Fremdschämen
Text
Michael Müllner
Ausgabe
Wenn sich großes Schweigen breitmacht, wo man sonst eher die großen Klappen vermuten würde, dann wird es spannend. Zahlreiche angesehene Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Backgrounds hielten sich auf Anfrage von MFG nobel zurück und wollten ihre Meinung nicht in der Zeitung lesen. Das spricht für die Bedeutung des Themas und (hoffentlich auch) dafür, dass auch das Land NÖ hier die Türen noch nicht gänzlich zugeschlagen hat – sondern die Dinge noch im Fluss sind. Warum sollte man dem St. Pöltner Bürgermeister, der im Herbst bekanntlich eine Wahl zu schlagen hat, nach dem populären Thema „Schließung der Orthopädie“ noch einen zweiten Elfer auflegen – und aus einem lachhaften „Wir haben zu wenig Ausbildungsplätze“-Argument heraus das Projekt der Sigmund Freud Universität boykottieren? Und wenn das Konzept der „umfassenden Privatuni in Krems“ wie behauptet so viel Sinn macht, dann wird der St. Pöltner „Mitbewerber“ doch bitte dabei keine Rolle spielen?Bürgermeister Stadler kann man anrechnen, dass er seine SPÖ bis dato in dieser Frage unter Kontrolle hielt und uns verzichtbare Profiliierungsversuche nach Parteilogik erspart blieben. Die Attacke des ÖVP-Manns Matthias Adl hingegen (wonach es die Schuld des Bürgermeisters sei, dass aus dem SFU-Projekt nichts wird) ist selbst in Faschingszeiten ein Anlass zum Fremdschämen. Und die Kritik des ÖÄK-Präsidenten Dorner, der generell gegen Privatunis zur Medizinerausbildung ist, zeigt die aktuelle Problematik wunderbar auf. Mit der Situation an den staatlichen (Medizin-)Unis ist jeder unglücklich, aber der Wille für echte Verbesserungen (höhere Budgets) fehlt und vor privaten (und damit wirklich unabhängigen) Alternativen hat man Schiss.