Ein „bunter Haufen“ für eine „grüne Zukunft“
Text
Johannes Mayerhofer
Ausgabe
Im November 2019 formierte sich das Projekt „Klimahauptstadt 2024“ in St. Pölten. Unter seinem Dach tummeln sich eine Vielzahl an Umwelt- und Klimaschutzorganisationen. Welche gemeinsamen Ziele haben sie? Wo gibt es Differenzen? Wie sieht für sie eine „Klimahauptstadt“ aus?
In bin kein Aktivist, kein Fahnenschwenker“, möchte Dieter Schmidradler gleich zu Beginn klarstellen. „Ich bin in erster Linie freischaffender Wissenschaftler.“ Ab 2012 beschäftigte sich der studierte Elektrotechniker mit Doktortitel in Technischer Physik zunehmend mit Klima-, Umwelt- und Mobilitätsproblemen. Heute ist er Sprecher des von ihm und anderen Mitstreitern gegründeten St. Pöltner Projektes „Klimahauptstadt 2024“, unter dessen Dach sich ein bunter Strauß an Organisationen mit Umwelt- und Klimaschutzagenda tummelt.
Kulturhauptstadt? Warum nicht auch Klimahauptstadt?
Wer die St. Pöltner Stadtpolitik verfolgt, dem wird eine Parallele schon aufgefallen sein. Schmidradler erklärt: „Zur Namensgebung für das Projekt kam es bei einem Vernetzungstreffen mehrerer Organisationen, das zufällig am Tag der Vergabe des Titels ‚Kulturhauptstadt 2024‘, stattfand.“ St. Pölten machte an diesem 12. November 2019 bekanntlich nicht das Rennen. „Wir dachten uns: Warum nicht etwas viel Besseres, warum nicht ‚Klimahauptstadt 2024‘ werden?“ Der erste Grundpfeiler des Projekts ist die gemeinsame Ablehnung der geplanten S34. „Diese Schnellstraße, die westlich St. Pöltens entstehen soll, ist in der heutigen Zeit nicht mehr vertretbar. Den dortigen Naturraum zu ruinieren können wir uns nicht leisten“, meint Schmidradler. Zweitens gehe es um die Förderung regionaler Kreisläufe. Drittens spielt bei allen ökologischen Überlegungen auch das „soziale Klima“ stets eine Rolle: Das Projekt soll einen nicht spalten.
Landwirte und Anwohner kontra S34-Projekt
Teil der „Klimahauptstadt“ ist etwa der 2009 gegründete Verein „Zukunft Umwelt Traisental“ (ZUUM). Gottfried Kern, früher Landwirt aus St. Georgen im südlichen St. Pölten, ist Initiator der etwa 60 Mitglieder zählenden Vereinigung. „Schmidradler und ich haben uns im Zuge der Umweltverträglichkeitsprüfung der S34 kennengelernt“, erklärt er, dessen Hof nur wenige Kilometer vom künftigen S34-Verlauf entfernt ist. Aus seiner Sicht gibt es dafür keine Pro-, aber viel Kontraargumente: „Die S34 soll die B20 entlasten, aber selbst die Asfinag erklärt, dass das Autoaufkommen durch den Bau steigen wird.“ Man schneide dort hektarweise durch Wald und Naturgebiet, zeigt er sich erbost. „Wir haben jahrelang versucht, juristisch dagegen vorzugehen.“ Doch so wie bei der „Dritten Piste“ am Flughafen Wien-Schwechat oder der Marchfeld-Schnellstraße S8 würden politische Interessen auch hier einen Weg finden, das Straßenprojekt durchzudrücken. Der ehemalige St. Pöltner Umweltgemeinderat Kern klingt frustriert, ist aber nicht hoffnungslos. Immer wieder sei ihm gesagt worden: „In zwei Jahren fahren wir schon auf der S34.“ Kern dazu verschmitzt: „Nun, diese zwei Jahre sind nun etwa elf Jahre her.“
Wer die St. Pöltner Stadtpolitik verfolgt, dem wird eine Parallele schon aufgefallen sein. Schmidradler erklärt: „Zur Namensgebung für das Projekt kam es bei einem Vernetzungstreffen mehrerer Organisationen, das zufällig am Tag der Vergabe des Titels ‚Kulturhauptstadt 2024‘, stattfand.“ St. Pölten machte an diesem 12. November 2019 bekanntlich nicht das Rennen. „Wir dachten uns: Warum nicht etwas viel Besseres, warum nicht ‚Klimahauptstadt 2024‘ werden?“ Der erste Grundpfeiler des Projekts ist die gemeinsame Ablehnung der geplanten S34. „Diese Schnellstraße, die westlich St. Pöltens entstehen soll, ist in der heutigen Zeit nicht mehr vertretbar. Den dortigen Naturraum zu ruinieren können wir uns nicht leisten“, meint Schmidradler. Zweitens gehe es um die Förderung regionaler Kreisläufe. Drittens spielt bei allen ökologischen Überlegungen auch das „soziale Klima“ stets eine Rolle: Das Projekt soll einen nicht spalten.
