„Wir müssen weg von dieser Verzichtsdebatte“
Text
Johannes Reichl
Ausgabe
Eigentlich bin ich mit dem Leiter des Umweltreferates Thomas Zeh verabredet. Doch als ich die Tür öffne, begrüßen mich auch Erwin Ruthner und Mario Schoderböck von der Fernwärme GmbH sowie der Leiter der Stadtentwicklung Jens de Buck, und im Laufe des Gesprächs wird klar, dass noch weitere Experten gut in die Runde passen würden. Klimaschutz durchdringt schlicht alle Bereiche der Stadt. Wir sprachen über Strategien, die Angst der Politik vor vermeintlich unpopulären Maßnahmen, horrend gestiegene Energiepreise und warum Klimaschutz eine Chance ist.
Klimaschutz – das sieht man alleine an dieser bunten Runde – ist eine absolute Querschnittmaterie. Auf welcher Grundlage wird das Thema eigentlich behandelt?
Jens de Buck: Vieles in diesem Kontext baut auf das integrierte Stadtentwicklungskonzept aus dem Jahr 2017 auf – damals war der Klimawandel als Thema zwar noch nicht so zentral, floss aber natürlich schon in die Überlegungen mit ein, weshalb darin viele umweltrelevante Bereiche behandelt sind.
Was beinhaltet das Integrierte Stadtentwicklungskonzept?
de Buck: Es fasst alle raumrelevanten sektoralen Planungen der Stadt, wie das Landschaftskonzept, Generalverkehrskonzept, Themen der Energieraumplanung oder Baulandbedarfserhebungen zusammen und definiert die Zielsetzungen der Stadtentwicklung für die nächste Dekade. Da geht es etwa um notwendige Durchlüftungsachsen in der Stadt, um Grünraumausstattung wie Parks, Spielplätze, Grünflächen in Wohngebieten etc., Freihaltezonen entlang der Traisen und den Mühlbächen, den Schutz und die Berücksichtigung topographischer Raumstrukturen, wie den östlichen und westlichen Wagram. Die Kernfragen sind: Wo kann sich die Stadt weiter entwickeln, welches Wachstum ist verträglich, um die Lebensqualität weiter zu erhöhen, wo und wie sind städtebauliche Erweiterungen und Umstrukturierungen sinnvoll und notwendig, welche Strukturen sind zu schützen und zu erhalten, auch unter dem Gesichtspunkt der wachsenden klimatischen Herausforderungen.
Um das ein bisschen einzufangen – können Sie ein, zwei Beispiele nennen, die auf dieser Basis konkret in Umsetzung gekommen sind?
de Buck: Ein Beispiel wäre die Neuerrichtung einer Parkanlage im Norden der Stadt, einem Stadtteil mit überdurchschnittlich hoher Bebauungsdichte und geringer Grünraumausstattung - der Sturm 19 Park. Durch die Auflösung des gleichnamigen Fußballklubs wurde das Areal frei und damit eine Nutzung im Sinne des Landschaftskonzeptes möglich. Ein anderes Beispiel ist die geplante Umgestaltung der Promenade zu einer verkehrsberuhigteren Zone, wo Fußgänger und Radfahrer quasi Vorrang haben und ein Hauptaugenmerk auf Verweilzonen und Grünraum gelegt wird.
Im Verkehrsbereich gäbe es natürlich 100.000 Beispiele, allein wenn man an den Kampf um die S34 denkt – diese Büchse möchte ich hier gar nicht öffnen. Was mich eher interessiert: Wie ist die Stadt im Hinblick auf den eigenen Fuhrpark klimatechnisch aufgestellt, gerade auch unter dem Aspekt steigender Spritpreise, CO2 Ausstoß, Mobilitätswende?
Thomas Zeh: Nicht schlecht! Im PKW-Bereich erfolgt seit geraumer Zeit sukzessive der Umstieg auf E-Mobilität. Unsere Leiterin der Fuhrparkverwaltung, Frau Schindlegger, prüft bei jedem Ersatzeinkauf den Umstieg auf einen Elektroantrieb. Derzeit sind rund 10 E-Autos im Einsatz, für heuer ist noch der Ankauf von 3 bis 4 weiteren Fahrzeugen geplant - soweit diese lieferbar sind. Wo es sich Sinn macht, wird die E-Mobilität forciert.
