MFG - Schnee von gestern
Schnee von gestern


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Schnee von gestern

Text Matthias Steinperl
Ausgabe 03/2006

Der nächste Winter kommt bestimmt. Oder ist er sogar schon da? Wir zwangen eine Frau, die es wissen muss, zum Lokalaugenschein in unsere schwer betroffene Region. Helga Holle im Gespräch.

Hallo, Sie alter Quälgeist.
Ein bisschen mehr Respekt vor dem Alter und meiner Funktion wäre schon angebracht, junger Mann.

Nach alldem, was Sie mir und uns heuer antun, ist die Freundlichkeit leider unter einer dicken Schneedecke verborgen, Sie selbsternannte, überwutzelte Schneekanone Sie.
Es tut mir leid. Aber so kann ich das Gespräch nicht weiter führen.

Es hat ja auch keiner was von einem Gespräch gesagt. Aber lassen wir es gut sein.. Sie müssen verstehen, dass nach einem fast sechsmonatigen Winter die Nerven blank liegen. (Leise: Hässlich ist Sie auch noch dazu)
HH.: Wie?

Ach Nix. (Leise: Terische Kapö’n, schiache). Kommen wir zur Sache. Sie kommen – auf unsere Einladung – gerade aus dem hintersten Traisental und haben sich dort ein Bild von der von Ihnen verursachten Situation gemacht. Wie geht es Ihnen jetzt?
Ich muss schon sagen: Ich hab heuer eine tolle Saison hinter mir. Super Job gemacht, würd ich meinen. Und dass da drinnen im Dschungel zweieinhalb Meter Schnee liegen, kann doch nicht die große Tragödie sein, oder? Schließlich handelt es sich dabei ja um Skigebiete, die sich über den vielen Schnee freuen sollten wie ein kolumbianischer Drogenring oder ein englisches Starmodel.

Und die vielen Dachschäden, die Sie heuer verursacht haben?
Das mit der Schneelast und der Einsturzgefahr ist ja heuer groß in Mode gekommen. Da fangen die Piefke mit irgendwas an und plötzlich machen sich alle Dächer wichtig und machen einen auf einsturzgefährdet. Ich vermute dahinter eher eine ganz üble Schmutzkübelkampagne von der Opposition und den ganzen Melanomfetischisten. Oder meinen Sie mit Dachschaden die nicht-stattfindende Diskussion über die Schnellstraße, die Sie über Ihre Köpfe hinweg gebaut kriegen? Dafür kann ich nix!

Das hab ich damit eigentlich nicht gemeint. Aber wie stehen Sie dazu, wenn wir schon beim aktuellen Thema sind?
Ich bin jetzt aus besagtem Dschungel in der Kolonne rausgefahren. Natürlich wäre es immer schöner, wenn man schneller vorankommt. Aber irgendwie kommt mir schon vor, dass eine neue Straße im Jahr 2006 nichts mit Fortschritt zu tun hat. Überholt ist da maximal Denken, aber sicher kein Auto. Ich bin ja bekanntlich auch nicht mehr die Jüngste, aber das ist sogar mir klar, dass das ein Schwach- und ein Irrsinn zugleich ist. Wie haben U2 schon so schön gesungen: Where the streets have no brain. Aber mich fragt ja eh keiner. Drum frag ich mich: Wie gehts dann weiter? Wird die Traisen zubetoniert? Ich mein, das wäre auch eine Lösung. Die braucht ja eh keiner in Wahrheit. Außer vielleicht für ein gediegenes Schmelzhochwasser. Aber so eine Autobahn im Traisental hat ja auch was Gutes: wenn der Sommer dann einmal kommt, haben es die Leute unter der Trasse immer schön schattig. Und angeblich kann jeder seine eigene Abfahrt beantragen.

Sind Sie jetzt also dafür oder dagegen?
Na dafür, was sonst. Sind wir ja alle so wie es aussieht. »Die Region jubelt«, hab ich in der wöchentlichen Aussendung vom Landeshauptmann gelesen. Und da müssen wohl alle mitjubeln. Was mir aber nicht ganz klar ist: Wo sind die sogenannten Grünen? Ich mein, nicht, dass Sie mir jetzt mörderisch abgehen grundsätzlich. Aber thematisch hätt ich mir da schon den einen oder anderen Beitrag erwartet. Vielleicht arbeiten Sie ja fieberhaft an der Bürgerinitiative unter dem Motto »Es ist nie zu spät. Aber wir sind es immer.« Auf jeden Fall liegt anscheinend das Geld bei Ihnen wirklich bald auf der Straße. Und eigentlich sollte jedes Tal in Österreich seine Autobahn bekommen.

