Quo vadis SPÖ?
Text
Johannes Reichl
Ausgabe
Spricht man mit langgedienten Sozialdemokraten dieser Tage und fragt sie nach dem niederösterreichischen Wahldesaster ganz plump heraus „Was ist eigentlich los mit eurer Partei?“ so erntet man entweder ein unüberhörbares Seufzen, ratloses Achselzucken, widerwilliges Kopfschütteln oder eine kämpferische „Jetzt erst recht!“-Haltung. Wir baten drei Genossen um ihre Analyse, frei nach dem Motto „Quo Vadis SPÖ?“
Genosse Ewald
Federnden Schrittes betritt Ewald Sacher das NXP Bowlingcenter. Wenn jemand sagt, Politiker altern schneller, so ist Sacher die Antithese. Seine 73 Lenze merkt man dem Politpensionär nicht an. Er war fast alles – Stadtrat und Vizebürgermeister in Krems, Nationalrat, 2. Landtagspräsident in Niederösterreich. Heute ist er aus dem parteipolitischen Betrieb zwar draußen, sozialpolitisch mischt er als Präsident der Volkshilfe Österreich aber immer noch mit. „Ich habe unlängst mit Michael Häupl, jetzt unser Wiener Volkshilfe-Präsident, über Schwerpunkte unserer gemeinsamen sozialen Arbeit im Café Landtmann beraten – das war wie ein Déjà-vu“, lacht er, weil der Reihe nach Altsozi wie Rudolf Streicher, Sepp Rieder, Franz Vranitzky und schließlich noch Christian Kern samt Hund hereinmarschiert sind. Natürlich war auch im Gespräch mit Häupl der Zustand der Partei, „und wie es weitergeht“ Thema. Sacher ist dabei keinesfalls ein Nostalgiker von wegen „früher war alles besser“ (wenngleich dieser Befund auf die SPÖ bezogen absolut zutrifft), „aber man hat noch nicht die richtigen Antworten auf den Wandel der Gesellschaft gefunden, wie mir scheint.“ In seiner Jugend wäre noch in jeder Gasse ein eigener Subkassier unterwegs gewesen, der die Parteimarken einkassierte und so mit den Leuten direkt ins Gespräch kam. Auch große Betriebe als Hort sozialdemokratischer Agitation und Mitgliederwerbung seien Geschichte. „Es gibt noch immer gute Betriebsräte, die sich für ihre Leute engagieren, aber nicht mehr parteipolitisch.“ Selbst die SJ, einst dynamischer Stachel im Fleisch der Altgenossen, sei brav geworden, „früher haben sie parteiintern wenigstens noch Wirbel gemacht und etwa gegen Zwentendorf protestiert – aber nicht einmal mehr das. Uns ist tatsächlich die Breite, die Struktur abhanden gekommen.“ Das mag auch mit geringeren finanziellen Mitteln zusammenhängen sowie der für die SPÖ scheinbar noch immer ungewohnten Rolle als Oppositionspartei, aber freilich nicht nur. „Im Wirtshaus sehe ich etwa die FPÖler am Stammtisch mit den Leuten diskutieren – wo sind da unsere Genossen?“
Dabei gäbe es aktuell genügend Fragen zu beantworten, welche die Menschen beschäftigen wie Inflation, Mietpreise, Energie „das sind ja alles Urthemen der SPÖ, aber wir bringen es einfach nicht rüber“, schüttelt Sacher den Kopf. „Und das betrifft praktisch alle Themen, wo wir eigentlich stark sind und etwas zu sagen hätten: Bildungspolitik, Sozialpolitik, Kulturpolitik – wo sind da unsere offiziellen Statements, wo sind unsere Leute in den Fernsehdiskussionen, wo die Vorsitzende im ORF? Warum melden wir uns nicht offensiver zu Wort?