MFG - Neue Öffnungszeiten
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MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Neue Öffnungszeiten

Text Johannes Reichl
Ausgabe 09/2010
Die „Verbotene Stadt“ im Festspielhaus – für viele als „tote Stadt“ wahrgenommen – wurde dieser Tage abgebaut. Was in seinem Ansatz bewusst als urban, verstörend, Neugierde weckend angelegt war, dem wurde mehrheitlich mit Unverständnis und offener Ablehnung begegnet, so dass der Zaunverbau letztlich durch den Handstreich des Konventionellen gefallen ist. Das ist an sich nicht weiter tragisch, denn der künstlerische Output der verbotenen Stadt war endenwollend. Die hochgelegte Latte, kreativen Raum, den sich etwa die hiesige Jugend selbst erobert, zu schaffen, konnte nie übersprungen werden. Und auch von innen, vom Festspielhaus heraus wusste man kaum etwas mit der freien Fläche anzufangen. Da war viel zu wenig Inhalt bei viel zu viel Leere. Dennoch schaffte der Leiter des Festspielhauses Joachim Schloemer eines: Aufsehen, ja mehr noch, Aufregung zu erzeugen – und das ist gar nicht wenig. Das Festspielhaus fand dadurch auch in die Diskussion jener Eingang, die mit dem Haus ansonsten gar nichts anzufangen wissen. Das ist ein Mehrwert, den man der Aktion nicht absprechen kann. Nun hat Schloemer, für die NÖN fototechnisch in Szene gesetzt, symbolisch selbst Hand angelegt, um das teure Spielzeug nach nur einem Jahr wieder zu demontieren. Über den Umgang mit Steuergeld mag man in diesem Kontext streiten, was subventionierte Kunst sich „leisten“ darf und was nicht. Schloemer selbst hat mit dem Abbau aber im doppelten Sinne ein Zeichen gesetzt. Einerseits gibt er dem Druck der Öffentlichkeit nach, das aber nicht im Sinne einer Kapitulation, sondern im Sinne eines Schrittes auf die Leute zu. „Begleitet mich, und ich komm euch auch ein Stück entgegen.“ Das ist ein starkes Signal an die Stammklientel. Andererseits hat er das, was nun als offizielle Lesart des Festspielhauses propagiert und im Nachhinein als eleganteste Rechtfertigung eingeschrieben wurde, geschafft: Eine symbolische Öffnung! Ein Niederreißen von Trennendem. Das, was kurzerhand versteckt war, wird nun wieder sichtbar. Das erinnert an Christo. Wir werden uns der Schätze, wie das Festspielhaus einen darstellt, erst bewusst, wenn sie quasi nicht mehr da sind. Das weckt auch bei den Nichtstammkunden Interesse. Eine Öffnung ganz anderer Art und mit noch viel weitreichenderer Dimension ist mit dem neuen Bahnhof gelungen. Nicht nur, dass sich die Stadt damit eines ihrer schlimmsten Image-Killers der letzten Jahrzehnte entledigt hat und nun endlich nicht mehr vor den Bahnhofsumfragen bangen muss, die zumeist den wenig schmeichelhaften Titel „hässlichster Bahnhof Österreichs“ bescherten, hat man damit auch ein Statement abgegeben. Das, was vorher klein, finster, muffig, ja schlichtweg abgefuckt und peinlich war, ist jetzt luftig, hell und einladend. Welch unterschiedliche Wahrnehmung geht damit einher, nicht nur des Bahnhofs selbst, sondern der gesamten Stadt. Früher trat man mit einem beklemmenden, ja angeekelten Gefühl aus dem Gebäude heraus, was unweigerlich auch auf die Stadt abfärbte: Dieses kleine, schirche Kaff – und mochte es 100mal anders sein – kann mir gestohlen bleiben. Der Ersteindruck ist stets der bleibendste. Jetzt muss man beim Heraustreten, beim Blick in das neue, fast an einen Mini-Boulvard erinnernde Stück Fußgängerzone – auch diese Lösung ist äußerst gelungen – unweigerlich lächeln, atmet frei durch und begegnet der Stadt mit einer gewissen Sympathie. „Gar nicht so übel dieses Städtchen!“ Das ist ein Paradigmenwechsel. Offensichtlich hat man endlich die richtige Balance für St. Pölten gefunden, die nicht ins konservativ Provinzielle einerseits, aber auch nicht ins überkompensatorisch Gigantomanische (und damit erst wieder ins Provinzielle) abgleitet. Möge man dieses neue Fingerspitzengefühl auch bei anstehenden Zukunftsprojekten wie der Domplatzneugestaltung beweisen!
Wie man sich überhaupt diesen neuen Geist der Offenheit erhalten möge, der sich auf vielerlei Weise manifestiert, etwa in belebten Plätzen nach innen oder über die vielbeachteten Festivals nach außen. Und wenn jetzt auch noch die Parteien, bei allen ideologischen Auffassungsunterschieden, zu einem seriösen Modus vivendi, zumindest was den verbalen Umgang miteinander betrifft, kommen – dann braucht uns vor einer „toten Stadt“ nicht zu bangen. Weiten wir also die Öffnungszeiten exzessiv aus, und nehmen wir uns ein Beispiel an Schloemer: „Mauern-Einreißen“ ist nicht verboten in dieser Stadt! Im Gegenteil! Es ist sogar sehr erwünscht!