Landwirte und Anwohner kontra S34-Projekt
Teil der „Klimahauptstadt“ ist etwa der 2009 gegründete Verein „Zukunft Umwelt Traisental“ (ZUUM). Gottfried Kern, früher Landwirt aus St. Georgen im südlichen St. Pölten, ist Initiator der etwa 60 Mitglieder zählenden Vereinigung. „Schmidradler und ich haben uns im Zuge der Umweltverträglichkeitsprüfung der S34 kennengelernt“, erklärt er, dessen Hof nur wenige Kilometer vom künftigen S34-Verlauf entfernt ist. Aus seiner Sicht gibt es dafür keine Pro-, aber viel Kontraargumente: „Die S34 soll die B20 entlasten, aber selbst die Asfinag erklärt, dass das Autoaufkommen durch den Bau steigen wird.“ Man schneide dort hektarweise durch Wald und Naturgebiet, zeigt er sich erbost. „Wir haben jahrelang versucht, juristisch dagegen vorzugehen.“ Doch so wie bei der „Dritten Piste“ am Flughafen Wien-Schwechat oder der Marchfeld-Schnellstraße S8 würden politische Interessen auch hier einen Weg finden, das Straßenprojekt durchzudrücken. Der ehemalige St. Pöltner Umweltgemeinderat Kern klingt frustriert, ist aber nicht hoffnungslos. Immer wieder sei ihm gesagt worden: „In zwei Jahren fahren wir schon auf der S34.“ Kern dazu verschmitzt: „Nun, diese zwei Jahre sind nun etwa elf Jahre her.“
Ein Trauermarsch zum „Abschied vom Wald“
Im Zuge der „Fridays for Future“-Demonstrationen (F4F) startete auch die 2019 im UK gegründete Organisation „Extinction Rebellion“ (ER) ihren Aktivismus, galt vielen Beobachtern als „schärfere Variante“ der freitäglichen Massenaktionen. „Fridays for Future wendet keinen zivilen Ungehorsam an, wir schon. Aber natürlich friedlich“, differenziert Hannes Kößl von der niederösterreichischen Regionalgruppe der „Extinction Rebellion“, die ebenfalls bei „Klimahauptstadt 2024“ dabei ist. Zwar umfasst die Niederösterreich-Gruppe nur 15 Personen, darunter Studenten, Handwerker etc. Allerdings lassen diese nichts an aktivistischem Engagement und Kreativität vermissen. Bei der Aktion „Aufbäumen“ wurde beispielsweise St. Pöltner Bäumen mittels Protestschildern eine „Stimme“ verliehen – quasi eine „Baum-Demonstration“. „Im Waldviertel haben wir außerdem einen Trauermarsch zum Abschied vom Wald abgehalten.“ In St. Pölten liegt der Schwerpunkt von „ER“ bei den Themen Naturzerstörung durch Bodenverschleiß sowie bessere Einbindung der Bürger in Entscheidungsprozesse.