“ Eine grundsätzliche Antwort gibt Sacher gleich selbst darauf: „Unser Auftritt, unser Marketing, unsere Kommunikation – egal ob bei der NÖ-Wahl oder ganz allgemein – sind sehr verbesserungswürdig!“ Hier müsse man raschest Änderungen herbeiführen, wenn man den Negativtrend aufhalten möchte. Sacher würde sich diesbezüglich Profis vom Kaliber eines Josef Kalina wünschen, die die Partei beraten und beim Entstauben alter Strukturen mithelfen. „Man braucht sich ja nur anschauen, wie die FPÖ etwa im Internet auftritt. Da hat jeder Kandidat ein eigenes Profil, postet – wir schauen dahingehend alt aus. Ebenso wie unsere Wahlkämpfe, das ist alles mau.“
Dass die SPÖ mit ihrer ungelösten leidigen Obmann/Obfrau-Debatte – wie ich suggestiv unterstelle – auch selbst gehörig am eigenen Untergang arbeitet, verneint Sacher nicht, wobei er auch diesbezüglich ein grundsätzlicheres Problem in der Partei ortet: „Wir haben zwar gscheite Leute, aber es fehlt an Persönlichkeiten, die die Botschaften authentisch rüber bringen, so dass die Leute ihnen das auch abnehmen – und ich rede nicht nur von der Parteiführung, sondern das zieht sich durch alle Ebenen der Partei, auch in den nahen Institutionen.“ Mit Karikaturist Ironimus, Gustav Peichl, habe er sich einmal über Gemeinsamkeiten zwischen Kunst und Politik ausgetauscht „und der meinte, da wie dort brauchst du Menschen mit Ecken und Kanten, mit Eigenheiten, die sie unverwechselbar machen.“
Und einer klaren Botschaft und Themen, die für die Bürger relevant sind. Dass der Untersuchungsausschuss – wo sich die SPÖ medial stark positionierte, damit aber eigene andere Themen übertünchte – nicht unbedingt dazu zählt, sieht auch Sacher so: „Der war in Wahrheit schrecklich, weil was ist bei den Bürgern denn hängen geblieben? Die Politiker sind eh alle gleich und allesamt Lumpen.“
Man dürfe das Feld jedenfalls nicht den „Schreihälsen, den Populisten überlassen, wenn ich mir etwa die Aschermittwochsrede von Kickl anschaue, das ist purer Hass und Hetze.“ Deshalb müsse die SPÖ ihre Hausaufgaben machen, die Sacher zum Schluss nochmals zusammenfasst: „Glaubwürdige Persönlichkeiten. Bessere Kommunikation. Und unsere Inhalte. Wir haben ja gute Ideen und gesellschaftspolitische Ansätze, aber wir verwandeln die Elfmeter nicht, wenn ich etwa nur an Teuerung, Miete & Co. denke.“ Gelinge das nicht, dann sähe es nicht nur für die SPÖ, sondern für ganz Österreich düster aus.
Genosse Robert
Schauplatzwechsel, Café Wellenstein, 11 Uhr. Als ich komme, sitzt Nationalrat Robert Laimer schon im hinteren Teil des Lokals an einem Tisch, der nicht besser gewählt sein könnte. Über ihm prangt nämlich ein Bild, das eine schreiende Frau mit (rosa)roter Brille zeigt. Ich sehe darin natürlich sofort eine Allegorie der leidgeprüften SPÖ, der einfach nur zum Schreien zumute ist. Der 56-jährige Neo-Opa hat bislang eine facettenreiche SPÖ-Karriere hingelegt, war u. a. Bezirksparteisekretär in St. Pölten, ebendort Stadtrat sowie Landesgeschäftsführer der SPÖ Niederösterreich. Seit 2017 sitzt er für die Roten im Nationalrat, wo er u. a. als Wehrsprecher der Partei fungiert.