Erwin Ruthner: Bei großen Fahrzeugen wie LKWS, Maschinen etc. ist der Umstieg aber noch nicht so ausgereift. Vor allem im Winter – denken wir an den Streudienst – können diese Fahrzeuge im Vergleich zu konventionellen noch nicht die gewünschte Leistung bringen, zudem sind sie in der Anschaffung praktisch doppelt so teuer. Wir beobachten aber diverse Pilotversuche in anderen Städten – in Wien zum Beispiel hat man, wissenschaftlich von der TU begleitet, aktuell drei Müllfahrzeuge mit E-Antrieb im Einsatz. Das ist aber eher noch als Imageprojekt zu betrachten, denn die Effizienz lässt noch zu wünschen übrig, wenngleich die Entwicklung mittelfristig sicher bald vernünftige Lösungen bringen wird.
de Buck: Bringen muss! Nehmen wir den LUP – das Thema öffentlicher Verkehr. Da schreibt die „Green Vehicle Directive“ der EU vor, dass der öffentliche Verkehr in den nächsten Jahren emissionsfrei werden muss! Das heißt, wir müssen das bei der Vorbereitung und Planung der nächsten Ausschreibung für den LUP, die 2027 ansteht, berücksichtigen und umsetzen. Erste Gespräche hierüber finden aktuell mit dem Verkehrsverbund Ostregion (VOR), in den unser städtischer Nahverkehr ja eingebettet ist, statt.
Ruthner: Wobei auch bei Bussen die E-Antriebe hinsichtlich Reichweite, Kosten, Leistungsfähigkeit im Vergleich noch hinterherhinken. Da klaffen Wunsch und Realität oft noch auseinander. Aber die Stadt ist dahinter, der Wille ist da!
Weil Sie die EU-Direktive angesprochen haben. Nach welchen gesetzlichen Vorgaben muss sich die Stadt überhaupt richten bzw. gibt es da überhaupt schon welche? Das neue Klimaschutzgesetz lässt ja nach wie vor auf sich warten.
de Buck: Ja, stimmt. Es ist aber nicht so, dass wir uns nicht schon vorbereiten. So nimmt die Stadt aktuell am „fit4urbanmission“-Projekt teil, wo wir uns mit Fragen auseinandersetzen, welche Maßnahmen in den nächsten Schritten erforderlich sind, um die Stadt auf die Herausforderungen des Klimawandels einzustellen.
Worum geht es da?
de Buck: Im Zentrum steht die Frage, wie Kommunen ihren eigenen Betrieb im Hinblick auf Klimaschutz fit machen, CO2neutral werden. Die Initiative dafür geht von der EU aus, in Österreich ist das BMK dafür zuständig. Nach einer ersten, vor Abschluss stehenden Phase im Projekt „fit4urbanmission“ soll in Zusammenarbeit mit dem Bund (BMK) ein Folgeprojekt aufgesetzt werden, das den Städten bei der Realisierung der Empfehlungen helfen soll. Hierfür sind seitens des Bundes auch Förderungen in Aussicht gestellt.
Welche Empfehlungen sind das, können Sie eine Kernforderung nennen?
de Buck: Ein konkreter Vorschlag ist die Installierung einer eigenen Klimaschutzstelle in der städtischen Verwaltung, die koordinierend alle betroffenen Fachabteilungen an einen Tisch bringt und die die klimarelevanten Auswirkungen von Projekten im Blick behält. Da geht es v.a. auch darum, einen Bewusstmachungsprozess anzuschieben, der am Ende des Tages natürlich in konkrete Umsetzungen münden soll. Wichtig ist zudem fachliche Expertise – wie wirkt sich der Klimawandel auf die Stadt aus, wie muss die städtische Verwaltung hierauf reagieren, wie koordiniert man Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen, welche Veränderungen und Umstellungen sind erforderlich etc.