Im Zuge der „Fridays for Future“-Demonstrationen (F4F) startete auch die 2019 im UK gegründete Organisation „Extinction Rebellion“ (ER) ihren Aktivismus, galt vielen Beobachtern als „schärfere Variante“ der freitäglichen Massenaktionen. „Fridays for Future wendet keinen zivilen Ungehorsam an, wir schon. Aber natürlich friedlich“, differenziert Hannes Kößl von der niederösterreichischen Regionalgruppe der „Extinction Rebellion“, die ebenfalls bei „Klimahauptstadt 2024“ dabei ist. Zwar umfasst die Niederösterreich-Gruppe nur 15 Personen, darunter Studenten, Handwerker etc. Allerdings lassen diese nichts an aktivistischem Engagement und Kreativität vermissen. Bei der Aktion „Aufbäumen“ wurde beispielsweise St. Pöltner Bäumen mittels Protestschildern eine „Stimme“ verliehen – quasi eine „Baum-Demonstration“. „Im Waldviertel haben wir außerdem einen Trauermarsch zum Abschied vom Wald abgehalten.“ In St. Pölten liegt der Schwerpunkt von „ER“ bei den Themen Naturzerstörung durch Bodenverschleiß sowie bessere Einbindung der Bürger in Entscheidungsprozesse.
Gemeinwohlökonomie gegen die Klimakrise?
Der wesentliche Hebel zur Lösung der Klimakrise liege im Funktionieren der Wirtschaft, meint Renate Hagmann von der Initiative „Gemeinwohlökonomie“. Es solle demokratisch ein Paradigmenwechsel eingeleitet werden. Die „Gemeinwohl-Orientierung“ eines Unternehmens soll über Kategorien wie „Mitbestimmung“, „Solidarität“, „Transparenz“ und auch „Ökologie“ in einer Gemeinwohl-Bilanz bewertbar werden. Wirtschaftliche Anreize sollen umgedreht werden: Unternehmen sollen nicht mehr von Umweltzerstörung und Ausbeutung profitieren. Stattdessen könnten Unternehmen mit „guter“ Gemeinwohlbilanz durch Steuervorteile oder Vorteile bei öffentlichen Aufträgen belohnt werden. „Mit dem Kräuter-, Tee- und Gewürzunternehmen ‚Sonnentor‘ und der ‚Grünen Erde‘ ist die Gemeinwohlökonomie auch in St. Pölten vertreten“, freut sich Hagmann. Global hätten bisher 600 Unternehmen eine Gemeinwohlbilanz erstellt.
„Wollen Leute motivieren eigene Projekte zu starten“
Unter dem Dach der „Klimahauptstadt 2024“ ist auch die 2018 gegründete Gruppe „Exit Green“, wobei das Wort „Gruppe“ eine Übertreibung ist: Sie besteht derzeit aus zwei Personen. „Klein, fein und laut“, meinen dazu Georgina Weinhart und Stefan Kuback. „Bei uns stehen Empowerment, also Selbstermächtigung, Bewusstseinsschaffung und Aktivismus im Vordergrund.“ Leute sollen ermutigt werden, ihre eigenen Projekte auf die Beine zu stellen. Als „Kick-Off“-Event startete „Exit Green“ 2018 eine Müllsammelaktion entlang der Traisen. Unter einer „Klimahauptstadt 2024“ verstehen die beiden „eine Stadt, in der nicht Wirtschaft und Wachstum, sondern Umwelt- und Klimaschutz an erster Stelle stehen.“
Alle 15 Unterstützerorganisationen der „Klimahauptstadt 2024“ vorzustellen würde den Rahmen sprengen. Jedoch ist klar: Oft braucht es einen „bunten Haufen“, um etwas für eine „grüne Zukunft“ erreichen zu können. Vonseiten der St. Pöltner Stadtführung heißt es: „Grundsätzlich begrüßen wir einen Schulterschluss zwischen der Zivilgesellschaft, St. Pölten und NÖ.“
Aufgrund der unterschiedlichen Teilorganisationen der „Klimahauptstadt 2024“ könne die Stadtführung nicht immer alle deren Ziele teilen. Hinsichtlich des Vorwurfes der Bodenverbauung entgegnet das Bürgermeisterbüro: „70 Prozent St. Pöltens sind Grünfläche. Wälder, Parks, Grün-, Erholungs- und landwirtschaftliche Fläche.“ Nur 14 Prozent seien Baufläche. „St. Pölten ist damit die grünste aller Landeshauptstädte.“ Hinsichtlich der S34-Kritik wird nochmal eine Entlastungswirkung für St. Pölten Süd und die B20 betont.