Zu Beginn begeben wir uns auf Factfinding-Mission, was bei der NÖ-Wahl schiefgelaufen ist, wobei Laimers Grundbefund mit jenem Sachers ziemlich übereinstimmt „Wir machen Wahlkämpfe wie vor 20 Jahren – heute sind aber soziale Medien wichtig, von Podcasts bis hin zu ganz klaren Kandidatenprofilen, um so auch die Breite der Bewegung rüberzubringen.“ Dass von vielen vor allem Spitzenkandidat Franz Schnabl für die Niederlage verantwortlich gemacht wird, greift dem Nationalrat allein zu kurz, „weil der Spitzenkandidat natürlich die Verantwortung trägt, aber er verliert eine Wahl ja nicht allein!“ Der Wechsel an der Parteispitze war jedenfalls als Reaktion richtig, wobei sich Laimer vom neuen Obmann Sven Hergovich, den er in Anlehnung an „Wiki und die starken Männer“ den „roten Sven“ nennt, frischen Wind erhofft. „Er steht für einen neuen Politikstil und verkörpert idealerweise die Attribute offen-modern-sozial. Seine Vorleistungen als AMS-Chef in Niederösterreich sind groß, ja großartig“ Damit vermittle man ad personam auch das SPÖ-Kernanliegen schlechthin, soziale Gerechtigkeit. „Das ist DER gesellschaftliche Angelpunkt – welche Verwerfungen und destruktiven Kräfte eine diesbezügliche Schieflage bringen kann, haben die 30er-Jahre des letzten Jahrhunderts leidvoll gelehrt.“ Gerade Themen wie Teuerung, Mieten, Energie, Digitalisierung seien heute relevant, darauf gelte es Antworten zu geben. Der Fokus der SPÖ sei im Wahlkampf auf Landesthemen gerichtet gewesen, „in Krisenzeiten schlagen allerdings Bundesagenden besonders emotional auf.“ So ging man mit wichtigen Anliegen wie etwa Kinderbetreuung in den Wahlkampf, während die FPÖ insbesondere mit ihrem Dauerbrenner „Ausländer“ an der SPÖ vorbeizog, „weil sie Emotionen bedient hat. Das haben wir nicht geschafft. Dabei habe ich bereits im Herbst gefordert, dass auch wir unsere Positionen zum Thema Sicherheit und Migration klar vermitteln müssen. Da hat es geheißen, mit dem Thema kann man nix gewinnen – man kann aber, was nicht begriffen wurde, damit vehement verlieren, wenn man es ignoriert!“
Auch der Untersuchungsausschuss habe der SPÖ wie der Politik insgesamt eher geschadet, „weil er demokratiepolitisch in der Außensicht aber auch nach innen problematisch ist. Da geht es doch sehr ans Eingemachte, sodass die Protagonisten teils völlig zerstritten und die Beziehungen zerrüttet sind. Das erleichtert nicht gerade die künftige Zusammenarbeit.“ Politik müsse aber stets den politischen Diskurs und nicht Bashing des Mitbewerbers in den Vordergrund rücken, „das bringt ÖVP und SPÖ nämlich gar nichts, sondern hilft nur der FPÖ.“
Sicher nicht weiter bringt die SPÖ auch die Dauerdebatte um den Parteivorsitz, wobei Laimer Pamela Rendi-Wagner als Mensch schätzt, „vor allem ihre offene, liberale Haltung. Sie holt sich etwa von den Ressortsprechern Expertise ein, hält sich am Laufenden, lässt aber auch anderen öffentliche Auftritte – das unterscheidet sie sehr von ihren Vorgängern.“ Vielleicht, mutmaßt man als naiver Beobachter, ist aber gerade das ihr Problem? Die Führungsdebatte und „diese Dolchstoßgeschichten sind jedenfalls völlig skurril und unverständlich, weil sie uns nur schaden – das kann ich ehrlich gesagt auch nicht akzeptieren“, ärgert sich Laimer, räumt aber zugleich ein, „dass in dieser Frage bald eine Entscheidung gefällt werden muss.“ Nicht zuletzt, weil sie fast alles andere überstrahlt. „Ich rede ja oft mit Leuten, etwa am Markt, und da sagen mir viele, durchaus Sympathisanten der Partei: ‚Du Robert, ich wähl euch erst wieder, wenn ihr einmal selbst wisst, wofür ihr steht und was ihr wollt.‘“
