MFG - Zwischen zwei Welten
Zwischen zwei Welten


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Zwischen zwei Welten

Text Michael Müllner
Ausgabe 02/2006

Die Zukunft des ehemaligen Schlachthofareals ist ungewiss. Bleibt es bei den zwei bestehenden Einrichtungen, oder hat das Gelände Wachstumspotential? Und: Wer entscheidet überhaupt?

Zwei eigenständige Einrichtungen haben sich am Schlachthofareal mittlerweile eingelebt. Was ursprünglich als Jugendkulturhalle im letzten Wahlkampf versprochen wurde, ist nun unter dem neuen Bürgermeister Mag. Matthias Stadler (SPÖ) in einer kleinen Variante realisiert worden. Den Veranstaltungsbereich deckt Jugendkoordinator DSA Wolfgang Matzl und sein ehrenamtliches „frei.raum“-Team ab. Daneben betreibt das Team rund um DSA Barbara Fellöcker das Jugendzentrum Steppenwolf. Unterscheidung tut da not.
„Wir waren mit dem Auseinanderklauben der Einrichtungen beschäftigt. Der Steppenwolf kümmert sich um Sozialarbeit für Jugendliche, dabei geht es um Beziehungsarbeit, nicht um die Gruppe. Wir sind keine Einrichtung für Events wie der frei.raum, bei uns steht nicht der Konsum im Vordergrund, darum wollen wir uns auch so deutlich abgrenzen“, erklärt Barbara Fellöcker. Die „Einbettung“ in der Herzogenburgerstaße sei den Sozialarbeitern geglückt, in Zukunft sollen nun neue Angebote und vermehrt Kooperationen mit den Nachbarn am Areal angebahnt werden.
Wolfgang Matzl sieht das ähnlich: „Wir haben bewusst sehr wenig Überschneidung mit dem Steppenwolf. Wir machen Kultur mit möglichst breiter Vielfalt, unsere Besucher sind im Schnitt deutlich älter als die vom Steppenwolf.“ Auch die Öffnungszeiten unterscheiden sich. 
Kein Backstage Raum
Hinter vorgehaltener Hand hört man, dass das Klima zwischen beiden Teams nicht gerade herzlich sei. „Korrekt“ nennen es hingegen Wolfgang Matzl und Barbara Fellöcker. Wie in Zukunft gemeinsame Projekte aussehen können? Räumlichkeiten könnte man sich gegenseitig zur Verfügung stellen, etwa für ein von Steppenwolfbesuchern angedachtes Theater. „Backstagebereich für Partys im frei.raum wird der Steppenwolf aber sicher nicht“, ist sich das Team der Sozialarbeiter einig. Wie man mit dem Veranstaltungsangebot zufrieden sei? „Hätte ich gewusst, dass es so wird, hätte ich mich damals nicht so dafür eingesetzt“, meint heute Natascha Klinka. Die Sozialarbeiterin setzte sich vor der Gründung besonders vehement dafür ein, weil es ihr um Nischenangebote ging: „Es gibt auch heute noch Jugendliche, die sich 5 Euro Eintritt nicht leisten können. Und aus den Minderheitenprojekten etwa im Bereich weiblicher Kunst oder Angebote für Migranten ist bisher auch nichts geworden.“
Nachdenkpause
Die Nachdenkpause Anfang des Jahres nutzte das frei.raum-Team um sich über genau diese Kritikpunkte den Kopf zu zerbrechen. Neben einer neuen Personalstruktur, welche die Leistung der ehrenamtlichen Mitarbeiter widerspiegelt, wurde auch die Programmierung überdacht. „Die Freitage gehören ab sofort den Nachwuchskünstlern, die bei geringem Eintritt und einem pauschalen Spesenersatz auftreten. Wir hoffen, dass zahlreiche Ideen an uns herangetragen werden, um neben der Musik auch anderen Kunstformen eine Plattform zu bieten“, so Matzl. Die Samstage werden wie bisher vom Team programmiert, in Zukunft soll vermehrt mit anderen Lokalen abgestimmt werden. „Größere Geschichten wie im Vorjahr werden wir 2006 nicht mehr machen“, so der Jugendkoordinator.
Womit wir bei der zentralen Frage wären: Was soll daraus werden? Im ursprünglichen Konzept ging es um die Ansiedelung freier Initiativen: darstellende Künstler, die Ateliers und Werkstätten gründen, oder Bands, die Proberäume einrichten. Bis dato blieb es bei leeren Versprechungen.
Quo vadis
