Sack & Asche
Text
Herbert „Hebi“ Binder
Ausgabe
„Durch das Fasten des Leibes unterdrückst du die Sünde, erhebst du den Geist, gibst Kraft und Sieg“. Vor solch unerwarteten Nebenwirkungen der nunmehr ausbrechenden spirituellen Fitnesswelle ist seitens Arzt & Apotheker mit keinerlei Warnung zu rechnen. Denn einfach allüberall ist spätestens jetzt Schluss mit lustig: Während selbst in der Nachkriegszeit in der St. Pöltner City noch deren drei Feinkostläden wetteiferten, gibt‘s inzwischen bereits seit Jahren keinen Delikatessentempel mehr & das einzige Geschäft, das sich aus unerfindlichen Gründen mit dem Epitheton ornans Gourmet ziert, gerät zu manchen Tageszeiten zunehmend zum Outlet für Wurstsemmeln nebst Dreh & Trink. Die einzige Fischhandlung in A1-Lage hat mangels Kompetenz von Kunden wie Personal zugesperrt. Das einzige Haubenlokal der Stadt bekommt ebenfalls sein weißes Scherzl ab & wird von Gault Millau so abgewatscht, dass ihm die Haube herunterfällt. In beiden ****Hotels zahlt man als Essensgast, wenn man sich nicht wehrt, zusätzlich noch für’s Parken. Trendig verhält sich auch die Stadtgemeinde: Wegen des Buffets allein geht heutzutage kein Mensch mehr zu einem Bürgermeisterempfang. Ganz zum Unterschied von früher, wo sich die Küche des hochdefizitären städtischen Krankenhauses nie lumpen ließ … Aber wie könnte es anders sein, wo doch alles im Sinne von Hamlet out of joint ist: In einer Zeit, da Bildberichten zufolge dem ranghöchsten Arbeitnehmervertreter des Landes seine Freunde ein fashionables Dinner im exclusivsten Design-Hotel organisieren, in einer solchen Zeit gibt’s nicht einmal mehr fette Domprälaten. Und die haben uns doch früher das Fasten – siehe oben – so nahegelegt.