und andere Medien haben bisher sehr gut gelebt vom „Bundling-Effekt“: Man hat Geschichten, die viele Menschen interessieren – Fußball-Ergebnisse, das Kinoprogramm, Geschichten aus der Gemeinde – neben wichtige Informationen wie die Innenpolitik- oder Wirtschaftsberichterstattung gestellt – und die hohen Leserzahlen für das eine haben als Abonnenten oder Inseratenkonsumenten das andere mitfinanziert. Das Internet hat diesem Geschäftsmodell den Garaus gemacht: Wer heute wissen will, wie sein Fußballverein gespielt hat, kann das bequem im Netz nachschauen, der braucht keine Zeitung mehr dafür, kein Medium, bei dem er den ganzen Rest mitkaufen muss. Dieser Unbundling-Effekt führt dazu, dass Medien in Zukunft weit kleinere Zielgruppen, einen weit geringeren Horizont haben werden – die allgemeine Zeitung, die die ganze Welt abdeckt, ist ein Auslaufmodell.
 
In der Gesamtschau: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Schnitzer, die sich die österreichische Politik in den letzten Jahren geleistet hat, jetzt weniger auf konkrete Sachverhalte und Themen bezogen, sondern in der Art, WIE man Politik macht.
Ich glaube, der Worst Case war die Impfpflicht-Erklärung am Achensee. Ohne jede öffentliche Debatte haben sich die Landeshauptleute mit der Bundesregierung hingestellt und gesagt: So machen wir das jetzt. Noch dazu mit dieser moralischen Komponente – die Ungeimpften sind schuld, dass wir wieder einen Lockdown brauchen, dafür bekommen sie jetzt als Strafe diese Impfpflicht auferlegt. Ich finde ja, man hat schon über die Pflicht diskutieren können, aber wie das beschlossen worden ist, wie der Rest der Republik vor vollendete Tatsachen gestellt worden ist, war wirklich ganz schlechte Politik. Das war eben noch einmal repräsentativ für die Schattenseiten der Großen Koalition: Ein paar Granden aus den Bundesländern, die sich im Hinterzimmer völlig intransparent ausgeschnapst haben, was die Regierung dann umzusetzen hat. So eine Diskussion gehörte in die Breite – ins Parlament und die Öffentlichkeit.

Wenn man Ihr Buch liest, wird einem der klassische österreichische „Schlendrian“ vor Augen geführt. Minutiös listen Sie die Versäumnisse auf, die dazu geführt haben, dass Österreich in der Pandemie oder etwa auch im Ukraine-Krieg schlecht vorbereitet war, was die Situation noch zusätzlich verschärft hat: Verschleppte Reformen, unbesetzte Posten, naive Einschätzungen der Weltlage. Und plötzlich denkt man sich: das vermeintlich herzig-schrullige Operettenhafte ist vielleicht eine todernste Sache. Ist dieses Mindset mitverantwortlich für das in Ihren Augen Ende der Zweiten Republik? Muss uns das in unserem eigenen Interesse „ausgetrieben“ werden?
Ja, auch wenn ich fürchte, dass es uns noch zu gut geht dafür. Weltpolitisch haben wir es uns zum Beispiel in der Schimäre gemütlich gemacht, dass uns die Neutralität eh schützen wird – in Wirklichkeit waren es eher die NATO und damit der Schutzschirm der USA, die unsere Sicherheit gewährleisten. Und jetzt kommen wir drauf, dass es im November von ein paar tausend Wählern in den Vorstädten von Pennsylvania abhängt, ob wir russischen Großmachtfantasien ausgeliefert sind oder nicht. Oder das demografische Dilemma: Wir wissen seit Jahrzehnten, dass uns mit der Pensionierung der Babyboomer zehntausende Arbeitskräfte im Jahr fehlen werden – und dass wir entweder mehr Einwanderung, spätere Pensionsantritte oder ein Produktivitätswunder brauchen würden, um unseren Wohlstand zu halten. Sind wir darauf vorbereitet? Nein, wir machen immer noch Politik, als ob es mit unserer Insel der seligen Pensionisten immer weitergehen kann wie bisher, machen Schulden wie nie zuvor. Wir steuern da auf einen großen gesellschaftlichen Krach zu, wenn die Musik zu spielen aufhört.
 
Großartig, so dass es fast weh tut, arbeiten Sie dieses fahrlässig Groteske am Kampf um die Militärmusik auf. Als diese von neun auf vier Klangkörper verkleinert werden soll, bricht ein Kulturkampf los. Von der „Reform“ bleibt nichts über.
Ja, das habe ich hineingenommen, weil es exemplarisch dafür steht, wie reformträge die Große Koalition in ihrem Endstadium geworden ist. Ich habe gar nichts gegen die Militärmusik, ich hör sie ja selber gerne und ich weiß, wie wichtig sie gerade für die Blasmusikkapellen im Land ist – aber wenn man sich als Koalition auf so eine, pardon, Pimperlreform einigt und dann nicht einmal in der Lage ist, die umzusetzen, sollte man seine Existenzberechtigung durchaus hart hinterfragen.
 