Überhaupt müssten die Politiker wieder mehr bei den Leuten draußen sein. Diesbezüglich ortet er eine gewisse Schieflage in der SPÖ insofern, „weil unsere Politik aktuell zu sehr auf die Städte, insbesondere Wien fokussiert ist, während die Themen in den Ländern zu wenig Beachtung finden.“ Der Nationalrat plädiert deshalb für eine Doppel-Geschäftsführung „wo eine Person für den urbanen Bereich, die andere für den ländlichen zuständig ist.“ Ebenso müssten die Strukturen der SPÖ „schlanker werden – wie wir es etwa in Niederösterreich mit den sieben Wahlkreisen aufgezogen haben. Und es braucht gute Leute an der Spitze, die sich die Arbeit aufteilen: einer für die Organisation, einer für die Kommunikation, einer für die Kommunen!“ Last but not least müsse man auch „die befreundeten Organisationen wieder stärker in die Bewegung einbinden, ihre Expertise einholen – das darf man nicht an irgendwelche Agenturen auslagern! Das ist ja absurd!“
Klingt nach einem Mammutprogramm, für das es vielleicht so etwas wie eines Befreiungsschlages bedürfte? „Ich empfehle eine Art Einigungsparteitag 2.0. Vielleicht sogar symbolträchtig in Hainfeld, wo dereinst Viktor Adler die Partei 1888 einte und damit die Sozialdemokratie begründete. Als Grundlage das Linzer Programm von 1926, quasi in Rückbesinnung auf unsere ureigenste DNA und Werte, aber natürlich mit Antworten auf die großen Fragestellungen unserer Zeit: soziale Gerechtigkeit, Klimawandel, Krieg, Demokratiegefährdung, Digitalisierung etc. Daseinsvorsorge etwa ist staatliche Verantwortung. Bezüglich des liberalisierten Gas- und Strommarktes gehört die Systemfrage klar angesprochen.“ Die SPÖ könne jedenfalls nur dann wieder eine breite Bewegung werden, wenn sie ihre Lösungsansätze „die es ja gibt und die gut sind, wenn ich etwa an Mietpreisdeckel, temporäre Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel etc. denke“ zu vermitteln weiß, so dass ihr die Leute wieder vertrauen und nicht auf Populisten hereinfallen. „Die FPÖ schürt den latenten Pessimismus und die Spaltung der Gesellschaft. Aber die Kunst ist, den Menschen auch in den schlimmsten Stunden eine Perspektive, Zuversicht, Zukunft zu vermitteln, sonst macht sich Weltuntergangsstimmung breit.“ Die SPÖ weiß, wovon sie redet.
Genosse Matthias
Den Hias, wie ihn manche parteiintern nennen, reißt es um – wir erreichen den St. Pöltner Bürgermeister daher nur online und wickeln das Gespräch per Mail ab. Matthias Stadler hat dabei Einblick auf alle Ebenen der SPÖ. In St. Pölten ist er als Langzeit-Bürgermeister einer der letzten Mohikaner mit einer SPÖ-Absoluten, er bekleidete in Niederösterreich schon die Funktion des SPÖ-Landesparteivorsitzenden und ist Mitglied im SPÖ-Bundesparteivorstand. Sein Wort hat Gewicht in der Partei. Bereits einen Tag nach der Wahlschlappe ließ er via NÖN ausrichten „Wenn man Wahlen verliert, muss man auch die Konsequenzen ziehen.“ Stunden später war Franz Schnabl als Vorsitzender Geschichte, an seiner statt übernahm Sven Hergovich die Geschicke der Landespartei. Dass man quasi das Wahl-Ungemach hätte voraussehen können, glaubt Stadler nicht. „Im Nachhinein ist man immer klüger. Mit so einem Ergebnis hätte aber niemand gerechnet.“ Mit Sven Hergovich setze man jetzt jedenfalls ein Signal Richtung Verjüngung und zeitgemäßer Weiterentwicklung.
