Chicken
Text
Althea Müller
Ausgabe
„Sil“, sage ich mit schwacher Stimme zu meiner besten Freundin, „ich muss mein Leben ändern. Ich muss mehr schlafen, regelmäßig zur Kosmetikerin gehen, drei Liter Stilles Wasser über den Tag verteilt trinken, mindestens zwei Abende pro Woche in einem richtigen Buch lesen, einen Kräutergarten anlegen und mich im Fitnesscenter einschreiben.“ – „Du bist eingeschrieben“, würdigt mich Sil eines kurzen Blickes über den Rand der neuen „Glamour“ (sprich: unserer favorisierten Frauenzeitschrift zum Zeit- sowie Gehirnzellentotschlagen) hinweg. „Ja“, seufze ich, „aber ich sollte auch hingehen. Und ich sollte mein Auto waschen.“ – „Innen vor allem“, gähnt Sil gelangweilt, „das ist nämlich ekelhaft. Heute hab ich dort ein Gebilde aus leeren Tschickpackln, einem Geschirrtuch und der Linkin Park-CD unterm Beifahrersitz gefunden, zusammengehalten durch alte, klebrige Colaflascherln.“ – „Ja“, winde ich mich reumütig, „ich muss wirklich mehr zusammenräumen. Und ich muss dringend mehr raus in die Natur. Dauernd hocke ich katzenbucklig in verrauchten Räumen.“ – „Dann geh halt wandern. Meine Güte.“ – „Aber ich bin so müde“, schmachte ich. Genervt legt my worst friend das Magazin weg: „Du bist und bleibst halt einfach ein faules Hunderl, wenn ich das mal so sagen darf.“ Spricht’s, und geht. Ich aber werde jetzt sofort mit meiner Mutation beginnen. Adjektive wie „gesund“ und „ausgeglichen“ werden ihren fixen Platz im hach-so-zerfledderten Wörterbuch meines Lebens bekommen. Jetzt. Sofort. Gleich, nachdem ich den EMP durchgeblättert, ein paar Kekse gegessen und mir die neue Stromberg-Folge angeschaut habe. Auf der Couch. Aber dann, danach, ja dann. Sicher.