Ist das nicht auch ein Grunddilemma in der Systematik der 2. Republik – der Föderalismus in seiner aktuellen Form, die Macht der Landeshauptleute bzw. die Macht, die sie sich einfach herausnehmen, ohne dass diese immer verfassungsrechtlich gedeckt wäre – und eine Bundesregierung, die das durchgehen lässt?
Ich würde eher den letzten Teil der Frage betonen. Es braucht immer eine Regierung, die so etwas mit sich machen lässt. Grundsätzlich finde ich die starke Stellung der Bundesländer recht gut. Der Vorteil dieser Konstruktion ist, dass es Österreich zu einem relativ stabilen Gefüge macht. Aber der Nachteil dieses Systems ist, dass es Österreich auch zu einem starren Gefüge macht. Sprich: Es ist nicht leicht, ein grundsätzlich funktionales System in Österreich mit einer Wahl im Bund zu stürzen, zum Beispiel in Richtung Autokratie. Andererseits sind auch dringend nötige Reformen schwer umzusetzen. Ich fürchte, es wird noch mehr Leidensdruck brauchen, um das zu ändern.

Umgekehrt führen Sie in einem Nebensatz an, dass angesichts des Ukraine-Krieges diesmal die Flüchtenden gleich direkt in Bundesbetreuung gekommen sind und es dadurch nicht, wie 2015/16, zu Chaos um Quartiere, Grundversorgung und Streit zwischen Ländern, Bezirkshauptmannschaften und Bund gekommen ist. Bleibt also – um auf ihren Schlusssatz zu kommen: „Die nächste Krise kommt bestimmt“ – doch Hoffnung für die anstehende „3. Republik“, die Sie ante portas sehen?
Ich bin da tatsächlich hoffnungsfroh. Eine dynamische Demokratie, in der sich Parteien an der Macht abwechseln, hat mehr Potenzial, lern- und reformfähig zu sein als ein verkrustetes Machtoligopol, in dem sich die handelnden Personen längst nicht mehr ausstehen können. Schauen wir, was uns nach der Wahl ins Haus steht.
 
Was wird bzw. könnte diese „3. Republik“ ausmachen? Von einer solchen hat ja bereits Jörg Haider anno dazumal explizit geredet, wo die repräsentative Macht des Parlaments zugunsten eines Präsidialsystems mit einem starken Führer an der Spitze zurückgedrängt ist, die Sozialpartner entmachtet werden, Volksplebiszite gestärkt werden, Kultur- und Medien in ihrer Freiheit beschnitten werden etc. Das klingt sehr nach dem Weg Viktor Orbans in Ungarn – das erklärte Vorbild von Herbert Kickl. Ist das unsere nahe Zukunft?
Ich glaube, dass der Trend eher in Richtung Pluralismus gehen wird als in Richtung Autokratie – es würde mich zum Beispiel sehr überraschen, wenn wir in einem Jahr nicht eine Koalition aus mindestens drei Parteien im Bund hätten. Das kann, wenn sich alle zusammennehmen und manche Themen außer Streit stellen, gut funktionieren, wenn man zum Beispiel nach Skandinavien oder in die Benelux-Staaten schaut – oder es kann an gegenseitiger Sabotage und Zaudern vor der Macht scheitern, wie wir das bei der deutschen „Ampel“ sehen. Es wird ein unübersichtlicheres, dynamischeres Regieren sein als heute. Ich würde zum Beispiel nicht darauf wetten, dass die nächste Koalition die vollen fünf Jahre durchdient.
 
Wenn man Ihr Buch auch als eine Art Wake-Up-Call versteht, von wegen „Freunde, ihr müsst etwas ändern, und zwar ganz grundsätzlich, so kanns nicht weitergehen bzw. wenns so weitergeht, geht’s nicht gut weiter“– was wäre die wichtigste Botschaft, die Sie der Politik geben.
Ich würde sagen, die wichtigste Erkenntnis der vergangenen zehn Jahre ist, dass man große Reformen angehen sollte, sobald man die Gelegenheit dazu hat. Die Lage der Welt – mit den geopolitischen Spannungen zwischen China und den USA, dem Klimawandel, autoritären Tendenzen an allen Ecken und Enden – wird in absehbarer Zeit nicht entspannter; das heißt, die Zeitfenster für Reformen wie im Schulsystem, im Heer, bei den Staatsfinanzen, werden kleiner und kleiner. Außerdem werden Parteien sich darauf einstellen müssen, in einem bunteren Parlament nur selten an der Macht zu sein. Also: Sobald die Gelegenheit da ist, ans Werk – und keine Angst vor dem Wähler.
 
Wachen wir nach den Nationalratswahlen in einem „anderen“ Österreich, tatsächlich einer sphärischen 3. Republik auf?
Nach menschlichem Ermessen wird die Sonne auch am 30. September ganz normal aufgehen, in den Schulen wird unterrichtet werden, die Ämter werden verwalten, die Polizei wird strafen und ganz generell wird die Republik noch da sein, ob man das Zweite, Dritte oder sonst wie nennt. Und genau mit der Einstellung sollten wir 
am 29. in die Wahlzelle gehen: dass es auch am Tag danach gute, verantwortungsbewusste Leute an der Spitze der Republik geben sollte, die sie besser machen wollen und in der Lage sind, sie durch die nächsten Krisen zu führen. Wenn wir uns daran halten, wird das schon gut gehen.

ZUR PERSON
Der Wilhelmsburger Georg Renner, 41 Jahre alt, ist seit vielen Jahren Politik-Journalist. Zuletzt hat er das Innenpolitik-Ressort der „Kleinen Zeitung“ in Wien geleitet, zuvor arbeitete er für „Die Presse“, „NZZ.at“ und „Addendum“. Seit 2023 ist er freiberuflich tätig, schreibt für die „Wiener Zeitung“ und „DATUM“, moderiert einen Podcast und lehrt Journalismus an der Fachhochschule Wiener Neustadt. MFG – Das Magazin bereichert er im Wechselspiel mit Jakob Winter als Verfasser der „Außensicht“.