MFG - Anbetung der Falschen Götter
Anbetung der Falschen Götter


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Anbetung der Falschen Götter

Text Johannes Reichl
Ausgabe 12/2016
Der griechische Dichter Hesiod schrieb über Pheme (lat. Fama), das Gerücht: „Sie ist ihrer Natur nach böse, leicht, oh so leicht aufzulesen, aber schwer zu tragen und kaum mehr abzulegen. Sie verschwindet nie völlig, sobald sie großgeredet ist von der Menge. Tatsächlich ist sie eine Art Göttin.“ Und beileibe keine gute. Die schäbigste Fratze zeigt sie dort, wo sie gegen die Ärmsten der Gesellschaft wütet.
Die gesamte Debatte um die Mindestsicherung (BMS) etwa ist ein Paradebeispiel ihrer finsteren Künste und strotzt vor böswilligen Suggestionen. So wird etwa immer nur von der Gesamthöhe (in NÖ 837 Euro) gesprochen, also suggeriert, jeder Mindestsicherungsempfänger erhalte allmonatlich diesen Betrag. Tatsächlich wurden 2015 im Schnitt 175 Euro an Mindestsicherung ausbezahlt, und dies 12 mal im Jahr, nicht 14 mal wie beim Gehalt.
Bewusstes Spiel ist auch die Verquickung der BMS mit der „Sozialen Hängematte“, in der – so die Sugg­estion – es sich alle Bezieher ewig auf unsere Kosten gut gehen lassen. Der Missbrauch wird auf 4% geschätzt, die Bezugsdauer betrug 2015 in Niederösterreich im Durchschnitt 7 Monate.
Ganz fies war die Sache mit der „Arbeitsunwilligkeit“, die im Kampagnen-Slogan „Wer arbeiten geht, darf nicht der Dumme sein“ gipfelte, weil damit die Armen gegen die ganz Armen ausgespielt werden sollten. Auch da scheute man, wie etwa die ÖVP St. Pölten per Aussendung, nicht vor Pauschalisierung zurück, wenn etwa die SPÖ ohne jedwede Relativierung als „die Partei der Arbeitsunwilligen“ verunglimpft wurde. Kurzum: ALLE Bezieher sind arbeitsunwillig. Dass in St. Pölten z. B. über 40% der BMS-Bezieher Kinder sind und ein Teil schon im Rentenalter, sei hier nur nebenbei erwähnt. Verstörend und gesamtgesellschaftlich gefährlich war jedenfalls die damit entfachte, tiefenpsychologisch wirkende Neid-Logik: Ich schaue, dass es einem anderen schlechter geht als dir, damit du dich besser fühlst – auch wenn du selbst nicht mehr kriegst.
Das Muster der pauschalen Verunglimpfung durch Suggestion durchzog 2016 zahlreiche weitere Themenkreise. Bei der Diskussion um das sektorale Bettelverbot war etwa rasch die generelle Verquickung mit „Bettlerbanden“ hergestellt, weshalb man am besten gleich gar nichts hergeben soll, weil man sonst ja nur mafiöse Strukturen unterstützt.
Oder im Fall der Asylwerber, subsidiär Schutzberechtigten und Flüchtlinge war die penetrante Forderung nach deren „Integrationswilligkeit“ auffällig, weil damit suggeriert wurde, das Gros dieser Personen sei eben das glatte Gegenteil davon, nämlich integrationsunwillig.
Im Zuge des Bundespräsidentschafts-Wahlkampfes wurde dieses Spiel dann insofern auf die Spitze getrieben – sehr unter Mithilfe der Medien – dass Österreich von der noch vor zwei Jahren friedlichen Gesellschaft plötzlich zu einer zutiefst gespaltenen umgeschrieben wurde, was einen Politiker gar in Bürgerkriegsszenarien versteigen ließ. Und allerspätestens mit der treuherzigen Beteuerung der Kandidaten, dass man nach der Wahl die Gräben wieder zuschütten müsse, die man aber selbst so eifrig mit ausgehoben hatte, wurde es zynisch.
Aber mit Pheme ist nun mal nicht zu spaßen. Das Ergebnis ihrer Arbeit kann verheerend sein und, dessen sollten sich alle von uns bewusst sein, irreversibel. Vor allem sollten wir uns nicht als Wutbürger zu ihrem Handlanger machen lassen, sondern als Mutbürger mit Bedacht und gesundem Menschenverstand Verantwortung übernehmen. Denn Pheme mag eine Göttin sein – aber sie ist keine anbetungswürdige, sondern eine verabscheuungswürdige, die bestenfalls mit Discordia, der Zwietracht, unter einer Decke steckt. Wir dürfen ihr nicht auf den Leim gehen, sondern sollten uns vielmehr an Iustitia (Gerechtigkeit), Concordia (Eintracht), Honos (Ehre), Virtus (Tapferkeit), Clementia (Milde) und Pax (Frieden) halten. Oder – weil ja Weihnachten vor der Tür steht, wo wieder das berührende Flüchtlingsschicksal von Jesus erzählt wird, und weil dieser Tage die Bedeutung der Werte des christlichen Abendlandes so gern beschworen wird – an die gute alte Nächstenliebe!