„Wir haben zahlreiche Ideen gesammelt. Das reicht von Proberäumen und Kreativwerkstätten bis hin zu Vereinslokalen“, erklärt Matzl. Nicht nur der Jugendkoordinator hat fertige Konzepte in der Schublade, auch das Steppenwolfteam hat die Wünsche ihrer Besucher erhoben. Fellöcker: „Bei uns steht Indoor-Sport im Vordergrund. Überraschend viele Besucher wünschten sich eine Kegelbahn. Wir haben uns mal erkundigt, rund 30.000 Euro müsste man für zwei Bahnen investieren.“ Ähm… Eine Kegelbahn als städtischer Auftrag, bloß weil vorhandene Bahnen ausgebucht sind? Okay, man wird doch noch träumen dürfen. „Warum nicht? Wenn die Jugendlichen das wünschen?! Bei der Skaterhalle stand am Anfang auch ‚nur‘ der Wunsch von ein paar Jugendlichen, heute ist es ein Vorzeigeprojekt. Es kann nie genug geboten werden“, macht sich auch Matzl für die Idee der Nachbarn stark.
Beide Einrichtungen haben also den Auftrag Ideen zu sammeln. Ein Mandat zur Umsetzung hat keiner. Auch im Budget finden sich keine Mittel, um größere Investitionen noch im Wahljahr vornehmen zu können. Der Grund: Das Schlachthof-Areal ist alt. Es ist gar nicht klar, ob es aus sicherheitstechnischen Gründen möglich ist, die übrigen Räume zu nutzen.
Ziel Kreativzentrum
Dr. Thomas Karl leitet die städtische Kulturverwaltung – und ist damit der Vorgesetzte sowohl von Fellöcker, als auch von Matzl: „Seit Jahresbeginn ist die Immobiliengesellschaft zuständig, ein Sachverständiger wird beauftragt das Areal zu prüfen. Manche Räume werden schon noch nutzbar sein, es gilt aber eine Kosten-Nutzen-Rechnung anzustellen.“ Welche Vision verfolgt die Stadt eigentlich mit dem Areal? „Ziel ist die Entwicklung zu einem Kreativzentrum. Kleine Maßnahmen sind wohl dieses Jahr noch möglich, aber von heute auf morgen wird es leider nicht gehen. Sicherheit geht vor.“    
Übrig bleiben vorerst zahlreiche Künstler und Initiativen, die schon länger ein Auge auf den Schlachthof als Homebase geworfen haben. Neben unterschiedlichen Kulturschaffenden sind auch soziale Projekte für junge St. Pöltner an einem Standort am Areal interessiert. Ein Beispiel wäre „Native Activities“, ein Verein für Erlebnispädagogik: „Wir brauchen dringend Räumlichkeiten, haben schon lange mündliche ‚Zusagen’, bis dato ist aus den Versprechungen aber nichts Konkretes geworden“.
Barbara Fellöcker versteht die Enttäuschung: „Leider gibt es oft unüberlegte Aussagen von ehrenamtlichen Mitarbeitern des frei.raums. So wird die Erwartung hochgeschraubt, die Erweiterungsschritte bleiben aber aus.“ Der ehemalige Schlachthof bleibt somit weiterhin ein schwieriger Fall. Dafür mit umso größerem Potential.
frei.raum
Die Location fasst rund 250 Besucher, freitags und samstags wird sie bespielt, für die Programmierung ist Jugendkoordinator Wolfgang Matzl und das von ihm bestellte Team an Ehrenamtlichen verantwortlich. Montags wird zudem ein Trommelworkshop angeboten. Der viel versprechende St. Pöltner Künstler Wolfgang „Labinsac“ Gstettner gestaltete unterdessen den zweiten Floor mit seiner „Stencil Art“ – nicht versäumen!
Linktipp www.freiraum-stp.com
JUZE Steppenwolf
Barbara Fellöcker, Michael Hogl, Natascha Klinka und Ingrid Müller betreuen die rund 50 Besucher pro Tag. Neben dem offenen Betrieb werden auch Sport, Freizeit sowie Beratung angeboten. Dienstags findet ein DJ Workshop statt, Einstieg jederzeit möglich, Vorkenntnisse und Equipment nicht. Jeden Mittwoch richtet sich das Lehrlingscafé besonders an Jugendliche im Lehrlingsalter, zahlreiches Rahmenprogramm begleitet Beratung, etwa als Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche. Die kostenlose Skatehalle boomt – und ist ein Vorzeigeprojekt für ganz Österreich: Nicht mal in Wien gibt es derzeit eine Skatehalle! Am 11. April findet ein Nachwuchs-Contest statt. Für das 10-jährige Jubiläum am 4. Oktober laufen bereits Planungen.