Chicken
Text
Althea Müller
Ausgabe
„Sil“, sage ich feierlich, während sich meine beste Freundin ‚Scrubs‘ anschaut und gerade sehr zufrieden mit ihrem Leben wäre, wenn ich sie nicht von der Seite nerven würde, „ich glaube, ich lerne Gitarrespielen.“ – „Geh bitte, wozu denn?“ fragt Sil, die Backen voller Erdnussflips wie das gute alte B-Hörnchen. „Weil ich dann in zerrissenen Hosen auf der Bühne stehen kann, während mir unzüchtige Mädchen in Tellerröcken ihre Teddys zuwerfen.“ – „Vergiss es“, schmatzt Sil und versucht, sich auf die Handlung ihrer Lieblingsserie zu konzentrieren, „du wirst niemals Gitarrist bei Social Distortion werden.“ – „Aber wenn ich es mir ganz, ganz fest wünsche...“, beginne ich bauernschlau. „Wirst du trotzdem kein männlicher, verruchter Musiker“, beendet Sil den Satz ohne viel Bedauern darüber, meine neuesten Illusionen mit den Absätzen ihrer Designer-Pumps zu zertreten. „Der Teufel trägt deinen Namen“, knurre ich, bevor sich meine Miene wieder erhellt: „Dann werde ich Spitzensportlerin. Ich hab ja ein Snowboard und“ – „Sicher“, sagt Sil und schaut mich eine Spur zu böse an, „und das letzte Mal, als du oben gestanden bist, hast du dich flennend gewehrt, den Babyhang runter zu fahren.“ – „Da hatte ich einen schlechten Tag“, wehre ich mich. „Mhm“, antwortet meine ehemals beste Freundin, „einen von 365.“ – „Und wie wäre es“, heische ich ein letztes Mal nach freundschaftlicher Anerkennung, „wenn ich ein Kinderbuch schreiben würde? Eins über eine grauenhafte Hexe, die eine arme schwarze Katze quält?“ – „Das“, lächelt Sil charmant, „würde sicher ein Bestseller werden.“ Umarme deine Feinde.