Auch den Vorwurf, dass sich die SPÖ mit ihrer Dauerdebatte rund um den Bundesparteivorsitz sowie ihrem Verrennen im ÖVP-Untersuchungsausschuss vor allem selbst im Weg steht und quasi auf wichtigere Themen vergessen hat, weist Stadler zurück. „Dass auf Themen ‚vergessen‘ wurde, stelle ich in Abrede. Die SPÖ war zum Beispiel die erste Partei, die auf die steigenden Energiepreise – lange bevor sie wirklich explodiert sind – hingewiesen hat oder auch einen Stopp bei den Mietpreisen forderte. Alles Themen, die sich im Nachhinein als wichtig herausgestellt haben und auch von der Regierung aufgegriffen wurden.“ Vielmehr dreht er den Spieß um und wirft den Medien vor, dass sie zu eindimensional über die SPÖ berichteten. „Es ist halt schwierig mit Themen unterzukommen, wenn es für die Medien attraktiver ist über Streit und personelle Diskussionen zu berichten!“ Diese Munition liefert freilich die SPÖ laufend selbst – das Burgenland lässt grüßen – und es ist eine, die definitiv nach hinten losgeht. „Dass Streiten schadet, steht außer Frage. Und wenn in Parteien nach außen hin gestritten wird, verlieren die Menschen das Vertrauen. Das ist kein SPÖ-Phänomen. Ich selbst habe mich an solchen Diskussionen daher nie beteiligt“, zeigt Stadler wenig Interesse, sich am Rendi-Dosko-Irgendwer-Roulette zu beteiligen, sondern konstatiert trocken: „Beim letzten Bundesparteitag wurde Pamela Rendi-Wagner zur Obfrau gewählt. Wir sind eine demokratische Partei und jedem und jeder steht es frei als Obmann/Obfrau zu kandidieren und sich den Gremien zur Wahl zu stellen. Solche Entscheidungen gehören nämlich in den Gremien getroffen und dann rasch umgesetzt.“
Dort sollte man sich freilich auch mit der unbequemen Frage auseinandersetzen, warum – wie es auch Stadler beschäftigt – „trotz der Themenlage, die SPÖ nicht mehr Vertrauen der Wählerinnen und Wähler gewinnen konnte?“ Der St. Pöltner Bürgermeister hätte einige Erklärungen bzw. Empfehlungen parat. „Es braucht eine klare Positionierung bei den Kernthemen der Sozialdemokratie. Man muss glaubhaft vermitteln, dass, wenn wir die Mehrheit haben, auch soziale Politik für die Menschen umgesetzt wird, wie man in St. Pölten, Wien, dem Burgenland und auch Kärnten sieht. Gerade das Burgenland zeigt aktuell, nicht nur mit der Umsetzung des Mindestlohns, dass sozialdemokratische Politik von den Menschen auch honoriert wird.“ In St. Pölten sei dies nicht anders. „Die SPÖ steht für eine sachliche, ehrliche Politik zum Wohle der Menschen“
Freilich hat man bei den Landtagswahlen trotzdem auch in der Hauptstadt ein sattes Minus von fast 9% eingefahren und damit sogar noch mehr verloren als die ÖVP. Bereitet ihm dieser Verlust, zumal er auch im Vergleich zu anderen Städten in Niederösterreich überproportional ausgefallen ist, Sorgen? „Natürlich schauen wir uns die Ergebnisse genau an und analysieren. Aber wo man viel hat, kann man auch viel verlieren. Hätten alle in Niederösterreich das St. Pölten Ergebnis, wäre es sogar ein Plus geworden. Aber alle Wahlen sind unterschiedlich und schwer miteinander zu vergleichen“, gibt sich Stadler betont gelassen. Auch im Hinblick auf die bevorstehenden Nationalratswahlen sieht er für seine Partei daher nicht schwarz, sondern quasi rot. „Die SPÖ stellt den Anspruch zu regieren und mitzugestalten. Das war immer unsere Stärke, wie man an den Errungenschaften, die die Sozialdemokratie erkämpft hat, sieht, und die federführend dazu beigetragen haben, dass Österreich jetzt da steht, wo es steht.“
Von der großen Historie allein kann man sich freilich nichts kaufen, und Dank ist bekanntlich keine Tugend der Wähler, wie etwa die französischen Sozialisten leidvoll erfahren mussten. Die einst mächtige Präsidentenpartei, die 2012 noch bei knapp 30% der Stimmen lag, hat sich in jahrelangen internen Streitigkeiten völlig aufgerieben und ist, wie es „Le Monde“ formulierte, „ein Stern, der verglüht ist.“ Von 280 Mandataren 2012 sind zehn Jahre später nur mehr 26 in der Nationalversammlung übrig geblieben. Ein Schicksal, das auch der SPÖ – v. a. auf Bundesebene – blühen könnte, wenn sie nicht rasch die Kurve kratzt? Stadler antwortet mit einer Ansage: „Wir orientieren uns nach oben, nicht nach unten!“