Als ungeduldiger Bürger denkt man sich ja: „Warum gibt es das nicht schon längst?“ Nimmt die Politik, die gern salbungsvoll vom Klimaschutz redet, das Thema vielleicht nicht ernst genug?
de Buck: Wir haben im Projekt „fit4urbanmission“ festgestellt, dass die größeren Städte wie u.a. Wien, Graz und Linz mit entsprechend breiter aufgestellten Verwaltungsstrukturen, sich in den letzten Jahren beginnend diesem Thema zugewandt und interne Strukturen aufgebaut haben, die sich auch für uns als sinnvoll herausgestellt haben. Hier wurden derartige übergeordnete Klima-Koordinationsstellen eingerichtet, von deren Erfahrungen in der Umsetzung wir nun profitieren möchten. Es zeigt sich hier, dass die neuen Herausforderungen auch entsprechende Expertisen, Ressourcen und Personal erforderlich machen.
Zeh: Wir sind aber bereits mitten in diesem Prozess – auf allen Ebenen. Ich glaube, die Frage ist nicht mehr ob, sondern wie wir den Stier an den Hörnern packen. Die Richtung stimmt.
Welche Rolle spielt dabei der Masterplan – da ist ja eine Vision, dass St. Pölten zur „Green_Cool_City“ werden soll, abgekürzt gesagt zu einer Klimaschutz-Vorzeige-Kommune. Dazu finden sich jede Menge Überschriften, Ideen, Ziele – hilft das als Arbeitsgrundlage?
Zeh: Ja. Der Masterplan ist ein erster Schritt, wo die relevanten Materien einmal geballt zusammengetragen sind, wo Ideen formuliert sind und auch mögliche Maßnahmen skizziert werden, die man als nächsten Schritt konkret auf die verschiedenen Bereiche und Stadtteile herunterbrechen muss. Mit diesen nächsten Schritten wird die Schlinge sinngemäß also enger gezogen, die Struktur wird klarer werden, und das ist wichtig! Als weitern nächsten Schritt muss man dann aber unbedingt auch in die Umsetzung kommen.
Wobei man da ja manchmal den Eindruck gewinnt – nicht nur in St. Pölten – dass die Politik zwar auf Schiene ist, aber mitunter sehr zögerlich agiert.
de Buck: Da ist die Politik generell auf den unterschiedlichen Ebenen vielleicht manchmal noch zu sehr von Vorstellungen und teils Meinungsumfragen getrieben, dass man Angst hat, mit vermeintlich unpopulären Maßnahmen Wähler zu verprellen. Ich glaube aber, dass ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger beim Thema Klimaschutz zunehmenden Handlungsbedarf erkennt und für damit verbundene Änderungen aufgeschlossener sind. Ich glaube es ist unser aller Aufgabe die Maßnahmen und Folgen den Menschen verständlich zu kommunizieren, dann ziehen sie auch mit und honorieren das Engagement.
Ist diese Furcht vielleicht auch der Grund, warum in der Debatte – etwa auch jetzt rund um etwaige Embargos & Co. – immer davon die Rede ist, was die Institutionen nicht alles leisten sollen, aber selten, wie der einzelne Bürger z. B. zum Energiesparen beitragen kann. Ist Klimaschutz noch nicht allen zumutbar?
Ruthner: Ich glaub – jetzt aus rein persönlicher Sicht – das ist auch eine Generationenfrage. Jugendliche sagen eher, ich verzichte auf ein Festl, dafür investieren wir mehr in den Klimaschutz, während bei Älteren eher Reflexe kommen wie „ich lass mir mein Auto nicht wegnehmen“. Ein Gesinnungswandel ist in der Gesellschaft aber unübersehbar, und wenn wir von „Jungen“ sprechen, reden wir in Wahrheit ja von jungen Menschen bis in ihre 30er hinein – das ist also bereits eine große Bevölkerungsgruppe! Und die tickt vielfach anders als die älteren Semester, hat andere Wertigkeiten, auch die Bereitschaft, sich mehr einzubringen und ist offen für Veränderung, wenn sie dem Klimaschutz dient.
Zeh: Ein Beispiel rund um die viel diskutierte Verkehrsberuhigung ist die Josefstraße. Da gibt es einerseits die Forderungen die Straße als Begegnungs- und Radfahrstraße auszubauen, die Autos also von der Straße zu verbannen. Auf der anderen Seite hört man auch Stimmen, welche die Fahrräder von der Josefstraße verbannen möchten, da diese aufgrund der Enge ein Verkehrshindernis und eine Gefahr darstellen, die Flüssigkeit des Verkehrs stören. Solch unterschiedliche Ansichten ziehen sich durch die gesamte Gesellschaft, auch unabhängig von der politischen Weltanschauung. Deshalb ist es so wichtig, Bewusstsein zu schaffen, Themen zu vermitteln und Chancen aufzuzeigen anstatt Ängste zu schüren.
