MFG - Sommerloch
Sommerloch


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Sommerloch

Text Johannes Reichl
Ausgabe 09/2007
Okay, ich gebe es unverhohlen zu: es ist wieder passiert. Nicht dass ich nicht aufgepasst hätte, aber es hat einfach nichts geholfen: Ich bin ins Sommerloch gefallen. Mitten hinein. Ich plaudere jetzt einmal aus dem journalistischen Nähkästchen, weil das endlich einer sagen muss: Glauben Sie tatsächlich, es ist leicht, im Sommer substanzielle Geschichten, somit aber auch substanzielle Kommentare aufzureißen? Mitnichten. Dabei haben wir uns vom MFG ja abzusichern versucht, indem wir das Sommerloch mit einer ausgedehnten Sommerpause umschiffen wollten. Aber das Sommerloch lässt sich nicht austricksen! Es ist unbarmherzig, und es erwischt jeden. Sind Ihnen im Sommer schon mal diese bleichen Gestalten aufgefallen: Schweißperlen im Gesicht, ein Schuss Wahnsinn im Blick, nervöses Kauen auf den Lippen und hin und wieder ein übertrieben hysterisches Auflachen? Das sind Journalisten! Auf der Suche nach d e r Story, die sie natürlich nicht finden können (weil die ist wie alle anderen auf Urlaub). Arme Kreaturen. Dass sie nicht gänzlich durchdrehen liegt nur daran, dass sie sich einreden: „Is eh wurscht. Sind eh alle fort, da liest eh keiner Zeitung!“ Behalten Sie es also bitte für sich, falls Sie doch ein Sommerzeitungsleser sind. Die Wahrheit würde uns Journalisten völlig aus der Bahn werfen. Dabei hab ich es ja noch bedeutend besser als meine Kollegen. Die müssen sich über den Sommer nämlich wochenweise oder gar täglich irgendetwas aus den Fingern saugen. Das ist grausam. Da aber nix da ist, muss man das Nix aufblasen, damit es so ausschaut, als obs was wär. Ein nettes Beispiel konnte ich aus dem Urlaub heimkehrend lesen. Ein fast halbseitiger Artikel über eine Dame, die sich in einem Lokal schlecht behandelt gefühlt hatte. Eine halbe Seite!!! Stellen Sie sich vor, das macht Schule. „Mein Cordon war lauwarm – na, das erzähl ich der Zeitung“, oder „Die Kellnerin hat mich schief angeschaut – na das wird sie in der Zeitung lesen!“ Das Beste: Das Thema hat zwei weitere Wochen mit Entgegnung des Gastes und Gegenentgegnung des Wirten weitergeköchelt. Sensationell! Ein anderer Sommerlochklassiker war die Netrebko- Absage bei den Salzburger Festspielen. Dieses Thema hat tatsächlich Titelseiten gefüllt! Über Tage! Coverstorys und Kommentare wurden verfasst, Sondersendungen im TV ausgestrahlt – das Abendland stand praktisch vor dem Untergang. Aber glauben Sie mir eins: So perfid manche Journalisten (richtig, genau jene, die Netrebko ein Jahr zuvor in den Himmel gejubelt haben) über Donna Anna berichteten, so dankbar waren sie ihr in Wahrheit, weil sie das Sommerloch ein Eutzerl gefüllt hat. Alles nicht so schlimm, sagen Sie? Von wegen! Aber damit sie uns Journalisten besser verstehen, hab ich Ihnen ein Fetzerl Sommerloch mitgebracht. Sieht harmlos aus, ich weiß. Aber schauen sie eine Minute lang ganz intensiv hinein (und vergessen Sie nie, dass es sich ja nur um ein Fuzi, einen Bruchteil und nicht das ganze, riesige Sommerloch handelt!), dann werden Sie begreifen, was es heißt, da hineinzuplumpsen. Der blanke Horror! Ich selber bin schon so fertig, dass ich – wie Ihnen als aufmerksamer Leser sicher nicht entgangen ist – gerade die Quadratur des Kreises versuche: das Sommerloch mittels Sommerloch füllen. Irrsinn! Ganz ehrlich. Vom journalistischen Standpunkt aus bin ich froh, dass der Sommer jetzt vorbei ist!