Zurück zu Ihnen. Weil wir gerade davon gesprochen haben, dass alles auch seine guten Seiten hat: Können Sie uns zumindest einen Vorteil nennen, den Ihre Tätigkeit mit sich bringt?
Ich könnte Ihnen sogar noch viel mehr nennen. Wenn ich nur welche wüsste. Aber fest steht auf jeden Fall: Ohne meine Arbeit hätte zum Beispiel ein gewisser Herr Maier wohl einen Bekanntheitsgrad wie ein beliebiger Herr Meyer und würde wahrscheinlich nicht einmal als Schalterbeamter von der Raiffeisenkassa angestellt werden. Und das gleiche gilt für seine ganzen anderen männlichen Kollegen wie den Raichbenni und den Dorfmeistermichi. Die wären alle hackenstad ohne meinen Schnee. Ganz abgesehen von eurem Nationalstolz. Was habt ihr denn außer Wintersport zu bieten, ha? 3 Spiele bei der Fußball EM? Und das ganze Jahr dem anderen Raika-Beamten beim Schwimmen zuschauen und beim Gscheit-Daherreden zuhören ist ja auch nicht gerade das Gelbe vom Giebelkreuz. Und außerdem: ohne mich könnten sich die ganzen superhippen Society-Hollywood-Fritzen höchstens Finis Feinstes in Ihre Riechzapfen aufziehen. Denn wie ich vorher bereits so treffend bemerkt habe, bin ich auch für diese Art von Schnee zuständig. Schließlich muss man sich ja immer neue Geschäftsfelder überlegen.

Wie gehen die Geschäfte?
Besser als je zuvor. Seit ich den Goldberger damals kurz als Werbeträger gewinnen konnte, weiß ich gar nicht mehr, wie ich mit der Produktion nachkommen soll. Seit ich auch im Nasenlochbusiness bin, kenn ich auch kein Sommerloch mehr.

Das wirkt sich wohl auch finanziell aus.
Aus Geld hab ich mir nie etwas gemacht. Aber das weiß ja jedes Kind. Ich hab immer schon mein ganzes Gold gerne an jene weitergegeben, die für mich Kinderarbeit verrichtet haben. Ich brauch nicht viel zum Leben. Eher zum Heizen.

Wer schaufelt bei Ihnen daheim eigentlich den ganzen Schnee weg?
Naja. Ab und zu schmeiß ich eine kleinere Szeneparty. Bei uns heißen diese Parties dann »Kirby-Clubbings«. Da geht der Schnee weg wie bei 30 Grad. Und den Rest kehrt die Pechmary weg. Die hat von damals noch einiges gut zu machen.

Wie lange wollen Sie das eigentlich noch machen?
Meinen Sie jetzt heuer oder überhaupt? So generell weiß ich noch nicht so recht. Ich hätt mir da ein schönes Heim in der Karibik gesehen. Aber da muss ich mir noch was überlegen, weil ich Einreiseverbot habe. Schauen Sie, das ist ja auch so was: Ich bin ja schon ewig da in Mitteleuropa. Und jetzt regen sich die Zuagrasten, wie Sie, blöd über den vielen Schnee auf. Das hätten sich Ihre Ahnen vorher überlegen müssen, als sie sich hier angesiedelt haben, die Idioten. Das ist wie bei den Indianern und den Kärntner Slowenen. Die waren alle vorher da als die anderen und plötzlich sind Sie, mit Verlaub, Im A.... daheim. So weit lass ich es sicher nicht kommen!

Und wie lang dauerts heuer noch?
Also heuer hab ich mir vorgenommen, dass ich weitermache, so lange es die Gesundheit erlaubt. Weil mich hats ja ein bisserl am Kreuz.

Schauen Sie, Frau Holle! Da liegt ein Euro auf dem Boden!
Wo? Ach ja, da! Auweh!

Sodala, du Skischuhschnalle. Jetzt bist du erledigt. Und das ist für die vielen Winterdepressiven! Und das für die Dächer! Und für die Glatteisgeschädigten auch noch eine! (Tritt die ältere Dame mit Füßen. Offensichtlich haben sich im Laufe der Monate doch massive Aggressionen aufgestaut. Kein schöner Anblick.) Wir danken für das Gespräch. Schön, dass Sie da waren.


Frau Holle

Zur Auffrischung: Stieftochter wird (wie immer in Märchen) benachteiligt. Muss in einen Brunnen springen, trifft dort (wo sonst) Frau Helga Holle. Diese nötigt sie zur Kinderarbeit in Form von Bettenmachen und damit verbundener Schneekanonentätigkeit. Als das Mädchen kündigt, kriegt sie mächtig
Abfertigung in Form von Gold. Daraufhin versucht ihre Halbschwester den
gleichen Trick, zeigt sich aber der Frau Holle eher von ihrer schlechteren Seite.
Die Folge: fristlose Kündigung und Pechsträhne auf Lebzeiten.