Gehen wir mal vom Abstrakten ins Konkrete – was macht die Stadt, um mehr Bewusstsein zu schaffen bzw. gibt es kommunale Förderprogramme, wo man Klimaschutz nachhaltig anschiebt?
Zeh: Es gibt, in Zusammenarbeit mit der Energie- und Umweltagentur des Landes NÖ, Infoabende zur Initiative „Raus aus dem Öl“. Bei diesen Abenden besteht zum Teil auch gleich vor Ort die Möglichkeit einer Energieberatung, die Grundlage für eine Förderung ist. Über „St. Pölten konkret“ geben wir laufend Energiespartipps, es gibt eine eigene Förderschiene für Anlagen zur Nutzung alternativer Energien, seit neuestem auch für Fernwärmeanschlüsse, natürlich nur sofern ein solcher möglich ist. Wir suchen den „Energiesparmeister“ – da sind alle Bürger eingeladen, ihre persönlichen Energiesparinitiativen vorzustellen – das kann vom neuen Kühlschrank bis hin zum Umstieg aufs Fahrrad reichen. Der Energiesparmeister wird dann im Zuge der Pro Planet Week im Cinema Paradiso gekürt. Die Pro Planet Week wird von 18. bis 23. Oktober stattfinden. Dargeboten werden Filme, Podiumsdiskussionen, Vorträge, etc. zu Umweltschutzthemen, insbesondere Klimaschutz. Derzeit sind wir in der Detailplanung des Programms. Im Bereich Gewerbe und Industrie – das steht an – möchten wir ebenfalls in Hinkunft Beratungsmöglichkeiten anbieten, wie man energietechnisch umrüsten kann, Energiegemeinschaften schließt etc. Die St. Pöltner Industriebetriebe müssen sich im Übrigen im Bereich Klimaschutz nicht verstecken: Die Fa. Egger betreibt zum Beispiel in St. Pölten eines der größten Biomasse-Kraftwerke Österreichs und versorgt damit auch die Nachbarbetriebe mit Wärme, die EVN beschäftigt sich mit der Errichtung eines Biomassewerkes, dessen Energie auch in die Fernwärme eingespeist werden soll. Es tut sich also einiges. Und natürlich wollen gerade nahezu alle privaten Haushalte raus aus dem Gas, das merkt man auch bei der Energieberatung.
Was – in dieser beschleunigten Form – mit dem Ukraine Krieg zusammenhängt und dem Damoklesschwert, dass Russland entweder den Gashahn zudreht oder umgekehrt die EU ein Gasembargo verhängt. Was wären die Folgen für St. Pölten?
Ruthner: Zunächst führt die Verknappung zu einer weiteren Erhöhung der Preise, in Folge werden die Reserven angezapft – das heißt, der Prozess passiert nicht von heute auf morgen. Aber irgendwann gehen auch die Reserven zur Neige, und spätestens dann muss die Bundesregierung gewisse Bereiche der Wirtschaft – die Privaten sollen ja nicht betroffen sein – vom Netz nehmen. Welche es als erste trifft, ist aber noch nicht bekannt, es ist da immer wieder die Rede von Systemrelevanz. Nur was fällt da alles hinein bzw. was nicht, das wird eine spannende Frage.
Die Preise sind ja bereits jetzt explodiert – aber nicht nur bei Gasheizungen, sondern auch bei der Fernwärme. Warum das?
Ruthner: Aufgrund des Energiemix. Bei der Fernwärme kommen bislang 60 % der Energie aus Dürnrohr, also Abwärme, 40 % kommen aber noch aus Gas. Dank neuer Heizkessel, die wir jetzt in Betrieb nehmen, können wir diesen Anteil in Hinkunft auf 20% und weniger senken – dafür haben wir zuletzt neun Millionen Euro investiert! Aber, um das auch ganz klar zu sagen: Ganz ohne Gas – das etwa bei der Spitzenabdeckung in der Früh gebraucht wird – werden wir auch mittelfristig nicht auskommen.