Der wesentliche Hebel zur Lösung der Klimakrise liege im Funktionieren der Wirtschaft, meint Renate Hagmann von der Initiative „Gemeinwohlökonomie“. Es solle demokratisch ein Paradigmenwechsel eingeleitet werden. Die „Gemeinwohl-Orientierung“ eines Unternehmens soll über Kategorien wie „Mitbestimmung“, „Solidarität“, „Transparenz“ und auch „Ökologie“ in einer Gemeinwohl-Bilanz bewertbar werden. Wirtschaftliche Anreize sollen umgedreht werden: Unternehmen sollen nicht mehr von Umweltzerstörung und Ausbeutung profitieren. Stattdessen könnten Unternehmen mit „guter“ Gemeinwohlbilanz durch Steuervorteile oder Vorteile bei öffentlichen Aufträgen belohnt werden. „Mit dem Kräuter-, Tee- und Gewürzunternehmen ‚Sonnentor‘ und der ‚Grünen Erde‘ ist die Gemeinwohlökonomie auch in St. Pölten vertreten“, freut sich Hagmann. Global hätten bisher 600 Unternehmen eine Gemeinwohlbilanz erstellt.
„Wollen Leute motivieren eigene Projekte zu starten“
Unter dem Dach der „Klimahauptstadt 2024“ ist auch die 2018 gegründete Gruppe „Exit Green“, wobei das Wort „Gruppe“ eine Übertreibung ist: Sie besteht derzeit aus zwei Personen. „Klein, fein und laut“, meinen dazu Georgina Weinhart und Stefan Kuback. „Bei uns stehen Empowerment, also Selbstermächtigung, Bewusstseinsschaffung und Aktivismus im Vordergrund.“ Leute sollen ermutigt werden, ihre eigenen Projekte auf die Beine zu stellen. Als „Kick-Off“-Event startete „Exit Green“ 2018 eine Müllsammelaktion entlang der Traisen. Unter einer „Klimahauptstadt 2024“ verstehen die beiden „eine Stadt, in der nicht Wirtschaft und Wachstum, sondern Umwelt- und Klimaschutz an erster Stelle stehen.“
Alle 15 Unterstützerorganisationen der „Klimahauptstadt 2024“ vorzustellen würde den Rahmen sprengen. Jedoch ist klar: Oft braucht es einen „bunten Haufen“, um etwas für eine „grüne Zukunft“ erreichen zu können. Vonseiten der St. Pöltner Stadtführung heißt es: „Grundsätzlich begrüßen wir einen Schulterschluss zwischen der Zivilgesellschaft, St. Pölten und NÖ.“
Aufgrund der unterschiedlichen Teilorganisationen der „Klimahauptstadt 2024“ könne die Stadtführung nicht immer alle deren Ziele teilen. Hinsichtlich des Vorwurfes der Bodenverbauung entgegnet das Bürgermeisterbüro: „70 Prozent St. Pöltens sind Grünfläche. Wälder, Parks, Grün-, Erholungs- und landwirtschaftliche Fläche.“ Nur 14 Prozent seien Baufläche. „St. Pölten ist damit die grünste aller Landeshauptstädte.“ Hinsichtlich der S34-Kritik wird nochmal eine Entlastungswirkung für St. Pölten Süd und die B20 betont.