MFG - Wir sind Finanzminister
Wir sind Finanzminister


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Wir sind Finanzminister

Text Johannes Reichl
Ausgabe 09/2014
Die Bestellung Hans Jörg Schellings zum Finanzminister löste in St. Pölten eine regelrechte Schellingmania aus und sorgte für Rauschen im Blätterwald. Die NÖN etwa titelten „St. Pölten stellt Finanzminister“, also doch nicht, wie bislang angenommen, die ÖVP. Die Bezirksblätter wiederum jubelten über „Unser Mann im Finanzministerium“, was ebenfalls überraschte, war Schellings journalistische Tätigkeit doch bis dato unbekannt. Und eines fragt man sich schon: Warum zum Teufel brauchen die Bezirksblätter einen eigenen Mann im Finanzministerium? Am Allerbuntesten aber trieb es MFG, das aus reiner Gagsucht den berühmten Schelling-Schnauzer einfach aufs Cover knallte und seine Leser im Blattinneren vergeblich auf die Suche nach einer dazu passenden Story schickte – es gibt sie nicht!
Die Euphorie ist aber verständlich. Immerhin ist Schelling der erste St. Pöltner seit Julius Raab dem Ministerehren zuteil werden, ganz eingedenk des Raabschen, lyrisch äußerst formschönen Bonmots „Willst was gelten, kommst aus St. Pölten.“ Wobei es Schelling ja eigentlich in „Willst was gelten, kommst nach St. Pölten“ abgewandelt hat, ist „unser“ St. Pöltner doch Vorarlberger. Dafür aber auch der beliebteste, v. a. bei den Parteikollegen. Eine VP-Stadträtin etwa gurrte: „Ich bin durch ihn in die Politik gekommen“, und Vizebürgermeister Matthias Adl stellte fest: „Schelling kennt als ehemaliger Stadtrat in St. Pölten die Arbeit an der Basis der Volkspartei.“ Das zur Genüge – 2004 wurde er von seiner eigenen Partei ausgebremst.
Nicht zuletzt deshalb ist des Bürgermeisters Lob jedenfalls aufrichtig, denn Stadler war damals heilfroh, dass ihm die ÖVP dankenswerterweise in einem Husarenstück weitsichtiger Oppositionspolitik den größten und einzig ernstzunehmenden Herausforderer aus dem Weg räumte, und sich Schelling daraufhin aus der aktiven Kommunalpolitik zurückzog. Wen wundert‘s also, dass sich der Bürgermeister nun ärgerte, dass der nächstjährige Hauptstadtwein schon vergeben ist, wo die historischen Umwälzungen doch geradezu erfordert hätten, die edlen Tropfen vom Stiftsgut Herzogenburg zu nehmen, die Schelling keltert. Um den Fauxpas zu beheben, wurde umgehend eine Taskforce im Magistrat unter dem Kürzel „HSW16/Schelling“ eingerichtet, die bereits eifrig an passenden Namen für den Rebensaft bastelt. Die Palette reicht aktuell von „Schnauzer“ über „Gsiberger“ bis zu „Unsriger“. Vom historisch negativ behafteten „HJ“ hat man ebenso Abstand genommen wie von der Sommerweinhommage „Griechischer Wein“ – die finanzielle Reputation des Mittelmeerstaates scheint mit einem österreichischen Finanzminister inkompatibel. Weiters ist angedacht, der gesamten Familie Putz, die unter Schellings Ägide als Lutz-Chef erfunden wurde, die Ehrenbürgerschaft zu verleihen sowie den ehemaligen Lutz-Slogan „Oiso i find des supa“ als neuen Hauptstadt-Claim einzuführen.
Unübersehbar wirkt der Schelling-Effekt aber auch schon auf Ministerebene, sehr zum Vorteil der Landeshauptstadt. So ließ der logischerweise vom Gesundheits- zum Infrastrukturminister avancierte Alois Stöger (die Materien sind praktisch ident) im Standard-Interview mit der Verkehrsforderung aufhorchen „Wenn wir St. Pölten – New York mit nur einmal umsteigen schaffen, dann ist das eine attraktive Perspektive.“ Auf die ungläubige Nachfrage wiederholte er: „St. Pölten – New York, das ist eine schöne Sache. Ich bin überzeugt, wir schaffen das.“
Weniger schön soll dafür der Landeshauptmann Schellings Bestellung aufgenommen haben, besteht nun doch die berechtigte Gefahr, dass die beliebten Pröll-Merchandise-Artikel, wie z.B. die berühmte Pröllhaube zu Ladenhütern verkommen, weil alle nur mehr Schelling-Schnauzer wollen.
Conchita Wurst soll deshalb sogar einen Nervenzusammenbruch erlitten haben, weil ihr Rang als berühmteste(r) Bartträger(in) der Nation nunmehr ernstlich in Gefahr ist. Das Trauma arbeitet sie in ihrem neuen Song „Fall Like A Phönix“ auf.
Last but not least gibt es natürlich auch schon die ersten Trittbrettfahrer: So sehen sich die Euroskeptiker jetzt wieder stark im Aufwind. „Wir haben schon immer gesagt, dass der harte Schelling wieder eingeführt gehört!“