Schoderböck: Wobei die Hoffnung besteht, dass auf Sicht ein weiterer Teil durch künstliche, klimafreundliche Alternativen ersetzt werden kann – da wird bereits intensiv an künstlichen Gasen auf Wasserstoffbasis geforscht. Das wird aber noch einige Zeit dauern! Schiefergas aus den USA kann auch nicht von einem Tag auf den anderen geliefert werden, zudem – das muss auch allen bewusst sein – ist es gegenüber russischem Gas teurer und noch umweltschädlicher.
Das aktuelle Dilemma hat sich bei der Fernwärme ja zuletzt in einer massiven Erhöhung von 160 % gegenüber dem Vorjahr niedergeschlagen, was die Kunden – um es salopp zu formulieren – von den Socken gehauen hat.
Ruthner: Was ich total verstehe und uns auch extrem leid tut für die Leute. Aber die Erhöhungen machen wir ja nicht aus Jux und Tollerei. Im Vorjahr hatten wir etwa ein negatives Ergebnis, die Preisgestaltung hinkt dem sogar noch hinterher.
Das heißt, auch weil sich die Lage wohl nicht entspannen, sondern eher sogar weiter eskalieren wird, es ist mit weiteren Erhöhungen zu rechnen? Was halten Sie in diesem Zusammenhang von der – auch auf Bundesebene gewälzten – Idee, dass etwaige Gewinne öffentlicher Energieunternehmen abgeschöpft werden?
Ruthner: Dieses Thema wird bei uns bereits offen diskutiert, etwa mögliche Gewinne dafür zu nutzen, die Preise moderat zu gestalten bzw. die Erhöhung nicht in vollem Maße weiterzugeben – wir verstehen uns da natürlich als Gesellschaft mit öffentlicher Verantwortung, das möchte ich einmal ganz klar festhalten. Und das tun wir bereits jetzt: Wir selbst haben im Vorjahr – um die Dimensionen einmal zu umreißen – für Gas das Sieben- bis Achtfache gegenüber 2020 bezahlt, also 700-800% mehr! Zudem müssen wir CO2 Zertifikate kaufen, die ebenfalls um das Dreifache gestiegen sind – da reden wir von gut einer Million Euro, die wir ebenfalls nicht an die Kunden weitergeben. Freude haben wir über die Situation also sicher keine. Fürs „Kriegsspielen“ können wir aber leider auch nichts.
Das heißt, das Hauptziel bleibt – nun zynischerweise sogar beschleunigt – die Maxime „Raus aus den fossilen Brennstoffen!“
Zeh: Dekarbonisierung ist natürlich ein wesentliches Ziel in unseren Klimaschutz-Bemühungen – allen voran der rasche Ausstieg aus Gas. Das wird auch auf EU Ebene sehr stark forciert, jetzt natürlich noch intensiver als noch vor drei vier Jahren. Es dämmert einfach mittlerweile allen, dass wir handeln müssen, weil wir uns immer näher Richtung unumkehrbarer Kipppunkte bewegen, die man natürlich unbedingt vermeiden will.
Gibt es im Energiebereich eigentlich so etwas wie einen klaren Plan, nach dem die Stadt bei ihren Aktivitäten vorgeht?
Zeh: Wir haben das Energieleitbild aus dem Jahr 2009, in dem damals Ziele für 2020 formuliert wurden – davon hat vieles noch Gültigkeit, wenngleich es natürlich laufender Anpassungen bedarf. Aber Maßnahmen wie Gebäudesanierungen, Dämmungen, Ausweitung der Fernwärme, Umstieg auf erneuerbare Energie etc. waren schon damals festgeschrieben. Manches ist teilweise natürlich auch wieder überholt – zum Beispiel gab es eine Zeitlang gasbetriebene LUP, weil Gas damals gegenüber Diesel als „umweltfreundlich“ betrachtet wurde, da es weniger CO2 ausstößt. Deswegen ist es aber noch lange nicht emissionsfrei, also nicht Teil der Lösung, sondern des Problems, weshalb man ganz von den Fossilen wegkommen muss.
Ruthner: Oft gibt es auch Ziele, die gar nicht so leicht überall umsetzbar sind oder sich bei näherem Betrachten als unrealistisch herausstellen. Nehmen wir etwa die Frage von Photovoltaik-Anlagen auf öffentlichen Gebäuden, insbesondere auch im Hinblick auf die Nachrüstung. Hier stellt sich bisweilen heraus, dass die Last für das Dach schlicht zu groß ist, oder eine Nachrüstung völlig unrentabel. Prinzipiell setzt die Stadt aber, wo möglich, auf erneuerbare Energien, bestmögliche Dämmung etc., da braucht man sich nur Neubauten wie Schulen, Kindergärten etc. ansehen. Es geht schon etwas weiter.
Vielen aber nicht schnell genug, wenn man sich Vereine wie Fridays For Future ansieht, die Tempo einfordern. Wie ist die Zusammenarbeit mit den diversen NGOs?
Zeh: Da haben wir das Umweltschutzkomitee. Es ist die Idee des Komitees Vereinen und Organisationen die Möglichkeit zu geben ihre Vorstellungen und Ideen an die Politik und Verwaltung heranzutragen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Wir sind gerade dabei das Umweltschutzkomitee neu zu strukturieren. Es wurden viele Vereine, wie beispielsweise auch Fridays For Future oder der Verein vom Sonnenpark eingeladen und es freut mich, dass sie gekommen sind. Da sind jetzt viele junge, engagierte Menschen mit hoher Expertise mit an Bord. Einer der Vertreter von Fridays For Future ist etwa ausgebildeter Energietechniker – also die wissen schon, wovon sie reden. Die Sitzungen des Umweltkomitees finden alle zwei Monate statt, es gibt einen regen Austausch, die Ergebnisse werden in einem Protokoll zusammengefasst, das an die Entscheidungsträger und Kollegen aus der Verwaltung geht. Letztlich geht es darum, mit den NGOs in regelmäßigen Dialog zu treten, Meinungen und Anregungen auch von außen herzeinzuholen – das ist sehr wichtig und bringt uns in der Sache weiter.
Wobei die Politik diese fordernden Stimmen ja bisweilen eher als Bedrohung wahrzunehmen scheint. Sind diese umgekehrt für Experten wie euch, die nicht auf Wählerstimmen schielen müssen, sondern nur die beste Lösung im Blick haben, nicht sogar eine Art Verbündete im Kampf für den Klimaschutz, weil sie Druck erzeugen?
Zeh: Der Druck ist sicher größer geworden, und er wird noch weiter steigen. Aus Gesprächen mit der Stadtpolitik glaube ich aber sagen zu können, dass das Thema von der die Politik nicht nur wahrgenommen wird, sondern ihr auch sehr wichtig ist. Deshalb bin ich da positiv eingestellt. Vergessen wir nicht - das Umweltkomitee ist ein Beratungskomitee, das vom Bürgermeister einberufen worden ist. Es besteht der Wunsch sich auszutauschen und Meinungen einzuholen. Natürlich gibt es in einzelnen Punkten unterschiedliche Positionen und die wird es auch in Zukunft geben. Oft hat man dieselben Ziele, möchte diese aber auf einen anderen Weg erreichen. Wesentlich ist aber, dass der Zug in die richtige Richtung fährt. In den Zusammenhang denke ich, dass wir nicht immer nur diskutieren sollten, was „das Beste“ ist, sondern es geht darum, wie ich die Dinge schnellstmöglich in die richtige Richtung lenke, also zur Umsetzung komme. Welche Hilfestellungen leiste ich, welche Maßnahmen setze ich, um den Bürgern einen Umstieg – zum Beispiel vom Auto auf Öffis – zu ermöglichen. Und man muss weg von dieser Verzichtsdebatte und die positiven Effekte herausstreichen. Wenn ich mehr zu Fuß gehe und Rad fahre, fühle ich mich vielleicht fitter als vorher. Wenn ich mein Haus ordentlich dämme, wird es auf Sicht nicht nur billiger, sondern das ganze Raumklima wird behaglicher. Das heißt, die Lebensqualität steigt. Klimaschutz ist also keine Belastung, sondern eine Chance – auf allen Ebenen!
Die Gesprächsrunde:
Jens de Buck: Leiter Stadtentwicklung Magistrat St. Pölten
Martin Ruthner: Geschäftsführer Fernwärme St. Pölten GmbH
Thomas Zeh: Leiter Umweltreferat Magistrat St. Pölten, Energie- und Umweltmanager
Mario Schoderböck: Fernwärme St. Pölten GmbH